Hing Christus an einem Kreuz?
FÜR VIELE Millionen Menschen lautet die Antwort auf diese Frage so einfach wie das Wort „ja“. Für ernste Erforscher der alten Geschichte und der Bibel aber ist die Antwort so einfach wie das Wort „nein“. Nun offenbaren aber zwei so sehr verschiedene Antworten eine Kluft, die zu überbrücken alle Wahrheitssuchenden imstande sein müssen, um auf dem festen Boden der Wahrheit zu stehen.
Es ist in unserem erleuchteten Zeitalter allgemein bekannt, dass die Bibel zuerst nicht in Deutsch niedergeschrieben worden ist. Um also die Frage zu lösen, ob Christus an einem Kreuze hing oder nicht, ist es nötig, die ursprünglichen Sprachen, Hebräisch und Griechisch, zu befragen, in denen die Bibel verfasst wurde. Durch Gottes Gnade sind Manuskriptabschriften der ursprünglichen Berichte Gelehrten zugänglich, und einige dieser Abschriften datieren zurück bis in die Zeit von fünfzig Jahren nachdem die Originale entstanden waren. Ausserdem werden diese ursprünglichen Wörter in Wörterbüchern oder Lexiken, die in modernem Englisch oder Deutsch geschrieben sind, näher erklärt, wenn das die einzige Sprache sein sollte, die dem Leser bekannt ist. Überdies gibt es zuverlässige Enzyklopädien, Geschichtswerke usw., in denen man nachschlagen kann. [Siehe auch H. Fulda: „Das Kreuz und die Kreuzigung“.]
Die Zeitschrift Catholic Digest (engl.) brachte auf Seite 108 im Mai 1948 über den Gegenstand des Kreuzes folgendes: „Lange vor der Geburt Christi war das Kreuz ein religiöses Symbol. An der Stätte des alten Troja wurden jüngst Scheiben aus gebranntem Ton entdeckt, in die ein Kreuz eingedrückt war. Zwei ähnliche Gegenstände fand man in Herkulaneum. Die Azteken Altmexikos gravierten das Kreuz auf Amulette, Töpferwaren und Tempelmauern ein. Manche Spuren der Verwendung des Kreuzes durch nordamerikanische Indianer sind entdeckt worden. Die Buddhisten vom Tibet sehen im Kreuz ein Kennzeichen der Fussspur Buddhas. Die Mongolen zeichnen ein Kreuz auf Papier und legen es auf die Brust ihrer Toten. In ägyptischen Inschriften findet sich oft das Tau (T)-Kreuz. Man erachtete den Skarabäus-Käfer als heilig, weil Zeichnungen seinen Rücken hinab und quer über seinen Brustpanzer ein T bilden. Ein Kreuz von dieser Form wurde zur Unterstützung der Arme von Hindu-Asketen in Indien gebraucht, die tage- und nächtelang in einer buddhagleichen Haltung zu sitzen pflegten. Die Crux ansata (das Henkelkreuz) hat eine Schleife, die als Henkel dient. Für die Ägypter war dieses Kreuz ein Symbol von Leben, und in ihrer Zeichensprache bedeutete es „zu leben“. Siehe auch die Katholische Enzyklopädie (engl.), Band 4, Seite 517; die Fussnote auf Seite 312 und 313 von Gibbons Geschichte des Christentums (engl.), Eckler-Ausgabe, 1891.
Wieso war aber das Kreuz für die Heiden ein „Symbol von Leben“? Nun, ein Vater, der männliche Teil, ist der Lebengeber seiner Kinder durch die Mutter. Folglich errichteten diese Geschlechtskult treibenden Heiden unter der Inspiration des Teufels und seiner Dämonen ein Phalluskultbild des aufgerichteten männlichen Zeugungsorgans mit einem Querstück dem einen Ende zu, um die Hoden darzustellen. Wenn man die Symbole in der Crux ansata einen Schritt weiter verfolgt, stellte die Schleife oben, welche fromme Religionisten als einen „Henkel“ zu beschreiben pflegten, das weibliche Geschlechtsorgan dar, angeschlossen an das männliche Symbol. Dass diese teuflischen Darstellungen der Wahrheit entsprechen, ersehe man aus folgenden Nachschlagewerken: Begräbniszelt einer ägyptischen Königin (engl.) von Villiers Stuart; Männliches Kreuz und ehemaliger Geschlechtskult (engl.) von Sha Rocco; Zwei Babylon (engl.) von Alexander Hislop; Aufsätze über die Anbetung des Priapus (engl.) von Richard Payne Knight.
