„... noch viel zu lernen“
◆ In der ganzen Welt haben Wissenschaftler darüber nachgedacht, wie es den Zugvögeln gelingt, den Weg auf ihren weiten Wanderungen zu finden. Manchmal scheinen sich die Vögel nach markanten Landmarken wie Küsten oder Gebirgsketten zu orientieren. Aber offensichtlich reicht diese Erklärung nicht aus, denn diese Vögel überfliegen gelegentlich breite Gewässer, oder sie fliegen nachts, wenn solche Landmarken nicht zu sehen sind. Wie finden sie dann den Weg?
In den 1950er Jahren hat ein deutscher Wissenschaftler durch Versuche gezeigt, daß sich gewisse Vögel nach der Sonne orientieren. Die Versuche bewiesen sogar, daß die Vögel eine innere Uhr haben, die es ihnen ermöglicht, die scheinbare Bewegung der Sonne am Himmel auszugleichen.
Die Vögel, die nachts ziehen, richten sich anscheinend nach dem Stand der Sterne. Es gibt Vögel, die einen Stern oder eine Gruppe von Sternen anpeilen und in einem bestimmten Winkel dazu fliegen. Auch diese Vögel können, wie die Vögel, die am Tag ziehen und sich nach der Sonne orientieren, durch ein inneres Zeitgefühl den Winkel, in dem sie im Verhältnis zu den Sternen fliegen, ständig anpassen. Andere Vögel benutzen anscheinend ein unveränderliches Sternmuster, ähnlich wie der Mensch mit Hilfe des Großen Bären den Polarstern ermittelt.
Über die wunderbare Fähigkeit der Vögel, sich auf diese Weise zu orientieren, schrieb Dr. Stephen Emlen, außerordentlicher Professor für Tierverhalten: „Viele weisen auf diese Studien hin und ziehen den Schluß, daß die Geheimnisse der Tierwanderung gelüftet seien. Das stimmt aber nicht. Die gegenwärtigen Theorien erklären nicht, warum ein Tier eine Richtung einer anderen vorzieht. Und neue Forschungsergebnisse lassen erkennen, daß die Sterne und die Sonne für einige Zugvögel nicht einmal notwendig sind.“ Es gibt zum Beispiel Vögel, die nachts bei bedecktem Himmel fliegen, ja sogar zwischen zwei Wolkendecken. Dr. Emlen fügte hinzu: „Dadurch wird nicht widerlegt, daß sich die Vögel nach den Himmelskörpern orientieren, aber es läßt erkennen, daß sie vielleicht noch etwas anderes als Orientierungshilfe benutzen. Was es ist, wissen wir nicht. Benutzen sie vielleicht den Wind als Orientierungshilfe oder das Magnetfeld der Erde? Die jüngsten Forschungen legen die Vermutung nahe, daß beides möglich ist. Vielleicht werden wir es eines Tages wissen. ... Es gibt immer noch viel zu lernen.“