Zeit — Bist du ihr Herr oder ihr Sklave?
„WARUM kommst du zu spät?“ fragte der Lehrer, als Albert ins Klassenzimmer kam. „Weil ich den ganzen Weg zur Schule neben meinem Fahrrad hergelaufen bin“, erwiderte er ganz außer Atem.
„Warum bist du denn mit deinem Fahrrad nicht gefahren?“ fragte der Lehrer neugierig. „Weil ich so spät dran war, daß ich keine Zeit hatte, anzuhalten und mich aufs Fahrrad zu setzen“, erklärte Albert.
Diese ein wenig übertriebene, aber lustige Geschichte veranschaulicht, mit welcher Situation viele von uns täglich fertig werden müssen. Von unzähligen Verpflichtungen und Terminen gejagt, mögen wir das Gefühl haben, von einer Arbeit zur nächsten zu rasen. Aber wie Albert sind wir uns manchmal selbst im Weg, weil wir glauben, wir hätten nicht die Zeit, innezuhalten und darüber nachzudenken, wie wir wirkungsvoller vorgehen könnten.
Trotzdem ist es möglich, Zeit zu sparen, auf lange Sicht mehr zu leisten und Belastungen zu vermindern, wenn man eine Pause einlegt, um zu überlegen, wie man sich beim Einteilen der Zeit mehr Geschicklichkeit aneignet. Statt weiterhin ein unbarmherziger Herr zu sein, könnte die Zeit dann ein hilfreicher Diener werden.
Wie kannst du deine Zeit nutzbringender einteilen? Es folgen ein paar Anregungen. Während du sie liest, wähle diejenigen aus, die deinen Bedürfnissen entsprechen, und passe sie deinen Umständen an.
Plane deinen Tag
Stell dir vor, dein Tag habe gerade begonnen. Dich erwarten scheinbar unzählige Aufgaben. Der Gedanke an all diese Pflichten mag dir den Tag vermiesen. Wo solltest du anfangen? Bei der Planung deines Tages.
Viele beginnen den Tag, indem sie eine sogenannte Arbeitsliste erstellen. Ein Mann, der in einer großen Organisation viele Aufgaben zu erfüllen hat, erklärt, wie es ihm möglich ist, seinen Zeitplan einzuhalten. Er sagt: „Ich führe eine Liste von Dingen, die erledigt werden müssen. Kommen neue Aufgaben hinzu oder fallen mir noch welche ein, vermerke ich sie auf der Liste. Danach hake ich jeden erledigten Punkt ab.“
Könnte dir ein ähnlicher schriftlicher Plan helfen, deine täglichen Verpflichtungen zu organisieren? Du magst erwidern: „Das hilft mir vielleicht am Anfang, aber ich würde es nie schaffen, alle Arbeiten auf meiner Liste auszuführen!“ Und du hast wahrscheinlich recht. Deshalb ist es nützlich, folgendes zu tun:
Prioritäten setzen
Du kannst Prioritäten setzen, indem du alle Punkte auf deiner Liste entsprechend ihrer Wichtigkeit numerierst. Versuche dann, möglichenfalls alle Arbeiten in dieser Reihenfolge zu verrichten. Natürlich wirst du manchmal eine Ausnahme machen und bei der Erledigung gewisser Angelegenheiten nicht strikt nach der Reihenfolge vorgehen, sondern nach deinen Umständen und Vorlieben. Bleib also flexibel. Dein Ziel ist es, überlegt vorzugehen, so daß das, was du jeden Tag leistest, geplant und nicht dem Zufall überlassen ist.
Hetze nicht von einer Arbeit zur nächsten, und sei nicht krampfhaft bemüht, alles zu schaffen, was auf deiner Liste steht. Der Berater für Zeitplanung Alan Lakein betont: „Man erreicht selten das Ende einer Arbeitsliste. Es kommt nicht darauf an, alle Punkte auf der Liste zu erledigen, sondern die Zeit bestmöglich zu nutzen.“
Dies ist dir gelungen, wenn du den Großteil deiner Zeit für wirklich wichtige Tätigkeiten eingesetzt hast. Was die unerledigten Arbeiten betrifft, versuche, sie anderen zu übertragen, oder setze sie auf die Liste für den nächsten Tag. Beim sorgfältigen Überdenken weniger wichtiger Punkte stellst du zuweilen fest, daß sie eigentlich völlig unwichtig sind. Es kann aber auch sein, daß ein Punkt am Ende der Liste am nächsten Tag vorrangiger ist.
