Wie sich Tiere vergnügen
EIN breiter Ring von Gummibändern ließ erkennen, wo der Kühlschrank gestanden hatte. Die zwei Möbelträger schauten mich ungläubig und fragend an.
„Das hat die Katze gemacht“, murmelte ich. „Sie sammelt Gummiringe.“
Das ist tatsächlich so. Meine Katze hat eine besondere Vorliebe für Gummiringe. Dreht man einen solchen Ring zwischen Zeigefinger und Daumen, tauchen sofort zwei schwarze Pfötchen und ein schwarzes Näschen auf. Wenn sie ihn mit dem einen Vorderpfötchen, das sie spreizt, so daß es aussieht wie ein Tennisschläger, angelt, schleudert sie ihn umher oder treibt ihn wie den Korkball beim Hockeyspiel bald mit dem linken, bald mit dem rechten Pfötchen dem elektrisch betriebenen „Tor“ zu, das uns zum Frischhalten der Lebensmittel dient. Dort verschwindet er.
Spielen Tiere? Die Tierforscher sind sich darin nicht einig. Das liegt hauptsächlich daran, daß der Begriff spielen verschieden definiert wird. Die Fachleute, die sagen, die Tiere würden nicht spielen, betrachten das, was wir spielen nennen, als Übung für die spätere Nahrungsjagd. Aber wenn ich Nefer (so heißt meine Katze) beobachte, kann ich nicht glauben, daß sie es als ernste Beschäftigung ansieht, über einen Gummiring herzufallen, ihn festzuhalten und in Sicherheit zu bringen. Außerdem kann man wahrscheinlich kaum sagen, daß sie sich dadurch „auf ihre künftige Lebensaufgabe vorbereitet“. Nefer ist durchaus fähig, unerwünschte Mäuse zu fangen, wenn sie die Gelegenheit dazu erhält. Das ist dann bitterer Ernst, aber Gummibänder — sie dienen lediglich dem Zeitvertreib.
Soviel über Tiere, die vom Menschen im Haus gehalten werden, die bei ihm mitfuttern, auf oder unter seinen Möbeln schlafen und vielleicht durch ihn zum Spielen verlockt werden.
Im Scheunenhof
Wie verhalten sich Tiere, die nicht so eng mit dem Menschen zusammen leben? Wir wollen in den Scheunenhof gehen und ein Tier beobachten, das sicherlich wenig Kontakt mit dem Menschen hat. Selten wird jemand von Schweinen so fasziniert, daß er sich über einen Zaun lehnt, um ihrem Treiben zuzuschauen. Durch gewisse Umstände kamen Bekannte von mir in den Besitz eines Ferkels. Während der darauffolgenden Monate machten sie die Erfahrung, daß Schweine tatsächlich spielen. Meine Bekannten nannten das Ferkel „Priscilla“. Priscilla (mit dem Zunamen Schwein) verhielt sich fast in allem wie eine Katze. Aber wegen ihres pummeligen Leibes und weil es ihr an der für Katzen so charakteristischen Geschmeidigkeit fehlte, wirkten ihre Spielbewegungen anders. Die Katzen tollen herum und jagen ihrem Schwanz nach. Nun versuche man sich einmal vorzustellen, wie es wirkt, wenn ein kleines Tier mit gummiartiger Haut, das aussieht wie ein Fäßchen auf kurzen steifen Beinen, dasselbe tut. Schweinen gefällt es auch, wenn man ihnen den Rücken krault. Priscilla drehte ihren Rücken jedem menschlichen Fuß zu, der an einem mit einem Knie versehenen Bein baumelte. Wurde sie abgewiesen, machte sie ihrem Ärger auf eine Weise Luft, die erklärt, warum man von Schweinen sagt, sie würden Gigue tanzen. Sie stampfte mit den kleinen Füßen und quiekte enttäuscht und wütend.
