Junge Leute fragen sich:
Soll ich in ein wohlhabenderes Land ziehen?
TARA verließ ihre Heimat Trinidad, Sheila Jamaika und Erick Suriname. Alle drei Jugendlichen zogen in ein wohlhabenderes Land. Aus welchem Grund?
„Auf Trinidad werden die jungen Leute wesentlich vom Fernsehen und von Zeitschriften beeinflußt. Leider erhalten sie dadurch von den Vereinigten Staaten und von anderen reichen Ländern ein unrealistisches Bild“, erklärt Tara.
Sheilas Geschichte hört sich ähnlich an: „Ich weiß noch, wie man mir erzählte, daß die Chancen, kostenlos die Schule zu besuchen und Arbeit zu finden, sehr gut stehen würden.“ Sie fügt jedoch hinzu: „Ich habe keine Ahnung, warum diejenigen, die schon in diesen Ländern waren, uns nicht die ganze Wahrheit gesagt haben. Vielleicht schämten sie sich, zuzugeben, daß doch nicht alles so toll ist.“
Aber der Trend auszuwandern hält unvermindert an. Gemäß einem Bericht in der Los Angeles Times hat sich die Zahl der Emigranten von 1980 bis 1990 verdoppelt, und man schätzt, daß sie sich bis zum Jahr 2000 nochmals verdoppeln wird. Jedes Jahr kommen über 700 000 Menschen in die Vereinigten Staaten. Jährlich wandern jeweils weit mehr als 50 000 Personen nach Australien, Kanada, Saudi-Arabien oder in die Côte d’Ivoire aus, viele davon in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Falls du in einem armen Land oder in einem Entwicklungsland lebst, fragst du dich möglicherweise auch, ob du in einem wohlhabenderen Land eine aussichtsreichere Zukunft hättest. Hierbei handelt es sich um eine weittragende Entscheidung. Was hilft dir, sie weise zu treffen?
Nichts überstürzen
Erick aus Suriname meint, man solle niemals in Eile handeln, sondern erst so viele Informationen wie möglich sammeln. „Selbst in Suriname haben die meisten Familien Verwandte, die in reichen Ländern leben, und es dürfte nicht schwer sein, neueste Informationen zu erhalten sowie in Erfahrung zu bringen, wie es wirklich um die wirtschaftliche Situation in der Welt bestellt ist.“
Bevor du eine Entscheidung fällst, denke daran: „Pläne scheitern, wo es kein vertrauliches Gespräch gibt, aber bei der Menge der Ratgeber kommt etwas zustande“ (Sprüche 15:22). Sprich daher offen mit deinen Eltern, mit christlichen Ältesten und mit anderen Personen, die erfahren sind und denen dein Wohl am Herzen liegt, über die verschiedenen Möglichkeiten.
Nicht alles glauben
Wenn du begeisternde Berichte über weit entfernte wohlhabendere Länder hörst, wäre eine gesunde Skepsis angebracht. „Ein Unerfahrener glaubt jedem Wort“, lautet ein weises Sprichwort, „aber der Kluge achtet auf seine Schritte“ (Sprüche 14:15).
Sheila, die auf Jamaika gelebt hat, berichtet: „Mein Englischlehrer behauptete steif und fest, daß ich nichts Besseres tun könne, als in die Vereinigten Staaten zu gehen. Einige Erwachsene meinten, es würde mir bessergehen, wenn ich in die Vereinigten Staaten, nach Kanada oder nach England auswandern würde, egal, welche Arbeit ich anstreben würde. Mit anderen Worten, ich wäre dumm, wenn ich mir so eine Gelegenheit entgehen ließe.“
Hat sich ihr Umzug in die Vereinigten Staaten wirklich gelohnt? „Auf den meisten Gebieten hat sich meine Situation schon verbessert, aber meine Freunde auf Jamaika haben auch etwas aus ihrem Leben gemacht. Gewöhnlich tauscht man ein Problem gegen ein anderes ein. Der Wohnort ist letztendlich nicht das Entscheidende.“
Tara, die von Trinidad in die Vereinigten Staaten ging, stimmt dem zu: „Die Leute betrachten einen reichen Staat als ‚Land der unbegrenzten Möglichkeiten‘ — man kann dort studieren, arbeiten, mehr Geld verdienen, und es herrschen bessere Lebensbedingungen. Vielen Auswanderern wird jetzt allerdings klar, daß die Lage überall schlechter wird. Daher sind einige nach Hause zurückgegangen.“
Das Für und Wider abwägen
Um eine ausgewogene Entscheidung zu treffen, solltest du dich nicht nur mit rosigen Berichten über den großen Reichtum anderer Länder beschäftigen. Wäge das Für und Wider ab, das mit einem Umzug verbunden sein mag — in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, sittlicher und geistiger Hinsicht.
Vielleicht ist die wirtschaftliche Lage in deinem Land schlecht. Gibt es jedoch in deiner näheren Umgebung wirklich keine Arbeitsplätze? „Bei uns waren viele arbeitslos, vor allem diejenigen, die keine höhere Bildung hatten“, berichtet Tara. Daher wanderte sie aus; ihre Brüder blieben in ihrem Heimatland. „Meine beiden jüngeren Brüder besuchten einen Lehrgang, bei dem sie Schreinern und Polstern lernten. Heute arbeiten sie in Fabriken und erhalten viele Privataufträge von Leuten, denen ihre Arbeit gefällt. Ich glaube, es geht ihnen besser als mir hier im ‚Land der unbegrenzten Möglichkeiten‘.“
Wenn du auswanderst, wirst du höchstwahrscheinlich einen Kulturschock erleiden und erleben, wie die moralischen Grundsätze, die dir viel bedeuten, mit Füßen getreten werden. Ist es das wirklich wert? Auch der Materialismus nimmt in reichen Ländern überhand. Wie mag das deinem Geistiggesinntsein bekommen?