Doch wie solltest du vorgehen, um zu entscheiden, welche Aufgaben auf deiner Liste Vorrang haben? Beim Durchsehen einer langen Arbeitsliste erscheinen dir schließlich viele Dinge gleich wichtig. Damit du also wirkungsvoll Prioritäten setzen kannst, mußt du ...
Zwischen „dringend“ und „wichtig“ unterscheiden
Ein weiser König aus biblischer Zeit erklärte, daß ein Mensch „Gutes sehen sollte für all seine harte Arbeit“ (Prediger 3:13). Bei manchen Tätigkeiten erzielt man bessere Ergebnisse als bei anderen. Wenn du dir somit deine Arbeitsliste ansiehst, berücksichtige, welche Ergebnisse du durch die einzelnen Arbeiten erreichst. Ist das Verrichten einer Tätigkeit von nennenswertem Nutzen? Wirst du „Gutes sehen“ für deine harte Arbeit? Wenn nicht, dann ist es höchstwahrscheinlich nichts Vorrangiges.
Zugegeben, auf den ersten Blick mag dir alles auf deiner Liste dringend erscheinen. Aber sind dringende Angelegenheiten immer wichtig, so daß sich eine größere Zeitinvestition lohnt? Michael LeBoeuf, ein Professor an der Universität von New Orleans, der sich mit Zeitplanung beschäftigt, machte folgende Beobachtung: „Wichtiges ist selten dringend, und Dringendes ist selten wichtig. Wenn man eine Verabredung hat und spät dran ist, ist es wesentlich dringender, einen platten Reifen zu wechseln, als daran zu denken, seine Autoversicherung zu bezahlen. Aber im allgemeinen mißt man einem Autoreifen keine besondere Wichtigkeit bei.“
Darauf stellte er bedauernd fest: „Leider verbringen viele von uns ihr Leben damit, sich unter der Tyrannei dringender Erledigungen hin und her hetzen zu lassen. Die Folge ist, daß wir weniger Dringendes, aber dafür Wichtigeres im Leben außer acht lassen, wodurch ein Großteil unserer Leistungsfähigkeit zunichte gemacht wird.“
Wenn du also Prioritäten setzt, frage dich, welche Aufgaben wirklich wichtig sind. Versuche dann, diesen Dingen die meiste Zeit zu widmen. Vielleicht ist es nicht erforderlich, einer dringenden Angelegenheit sofort Aufmerksamkeit zu schenken. Lohnt es sich, dafür viel Zeit zu investieren? Kannst du sie schnell erledigen und dich anschließend einer nützlicheren Tätigkeit widmen? Oder noch besser: Kannst du jemand anders damit beauftragen?
Zweifellos stimmst du zu, daß es befriedigender ist, eine wirklich lohnende Arbeit zu verrichten, als sich einfach nur mit irgend etwas zu beschäftigen, was einem gerade vor die Hände kommt. Sei bemüht, dich wenn möglich auf Tätigkeiten zu konzentrieren, die echte Ergebnisse zeitigen.
Die 80:20-Regel
Wieviel Prozent deiner Tagesarbeit würdest du als vorrangig einstufen, wenn du die bisher besprochenen Grundsätze anwendest? Natürlich hängt dies von deinen speziellen Verpflichtungen ab. Doch eine Reihe von Beratern für Zeitplanung sind der Auffassung, daß man in vielen Fällen die wirklich vorrangigen Punkte auf etwa 20 Prozent beschränken kann. Als Richtlinie führen sie die 80:20-Regel an.
Diesen Grundsatz formulierte ein italienischer Wirtschaftstheoretiker des 19. Jahrhunderts, Vilfredo Pareto. Der Grundsatz besagt, daß nur ungefähr 20 Prozent der Ursachen rund 80 Prozent der Wirkungen hervorrufen. Wenn du aufmerksam bist, magst du feststellen, daß es im täglichen Leben eine Anzahl von Situationen gibt, auf die Paretos Grundsatz zutrifft. Aber wie läßt sich die 80:20-Regel auf deinen Gebrauch der Zeit anwenden?
Untersuche die Punkte auf deiner Arbeitsliste. Vielleicht kannst du eine 80prozentige Leistung erzielen, indem du zwei von zehn aufgeführten Punkten erledigst. Wenn dem so ist, handelt es sich um die zwei wichtigsten Punkte auf deiner Liste. Überlege auch, bevor du ein Projekt angehst: Wieviel davon ist für dich wirklich wichtig? Welcher Teil der Arbeit wird die nennenswertesten Ergebnisse bringen? Dieser Teil der Arbeit hat Vorrang.
