Junge Leute fragen sich:
Warum behüten mich meine Eltern so sehr?
Du sagst, du seiest alt genug, um am Wochenende länger auszubleiben. Sie sagen, du müssest beizeiten zu Hause sein.
Du möchtest dir den neuen Kinofilm anschauen, über den alle anderen Jugendlichen sprechen. Sie erklären, du dürfest ihn nicht sehen.
Du sagst, du hättest einige nette Jugendliche getroffen, mit denen du etwas unternehmen möchtest. Sie sagen, sie würden deine Freunde gern zuerst kennenlernen.
ALS Teenager kommt es einem manchmal vor, als ob die Eltern einen mit eisernem Griff festhielten. Es scheint, als ob jeder Wunsch zwangsläufig mit einem „Nein, das geht nicht“ abgeschlagen wird. Ein Mädchen erinnert sich: „Als Teenager erlegten mir meine Eltern alle möglichen Einschränkungen auf. Zum Beispiel mußte ich um Mitternacht zu Hause sein. Ich ärgerte mich furchtbar darüber.“
Die neugierigen Augen deiner Eltern scheinen dir auf Schritt und Tritt zu folgen. „Mein Vater fragt mich ständig, woher ich mein Geld habe und wofür ich es ausgebe“, klagt der 18jährige Billy. „Ich finde, wenn ich es verdiene, dann müßte ich auch selbst entscheiden können, wofür ich es ausgebe.“ Die 15jährige Debbie hat ähnlichen Kummer: „Mein Vater will immer wissen, wo ich bin und wann ich nach Hause komme. Die meisten Eltern verhalten sich so. Müssen sie denn alles wissen? Meine Eltern sollten mir mehr Freiheit lassen.“
Will man aber fair sein, so muß man zugeben, daß es die meisten Jugendlichen nicht selten schaffen, ihren Kopf durchzusetzen, und wahrscheinlich bildest du keine Ausnahme. Dennoch gibt es vielleicht Zeiten, wo deine Eltern vergessen, daß du bald erwachsen bist, und dich daher nicht wie einen Teenager behandeln, sondern eher wie ein kleines Kind. Wie kommt es, daß Eltern einen starken Drang haben, ihre Kinder zu behüten?
Sie suchten „ganz verzweifelt“
Zweifellos ist dir schon seit langem klar, daß dieser Drang mit der Aufgabe, vor die Eltern gestellt werden, einhergeht. Vater und Mutter sind nicht nur darum besorgt, dir ein Dach über dem Kopf, Kleidung und Nahrung zu geben, sie versuchen noch dazu, dich so gut wie möglich zu belehren, zu erziehen und auch zu behüten. Und wenn deine Eltern Christen sind, nehmen sie das biblische Gebot ernst, dich „in der Zucht und in der ernsten Ermahnung Jehovas“ aufzuziehen (Epheser 6:4). Sie sind dir gegenüber ganz und gar nicht gleichgültig. Deine Eltern sind vor Gott für die Art und Weise verantwortlich, wie sie dich erziehen. Und wenn dein Wohlergehen irgendwie gefährdet ist, machen sie sich Sorgen.
Denke einmal an die Eltern von Jesus Christus. Nach einem Besuch in Jerusalem machten sie sich ahnungslos ohne ihn auf die Heimreise. Als sie merkten, daß er nicht mitgekommen war, suchten sie eifrig — wenn nicht gar verzweifelt — drei Tage lang nach ihm. „Endlich entdeckten sie ihn im Tempel. Er saß bei den Gesetzeslehrern, hörte ihnen zu und stellte ihnen Fragen.“ Jesu Mutter rief: „Kind, warum machst du uns solchen Kummer? Dein Vater und ich haben dich schon ganz verzweifelt gesucht“ (Lukas 2:41-48, Die Gute Nachricht). Wenn Jesu Eltern schon um ihren Sohn Angst hatten, dann überlege einmal, wie oft sich deine Eltern um dich Sorgen machen müssen.
Kraft gegen Erfahrung
Ein weiterer Grund, warum Eltern dazu neigen, ihre Kinder zu behüten, liegt darin, daß sich ihre Vorstellung von dir, deinen Freunden und der Welt, in der wir leben, wahrscheinlich erheblich von deiner Vorstellung darüber unterscheidet. Wie Salomo einst feststellte, sind junge Leute voller „Kraft“ und Energie (Sprüche 20:29). Von ihrer Warte aus bietet die Welt zahllose Gelegenheiten, ihre Leistungsfähigkeit zu erproben und zu steigern. Doch dabei bekunden sie nicht immer das beste Urteilsvermögen, da sie unerfahren sind und es ihnen an „Klugheit“ fehlt (Sprüche 1:4). Erwachsene haben vielleicht nicht soviel „Kraft“, doch aufgrund ihrer Erfahrung sehen sie die Welt oft mit anderen Augen. Sie kennen die Fallgruben und Gefahren des Lebens und möchten dir helfen, von ‘dir Unglück fernzuhalten’ (Prediger 11:10).