Aus Esaus Fehlern lernen
Als es darum ging, vor einer Entscheidung das Für und Wider abzuwägen, hatte Esau, der in biblischer Zeit lebte, ein schwerwiegendes Problem. Er versäumte wiederholt, maßgebliche Faktoren zu berücksichtigen, nämlich sein Geistiggesinntsein und seine Angehörigen. Deswegen hatten einige seiner wichtigsten Entscheidungen katastrophale Folgen.
Die Bibel warnt davor, ‘heilige Dinge nicht zu schätzen, wie Esau, der seine Erstgeburtsrechte im Tausch für e i n Mahl weggab’ (Hebräer 12:16). Das Erstgeburtsrecht war etwas Heiliges. Gott hatte Esau und seinen Angehörigen die Gelegenheit gegeben, zu den Vorfahren des Messias zu gehören, der das Mittel zur Rettung der Menschheit ist (1. Mose 22:18). Doch Esau „verachtete ... das Erstgeburtsrecht“. Er verkaufte es leichtfertig für ein Linsengericht (1. Mose 25:30-34). Das Heiligste, was du besitzt, ist dein Verhältnis zu deinem Schöpfer. Tausche es nicht ein, nimm es nicht auf die leichte Schulter, noch setze es für irgendeinen materiellen Vorteil aufs Spiel! (Markus 12:30).
Als Esau später seine Eltern verließ und in ein anderes Land ging, heiratete er zwei Hethiterinnen. Das mag in mancherlei Hinsicht von Vorteil gewesen sein, doch auf geistigem Gebiet verursachte es nichts als Probleme, denn die beiden Frauen beteten nicht den Gott an, den Isaak und Rebekka, die Eltern Esaus, anbeteten. Für seine Eltern waren Esaus Frauen „ein Anlaß zur Bitterkeit des Geistes“ (1. Mose 26:34, 35).
Es ist nichts Ungewöhnliches, daß junge Menschen heiraten, nur um in ein wohlhabenderes Land gehen zu können. Berichten zufolge heiraten jedes Jahr etwa 4 000 Personen aus Indien nach Amerika, und schätzungsweise 10 000 warten darauf, es ihnen nachmachen zu können. Die Ehe ist jedoch ein kostbares Geschenk Gottes. Sie sollte nicht herabgewürdigt werden und nur als bloße „Fahrkarte“ dienen, um eine Grenze zu überqueren. Bedenke auch, wie sehr es Jehova und deine treuen Angehörigen schmerzen würde, wenn du dich ‘in ein ungleiches Joch mit einem Ungläubigen’ spannen ließest (2. Korinther 6:14).
Das Beste aus deiner Entscheidung machen
Wichtiger als die eigentliche Entscheidung ist wahrscheinlich, wie du sie in die Praxis umsetzt. Ob du nun bleibst, wo du bist, oder ob du auswanderst, die Hauptsache ist, daß du das Beste aus deiner Entscheidung machst.
Wenn du bleibst: Kritisiere diejenigen nicht, die auswandern. Es ist ihre Entscheidung, und sie tragen dafür die Verantwortung (Römer 14:4; Galater 6:4, 5). Lerne die Schönheiten und die Vorteile schätzen, die nur dein Heimatland zu bieten hat. Entwickle mehr Liebe zu den Menschen und Verständnis für ihre Probleme und für die Herausforderungen, denen sie sich gegenübersehen.
Wenn du wegziehst: Setze deine Prioritäten weise, während du neue Bräuche und womöglich auch eine neue Sprache lernst. Laß dich nicht auf Überstunden ein, nur um materielle Güter anzuschaffen, die du vorher nicht gebraucht hast. Sonst bist du eventuell zu beschäftigt für geistige Dinge.
„Heutzutage ist es unheimlich wichtig, einen Arbeitsplatz zu haben“, bestätigt Sheila. „Doch Angehörige und Freunde sowie geistige Dinge sind noch wichtiger. Wenn auch alles andere unsicher ist, sie geben uns Halt.“ Die Bibel gibt uns den weisen Rat, nicht ‘vollen Gebrauch von der Welt zu machen; denn die Szene dieser Welt wechselt’ (1. Korinther 7:31). Wer wirklich Gelingen hat, ordnet den Sorgen um Arbeit und Geld den richtigen Platz zu — weit hinter familiären Verpflichtungen und dem Streben nach geistigen Dingen.
Gehe auch sorgfältig bei der Wahl neuer Freunde vor. Erick sagt dazu: „Halte den Kontakt zu Freunden aufrecht, die sich bemühen, ein vorbildliches Leben zu führen.“
Behalte im Sinn, was du wirklich benötigst
Das, was jemand wirklich zum Glücklichsein braucht, bleibt immer gleich. „Egal, wo wir leben“, meint Sheila, „Jehovas Anforderungen sind immer die gleichen.“ Worin bestehen sie? Jesus drückte es kurz und knapp aus: „Glücklich sind die, die sich ihrer geistigen Bedürfnisse bewußt sind.“ „Darum macht euch nie Sorgen“, ob genug zum Essen oder zum Anziehen da ist. Gib ‘dem Königreich und SEINER Gerechtigkeit’ den Vorrang, und ‘alle diese anderen Dinge werden dir hinzugefügt werden’ (Matthäus 5:3; 6:31, 33).
Richtest du dich nach diesen Grundsätzen aus, dann wirst du in jedem Land ein besseres Leben führen.
[Bilder auf Seite 18]
Wohlhabendere Länder können verlockender erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind