Scheidungen — Die bittere Ernte
ES SIND weder die Anwälte noch die Freunde und auch nicht die Medien oder die „Experten“, die hinterher die Suppe auslöffeln müssen. Die geschiedenen Eheleute — und die Kinder — sind es, die die Rechnung letztendlich bezahlen.a Weit davon entfernt, eine befreiende Erfahrung zu sein, kann eine Scheidung einen horrenden Preis fordern.
In ihrem Buch The Case Against Divorce erklärt Diane Medved, daß sie eigentlich ein gegenüber der Scheidung „moralisch neutrales“ Buch schreiben wollte. Sie fühlte sich jedoch gedrängt, ihre Absicht zu ändern. Warum? Sie schreibt: „Ganz einfach, bei meinen Nachforschungen fand ich heraus, daß der Prozeß und die Nachwirkungen einer Scheidung so durch und durch verheerend sind — für den Körper, den Sinn und den Geist —, daß in der überwältigenden Zahl der Fälle, die ‚Heilung‘, die sie bringt, sicherlich schlimmer ist als die ‚Erkrankung‘ der Ehe.“
Ann, von der im vorherigen Artikel die Rede war, äußert sich ähnlich: „Ich dachte, eine Scheidung würde Erleichterung bringen. Ich glaubte, wenn ich nur aus dieser Ehe herauskäme, dann wäre wieder alles in Ordnung. Doch vor der Scheidung gab mir zumindest mein Kummer das Gefühl, am Leben zu sein. Nach der Scheidung fühlte ich mich nicht einmal mehr lebendig. Es war eine solche Leere, daß es mir vorkam, als würde ich gar nicht existieren. Es war einfach schrecklich. Ich kann überhaupt nicht beschreiben, wie leer ich mich fühlte.“ Nach der Scheidung verflüchtigen sich die unbestimmten Versprechungen von Freiheit und aufregendem Leben in der grauen Realität des alltäglichen Kampfs ums Überleben.
Die harte Wahrheit ist, daß die Folgen selbst bei einer Scheidung aus legitimen Gründen schmerzlich sein und lange andauern können. Jeder, der einen so drastischen Schritt ins Auge faßt, tut somit gut daran, zuerst Jesu Rat zu befolgen: ‘Berechne die Kosten’ (Lukas 14:28). Welches sind nun einige der Kosten, einige der schmerzlichen Folgen einer Scheidung?
Emotionale und moralische Auswirkungen
Wie eine Studie jüngeren Datums, über die im Journal of Marriage and the Family berichtet wurde, erkennen läßt, können Scheidungen mit Unglücklichsein und mit Depressionen in Verbindung gebracht werden. Nach dieser Studie sind Geschiedene eher depressiv; wobei mehrfach Geschiedene entsprechend häufiger unter Depressionen leiden. Die Soziologin Lenore Weitzman bemerkt in ihrem Buch The Divorce Revolution, daß die Gruppe der Geschiedenen und getrennt Lebenden die höchste Zahl von Einweisungen in psychiatrische Einrichtungen aufzuweisen habe; diese Personen seien auch anfälliger für Krankheiten, einen vorzeitigen Tod und Selbstmord.
Diane Medved fand bei ihrer Studie unter 200 Personen heraus, daß Männer wie Frauen nach einer Scheidung durchschnittlich sieben Jahre emotional aufgewühlt sind, manche sogar jahrzehntelang. Das einzige, was durch eine Scheidung nicht beeinflußt wird, so stellte sie fest, ist das schädliche Verhaltensmuster, das überhaupt zur Scheidung geführt hat. Kein Wunder daher, wenn Zweitehen noch schneller zerbrechen als Erstehen.
Weit davon entfernt, das Verhalten zu verbessern, wirkt sich eine Scheidung oft verheerend auf die Moral der Betreffenden aus. Man hat festgestellt, daß die meisten Männer und Frauen nach einer Scheidung kurzfristig einen „zweiten Frühling“ erleben. Sie kosten ihre neugefundene Freiheit aus, indem sie sich in eine Reihe von Liebesabenteuern stürzen, um ihr angeschlagenes Selbstwertgefühl zu heben oder die Einsamkeit zu verscheuchen. Doch solche aus selbstsüchtigen Interessen begonnenen Verhältnisse können zur geschlechtlichen Unmoral führen, die ihrerseits wieder einen ganzen Rattenschwanz tragischer Folgen nach sich zieht. Und besonders für die Kinder kann es ein traumatisches Erlebnis sein, ihre Eltern so handeln zu sehen.
