Was geschieht mit Christen in Malawi?
IN DEN vergangenen Monaten ist in der Weltpresse wiederholt die Aufmerksamkeit auf die Verfolgung von Christen in Malawi gelenkt worden. Diese Christen, Jehovas Zeugen, sind, wie es die Londoner Zeitung Sunday Telegram vom 14. Januar 1973 nannte, die Opfer „einer der schlimmsten religiösen Verfolgungen in Afrikas turbulenter Geschichte“ geworden.
Regelmäßige Leser der Zeitschrift Erwachet! sind mit vielen Einzelheiten dieser Verfolgung, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1972 ausbrach, vertraut. Erwachet! enthielt darüber in seiner Ausgabe vom 22. Februar einen ausführlichen Bericht unter dem Thema „Christen fliehen vor grausamer Verfolgung in Malawi“.
Dieser Bericht behandelte die Ereignisse, die sich vor wenigen Monaten abgespielt hatten. Doch was ist seitdem geschehen? In welcher Lage befinden sich diese Christen aus Malawi jetzt?
Bevor wir über den neusten Stand der Ereignisse berichten, wollen wir für die Leser die mit der Situation nicht vertraut sind, kurz zusammenfassen, was sich in Malawi abgespielt hat.
Wellen heftiger Verfolgung
Eine heftige Verfolgung der Zeugen Jehovas in ganz Malawi begann im Jahre 1967. Damals wurden viele Zeugen grausam geschlagen, und einige wurden ermordet. Hunderte ihrer Frauen wurden vergewaltigt, einige sogar wiederholt. Tausende ihrer Wohnungen, Geschäfte und Anbetungsstätten wurden ausgeplündert und zerstört. Ihre christliche Tätigkeit und ihre friedlichen Zusammenkünfte zum Bibelstudium sowie ihre gesamte Literatur wurden verboten.
Im vergangenen Jahr, im Jahre 1972, brach eine weitere Verfolgungswelle aus. Diesmal war sie sogar noch heftiger als im Jahre 1967. Das Ausmaß, in dem Zeugen Jehovas geschlagen, vergewaltigt und ermordet wurden und ihr Eigentum verbrannt oder geplündert wurde, war viel größer als damals. Die Zeugen wurden der lebensnotwendigen Dinge beraubt und aus ihren Stellungen entlassen. Ja im ganzen Land wurden Anstrengungen unternommen, die ungefähr 23 000 Zeugen Jehovas in Malawi zu vernichten. Daher waren sie gezwungen zu fliehen, um ihr Leben zu retten.
All dies waren direkte Auswirkungen offizieller Maßnahmen, die Malawis Einparteienregierung unternommen hatte. Matthew White, ein Korrespondent der Londoner Zeitschrift Financial Times, hielt sich damals gerade in Malawi auf. Aus Blantyre schrieb er folgenden Bericht, der in der Financial Times vom 31. Oktober veröffentlicht wurde:
„Die Säuberungsaktion gegen Jehovas Zeugen ... hat das Land in größere Unruhe gebracht als irgendein anderes Ereignis nach dem Erlangen der Unabhängigkeit. Die Maßnahmen gegen die christlichen Sektierer ... erfolgten nach einer Resolution, die anläßlich der Jahresversammlung der Malawi Congress Party angenommen wurde und die den Beschluß enthielt, die Zeugen sollten der lebensnotwendigen Dinge beraubt und aus ihren Dörfern ,verjagt werden‘, falls sie nicht der Partei beitreten würden.“
Diese Resolutionen wurden am 17. September vom Präsidenten von Malawi, Dr. H. Kamuzu Banda, anläßlich einer Kundgebung in Zomba unterstützt. Mit welchem Ergebnis? Korrespondent White berichtete:
„Für die Mitglieder des ,Bundes der Jugend Malawis‘ und der ,Jungen Pioniere‘ war diese Rede der Anstoß zu weiteren Unternehmungen, und sie fingen an, Hausdurchsuchungen zu machen, und vertrieben und schlugen sogar manchmal Afrikaner, die keine Parteimitgliedskarte vorweisen konnten oder die es ablehnten, eine zu kaufen. Es ist schwierig, vielleicht sogar unmöglich, das volle Ausmaß dieser Gewalttaten abzuschätzen ...
Was viele Leute hier befremdet — unter anderem auch einige Mitglieder der M[alawi] C[ongress] P[arty] —, ist die Tatsache, daß Präsident Banda die Feindseligkeiten so völlig außer Kontrolle geraten läßt.“
Die Grausamkeit der Angriffe hat bei vielen Menschen auf der ganzen Erde Abscheu hervorgerufen. Die Presse in vielen Ländern reagierte ähnlich. Typisch für zahlreiche Presseberichte war dieser Kommentar der in London erscheinenden Zeitschrift Times vom 15. Dezember 1972:
„Hitler steckte sie in Konzentrationslager, sie sind hinter dem Eisernen Vorhang verfolgt worden und sie sind in afrikanischen Einparteienstaaten verfolgt worden. Dr. Banda von Malawi hat die Sekte 1967 verboten, und in diesem Jahr sind durch heftige Angriffe seiner Jungen Pioniere — der Wachhunde der Partei Kamusus — Tausende von ihnen in Nachbarländer vertrieben worden.“
Die Regierung wurde wiederholt gebeten, die Verfolgung einzustellen, doch ohne Erfolg. Daher waren Jehovas Zeugen, wie die Times berichtete, gezwungen, aus Malawi zu fliehen, um ihr Leben zu retten.
