Junge Leute fragen sich:
Habe ich die nötige Reife für den Straßenverkehr?
„EIN Jugendlicher ohne Führerschein ist keiner“, sagte ein Junge, und viele Jugendliche sind zweifellos der gleichen Meinung. In einigen Ländern können sie es, gelinde gesagt, kaum erwarten, hinter Steuer oder Lenker zu sitzen.
Für junge Menschen ist der Führerschein oft Status- und Reifesymbol und verspricht Freiheit und das Entkommen aus der elterlichen Aufsicht. Er bedeutet auch Mobilität, ohne dabei auf die Eltern oder älteren Geschwister angewiesen zu sein. Zugegebenermaßen haben nicht alle gute Beweggründe. Einige möchten beispielsweise ein Fahrzeug fahren, weil sie auf romantische Abenteuer aus sind. Wie Dr. Haim G. Ginott in seinem Buch Between Parent & Teenager schrieb, bedeutet ein Fahrzeug für so manchen Jugendlichen „Kraft, Schnelligkeit und Nervenkitzel“.
Doch abgesehen davon, kann das verantwortungsbewußte Fahren von großem Wert sein. Viele junge Zeugen Jehovas machen im öffentlichen Verkündigungswerk guten Gebrauch von einem Fahrzeug. Sie können auch anderen helfen, indem sie für sie Besorgungen erledigen oder sie zu christlichen Zusammenkünften bringen.
Angenommen, du hast das gesetzliche Alter erreicht, die Verkehrsregeln sorgfältig gelernt, vielleicht auf einem Verkehrsübungsplatz geübt, Fahrstunden genommen und schließlich deinen Führerschein gemacht. Hast du jetzt die nötige Reife zum Führen eines Kraftfahrzeuges? Nicht unbedingt.
Junge Fahrer — Was zeigen die Berichte?
Gemäß Dr. Ginott gibt es solche, die gerade das gesetzliche Alter erreicht haben und bereits geschickt und mit Selbstvertrauen fahren — teilweise besser als ihre Eltern —, wohingegen andere, die schon ein paar Jahre älter sind, sich so unreif benehmen, daß es unverantwortlich wäre, sie hinter das Steuer zu lassen.
Die Tatsachen bestätigen diese Behauptung. Im Spiegel wurde gesagt: „Die bedrohte Altersgruppe ... [18—24 Jahre] repräsentiert nur zehn Prozent aller Autofahrer — aber auf sie entfällt knapp ein Drittel aller Autounfälle.“ Außerdem sind Verkehrsunfälle, dem ehemaligen Bundesinnenminister Hermann Höcherl zufolge, „für diese Altersgruppe die Haupttodesursache“. Weitere Tausende von Jugendlichen wurden durch Autounfälle entstellt oder zu lebenslänglichen Krüppeln.
Oft hätten solche Verletzungen allein durch das Anlegen des Sicherheitsgurtes vermieden werden können. Dr. David Hochberg beklagt jedoch, daß viele Jugendliche auf ihrem „Recht“ bestehen, unbehindert durch die lebensrettenden Rückhaltesysteme Auto zu fahren. Direkt an die Jugend gewandt, sagt er: „Ich stand bei den Überlebenden an der Trage, schätzte die Verletzungen ab und überlegte mir die notwendigen Maßnahmen. Ich fragte, was ich schon hundertmal gefragt habe: ,Warum waren Sie denn nicht angegurtet ...?‘ Durch zusammengebissene Zähne kam die schroffe Antwort: ,Das ist meine Sache.‘“
Doch nur allzuoft kollidieren die Rechte der Jugendlichen mit dem Recht der anderen auf Gesundheit und Glück. Wie aus einer Studie hervorgeht, über die in der Zeitschrift Car and Driver berichtet wurde, „kommen durch junge Fahrer häufiger andere ums Leben als sie selbst. Mehr als die Hälfte aller Todesopfer bei von jungen Leuten verschuldeten Unfällen waren entweder Mitfahrer oder die Insassen des ,nichtschuldigen‘ Fahrzeugs.“ In dem Artikel wird der Schluß gezogen: „Kurz gesagt, jugendliche Fahrer sind, nüchtern betrachtet, eine echte Bedrohung.“
Diese traurige Bilanz muß man trotz der Tatsache ziehen, daß Jugendliche schneller reagieren, besser sehen und hören können, manuell geschickter sind und oft mehr von der Technik des Fahrzeugs verstehen als Ältere. Offensichtlich hängt gutes Fahren weder allein von bestimmten Fertigkeiten ab noch von dem gesetzlichen Alter oder dem notwendigen Wissen für die Führerscheinprüfung.a
Warum viele junge Leute schlechte Fahrer sind
In dem Buch The Family Handbook of Adolescence heißt es: „Körperliche Fähigkeiten sind für das Fahren eher zweitrangig. ... Die emotionelle Fähigkeit kommt fast immer erst später.“ Ja, ein Teil des Problems liegt in der Natur der Jugend selbst. Salomo sagte: „Die Schönheit der jungen Männer ist ihre Kraft“; das heißt, Jugendliche mögen vor Kraft und Leistungsfähigkeit strotzen (Sprüche 20:29). Doch häufig mangelt es ihnen erheblich an Urteilsvermögen. Tatsächlich hat so mancher junge Mensch durch sein leichtsinniges Fahren bewiesen, daß „Torheit“ noch sehr stark ‘an sein Herz geknüpft’ ist (Sprüche 22:15).
