So wird Afrikas große Batterie geladen
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Südafrika
WÜRDE es dich überraschen, von einer Batterie zu erfahren, die so stark ist, daß sie den Strombedarf einer großen Stadt decken kann? Oder daß sie durch ein „Überladen“ sogar ein durstiges Industriegebiet mit Wasser versorgen kann? Offensichtlich handelt es sich dabei nicht um ein tragbares Gerät. Daher müssen wir, um es zu untersuchen, in die malerische Landschaft der Drakensberge in der Nähe der Grenze zwischen Lesotho und Südafrika reisen.
Unser Aussichtspunkt liegt direkt an der Großen Randstufe in einer Höhe von über 3 000 Metern. Die Luft ist frisch und der Ausblick atemberaubend. Hinter uns erstreckt sich ins Landesinnere eine große zentrale Hochebene, die als das Highveld bekannt ist. Auf unserer Seite stürzt der Tugela über die Randstufe in das grüne Vorgebirge, wo er sich zu einem Fluß ausweitet und bald zu einem großen Strom wird.
Bei unserem Blick nach unten fallen uns zwei Überlandleitungen auf. Sie führen nicht zu einem Kraftwerk, das Rauch in die Luft speit; vielmehr enden sie abrupt an den Felsen des Vorgebirges. Etwa 400 Meter oberhalb der Überlandleitungen liegt hinter einem Bergrücken ein großer Wasserspeicher. Ungefähr fünf Kilometer entfernt davon befindet sich in viel geringerer Höhe ein zweiter Speicher. Eigenartigerweise ändern sich die Wasserstände der Speicher ständig. Niemals sind beide gleichzeitig voll oder leer. Man kann die Schwankungen sogar wöchentlich voraussagen. Am Freitagnachmittag kann man sicher sein, daß der untere voll ist, wohingegen am Montag das Wasser dort verschwunden und der obere Speicher bis zum Überfließen voll sein wird.
Im Untergrund verborgen ist ein Netz von Tunneln und Schächten, die die Speicher miteinander verbinden. Zu diesem System gehören vier große Maschinen, die entweder als Pumpen oder als stromerzeugende Turbinen arbeiten. Sechsundzwanzig Millionen Kubikmeter Wasser müssen hochgepumpt werden, um den oberen Speicher zu füllen. Man kann das Ganze mit einer großen Batterie vergleichen, die das durstige Highveld nicht nur mit Strom, sondern auch mit Wasser versorgt. Es wird als das Pumpspeicherwerk der Drakensberge bezeichnet.
Vorzüge überwiegen Pumpkosten
Obwohl Batterien nützlich sind, kosten sie gewöhnlich Geld und erfordern Zeit zum Laden. Ebenso ist Elektrizität nötig, um Wasser in den oberen Speicher zu pumpen, der nach über 35 Stunden gefüllt ist. Das geschieht am Wochenende und nachts, also während der Schwachlastzeiten der Kraftwerke.
Gegenwärtig wird der Strombedarf Südafrikas hauptsächlich durch Kohlekraftwerke gedeckt, die eine Kapazität von etwa 19 000 Megawatt haben. Die zusätzlichen in den Drakensbergen gespeicherten Megawatt sind daher eine willkommene Ergänzung bei Notfällen oder Spitzenbelastungen. Ein enormer Strombedarf entsteht mittags und am frühen Abend, wenn die Mahlzeiten zubereitet werden.
Zu diesen Zeiten ein zusätzliches Kohlekraftwerk in Gang zu bringen wäre kostspielig und würde die Luft verschmutzen. Außerdem dauert es bei Kohlekraftwerken Stunden, bis nach einem Kaltstart die volle Leistung erreicht wird. Die umstrittenen Kernkraftwerke geben eine festgelegte Leistung ab, was zu Energieverschwendung in den Schwachlastzeiten führt. Bei Pumpspeicherwerken sind etwa drei Stunden Pumptätigkeit erforderlich, um zwei Stunden Strom zu erzeugen. Lohnt sich das?
„Trotz des schlechten Wirkungsgrades, was die reine Energieerzeugung anbelangt“, heißt es in der Encyclopædia Britannica, „sind solche Anlagen von großem praktischem Wert, da sie die Verwendung sonst verschwendeter Überschußenergie gestatten.“ Die überschüssige Kapazität von Generatoren zu speichern und sie dann in Energie umzusetzen, wenn sie benötigt wird, läßt sich vergleichen mit dem Auffüllen eines Lagers zu einer Zeit des Überflusses und der Niedrigpreise und dem anschließenden gewinnbringenden Verkauf in einer Zeit hohen Bedarfs.