Viele Tierpsychologen schrecken davor zurück, Tieren Gefühle wie „Enttäuschung“ und „Wut“ zuzuschreiben. Es ist jedoch beachtenswert, was der bekannte Naturforscher Jacques Cousteau schreibt. Zwar warnt er davor, Tieren menschliche Eigenschaften zuzuschreiben, sagt aber dennoch: „Wir dürfen indessen nicht so weit gehen und sagen, die Tiere hätten gar kein Gefühl.“
Spielende Jungtiere in freier Wildbahn
Spielen die Jungen von wildlebenden Tieren ebenso wie Jungtiere, die engen Kontakt mit dem Menschen haben? Wir wollen den Wirtschaftshof verlassen und die afrikanische Grassteppe aufsuchen, um die Antwort auf diese Frage zu ergründen. Hier beobachten wir eine Löwenmutter im Gras, umgeben von ihren Jungen. Die Löwin bewegt langsam ihren Schwanz. Für die Jungen ist der sich bewegende Schwanz nicht mehr der Fortsatz der Wirbelsäule ihrer Mutter, sondern irgendein Ungeheuer, das bezwungen werden muß. Betrachte das kleine Kerlchen, wie sich seine Pupillen weiten und es mit glasigen Augen auf den „Gegner“ starrt. Es duckt sich, seine Flanken zittern, als würde das Hinterteil auf das Vorderteil zielen. Vielleicht ist es auch so. Dann schlägt es zu und erwischt ihn. Seine Schwester hat vielleicht das Ziel verfehlt und hat nun den Bruder erwischt. Beide purzeln, und in dem Durcheinander von Pfoten und Leibern hört man nur noch ein Zischen und Miauen.
Zum Spielen aufgelegte Wassertiere
Es ist nur wenigen von uns vergönnt, jungen wildlebenden Walen beim Spielen zuzuschauen. Der Biologe Victor B. Scheffer schildert in seinem Buch Der Wal, das fröhliche Ungeheuer einiges aus dem Leben eines Walkalbes. Das Kalb wird mit dem Schwanz voran geboren. Dafür gibt es einen guten Grund. Der Wal ist ja ein Luftatmer. Würde das Kalb mit dem Kopf voran geboren, so würde es ersticken, bevor es vollends geboren wäre. Schließlich erscheint der Kopf — ein vierkantiger Block. Bei der Geburt ist das Walkalb über vier Meter lang und mehr als eine Tonne schwer. Im Alter von vier Monaten entfernt sich das Kalb öfter von der Seite seiner Mutter. Einige seiner Spielgefährten haben auf hoher See einen interessanten Gegenstand entdeckt: einen Stamm, der aus dem Tausende von Kilometern entfernten Gebiet von Alaska hierhergetrieben worden ist. „Einer der jungen männlichen Wale packt den Balken mit dem Maul, schüttelt ihn hin und her und knurrt dabei in der Walsprache, als vergnüge er sich an einem eingebildeten Kampf mit einem schrecklichen Tiefseeungetüm. Wahrlich, ein Heidenspaß!“ schreibt Scheffer.
Der Naturforscher Gerald Durrell berichtet in seinem Buch Das flüsternde Land (der Titel bezieht sich auf einen Teil Argentiniens, Patagonien genannt) über die Spiellust eines anderen Tieres. Von einer jungen Pelzrobbe, der er den Namen „Oswald“ gab, schreibt er: „Was ihm an Körpermaßen fehlte, das machte er durch Willenskraft und Persönlichkeit wett. Als mir Oswald zum erstenmal auffiel, war er eifrig damit beschäftigt, ein langes Band glitzernden grünen Tangs ... anzupirschen ... Ein leichtes Windchen verdrehte das Ende der Alge, ... ob dieser beängstigenden Bewegung machte Oswald kehrt und gab Fersengeld, so schnell ihn seine Flossen zu tragen vermochten. ... Vorsichtig näherte er sich ihr wieder, ... man hatte den Eindruck, daß er auf seinen großen flachen Flossen auf den Zehenspitzen ginge.“ Schließlich nahm Oswald seinen ganzen Mut zusammen und stürzte sich auf die Alge. Dann stolzierte er mit seiner Trophäe davon. „Die Alge baumelte ihm wie ein grüner Schnurrbart zu beiden Seiten aus dem Maul ..., und er machte ein sehr vergnügtes Gesicht, weil sein erster Angriff den Feind anscheinend vernichtet hatte.“
Wie sich andere vergnügen
Durrell erzählt auch, daß er einmal zuschaute, wie ein Fuchspaar, das einem seiner Lagerplätze einen Besuch abstattete, mit einer Rolle Toilettenpapier spielte. Er schreibt: „Ihre nächste Entdeckung war eine große Rolle rosa Toilettenpapier ... Es erwies sich als ungenießbar; doch dann stellten sie fest, daß es sich auf höchst befriedigende Weise aufrollte, wenn man es munter bepfotete. So tanzten und wirbelten sie ... auf ihren schlanken Beinen herum, schleuderten die Papierrolle hin und her ... und sprangen zierlich in die Luft ... Das ganze Lager erhielt eine fröhliche Karnevalsnote.“ Als die Schau vorbei war, flatterten fast vierzig Meter rosarotes Toilettenpapier im Wind!