Die Streitfrage
Im San Francisco Examiner vom 17. Oktober hieß es in einem Leitartikel über Jehovas Zeugen: „Man kann sie als Musterbürger ansehen. Sie zahlen gewissenhaft ihre Steuern, pflegen die Kranken, bekämpfen das Analphabetentum. Aber sie weigern sich aus religiösen Gründen, Mitgliedskarten der einzigen politischen Partei in Malawi zu kaufen.“
Die unmittelbare Ursache dieser Verfolgung ist also die Weigerung dieser Christen, der politischen Partei beizutreten, die Malawi beherrscht, der „Malawi Congress Party“. Sie wollen nicht die Parteikarten kaufen, wie es von ihnen verlangt wird, denn sie verhalten sich gemäß dem Gebot der Bibel in politischen Angelegenheiten neutral.
In dieser Hinsicht handeln sie genauso wie Jesus Christus und die Christen des ersten Jahrhunderts. Frage dich einmal: Welcher römischen oder jüdischen politischen Partei schloß sich Jesus an? Welcher politischen Partei schlossen sich die Apostel an? Die Bibel läßt darüber keinen Zweifel. Sie schlossen sich keiner Partei an. Sie blieben neutral und setzten ihre christliche Tätigkeit als anständige, gesetzestreue Bürger friedlich fort.
Jehovas Zeugen haben keine Mühe gescheut, den Behörden diese Dinge zu erklären. Sie haben es mit Telegrammen, Briefen, Telefonanrufen und Interviews versucht. Die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas in Brooklyn (New York) bat Dr. Banda telegrafisch, eine Zusammenkunft mit Vertretern der leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas zu vereinbaren. Aber die Regierung von Malawi gab lediglich zur Antwort, irgendwelche Informationen sollten über den Delegierten Malawis bei den Vereinten Nationen gesandt werden.
Das wurde getan. Ein dreizehnseitiges Memorandum wurde an den Vertreter Malawis bei den UN gesandt. Darin wurde der Standpunkt der Zeugen Jehovas erklärt und dargelegt, warum keine Regierung sie zu fürchten brauche. In einem Abschnitt dieses Briefes wurde unter der Überschrift „Warum sich Jehovas Zeugen weigern, Parteikarten zu kaufen“ folgendes erklärt:
„Der Standpunkt der Zeugen Jehovas in dieser Angelegenheit beruht auf den Lehren der Bibel und auf ihrem Gewissen. Jehovas Zeugen verhalten sich in allen Ländern der Welt neutral und unterstützen keine politischen Bewegungen, um so besser in der Lage zu sein, unparteiisch als Prediger der guten Botschaft zu dienen und das himmlische Königreich Jehovas Gottes zu vertreten.“
Bezüglich der Verwicklung in die Politik, die der Kauf von Parteikarten mit sich bringen würde, hieß es in dem Abschnitt auch:
„Jehovas Zeugen achten und halten die Gesetze jedes Landes, in dem sie leben, solange diese Gesetze nicht dem göttlichen Gesetz widersprechen. Was jedoch die Verwicklung in die Politik betrifft, wozu auch der Kauf von Mitgliedskarten einer politischen Partei gehört, so sagt ihnen ihr Gewissen, daß dies im Gegensatz zu den Worten unseres Herrn Jesus stehen würde, der über seine treuen Nachfolger sagte: ,Sie sind kein Teil der Welt, so, wie ich kein Teil der Welt bin.‘ (Joh. 17:16) Auch sagte Christus, wie es in Johannes 18:36 aufgezeichnet wurde: ,Mein Königreich ist kein Teil dieser Welt. Wäre mein Königreich ein Teil dieser Welt, so hätten meine Diener gekämpft.‘“
Weiter hieß es in dem Brief der leitenden Körperschaft an den Vertreter Malawis bei den Vereinten Nationen:
„Jehovas Zeugen nehmen die gleiche Haltung ein wie die ersten Christen. In dem Buch ,Christianity and the Roman Government‘ [Das Christentum und die römische Herrschaft] heißt es: ,Die Christen waren Fremdlinge und Pilgrime in der Welt, in der sie lebten; ihr Bürgertum war im Himmel; das Königreich, auf das sie hofften, war nicht von dieser Welt. Die Passivität gegenüber den Angelegenheiten des Staates war daher von Anfang an ein auffallendes Merkmal des Christentums.‘
Gestatten Sie uns jedoch, zu sagen, daß Jehovas Zeugen nicht die Absicht oder den Wunsch haben, andere daran zu hindern, sich an Politik zu beteiligen. Sie arbeiten nicht gegen die Regierung oder gegen die politische Partei Malawis. Sie selbst lehnen es ab, sich an politischen Angelegenheiten zu beteiligen oder Mitgliedskarten einer politischen Partei zu kaufen, obwohl sie deshalb schon sehr viel leiden mußten, denn für Jehovas Zeugen ist dies eine Angelegenheit ihres auf die Bibel gestützten Glaubens und Gewissens.“
Bis jetzt ist jedoch noch keine Antwort von der Regierung Malawis gekommen. Keine Abordnung hat die Erlaubnis erhalten, Jehovas Zeugen vor dem Präsidenten oder anderen Regierungsbeamten des Landes zu vertreten.
Mehr als 20 000 Zeugen Jehovas waren gezwungen, aus Malawi zu fliehen. Die meisten von ihnen flohen in das benachbarte Sambia. Einige tausend flohen nach Moca̧mbique.