Nur zu oft haben sich Ehepaare, die sich scheiden lassen, die Propaganda der Welt zu eigen gemacht, nach der die eigenen Bedürfnisse und Belange an erster Stelle kommen. So haben sie sich gegenüber dem Leid verhärtet, das sie anderen in ihrer Umgebung — ihren Kindern, Eltern und Freunden — antun. Einige vergessen, daß sich auch Gott in seinem Herzen verletzt fühlt, wenn man seine Maßstäbe mißachtet. (Vergleiche Psalm 78:40, 41; Maleachi 2:16.) Eine Scheidung kann außerdem ein sehr schäbiges Geschäft sein, vor allem wenn sie in einen Rechtsstreit um Sorgerecht und Eigentum ausartet.
Finanzielle Katastrophe
Den weiteren Ausführungen von Lenore Weitzman zufolge ist eine Scheidung für eine Frau in den Vereinigten Staaten auch eine „finanzielle Katastrophe“. Durchschnittlich werden dadurch die Mittel, die sie für so grundlegende Dinge wie Nahrung, Wohnung und Heizung ausgeben kann, halbiert. Ihr Lebensstandard sinkt nach der Scheidung um sage und schreibe 73 Prozent!
Statt ein „aufgeklärtes“ Scheidungsrecht zum Schutz der Frauen zu finden, wie Lenore Weitzman es erwartet hatte, berichteten geschiedene Frauen, daß sie sich verzweifelt und mittellos fühlten. Plötzlich seien sie auf Sozialhilfe, Essensmarken, Obdachlosenheime und Suppenküchen angewiesen. Nicht weniger als 70 Prozent der befragten Frauen gaben an, sie würden sich ständig Sorgen machen, ob das Geld reicht. Einige fühlten sich bedroht, verbittert und mit ihren Kindern wie eingesperrt, ohne irgendwelche Zeit für sich selbst zu haben.
Ein junger Mann, nennen wir ihn Thomas, dessen Eltern sich scheiden ließen, als er acht Jahre alt war, erinnert sich: „Nachdem uns Vati verlassen hatte, hatten wir zwar immer etwas zu essen, aber eine Dose Limo war Luxus. Wir konnten uns keine neuen Anziehsachen leisten. Mutti mußte alle unsere Hemden selber machen. Wenn ich eine Fotografie von uns Kindern aus dieser Zeit betrachte, so sehe ich auf das traurige Bild kränklich aussehender Kinder.“
Da in den meisten Fällen die Frauen das Sorgerecht bekommen und viele Väter nicht die gerichtlich festgelegte Unterhaltszahlung leisten — die oft an sich schon alles andere als großzügig ausfällt —, läßt eine Scheidung eher die Frau arm werden als den Mann. Doch auch die Männer werden durch eine Scheidung nicht gerade wohlhabender. In dem Buch Divorced Fathers wird erklärt, daß allein die Anwalts- und Gerichtskosten die Hälfte eines Jahresnettoeinkommens des geschiedenen Ehemannes auffressen können. Darüberhinaus ist eine Scheidung für Männer und Väter auch emotionell sehr belastend. Viele klagen darüber, im Leben ihrer Kinder zu reinen Besuchern degradiert worden zu sein.
Seine Ehe bewahren
Es sollte einen daher nicht überraschen zu erfahren, daß bei einer Umfrage unter Personen, die ein Jahr lang geschieden waren, 81 Prozent der Männer/Väter und 97 Prozent der Frauen/Mütter einräumten, daß die Scheidung vielleicht ein Fehler war und daß sie sich hätten stärker bemühen sollen, ihre Ehe zu einem Erfolg zu machen. Auch mehr und mehr „Experten“ trennen sich hektisch von der von ihnen bisher propagierten arroganten Haltung gegenüber der Ehe. In der Los Angeles Times hieß es kürzlich: „Nach 25jähriger Beobachtung der Ergebnisse bemühen sich viele Therapeuten ... verstärkt, die Ehe zu retten.“
Nun ist die Kehrtwendung für die „Experten“ natürlich relativ einfach. Alles, was sie machen müssen, ist, zu sagen: „Entschuldigen Sie bitte vielmals“ und ihre Fahne nach dem Wind zu hängen. Doch für die Tausende, die ihrem Rat gefolgt sind, ist es nicht so leicht. Dennoch können die Opfer einer Scheidung aus ihrer bitteren Erfahrung wichtige Lehren ziehen, z. B., wie wahr das ist, was wir in Psalm 146:3, 4 lesen: „Setzt euer Vertrauen nicht auf Edle noch auf den Sohn des Erdenmenschen, bei dem es keine Rettung gibt. Sein Geist geht aus, er kehrt zurück zu seinem Erdboden; an jenem Tag vergehen seine Gedanken tatsächlich.“
Freunde, Therapeuten, Anwälte und die Leute, die in den Medien zu Wort kommen, sind auch nur unvollkommene Menschen. Warum sollte man sich somit auf sie verlassen, wenn man Rat für seine Ehe benötigt? Wäre es da nicht sinnvoller, sich zuerst an Jehova Gott, den Schöpfer der Ehe, zu wenden? Seine Grundsätze ändern sich nicht mit den launischen Winden der „Expertenmeinung“. Sie haben sich seit Jahrtausenden als richtig erwiesen und lassen sich heute noch erfolgreich anwenden.