Eine Bezugnahme auf die Ursprache, in denen die Bibel geschrieben wurde, wird ausser jedem Zweifel zeigen, dass Christus nicht etwa an ein heidnisches Kreuz gehängt wurde. Folglich ist der Gebrauch des Wortes „Kreuz“ in den deutschen Bibeln eine Fehlübersetzung. In ihrem Anhang auf Seite 768-771 sagt hierüber die Neue-Welt-Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriftena, indem sie einen Kommentar über Matthäus 10:38 gibt, wo das griechische Wort σταυρός (stau·ros’) zuerst erscheint und in den meisten Bibeln mit „Kreuz“ übersetzt wird, folgendes:
„Dies ist der Ausdruck, der in Verbindung mit der Hinrichtung Jesu auf Golgatha gebraucht wird. Es liegen keine Anzeichenbeweise vor, dass das griechische Wort stau·ros’ hier ein ‚Kreuz‘ bedeutete, wie es die Heiden als religiöses Symbol viele Jahrhunderte lang vor Christus gebrauchten, um den Sonnengott zu bezeichnen. Auf den alten Skulpturen Ägyptens sind Darstellungen ihrer Götter zu sehen, welche die sogenannte Crux an·sa’ta, ein T-Kreuz mit einer Schleife oben, tragen, das ein phallisches Symbol von Leben ist. In babylonischen Inschriften wurde der Tammuz durch ein Herz bezeichnet, aus dem ein einfaches oder doppeltes Kreuz entsprang.
„Indien, Syrien, Persien wie auch Babylon und das alte Ägypten weisen samt und sonders Gegenstände auf, die mit Kreuzen von verschiedener Zeichnung markiert sind, darunter auch das Hakenkreuz unter den frühen Ariern. Dies verrät die Verehrung des Kreuzes als heidnisch.
„In der klassischen griechischen Sprache bedeutete das Wort stau·ros’ lediglich einen aufrechten Stamm, einen Pfahl oder Pfosten, wie er für eine Grundlage gebraucht wird. Das Verb stau·ro’o bedeutete mit Pfählen umgeben, um ein Staket oder eine Palisade zu machen, und dieses Verb wurde gebraucht, als die Pöbelrotte schrie, Jesus möchte angepfählt werden. An solch einen Stamm oder Pfahl wurde die zu bestrafende Person befestigt, gleichwie man den populären griechischen Helden Pro·me’the·us als an einem Pfahl oder stau·ros’ befestigt darstellte. Das griechische Wort, welches der Dramatiker Aes’chy·lus verwendete, um dieses zu beschreiben, bedeutet befestigen oder an einen Pfosten oder Pfahl heften, nämlich anpfählen, und der griechische Schreiber Lucian gebrauchte a·na·stau·ro’o als Synonym für dieses Wort. In den Christlichen Griechischen Schriften kommt a·na·stau·ro’o nur einmal vor, in Hebräer 6:6. Das Wurzelverb stau·ro’o kommt mehr als 40mal vor, und wir haben es im Englischen mit „impale“ (anpfählen) wiedergegeben und in der Fussnote beigefügt: ‚Oder: „an einem Stamm oder Pfahl befestigen“ ‘.
„Die inspirierten Schreiber der Christlichen Griechischen Schriften schrieben in dem allgemeinen (koi·ne’) Griechisch und gebrauchten das Wort stau·ros’, um dasselbe zu bezeichnen wie im klassischen Griechisch, nämlich einen einfachen Stamm oder Pfahl, ohne irgendwelchen Querbalken, der damit einen Winkel gebildet hätte. Für das Gegenteil liegt kein Beweis vor. Die Apostel Petrus und Paulus gebrauchten ferner das Wort xy’lon, um auf das Marterwerkzeug hinzuweisen, an das Jesus genagelt wurde, und dies stützt den Gedanken, dass es ein aufrechter Stamm ohne Querbalken gewesen war, denn das ist es, was xy’lon in diesem besonderen Sinne bedeutet. (Apg. 5:30; 10:39; 13:29; Gal. 3:13; 1. Pet. 2:24) In Esra 6:11 finden wir xy’lon in der Griechischen Septuaginta (1. Esdras 6:31), und dort wird davon als von einem Balken gesprochen, an den der Gesetzesübertreter gehängt werden musste, gleichwie in Lukas 23:39, Apostelgeschichte 5:30 und 10:39.
„Die Tatsache, dass stau·ros’ in den lateinischen Versionen mit crux übersetzt wird, liefert keinen Beweis gegen diese Auffassung. Irgendein massgebendes lateinisches Wörterbuch wird den Forscher in Kenntnis setzen, dass die Grundbedeutung von crux ein ‚Stamm, Gestell oder ein anderes hölzernes Werkzeug zur Hinrichtung‘ ist, an das Verbrecher angepfählt oder gehängt wurden. (Lewis-Short, engl.) Kreuz ist nur der spätere Sinn von crux. Selbst in den Schriften des Livius, eines römischen Geschichtsschreibers aus dem ersten Jahrhundert vor Christus, bedeutet crux lediglich einen Stamm. Ein solch einfacher Stamm zur Anpfählung eines Verbrechers wurde crux simplex genannt, und die Methode, ihn an ein solches Marterwerkzeug zu nageln, wird vom römisch-katholischen Gelehrten Justus Lipsius aus dem 16. Jahrhundert dargestellt. Wir bringen hier eine photographische Wiedergabe seiner Darstellung von Seite 647, Spalte 2, in seinem Buche De Cruce Liber Primus. Nach dieser Art wurde Jesus an den Pfahl gehängt.
