Ist der Kampf gegen die Pfunde vergebens?
DIESEN KAMPF ZU GEWINNEN IST NICHT SO LEICHT, WIE SCHLANKE MEINEN
DER Kampf wird an vielen Fronten ausgetragen. Durch Fasten wird man die Pfunde rasch los. Bei einer Nulldiät schwinden sie nur so dahin. Jogger verlieren sie beim Laufen. Bei Wanderern geht es langsamer. Andere zählen die Kalorien, die sie zu sich nehmen. Manche entscheiden sich für radikale Maßnahmen. Einige haben sich den Mund mit Draht verschließen lassen, um ihrer Willensschwäche beim Anblick von Speisen Herr zu werden. Durch Operationen hat man bestimmte Teile des Verdauungstrakts ausgeschaltet, die Aufnahmefähigkeit des Magens verringert und Fettpolster abgesaugt. Bei so vielen Möglichkeiten muß der Sieg doch sicher sein.
Aber so schnell geht es nicht! Fettzellen, die einmal besiegt wurden, greifen von neuem an. Die verlorenen Pfunde kehren oft mit Verstärkung zurück. Der Kampf geht hin und her, da zeitweilige Erfolge von entmutigenden Niederlagen abgelöst werden. Während sich der Kampf dahinschleppt, stellt sich Mutlosigkeit ein, und die müden Fastenden sind bereit zu kapitulieren. Das sollten sie aber nicht tun. Der Weg ist lang und beschwerlich, doch wer zäh durchhält, dem winkt der Sieg. Nimm also deinen Mut zusammen, und vergiß nicht: Je schwerer der Kampf, um so schöner der Sieg. Zu Beginn deines Kampfes gegen die überflüssigen Pfunde solltest du dich auch gegen einen Verlust deiner Selbstachtung und deines Selbstwertgefühls wappnen. Womöglich mußt du die Kränkungen und Vorurteile einer Gesellschaft erdulden, die vom Schlankheitswahn besessen ist.
Du darfst gedankenlosen Gastgebern nicht nachgeben, die dich drängen, etwas zu essen, was von deinem Speiseplan gestrichen ist. Du mußt dir die Vorurteile grausamer Krittler anhören, die dich als Schlemmer hinstellen.a Erstere wollen dich mit Freundlichkeit entwaffnen; letztere verurteilen dich aufgrund deiner äußeren Erscheinung.
Leichthin gefällte Urteile Unwissender, wie zum Beispiel: „Wenn du nicht soviel essen würdest, hättest du kein Übergewicht!“, mußt du ignorieren. So einfach ist die Sache nicht; im Gegenteil, das Problem ist äußerst kompliziert. Es stimmt zwar, daß man, wenn man nicht mehr Kalorien zu sich nimmt, als man verbrennt, nicht zunimmt. In zahlreichen Fällen werden allerdings nicht alle aufgenommenen Kalorien verbrannt. Aus verschiedenen Gründen werden viele davon als Fett in Fettzellen gelagert. Der Übergewichtige würde auf verlorenem Posten stehen, wenn er keine Unterstützer hätte, die sich seiner Schwierigkeiten bewußt sind. Und diese Schwierigkeiten können in der Tat gewaltig sein.
Ehe man sich jedoch auf den Kampf einläßt, sollte man sich überlegen: Habe ich es überhaupt nötig abzunehmen? In manchen Ländern wird die Schlankheit zum Fetisch erhoben. Einige magern bis an den Rand der Unterernährung ab oder fallen in das Extrem der Magersucht (Anorexie) oder der Freß-Brech-Sucht (Bulimie). Wissenschaftler urteilen nicht nur nach dem Gewicht, sondern betrachten den prozentualen Anteil von Körperfett als besseren Gradmesser. Sie definieren Übergewicht als Fettsucht, wenn bei Männern 20 bis 25 Prozent des Körpergewichts aus Fett bestehen und bei Frauen 25 bis 30 Prozent.
Tabellen, die, gestützt auf die Körpergröße, lediglich ein bestimmtes Sollgewicht angeben, sind mit Sicherheit unzureichend. Ein Forscher sagte: „Die Tabellen lassen nicht erkennen, daß bei zwei Menschen mit demselben Gewicht und derselben Körpergröße der Fettanteil und der Körperbau sehr unterschiedlich sein können. Mageres Gewebe und Muskeln haben ein höheres spezifisches Gewicht als Fett, weshalb das Gewicht allein kein genauer Gradmesser für Gesundheit oder Fitneß ist.“ Eine zuverlässigere Richtschnur sind Tabellen ähnlich wie die auf Seite 7, bei denen Alter, Geschlecht und Körperbau berücksichtigt werden und eine Gewichtsspanne angegeben wird — obwohl auch solche Tabellen nicht ganz zureichend sind.
Viele halten Fettzellen für äußerst träge und meinen, sie würden im Körper nur unnötig Platz beanspruchen — und zwar viel zuviel Platz. Fettgewebe ist mehr als ein Depot für die Speicherung von Triglyceriden (Fetten). Etwa 95 Prozent des Fettgewebes sind Depotfett, doch die übrigen 5 Prozent verteilen sich auf Bindegewebe, Blut und Blutgefäße sowie Zellen, die am Stoffwechsel beteiligt sind. Diese Zellen können sehr gierig sein, wenn es darum geht, die Nährstoffe aus dem Blut der Kapillargefäße, die das Fettgewebe durchlaufen, in Fett umzuwandeln. Bestimmte Hormone fördern entweder den Fettaufbau oder die Freisetzung von Fett als Fettsäuren in das Blut für den Energiebedarf des Körpers. Statt träge zu sein, sind bei manchen Leuten — sehr zu ihrer Verzweiflung — die Fettzellen überaktiv.
In der Vergangenheit dachte man, daß Fettzellen, die der Körper einmal aufgebaut habe, nicht an Zahl, sondern nur an Größe zunehmen würden. Nach neueren Erkenntnissen stimmt dies nicht. In einer wissenschaftlichen Veröffentlichung heißt es: „Das Speichervermögen des Fettgewebes wird erstens dadurch erhöht, daß der Fettgehalt im Depotfett (Triglycerid) steigt, und zweitens dadurch, daß neue Fettzellen gebildet werden, wenn die vorhandenen Fettzellen bis zur vollen Kapazität gefüllt sind.“ Fettzellen, die fast leer sind, sind sehr klein, doch wenn immer mehr Fett hinzukommt, kann ihr Durchmesser um das Zehnfache anwachsen, was eine etwa tausendfache Zunahme des Volumens bedeutet.
Im Körper gibt es bestimmte Depots, wo sich Fett eher ansammelt. Bei Männern gehört die Taille dazu. Bei Frauen sind es die Hüften und die Oberschenkel. Beim Abnehmen verschwindet an diesen Stellen das Fett zuallerletzt. Forscher haben entdeckt, daß sich auf der Oberfläche der Fettzellen kleine Moleküle befinden, sogenannte Alpha- und Betarezeptoren. Die Alpharezeptoren regen die Fettbildung an; die Betarezeptoren fördern den Fettabbau. Die Rezeptoren, die die Fettbildung begünstigen, herrschen bei Frauen an den Fettzellen der Hüften und Oberschenkel vor und bei Männern an denen der Taille. Eine Frau verlor 15 Prozent ihres Körperfetts, aber ihre Hüften und ihre Oberschenkel blieben unverändert. Ein Mann speckte radikal ab, behielt aber seinen Bauch.
Kalorien zu zählen ist keine so einfache Lösung für Gewichtsprobleme, wie manch einer denkt. Kalorien sind nicht gleich Kalorien. Nimmt man 100 Kalorien in Form von Kohlenhydraten zu sich, so können 77 davon als Körperfett gespeichert werden — 23 werden bei der Verdauung der Kohlenhydrate verbrannt. Wenn man hingegen 100 Kalorien in Form von Butter aufnimmt, werden 97 als Fett gelagert — nur 3 werden beim Verdauen verbraucht. Der Grund: Speisefett ist mit Körperfett bereits chemisch verwandt und wird daher wesentlich leichter gespeichert. Nur Kalorien zu zählen reicht also nicht. Es spielt auch eine Rolle, woher die Kalorien kommen. Fett macht dicker — Kalorie für Kalorie — und ist weniger nahrhaft als Kohlenhydrate. Bei einer Studie nahmen Männer, die sieben Monate lang mit kohlenhydratreicher Nahrung gemästet wurden, 15 Kilo zu, wohingegen Männer, die mit fettreicher Nahrung gemästet wurden, in nur drei Monaten 15 Kilo zunahmen.
Bei Nulldiäten schmelzen die Pfunde rasch dahin, was aber häufig zu Komplikationen führt. In den 70er Jahren warb man für Nulldiäten mit Eiweißzufuhr, und Ende 1977 wurden fast 60 Todesfälle auf solche Radikalkuren zurückgeführt. Herzrhythmusstörungen gelten als unmittelbare Ursache vieler dieser Todesfälle. Die heutigen Fastenkuren sind insofern verbessert worden, als man nicht nur Eiweiß, sondern auch Kohlenhydrate, Fette, Vitamine und Mineralien zugibt. Dennoch haben solche kalorienarmen Diäten mit ihrem schnellen Gewichtsverlust ihre Schattenseiten.
