Eine Seltenheit: weiße, blauäugige Alligatoren
DER folgende Bericht, den Curt Burnette für das Audubon-Institut verfaßte, erzählt die Geschichte der außergewöhnlichen weißen Alligatoren:
„Die weißhäutigen, blauäugigen Alligatoren sind Mississippi-Alligatoren mit mutierten Genen und keine eigene Spezies. Diese Mutation nennt sich Leuzismus, es handelt sich also um leuzistische Alligatoren. Albinos besitzen eine weiße Haut und rötliche Augen. Leuzistische Tiere dagegen haben Augen mit Pigment. Der Albinismus ist bereits eine seltene Erscheinung, aber der Leuzismus ist noch ungewöhnlicher. Leuzismus gibt es auch bei anderen Tierarten, die weißen Alligatoren sind jedoch die ersten bekannten leuzistischen Alligatoren.
Ende August 1987 hat man an ein und demselben Nestplatz insgesamt 18 weiße Alligatoren entdeckt. Gefunden wurden sie von drei Fischern der Volksgruppe der Cajuns in der Nähe von Houma (Louisiana), südwestlich von New Orleans. Als die ersten Alligatorenbabys am 5. September 1987 in den Audubon-Zoo gebracht wurden, waren sie etwa 1 bis 2 Wochen alt. Außer den 18 weißen fing man auch 7 normal gefärbte Alligatorenbabys ein; eine unbekannte Zahl normal gefärbter Jungen entkam. Das Nest befand sich auf einem Grundstück der Louisiana Land and Exploration Company (LL&E). Obwohl die Nestgegend seither beobachtet worden ist und die Eier eingesammelt und ausgebrütet wurden, hat man keine weiteren weißen Alligatoren entdeckt.
Alle 18 weißen Alligatoren und ihre 7 normal gefärbten Geschwister sind Männchen. Das kommt daher, weil das Geschlecht eines Jungalligators von der Bruttemperatur abhängt; deshalb können die Jungen entweder alle männlich oder alle weiblich oder beiderlei Geschlechts sein. Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung dieses Berichts haben die Alligatoren die Geschlechtsreife erreicht (5—6 Jahre). Die 18 weißen Alligatoren sind zwischen 150 und 240 Zentimeter lang und wiegen zwischen 25 und 125 Kilogramm. Das ist auf die unterschiedlichen Aufzuchtmethoden zurückzuführen. Alligatoren, die in der LL&E-Alligatorenfarm aufgezogen werden, wachsen schneller.
Die LL&E besitzt 14 weiße Alligatoren und hat freundlicherweise 4 dem Audubon-Institut überlassen. Zwei davon sind gegenwärtig im Audubon-Zoo zu besichtigen, die anderen beiden befinden sich im Aquarium of the Americas. Zwei Alligatoren werden zeitweise verschiedenen Zoos und Aquarien überlassen und waren schon in über einem Dutzend Zoos und Aquarien in den USA und sogar in einem Zoo in Japan.
Die weißen Alligatoren sind in der ganzen Welt berühmt geworden. Ein Bericht über ihre Entdeckung wurde von dem Fernsehsender CNN weltweit ausgestrahlt. Außerdem sind sie mehrmals im Fernsehen aufgetreten wie in der Today Show, dem Nashville Network, der Tonight Show und den CBS-Morgennachrichten, der Sendung Late Night mit David Letterman, dem Christian Broadcast Network, in MTV und in verschiedenen ausländischen Nachrichten- und Vormittagssendungen. Weltweit wird immer wieder in Zeitungen und Zeitschriften über sie berichtet. Vor ein paar Jahren brachte eine französische Zeitschrift einen Artikel über diese Alligatoren heraus zusammen mit einigen Fotos und fand damit in der Öffentlichkeit so großen Anklang, daß sie noch einen Artikel darüber veröffentlichte.
Wie kommt es, daß es so wenige weiße Alligatoren gibt und niemand vorher welche gesehen hat? Zum einen sind leuzistische und albinitische Alligatoren einfach eine seltene Erscheinung, zum anderen sind sie im Vergleich zu den normal gefärbten Alligatoren eindeutig im Nachteil, was für sie sogar tödlich sein kann. Wenn ein Alligatorenbaby schlüpft, ist es nur 20 bis 25 Zentimeter lang. Die Alligatorenmutter bewacht das Nest eine Weile, überläßt die Kleinen aber bald sich selbst. Normalerweise sind die Alligatorenkinder gelb-schwarz gestreift und fügen sich gut in ihre Umgebung ein. Ein weißes Jungtier kann jedoch von den verschiedensten Raubtieren schnell gesichtet und erbeutet werden.
Zwei interessante und ungewöhnliche Merkmale der weißen Alligatoren sind noch ihre schwarzen Punkte und ihr Naturell. Nur sehr wenige weiße Alligatoren kamen mit schwarzen Punkten zur Welt. Die meisten hatten gar keine. Als die Tiere jedoch größer wurden, bekamen immer mehr solche Punkte. Die meisten erschienen allerdings nur an Kopf und Hals. Dadurch lassen sich die Alligatoren leichter voneinander unterscheiden; einige haben allerdings überhaupt keine Punkte.
Und schließlich sind sich alle, die mit den weißen Alligatoren zu tun gehabt haben, darin einig, daß sie reizbarer und temperamentvoller sind als normale Alligatoren. Niemand weiß mit Sicherheit, warum das so ist, aber man muß sie wie schnelle, reizbare Krokodile behandeln und nicht wie relativ langsame und gemütliche Alligatoren. Das ist ein weiteres der vielen Geheimnisse, das die weißen Wunder des Sumpfes umgibt.“ (Von Curt Burnette, Audubon-Institut.)
[Bildnachweis auf Seite 16]
Fotos: Audubon-Zoo (New Orleans)