„Die religiöse Tradition aus den Tagen des Kaisers Konstantin beweist nichts. Die Monatsschrift für die römisch-katholische Geistlichkeit The Ecclesiastical Review (engl.) vom September 1920, Nr. 3, von Baltimore, Maryland. sagt auf Seite 275: ‚Es mag als sicher behauptet werden, dass erst nach dem Edikt von Mailand im Jahre 312 n. Chr. das Kreuz als dauerndes Zeichen unserer Erlösung benutzt wurde. De Rossi sagt auf bestimmte Weise, dass kein Monogramm von Christus, das in den Katakomben oder anderswo entdeckt wurde, auf eine Zeit zurückzuführen sei, die vor dem Jahre 312 liege. Selbst nach jenem epochemachenden Jahre begnügte sich die Kirche, die nun frei und triumphierend war, mit einem einfachen Monogramm Christi: dem griechischen Buchstaben Chi, der senkrecht durchkreuzt wird durch ein Rho und bisweilen waagrecht durch ein Iota. [Grafik: Griechische Buchstaben] Das älteste Kruzifix, das als Gegenstand öffentlicher Anbetung erwähnt wird, ist dasjenige, welches in der Kirche von Narbonne in Südfrankreich schon im sechsten Jahrhundert verehrt wurde.‘
„Nachdem der heidnische Ursprung des Kreuzes dargetan worden ist, sagt The Encyclopaedia Britannica (engl.), Band 7, Ausgabe 11, auf Seite 506: ‚Erst zur Zeit Konstantins wurde das Kreuz öffentlich als das Symbol der christlichen Religion verwendet.‘ Dies war nur logisch, denn der Kaiser Konstantin war ein Anbeter des heidnischen Sonnengottes, dessen Symbol ein Kreuz war. Andere Fachkenner haben darauf hingewiesen, dass ‚vor dem vierten Jahrhundert das Kreuz im Osten ebensowenig als im Westen als christliches Symbol verwendet wurde‘.
„Statt den Marterpfahl, an den Jesus geschlagen wurde, als eine zu verehrende Reliquie zu betrachten, hielten ihn die jüdischen Christen wie Simon Petrus für etwas Abscheuliches. In Galater 3:13 zitiert der Apostel Paulus 5. Mose 21:23 und sagt: ‚Es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der an einem Pfahle hängt!“ ‘ (NW) Folglich betrachteten die jüdischen Christen den Stamm, an dem Jesus hingerichtet worden war, als etwas Verfluchtes und Hassenswertes. Der berühmte jüdische Fachkenner, Moses Mai·mon’i·des, aus dem 12. Jahrhundert sagt: ‚Sie hängen nie an einem Baum, der durch Wurzeln mit dem Boden verwachsen ist, sondern an einem aufgepflanzten Holz, damit es nicht eine lästige Plage sei: denn ein Holz, an dem jemand gehängt worden ist, wird begraben, damit der böse Name nicht damit übrigbleibt und die Leute sagen: „Dies ist das Holz, an dem der und der gehängt wurde.“ Ebenso der Stein, womit jemand gesteinigt worden ist; und das Schwert, womit ein Getöteter getötet worden ist; und das Tuch oder der Mantel, womit jemand erdrosselt worden ist; alle diese Dinge werden mit den Umgekommenen zusammen begraben.‘ (Apud Casaub, in Baron. Exercitat. 16, An. 34, Num. 134) Kalinski sagt in Vaticinia Observationibus Illustrata, Seite 342: ‚Wenn also das Aufhängen eines Menschen als der grösste Greuel betrachtet wurde, so hassten die Juden das Holz, an dem er gehangen hatte, auch mehr als alles andere, so dass sie es als etwas gleich Abscheuliches ebenfalls mit Erde zudeckten.‘
„Der Beweis fehlt daher vollständig, dass Jesus Christus an zwei Stücken Holz, die in rechtem Winkel zueinander standen, gekreuzigt worden ist. Wir lehnen es ab, dem geschriebenen Worte Gottes irgend etwas beizufügen, indem wir das heidnische Kreuz in die inspirierten Schriften aufnehmen, und geben stau·ros’ und xy’lon gemäss ihrem einfachsten Sinn wieder. Da Jesus das Wort stau·ros’ gebrauchte, um die Leiden und die Schande oder die Marter seiner Nachfolger darzustellen (Matth. 16:24), haben wir stau·ros’ mit ‚Marterpfahl‘ wiedergegeben, um ihn zu unterscheiden von xy’lon, was wir mit ‚Pfahl‘ übersetzten oder in der Fussnote mit ‚Stamm‘, wie in Apostelgeschichte 5:30.“
Jede Spekulation ist somit ausgeschaltet, und die Christen stehen heute auf dem festen Boden beweisbarer Tatsachen, wenn sie mit Nachdruck erklären, dass Christus nie an einem heidnischen Kreuz von phallischem Ursprung hing.
[Fußnote]
a Im Jahre 1950 von der Watchtower Bible and Tract Society, Brooklyn, N. Y., herausgegeben und verbreitet.