Die drastische Kalorienherabsetzung bei radikalen Abmagerungskuren verlangsamt den Stoffwechsel — und zwar bereits nach 24 Stunden; nach zwei Wochen kann diese Verlangsamung 20 Prozent betragen. Ein Arzt, der über kalorienarme Fastenkuren befragt wurde, sagte: „Der Stoffwechsel stellt sich bei so wenig Kalorien auf Schneckentempo um, und man wird reizbar und müde. Außerdem betrifft der langfristige Gewichtsverlust bis zu 70 Prozent Muskelgewebe und nicht Fettgewebe.“ Fastende wollen aber Fett, nicht Muskeln verlieren. Muskelgewebe verbrennt die Kalorien am besten. Geht es verloren, dann verlangsamt sich der Grundumsatz — die Energiemenge, die der Körper für die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen benötigt, wie zum Beispiel Atmung und Zellerneuerung. Dies sind etwa 60 bis 75 Prozent der Energie, die der Körper verbraucht.
Der verlangsamte Stoffwechsel ist der Grund, warum Fastende oft nach einigen Wochen strenger Diät nicht mehr abnehmen. Eine Frau, die mit 16 angefangen hatte, ihr Gewicht durch Abmagerungskuren niedrig zu halten, nahm nach der Geburt ihres ersten Kindes 10 Kilo zu, die sie aber bald wieder verlor. Nach der Geburt des zweiten Kindes wog sie 20 Kilo mehr und kam nicht mehr auf ihr früheres Gewicht zurück. Sie erzählt: „Einmal ging ich in eine Klinik, in der ich auf 500 Kalorien gesetzt wurde. Im ersten Monat verlor ich fünf Kilo, im zweiten eins und in den nächsten beiden Monaten gar nichts, obwohl ich mich genau an den Plan hielt. Als meine Kalorienzufuhr auf täglich 800 erhöht wurde, legte ich jede Woche ein Kilo zu, bis ich die sechs Kilo wieder zugenommen hatte, die ich so schwer losgeworden war. Es war zum Verzweifeln!“
Zu dem verlangsamten Stoffwechsel kann noch hinzukommen, daß ein Enzym — Lipoproteinlipase —, das die Fettspeicherung reguliert, nach einer Radikaldiät zu vermehrter Fettablagerung aktiviert wird. Aus diesen beiden Gründen haben einige, wenn sie wieder normal essen, bald wieder ihr ursprüngliches Gewicht. Tatsächlich ist das bei den meisten der Fall — bei 95 Prozent der Fettsüchtigen und 66 Prozent der Übergewichtigen allgemein. Aber das wiedererlangte Gewicht ist zum größten Teil Fett, nicht verlorenes Muskelgewebe. Dies bewirkt einen herabgesetzten Stoffwechsel, der wiederum die Fettspeicherung begünstigt.
Ein Forscher stellte fest, daß Personen, die bereits durch Diäthalten abgespeckt, dann aber wieder zugenommen hatten, bei späteren Abmagerungskuren schwerer abnahmen. „Kann durch Abmagerungskuren eine spätere Gewichtsabnahme behindert werden?“ fragte er sich. Man machte Tests mit fetten Ratten. Bei ihrer ersten Diätkur dauerte es 21 Tage, bis sie ihr Übergewicht verloren hatten, und 45 Tage, bis sie sich ihr vorheriges Gewicht wieder angefressen hatten. Beim zweiten Mal brauchten sie 46 Tage zum Abnehmen und nur 14 Tage zum Zunehmen — sie nahmen doppelt so langsam ab und dreimal so schnell wieder zu.
Verhält es sich bei Menschen ebenso? Bei geringer Kalorienzufuhr nahmen 111 Patienten durchschnittlich 1,4 Kilo in der Woche ab, doch verloren sie bei einem zweiten Versuch mit der gleichen Diät nur 1 Kilo in der Woche. Weitere Tests mit zwei anderen Gruppen bestätigten die Ergebnisse.