Nach einer Betrachtung von Paretos Grundsatz erklärte die Beraterin für Zeitplanung Dru Scott, wie man ihn sich zunutze machen kann. Sie sagte: „Identifiziere die wesentlichen Bestandteile, die nötig sind, um dein Ziel zu erreichen. Verrichte diese Dinge zuerst. Du wirst mit dem geringsten Zeitaufwand die meisten Ergebnisse erzielen.“
Erfreue dich an den Ergebnissen
Vielleicht verstehst du jetzt besser, daß man nicht unbedingt Herr seiner Zeit ist, wenn man ständig beschäftigt ist und keine Minute vergeudet oder von einer dringenden Arbeit zur nächsten rast. Mit einer wirkungsvollen Zeiteinteilung ist vielmehr gemeint, daß man sich für den Moment die passende Arbeit auswählt. Man muß herausfinden, welche Tätigkeiten die besten Ergebnisse zeitigen, und, falls irgend möglich, seine Zeit dafür einsetzen.
Es gibt keine festgelegten Regeln für die persönliche Zeiteinteilung. Sei flexibel, wenn du aus den Anregungen in diesem Artikel Nutzen ziehen möchtest. Experimentiere. Nimm Änderungen vor. Stelle fest, was für dich am besten ist. Lies die Vorschläge in dem Kasten auf dieser Seite, und untersuche, welche dir helfen, aus einem unbarmherzigen Herrn einen hilfreichen Diener zu machen.
Wenn du deine Zeit besser in den Griff bekommst, wirst du am Ende jedes Tages das Gefühl verspüren, wirklich etwas geleistet zu haben. Wahrscheinlich bleiben für den nächsten Tag zwar noch Arbeiten übrig, aber du hast die Befriedigung, zu wissen, daß du deine Kraft für die wichtigsten Dinge verwendet hast. Du wirst „Gutes sehen“ für deine harte Arbeit.
Du magst sogar das Empfinden haben, daß — endlich! — genug Zeit für wirklich wichtige Angelegenheiten vorhanden ist. Dann wirst du nicht länger ein Opfer der Hektik, sondern Herr deiner Zeit sein. Das macht deine Arbeit nicht nur produktiver, sondern du hast sicherlich auch mehr Freude.
[Kasten auf Seite 27]
MÖGLICHKEITEN, ZEIT ZU SPAREN
1. Habe genaue Wertvorstellungen und Ziele im Leben. Das ist eine große Hilfe, täglich Prioritäten zu setzen.
2. Verrichte Aufgaben, die Konzentration erfordern, zu einer Tageszeit, in der du am aufmerksamsten bist.
3. Erledige Telefonanrufe zu einer Zeit, wenn du sehr wahrscheinlich jemanden erreichst.
4. Wenn irgend möglich, übertrage anderen Aufgaben. Das gibt dir mehr Spielraum für weitere Erledigungen und dient anderen zur Schulung.
5. Bemühe dich, beim Ausführen schriftlicher Arbeiten jedes Blatt Papier nur einmal in die Hand zu nehmen, statt es vorübergehend irgendwo abzulegen.
6. Halte dich bei Besprechungen mit anderen an eine Tagesordnung. Lege genaue Anfangs- und Schlußzeiten fest.
7. Richte deinen Arbeitsbereich so ein, daß du alles Erforderliche griffbereit hast.
8. Fühle dich nicht verpflichtet, jede Einladung zu einem geselligen Beisammensein anzunehmen. Lerne es, taktvoll nein zu sagen.
9. Vereinheitliche Einkaufs- und Packlisten, so gut es geht, um sie nicht jedesmal neu schreiben zu müssen.
10. Gönne dir ausreichend Ruhe und Entspannung, so daß du produktiver arbeiten kannst.
11. Lege Termine fest.
12. Schiebe nichts hinaus.
13. Teile allzu große Arbeiten in kleinere Abschnitte ein.
14. Sei kein Perfektionist. Konzentriere dich auf wirklich wichtige Dinge.
15. Nutze Wartezeiten. Schreibe einen Brief, lies oder verrichte irgendeine andere wichtige Tätigkeit.
16. Sei dir darüber im klaren, daß du manchmal Zeit für unangenehme Arbeiten aufwenden mußt. Vergeude keine Zeit, indem du dich darüber ärgerst. Sieh zu, daß du sie gleich erledigst.
[Bild auf Seite 25]
Viele finden es hilfreich, eine Liste von vorrangigen Arbeiten zu erstellen
[Bilder auf Seite 26]
Es kommt tatsächlich darauf an, seine Zeit einzuteilen und Prioritäten zu setzen