Nehmen wir die unaufhörlichen Diskussionen darüber, wann du zu Hause sein solltest, als Beispiel. Du siehst vielleicht keinen Grund dafür, daß dir in dieser Hinsicht Einschränkungen auferlegt werden. Doch hast du die Angelegenheit je vom Standpunkt deiner Eltern aus betrachtet? Die Schüler, die das Buch The Kids’ Book About Parents schrieben, versuchten, das zu tun. Sie geben zu: „Wir wissen, daß sich die Eltern Sorgen machen und ärgerlich werden, wenn ihr Kind nicht rechtzeitig zu Hause ist.“
Diese Jugendlichen stellten eine Liste zusammen, die sie wie folgt überschrieben: „Was Eltern durch den Kopf geht, wenn ihr Kind nicht rechtzeitig zu Hause ist“. Wie aus dieser Liste hervorgeht, malen sich Eltern unter anderem aus, daß ihr Kind Drogen nimmt, in einen Autounfall verwickelt ist, im Park herumlungert, mit der Polizei in Konflikt kommt, sich einen Pornofilm ansieht, Rauschgift verkauft, vergewaltigt oder überfallen wird, im Gefängnis landet oder der Familie Schande macht.
Oberflächlich betrachtet, scheint es fast belustigend, daß einige Eltern zu solchen Schlußfolgerungen kommen. „Ich würde so etwas niemals tun“, erklärst du stolz. Aber stimmt es nicht, daß viele junge Leute — vielleicht auch einige deiner Schulkameraden — solche Dinge tun? Solltest du daher die Warnung übelnehmen, daß es dir schaden könnte, zu spät nach Hause zu kommen und schlechten Umgang zu haben? Sogar Jesu Eltern wollten wissen, wo ihr Sohn war.
Habe Verständnis für die Gefühle deiner Eltern
Womöglich sind nicht alle Einschränkungen, die dir deine Eltern auferlegen, einleuchtend. Einige Jugendliche sagen sogar, die Furcht ihrer Eltern, ihnen könnte etwas zustoßen, grenze an Wahnvorstellungen. Es gibt allerdings Gründe für ihre Ängste. Die Bibel erzählt von einem jungen Mann namens Benjamin. Die Umstände brachten es mit sich, daß er und seine Brüder nach Ägypten gehen mußten. Wie reagierte sein Vater? Die Bibel sagt: „Jakob aber sandte Benjamin, Josephs Bruder, nicht mit seinen anderen Brüdern, denn er sagte: ‚Es mag ihm sonst ein tödlicher Unfall zustoßen‘“ (1. Mose 42:4).
Benjamin war ein erwachsener Mann; wahrscheinlich war er schon über 30 Jahre alt. Er hätte sich verständlicherweise über diese Behandlung ärgern können. Warum sollte ihm eher ein „tödlicher Unfall“ zustoßen als einem seiner zehn älteren Brüder? Dennoch verstand er wohl die Gefühle seines Vaters. Benjamin war das zweite Kind Rahels, der geliebten Frau Jakobs. Sie war bei seiner Geburt gestorben (1. Mose 35:17, 18). Du kannst dir sicher vorstellen, wie sehr Jakob an seinem Sohn hing. Außerdem befand sich Jakob in dem Irrtum, Joseph, seinem anderen Sohn von Rahel, sei ein „tödlicher Unfall“ zugestoßen. Wenn Jakobs Reaktion vielleicht auch nicht ganz vernünftig war, so war sie zumindest verständlich.
Vielleicht gehen auch deine Eltern manchmal in dem Wunsch, dich zu behüten, etwas zu weit. Denke aber daran, wieviel Zeit, Energie und Gefühl sie in dich investiert haben. Der Gedanke, daß du erwachsen wirst — und schließlich sogar das Elternhaus verläßt —, beunruhigt und beängstigt deine Eltern wahrscheinlich.a Eine Mutter schrieb: „Mein einziges Kind, ein Sohn, ist nun 19 Jahre alt, und ich kann den Gedanken kaum ertragen, daß er eines Tages ausziehen wird.“
Ja, die Tatsache, daß du erwachsen wirst, führt deinen Eltern unbarmherzig vor Augen, daß sie älter werden und daß ihre Aufgabe als Eltern ihrem Ende zugeht (obwohl dies in Wirklichkeit nicht der Fall ist). Eine Mutter sagte: „Zunächst denkt man, man habe sein Leben gelebt und gehöre nun zum alten Eisen.“
Daher neigen einige Eltern dazu, ihre Kinder zu bemuttern und zu sehr zu behüten. Es wäre jedoch grundfalsch, darauf ärgerlich zu reagieren. Eine junge Frau erinnert sich: „Bis ich 18 Jahre alt war, hatten meine Mutter und ich eine sehr enge Verbindung. ... [Doch] als ich älter wurde, kam es zu Problemen. Ich wollte mehr Unabhängigkeit, was sie wiederum als eine Bedrohung für unsere Beziehung betrachtet haben muß. Sie versuchte, mich immer mehr festzuhalten, und meine Reaktion war, daß ich mich noch mehr zurückzog. Nun erkenne ich, daß die Schuld zum Teil bei mir lag.“ Es ist weit besser, „Mitgefühl“ zu bekunden und für die Eltern Verständnis aufzubringen (1. Petrus 3:8). Ein junges Mädchen namens Kathy erklärte, dies habe ihr geholfen, auf ihre Eltern mehr Rücksicht zu nehmen.
Auch du wirst gut daran tun, deinen Eltern gegenüber rücksichtsvoller zu sein und auf gegenseitiges Verständnis hinzuarbeiten. Denke daran, daß nicht alle Jugendlichen Eltern haben, die ausreichend für ihr Wohlergehen sorgen. Und wenn deine Eltern sich um dich kümmern, dann freue dich darüber. Es bedeutet, daß du geliebt wirst.
[Fußnote]
a Siehe die Artikelserie mit dem Thema „Wenn sie groß sind und aus dem Haus gehen“ (Erwachet! vom 8. Mai 1983).
[Bild auf Seite 16]
Vielen Teenagern kommt es vor, als würden ihre Eltern sie einsperren