Die Otter sind in den Wäldern Europas und in anderen Gebieten der Welt verbreitet. Daß die Otter spielen, darüber sind sich die meisten Naturforscher einig. Diese Tiere spielen aus lauter Freude am Spiel. Wenn man ein sausendes Geräusch und darauf ein Plumpsen hört, und zwar immer und immer wieder, wird man wahrscheinlich das Vergnügen haben, in den Genuß des possierlichsten Schauspiels zu kommen, das Tiere bieten können. Das sausende Geräusch stammt von Ottern, die eine steile Uferböschung hinunterschlittern. Von dieser selbstgebauten Rutschbahn haben sie sorgfältig jeden Stein entfernt und sie dann mit ihrem Pelz benetzt, um sie glitschig zu machen. Das andere Geräusch wird erzeugt, wenn sie am Ende der Rutschbahn in den See oder Fluß plumpsen. Sie scheinen des Spiels nie müde zu werden. Im Winter benutzen diese Tiere für ihre Rutschbahn ein anderes Material, das es in dieser Jahreszeit in Fülle gibt: Schnee!
Peter Marler und William J. Hamilton III. schreiben: „Man hat beobachtet, daß alle Wirbeltiere spielen, ausgenommen die Fische.“ Ich habe jedoch auf dem Stillen Ozean beobachtet, daß fliegende Fische mit einem großen Überseedampfer um die Wette geschwommen sind, und an der Küste von Florida sah ich, wie ein riesiger Blauer Marlin aus dem Wasser sprang und scheinbar sekundenlang auf dem Schwanz über den Wellen stand, bevor er sich wieder ins Wasser fallen ließ. Wenn ein Fisch das nicht tut, um den Schmerz loszuwerden, den ihm ein Haken verursacht, so erweckt ein solches Verhalten den Eindruck, es mache ihm Spaß. Scheffer schreibt, daß auch Delphine (Cetacea) spielen. „Sie schießen aus dem glatten Meer hoch und verstreuen eine Million Juwelen hinter sich.“ Wenn das einem Tier Freude bereitet, selbst wenn es sich dabei um einen Fisch handelt, könnte man es dann nicht als Spiel bezeichnen?
Auch der Wellensittich ist gelegentlich recht spiellustig. In Gefangenschaft lebende Sittiche benutzen des öfteren die Stäbe des Käfigs, um daran hinunterzurutschen wie ein Feuerwehrmann an einer Stange.
Wir haben jetzt über die Spielfreudigkeit von Haustieren, von Tieren, die in der afrikanischen Grassteppe leben, und von Tieren, die im Meer, in den Wäldern oder in der Luft leben, gesprochen. Gibt es aber auch im Dschungel Tiere, die spielen?
Im Dschungel können wir eine Schimpansenmutter beobachten, die ihr Baby kitzelt. Das Kleine krümmt und windet sich. Auch wirft es die Mutter zum Spaß hin und her. Es gibt also nicht nur bestimmte Tiere, die spielen. Bei den Tieren ist es so wie bei den Menschen: Die älteren haben ihren Spaß am Spiel der jungen, und manchmal tun sie selbst etwas, was die Kleinen dann zum Spielen verlockt.
Was ist Spielen? Wie bereits erwähnt, ist man sich darüber uneins. Übereinstimmend wird erklärt, es sei eine Tätigkeit ohne nützlichen Endzweck. Obschon beim Spielen Verhaltensweisen vorkommen mögen, die zu anderen Zeiten einem nützlichen Zweck dienen (wie das Ducken oder Anschleichen), so schließt es doch nicht all die Bewegungen ein, die für die Jagd auf Nahrung erforderlich sind. Sicherlich muß Freude damit verbunden sein, es muß Spaß machen. So wird in Mechanisms of Animal Behavior darauf hingewiesen, daß junge Katzen, Füchse und Mungos ganz harmlose Gegenstände anschleichen: ein Blatt oder ein Stück Schnur. Sie nähern sich dem Gegenstand und springen dann senkrecht in die Luft.
Cervantes sagte: „Wer mit Katzen spielt, muß damit rechnen, gekratzt zu werden.“ Ich würde es so ausdrücken: „Wer mit Katzen oder anderen Geschöpfen Gottes spielt, muß damit rechnen, daß es dabei viel zu lachen gibt.“ (Eingesandt.)