Ackee — Das Nationalgericht Jamaikas
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN AUF JAMAIKA
ES IST Sonntagmorgen auf der Karibikinsel Jamaika. „Das Frühstück steht schon auf dem Tisch“, ruft die Gastgeberin dem ausländischen Besucher frohgelaunt zu.
„Oh, es gibt Rührei zum Frühstück“, meint der Gast.
„Nein, nein“, erwidert die Hausfrau, „das ist Ackee mit gesalzenem Fisch. Probier mal.“
„Hm, lecker“, kommt die Antwort. „Aber es sieht tatsächlich wie Rührei aus. Was ist Ackee eigentlich? Eine Frucht oder ein Gemüse?“
„Diese Frage ist schon oft gestellt worden“, erklärt die Hausfrau. „Für die Botaniker ist sie eine Frucht, aber als Gericht serviert, betrachten viele sie als Gemüse.“
Was gibt es noch über Ackee zu erfahren?
Ein allseits geschätzter Baum
Der Ackeebaum stammt aus Westafrika. Olive Senior schreibt in ihrem Buch A-Z of Jamaican Heritage, der Kapitän eines Sklavenschiffs habe die ersten Pflanzen nach Jamaika gebracht und dort verkauft. Der Name Ackee soll auf ankye zurückgehen, ein Wort aus der ghanaischen Sprache Twi.
Ackeebäume können die stattliche Höhe von 15 Metern erreichen. Sie wachsen überall auf Jamaika, und ihre Früchte werden von Menschen aller Gesellschaftsschichten gegessen. Das aus Ackee bereitete Essen wird liebevoll als Jamaikas Nationalgericht bezeichnet. Meistens wird Ackee zusammen mit gesalzenem Dorsch in einer Soße aus Zwiebeln, Paprika und Gewürzen serviert. Hat man keinen Salzdorsch, dann kann man Ackee auch mit anderen Fischsorten, mit Fleisch oder ohne Beigabe essen.
Die Frucht des Ackeebaums ist zunächst grünlich, nimmt aber während der Reifezeit eine rötliche Farbe an. Vollreif springt die Frucht auf und kann nun gepflückt werden. Wenn sie sich öffnet, kommen drei Samenmäntel mit je einem schwarzen Samen an der Spitze zum Vorschein. Es sind die gelblichweißen Samenmäntel, die gegessen werden, nachdem man die schwarzen Samen und das rötliche Innere entfernt hat.
Eventuell gefährlich
Gelegentlich kommen, insbesondere bei Kindern, Lebensmittelvergiftungen vor, die man auf den Verzehr von Ackee zurückführt. Sie können, wie Untersuchungen ergeben haben, nach dem Essen von unreifen Früchten auftreten. Man hat entdeckt, daß die Frucht vor dem Aufspringen Hypoglyzin, eine Aminosäure, enthält.
Wie Biochemiker festgestellt haben, behindert Hypoglyzin die Aufspaltung von Fettsäuren. Dadurch können sich im Blut verschiedene kurzkettige Fettsäuren anhäufen, was zu Benommenheit bis hin zum Koma führt. Hypoglyzin hemmt auch die Bildung von Blutzucker, der für den Stoffwechsel unerläßlich ist.
Offenbar löst sich das Hypoglyzin ungeöffneter Ackees beim Kochen. Deshalb sollte man das Kochwasser wegschütten und nicht zum Zubereiten anderer Speisen verwenden. Das Gesundheitsministerium warnt von Zeit zu Zeit davor, unreife Ackees zu essen oder zu kochen.
Die meisten Liebhaber von Ackee sagen, sie hätten das Gericht ihr Leben lang gegessen und es habe ihnen nie geschadet. Manche werden daher bestreiten, daß Ackee gefährlich sein kann.
Wachsende Beliebtheit
Trotz vereinzelter Berichte über Vergiftungen erfreut sich das jamaikanische Gericht Ackee mit Salzdorsch wachsender Beliebtheit. Allerdings ist nicht sicher, ob man bei dieser Kombination bleiben kann, denn die Preise für importierten Dorsch sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Ackee läßt sich aber auch mit anderen Fischsorten oder mit Fleisch zubereiten, und so werden die meisten höchstwahrscheinlich nicht auf das jamaikanische Nationalgericht verzichten.
Wer nun auf Ackee neugierig ist, muß nicht unbedingt nach Jamaika reisen, um sie zu probieren, denn Ackee ist inzwischen ein beliebter Exportartikel. Sie wird in Konserven verschifft, und zwar vor allem in die Länder, in die viele Jamaikaner ausgewandert sind. Wer in seinem Land Ackee in Konserven entdeckt oder Jamaika einen Besuch abstattet, sollte ruhig einmal Ackee mit Salzdorsch probieren. Wer weiß? Vielleicht verliebt er sich dann auch in den unvergleichlichen Geschmack.
[Bild auf Seite 17]
Frucht des Ackeebaums