Braucht Klein Stefan einen Computer?
Welche Rolle spielt der Computer bei der Schulung der Kinder?
Wie gut ist er als Lehrer?
STEFANS Mutter sitzt seinem Lehrer gegenüber und hört mit ernster Miene von den Schwierigkeiten, die ihr Sohn in der Schule hat.
„Was würden Sie denn vorschlagen?“ fragt sie.
„Haben Sie schon mal an einen Heimcomputer gedacht?“ lautet die Gegenfrage.
Werbespots wie dieser haben viele unsichere Eltern zu dem Glauben veranlaßt, sie müßten unbedingt dafür sorgen, daß ihr Kind soviel wie irgend möglich über Computer lernt, damit es eine gute Ausbildung hat — und gute Berufsaussichten. Auch nimmt in den Schulen die Zahl der Computer rapide zu.
Der Computer bietet die Chance, Kreativität und die Fähigkeit zur Problemlösung auf eine Weise zu lehren und zu entwickeln, wie es früher nicht für möglich gehalten wurde.
Ein bestimmtes Computerprogramm versetzt beispielsweise den Schüler nicht nur in die Lage, einen Frosch zu sezieren, sondern auch, ihn wieder zusammenzusetzen. Wenn der Schüler die „Operation“ richtig ausgeführt hat, wird er damit belohnt, daß er sieht, wie der Frosch zum Leben erwacht und aus dem Bild hüpft. Mit anderen Programmen kann der Schüler die Bewegungen der Planeten und die geographische Beschaffenheit der Erde betrachten, Flugzeug fliegen, Auto fahren oder chemische Experimente durchführen.
Ein weiteres Einsatzgebiet der Rechner ist das computerunterstützte Lernen: Der Computer stellt eine Frage; wenn der Schüler richtig antwortet, geht es zur nächsten Frage; war die Antwort falsch, hilft der Computer durch Hinweise nach. Der Schüler bekommt sozusagen Einzelunterricht, was es ihm ermöglicht, sein eigenes Tempo zu bestimmen. Außerdem hat der Computer endlose „Geduld“ und wird wegen der Fehler des Schülers nicht „ärgerlich“ — wie das vielleicht bei einem Lehrer der Fall wäre. Auch das ist gut für das Lernen.
In zahlreichen Schulen wird heutzutage Informatikunterricht erteilt. Hierbei lernen die Schüler, wie man die Geräte bedient und programmiert. Für jemanden, der an einem Beruf in der Datenverarbeitung interessiert ist, könnte das sehr wichtig sein. Befürworter dieser Unterrichtsgestaltung sind der festen Überzeugung, daß jeder Schüler etwas über Computer wissen sollte. Berufsaussichten — ob wirkliche oder eingebildete — sind ebenfalls ein starker Anreiz für dieses Fach.
Weitere nützliche Anwendungsgebiete für Schulcomputer sind das Schreiben und Forschen. Lehrer stellen oft fest, daß Schüler, die den Computer als Wordprozessor benutzen, bereitwilliger ihr Geschriebenes überarbeiten — was für gutes Schreiben sehr wichtig ist —, weil sie immer ein fertiges und ordentliches Ergebnis vor sich sehen.
Der Computer kann für den Schüler auch eine Quelle zahlloser Informationen sein. Mit der entsprechenden Ausrüstung können Schüler verschiedener Schulen zusammen an einem Projekt arbeiten und Informationen austauschen. Es wird den Schülern gleichfalls ermöglicht, sich große Zentralbibliotheken und Datenbanken zunutze zu machen, und sie haben so Zugang zu aktuellen Informationen von einer Bandbreite, die ihre Schule auf Dauer nie ermöglichen könnte.
Der Computer ist also bestimmt eine Lernhilfe, wenn er richtig eingesetzt wird. Die praktische Ausbildung am Computer und die dem Einzelunterricht ähnliche Situation — was durch eine ausreichende Anzahl an Geräten ermöglicht wird — sind für den jüngeren Schüler sehr wertvoll. Ältere können über den Lehrbuchunterricht hinausgehen und von den neuen Lernmethoden profitieren, die der Computer ermöglicht.
Das alles klingt sehr gut, aber wie sieht es in der Realität aus? Wird der Computer den Erwartungen gerecht?
Wird er den Erwartungen gerecht?
Es macht eigentlich keinen Unterschied, ob man im Unterricht Computer wirkungsvoll einsetzen will oder ob man gewisse Unterrichtsinhalte erfolgreich vermitteln möchte. Was man benötigt, ist die richtige Art von Lehrstoff und fähige Lehrer, die ihn vermitteln. Sind diese Voraussetzungen gegeben?
Einige Schulen sind bei ihrer Jagd nach Computertechnologie vorausgeeilt und haben Geräte gekauft, ohne vorher sorgfältig zu prüfen, wie diese eingesetzt werden und was für Bedürfnisse die Schüler haben. Als Folge davon haben viele dieser Schulen die unangenehme Aufgabe, für ihre Computer einen sinnvollen Verwendungszweck zu finden.