Andrew und Ann erkannten das einige Zeit nach ihrer Scheidung. Ihnen wurde nach und nach klar, daß ihre Scheidung ein kolossaler Fehler war. Bemerkenswerterweise war es für sie jedoch noch nicht zu spät. Sie fanden sich wieder zusammen und heirateten erneut. Und sie begannen, ihre Denkweise zu ändern. Andrew erinnert sich: „Ich erkannte, daß ich moralisch bankrott war und daß ich Hilfe brauchte. Zum erstenmal seit Jahren betete ich darum. Ich wollte das Richtige tun; daher mußte ich mit dem, was ich tat, aufhören und alle Werte über Bord werfen, die ich in der Welt aufgeschnappt hatte. Ich wollte sie einfach nicht mehr.“
Und Ann fügt hinzu: „Daß wir nach dieser schrecklichen Zeit wieder zusammensein können, liegt daran, daß wir beide wirklich wieder mit Jehova ins reine kommen wollten. Und wir wollten wirklich unsere Ehe zu einem Erfolg machen.“ Das heißt nicht, daß es seither immer einfach gewesen ist. „Wir haben stets ein wachsames Auge auf unsere Beziehung, wir passen auf wie ein Schießhund. Und wenn einer von uns das Gefühl hat, daß etwas falsch läuft, dann reden wir darüber.“
Andrew und Ann ziehen jetzt zwei liebenswerte Kinder groß, und er dient als Dienstamtgehilfe in einer Versammlung der Zeugen Jehovas. Natürlich läuft nicht immer alles völlig reibungslos. In der alten Welt ist eine Ehe nie vollkommen. Wie könnte sie auch, wenn doch darin zwei unvollkommene Menschen vereint sind? Aus diesem Grund macht uns die Bibel darauf aufmerksam, daß von der Zeit an, wo die Sünde in die Welt gekommen ist, die Ehe bis zu einem gewissen Maß „Drangsal im Fleisch“ mit sich bringt (1. Korinther 7:28). Daher sollte eine Ehe nicht leichtfertig eingegangen werden. Wer somit an Heirat denkt, tut gut daran, zunächst ausreichend Zeit darauf zu verwenden, den voraussichtlichen Partner gut kennenzulernen. Und ist die Ehe erst einmal geschlossen, so ist sie gewöhnlich nur so gut wie die Anstrengungen, die man dafür aufwendet.
Logischerweise sollte also eine Scheidung nicht leichtgenommen werden. Wenn daher eine Scheidung notwendig oder unausweichlich erscheint, so kann Gott einem sicherlich die Hilfe geben, die man braucht, um die harten Zeiten durchzustehen, die möglicherweise der Scheidung folgen. Doch wenn wir dem weltlichen Trend folgen, die heilige Institution der Ehe geringschätzig zu betrachten, wer wird uns dann vor den Konsequenzen solcher Torheit schützen? Bewahren wir also unsere Ehe. Statt alles hinzuwerfen, wenn etwas schiefläuft, sollte man lösungsorientiert sein und versuchen, die Brücken zu reparieren, und sie nicht hinter sich abbrechen. Suchen wir in Gottes Wort nach praktischen Lösungen für unsere Eheprobleme.b Dort sind Lösungen zu finden. Und sie funktionieren.
[Fußnoten]
a Informationen über die Folgen einer Scheidung für die Kinder sind in der Erwachet!-Ausgabe vom 22. April 1991 zu finden.
b Siehe das von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegebene Buch Das Familienleben glücklich gestalten.
[Bild auf Seite 10]
Es trägt zur Bewahrung der Ehe bei, wenn man sich Zeit nimmt, etwas als Familie gemeinsam zu tun