Das Pumpspeicherwerk der Drakensberge hat noch einen weiteren Vorteil — es versorgt eine wachsende Industrie im Inland mit Wasser. Dazu gehören die Goldminen, die Südafrikas größte Einnahmequelle sind. Hier wird mehr Gold gefördert als in allen anderen Ländern der Welt zusammengenommen. Dazu muß genügend Wasser geliefert werden, koste es, was es wolle. Am Wochenende wird der Pumpvorgang, wenn der obere Speicher gefüllt ist, noch 10 Stunden fortgesetzt. Auf diese Weise werden jede Woche Millionen Kubikmeter Wasser vom Tugelabecken zu dem weitaus höher gelegenen Vaalbecken transportiert. Welch geringer Kostenaufwand im Vergleich zu dem hohen Preis des Goldes!
Wie funktioniert es?
Der Tugela ist ein Fluß, der den unteren Speicher — den Kilburnspeicher — mit Wasser versorgt. Von dort aus wird es im Berg hochgepumpt, um den Driekloofspeicher zu füllen. Sobald er gefüllt ist, fließt das Wasser in einen zusätzlichen Speicher. Es handelt sich dabei um den größten Speicher Südafrikas, und wenn er fertiggestellt sein wird, werden seine Erdwälle zu den größten der Welt gehören.
Zu den bestimmten Zeiten des Spitzenbedarfs während der Woche wird der Pumpvorgang umgedreht. Beim oberen Speicher wird der „Stopfen“ gezogen. Das Wasser stürzt nach unten und die riesigen Pumpen werden zu Turbinen, die nach einer Anlaufzeit von weniger als drei Minuten 1 000 Megawatt erzeugen. Falls nötig, kann diese Leistung 27 1⁄2 Stunden durchgehalten werden, bevor die Batterie wieder geladen werden muß. Mit anderen Worten: Der obere Speicher muß dann gefüllt werden. (Siehe Illustrationen auf dieser Seite.)
Das Kraftwerk im Untergrund
Die vier umkehrbaren Pumpturbinen sind mehr als hundert Meter unter der Oberfläche des Berges in einer künstlichen Höhle verborgen. Das Volumen dieses Hohlraums entspricht einem 13stöckigen Häuserblock mit 77 Dreizimmerwohnungen pro Etage. An jeder Seite sind zwei zusätzliche große Kammern angeordnet, die die Ventile zur Regulierung des Wasserrückflusses und die Transformatoren zur Umspannung des erzeugten Stromes für die Überlandleitungen beherbergen.
Jede Pumpturbine kann maximal 270 Megawatt erzeugen, was mehr als 360 000 PS entspricht. Das liegt bei weitem über dem Strombedarf des Nachbarstaates Lesotho. Sowohl beim Pumpen als auch bei der Stromerzeugung machen diese Maschinen 375 Umdrehungen in der Minute.
Die wasserführenden Betontunnel haben einen Durchmesser von sechs Metern. Vor dem unteren Speicher vereinigen sie sich zu einem noch größeren Tunnel. Hier fließt das Wasser mit einer enormen Geschwindigkeit — bis zu 200 km/h. All das spielt sich, unsichtbar für das Auge, unter dem wogenden Gras des Vorgebirges der Drakensberge ab.
Seit der Inbetriebnahme des ersten Pumpspeicherwerks der Welt im Jahre 1892 in der Nähe von Zürich werden solche Anlagen immer mehr geschätzt. Obwohl sie ein erfolgreiches Mittel zur Energiespeicherung sind, können sie keine Energie erzeugen. Andere Kraftwerke müssen den Strom liefern, den die Pumpen zur Förderung des Wassers brauchen. Erst wenn das Wasser durch die Schwerkraft wieder nach unten fließt, wird die gespeicherte hydraulische Energie an der drehenden Welle, die die Generatoren antreibt, in mechanische Energie umgewandelt und erzeugt dann wieder elektrische Energie.
[Karte/Bild auf Seite 20]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Driekloof
Generator- und Pumpstation
Kilburn
[Bild auf Seite 21]
Als Generator
Driekloofspeicher
Kilburnspeicher
[Bild auf Seite 21]
Als Pumpe
Driekloofspeicher
Kilburnspeicher