Viele Experten bezeichnen Fettleibigkeit als Krankheit, als genetisch bedingt oder erblich, und sie sagen, der Körper sei für ein bestimmtes Gewicht vorprogrammiert. Allerdings stimmen nicht alle Wissenschaftler dieser Theorie zu. In der Publikation Annals of the New York Academy of Sciences hieß es, daß das Übergewicht an sich, ungeachtet seiner Ursache, Veränderungen im Organismus bewirken kann: „Wenn der Zustand der Korpulenz erreicht ist, kann er durch sekundäre Stoffwechselveränderungen, die die Fettleibigkeit selbst verursacht, stabilisiert werden.“
Auch wird darin die Theorie von dem vorprogrammierten Gewicht in Frage gezogen: „Dieses Annal stützt keine der beiden Hypothesen.“ Als Ursache für Übergewicht werden Drüsenstörungen angegeben, besonders Funktionsstörungen der Schilddrüse, die beim Stoffwechsel eine wichtige Rolle spielt. Einige mutmaßen allerdings, eine solche Fehlfunktion könne durch zuviel Essen ausgelöst werden. Dr. Riggle aus Texas erklärt: „Die Schilddrüse und die Hypophyse regeln den Stoffwechsel. Doch darf man nicht übersehen, daß bei Menschen, die sich mangelhaft ernähren, diese Drüsen nicht die notwendigen Nährstoffe erhalten, um ihre Sekrete herzustellen. Somit können Drüsenstörungen durch eine unvernünftige Ernährung in Gang gesetzt werden.“
Zuviel essen ist der simple Grund, den viele, auch Forscher, für Fettleibigkeit anführen: „Bei den meisten Fettleibigen läuft jedoch die Gewichtszunahme und die Anhäufung von Fettgewebe in einem langwierigen und oft schleichenden Prozeß ab: übermäßige Kalorienzufuhr während einer ausreichenden Zeitspanne — weit mehr, als für die Muskel- und Stoffwechseltätigkeit gebraucht wird“ (Annals of the New York Academy of Sciences, 1987, Seite 343). Die gesundheitlichen Gefahren, denen sie sich aussetzen, sind ernüchternd:
„Fettsucht geht mit einer Reihe von Gesundheitsrisiken einher. Sie kann die Herz- und Lungentätigkeit beeinträchtigen, die endokrinen Funktionen verändern und emotionelle Probleme verursachen. Bluthochdruck, beeinträchtigte Glukosetoleranz und erhöhter Cholesterinspiegel sind bei Übergewichtigen häufiger als bei Normalgewichtigen. Es überrascht daher nicht, daß Fettleibigkeit bei Bluthochdruck, Schlaganfall, Typ-II-Diabetes, d. h. nichtinsulinabhängiger Diabetes mellitus, einigen Arten von Krebs und bei Gallenleiden zur Morbidität und Mortalität beiträgt. Auf lange Sicht gesehen, gilt Fettsucht auch als für sich stehender Risikofaktor bei arteriosklerotischen Herzkrankheiten“ (Journal of the American Medical Association, 4. November 1988, Seite 2547).
Das klingt bedrohlich, und zwar nicht nur wegen der großen Worte. Offensichtlich ist der Kampf gegen die Pfunde ein Kampf, den es zu gewinnen gilt. Gibt es Möglichkeiten, die einem helfen, den Sieg zu erringen?
[Fußnote]
a Eine biblische Abhandlung über Schlemmerei ist im Wachtturm vom 1. Mai 1986, Seite 31 zu finden.
[Herausgestellter Text auf Seite 4]
DIE FETTZELLEN BEI ÜBERGEWICHTIGEN SIND NICHT TRÄGE, SONDERN ÜBERAKTIV
[Herausgestellter Text auf Seite 5]
KANN DURCH ABMAGERUNGSKUREN EINE SPÄTERE GEWICHTSABNAHME BEHINDERT WERDEN?
[Herausgestellter Text auf Seite 6]
DIE GESUNDHEITLICHEN GEFAHREN SIND ERNÜCHTERND
[Übersicht auf Seite 7]
GEWICHTSTABELLE
Körpergröße Gewicht
cm leichter mittlerer schwerer
Körperbau Körperbau Körperbau
MÄNNER
157 58—61 59—64 63—68
160 59—62 60—65 64—69
163 60—63 61—66 64—71
165 61—64 62—67 65—73
168 62—65 63—69 66—74
170 63—66 64—70 68—76
173 64—67 66—71 69—78
175 64—69 67—73 70—80
178 65—70 69—74 72—82
180 66—71 70—75 73—84
183 68—73 71—77 74—85
185 69—74 73—79 76—87
188 70—76 74—81 78—89
191 72—78 76—83 80—92
193 74—80 78—85 82—94
FRAUEN
147 46—50 49—55 54—59
150 47—51 50—56 54—61
152 47—52 51—57 55—62
155 48—54 52—59 57—64
157 49—55 54—60 58—65
160 50—56 55—61 59—67
163 52—58 56—63 61—69
165 53—59 58—64 62—70
168 54—60 59—65 64—72
170 56—62 60—67 65—74
173 57—63 62—68 66—76
175 59—64 63—69 68—77
178 60—66 64—71 69—79
180 61—67 66—72 70—80
183 63—69 67—74 72—81
[Bildnachweis]
Nachdruck mit Genehmigung der Society of Actuaries und der Association of Life Insurance Medical Directors of America