Einige neigen daher dazu, sorglos zu sein, das Fahrzeug für ihren Nervenkitzel zu gebrauchen, andere herauszufordern und sich selbst herausfordern zu lassen. In ihren Händen ist ein Fahrzeug eine potentielle Mordwaffe und der Führerschein eine Lizenz zum Töten. Betrachte z. B. den Unfall, in den Harvey, Footballspieler in der Schulmannschaft, verwickelt war. Als er das erste Mal abends allein mit dem Auto unterwegs war, machte er an einer Kreuzung einen Blitzstart — und überfuhr dabei eine Mutter mit ihrem Kind.
Harveys Trainer wies auf die Ursache der Tragödie hin: „Wenn sie mich gefragt hätten, hätte ich ihnen sagen können, daß Harvey emotionell noch nicht reif zum Autofahren war. Im Aufwärmraum ist er launisch und reizt die anderen. Er zieht immer eine Schau ab und hat Komplexe. Seine Geisteshaltung zeigte sich auch in seiner Fahrweise, sobald er unbeaufsichtigt war. Der Junge mußte an der Ampel unbedingt der Schnellste sein.“
Leider muß man sagen, daß eine ganze Reihe junger Leute mit Führerschein „emotionell noch nicht reif zum Autofahren“ sind. In seinem Buch Licensed to Kill erwähnt Ronald M. Weiers die Studie einer großen Versicherungsgesellschaft über jugendliche Fahrer, in der auf „die Sorglosigkeit und Ausgelassenheit der Jugend und die Neigung zur Prahlerei“ als eine häufige Ursache für Unfälle hingewiesen wird, in die junge Fahrer verwickelt waren.
Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, daß sich so viele Jugendliche unter Alkoholeinfluß auf die Straße wagen. Eine in Bayern durchgeführte Untersuchung ergab, daß 46,1 Prozent aller unter Alkoholeinfluß herbeigeführten schweren Karambolagen durch angetrunkene Jugendliche verursacht wurden. In dem Werk How to Survive Your Adolescent’s Adolescence wird erklärt: „Aus drei Gründen fahren Jugendliche so häufig unter Alkoholeinfluß: 1. sind sie, sowohl was Alkohol als auch was das Fahren betrifft, unerfahren und können daher bei der Beurteilung der Situation kaum auf eigene Erfahrungswerte zurückgreifen; 2. wollen sie ihre Freunde beeindrucken und zeigen, wie ,erwachsen‘ sie sind; und 3. glauben sie, sie würden schon nicht erwischt oder in einen Unfall verwickelt werden, sondern immer nur die anderen. Aber die Statistiken der letzten zehn Jahre zeigen unmißverständlich, daß 60 Prozent der Todesopfer bei Unfällen mit Alkoholbeteiligung Jugendliche sind.“
„Nein! Du darfst nicht fahren!“
In Anbetracht all dieser Tatsachen verwundert es nicht, daß die Regierungen aufgerufen wurden, für den Führerschein eine höhere Altersgrenze festzulegen oder sogar ein abendliches Fahrverbot für junge Fahrer auszusprechen. Noch bedeutsamer mag für dich die Reaktion deiner Eltern sein.
Einige Eltern verbieten ihren Kindern das Fahren, obwohl diese das gesetzliche Alter erreicht haben, da sie sich der Risiken bewußt sind. Eine Mutter sagte: „Wir haben unserem 16jährigen Sohn das Fahren nicht erlaubt. Aus den Zeitungen wissen wir, was passieren kann. Ich will nicht jedesmal Todesängste ausstehen, wenn er unterwegs ist.“
Eine solche Einstellung mag dir ungerecht und unvernünftig erscheinen. Du bist vielleicht ein verantwortungsbewußter Jugendlicher, der überhaupt nicht darauf aus ist, sein Leben oder das der anderen aufs Spiel zu setzen. Das Problem ist nur, wie kannst du deine Eltern davon überzeugen? Das wird in der nächsten Ausgabe besprochen werden.
[Fußnote]
a In einigen Staaten — wie z. B. in Japan — gibt es konsequente Prüfungen, während in anderen die Fahrerlaubnis eher routinemäßig erteilt wird. Die Prüfungen dort werden oft als völlig unzureichend kritisiert.
[Bild auf Seite 12]
Ein Auto gilt als Symbol für Ansehen, Kraft und Nervenkitzel
[Bild auf Seite 13]
Ein Auto, das unsachgemäß oder unvorsichtig gefahren wird, ist eine potentielle Mordwaffe