Die Situation zeigt sich darin, wie Computer größtenteils benutzt werden. Es gibt zwar faszinierende Programme und geniale Lehrmethoden, doch ihr Anteil an allen in Schulen verwendeten Programmen ist, wie eine Untersuchung ergab, sehr gering. Die meisten im Unterricht gebrauchten Programme werden entweder zum Üben und „Pauken“ oder für den Informatikunterricht eingesetzt.
Üben und „Pauken“ hat sicherlich seinen Platz in der Schule, aber man kann sich schwerlich der Logik jener Frage entziehen, die ein Lehrer, der auch Informatik unterrichtet, aufwarf: „Wozu sollte man 2 000 Dollar oder 1 200 oder auch nur 600 für ein elektronisches ‚Arbeitsheft‘ ausgeben, wenn es ein einfaches, herkömmliches Arbeitsheft mit seinen vielen Übungsblättern für 2,95 Dollar genauso tut?“ Einige Lehrer meinen sogar, solche Anwendungen widersprächen völlig dem Zweck, den Computer im Unterricht haben sollten, da sie das Lernen auf Ja-Nein-Antworten beschränkten, statt das Denkvermögen und die Kreativität anzuregen.
Viele glauben, die angebliche Notwendigkeit des Informatikunterrichts sei nur ein geschickter Werbetrick der Computerhersteller und verwandter Wirtschaftszweige. Aufgrund der Werbung — wie z. B. die anfangs erwähnte Szene — und vielleicht wegen ihrer eigenen Angst vor der neuen Technik denken so manche Eltern, ihre Kinder würden versagen, wenn sie nicht grundlegende Kenntnisse über Computer hätten. Doch in Wirklichkeit erfordern nur wenige der zukünftigen Berufe Kenntnisse auf dem Gebiet des Programmierens, der Programmiersprachen usw. Computer wird man eher als Werkzeuge gebrauchen, so wie etwa die heute allgemein gebräuchlichen Taschenrechner und elektrischen Schreibmaschinen. Es ist natürlich nicht schlecht, wenn man mit Computern umgehen kann, aber es wird niemand stören, wenn man nicht weiß, wie sie funktionieren, es sei denn, man ist an einem Beruf in dieser Sparte interessiert. Gemäß der vorherrschenden Meinung sollte Informatik zwar unterrichtet werden, jedoch nur als Wahlfach.
Da die Computer in den Klassenzimmern ziemliche Neulinge sind, scheinen sie für Lehrer, die kein technisches Hintergrundwissen haben, genauso böhmische Dörfer zu sein wie für die Schüler. Daher sei der Widerstand gegen das Neue, so die Schulbehörden, ein großes Hindernis, wenn es darum gehe, das Niveau des Computerunterrichts zu verbessern.
„Viele Lehrer können sich mit den Computern nicht anfreunden“, sagte ein Schuldirektor. „Sie wissen, daß die Computer nun mal da sind und daß sie sich dafür interessieren sollten; doch es ist immer noch das größte Problem, die Kollegen zu schulen.“ Es erfordert Zeit und Geld, die Lehrer weiterzubilden. Die Verantwortlichen hoffen allerdings, daß aufgrund der wachsenden Erfahrung der Lehrer und der steigenden Anzahl der Informatiklehrer wirkungsvollerer Gebrauch von diesem Werkzeug gemacht werden kann.
Was die Eltern tun müssen
Braucht also Klein Stefan wirklich einen Computer? Die Antwort hängt von den Eltern ab. Falls Eltern befürchten, ihr Kind würde versagen, wenn es keinen Computer hat, dann kann dieser Artikel eine Hilfe sein, eine ausgeglichene Ansicht darüber zu entwickeln.
Im allgemeinen sind sich die Lehrer einig, daß Schulkinder mit Computern in Berührung kommen sollten. Daher haben die meisten Schulen den Computer in ihren Unterricht mit aufgenommen; die Schüler werden mit den grundlegenden Elementen der Hardware (Rechner, Tastatur, Plattenlaufwerk, Drucker usw.) und des Programmierens vertraut gemacht. Normalerweise stellen die Schulen die notwendige Ausrüstung dafür, und die Schüler können damit üben. Wer an Informatik interessiert ist, kann es in den höheren Klassen als Wahlfach belegen wie Fremdsprachen, Maschineschreiben oder Stenographie.
Es gibt natürlich Schulen, in denen der Computer verstärkt eingesetzt wird und in denen Programme, die auf dem neusten Stand sind, in den verschiedensten Bereichen zum Einsatz kommen. Da diese Art des Unterrichts jedoch noch ziemlich neu ist, ist man sich bislang nicht sicher, ob sie besser ist als die herkömmlichen Methoden.
Die Worte eines Schülers, die in einem Artikel der New York Times zu lesen waren, können gut als Zusammenfassung dienen. Er schrieb: „Computer haben in der Schule ihre Berechtigung als Werkzeuge, aber sie sind keine Versicherung gegen Inkompetenz und verschwommenes Denken.“ Nachdem er hervorgehoben hatte, wie wichtig es ist, den Schülern das Denken beizubringen, schloß er ab: „Dafür gibt es keine technologische Abkürzung.“
[Herausgestellter Text auf Seite 26]
„Ein Kind hat weit mehr von einer Stunde zusammen mit seinen Eltern, die an ihm interessiert sind, als von einer Stunde vor einem piepsenden Kasten“ (Personalcomputerecke, New York Times)