„Triumphierendes Königreich“ Kongresse 1955 (4. Teil)
New-York-Stadt, USA, 20. bis 24. Juli 1955
Es war sicherlich ein Zeugnis, daß man ihren Besuch wünschte, als Jehovas Zeugen innerhalb von fünf Jahren zum dritten Mal eingeladen wurden, ihren internationalen Kongreß des Jahres 1955 in New Yorks großem Stadion abzuhalten, das vom Yankee-Baseballteam betrieben wird. Unter Benutzung der Baseballsport-Sprache veröffentlichte die New York Times eine Teilansicht der großen, dort am Eröffnungstag versammelten Menge mit der Überschrift: „Jehovas Zeugen bringen eine andere Art Teamarbeit ins Yankee-Stadion“. Darunter standen die Worte: „Vom blumenumsäumten zweiten ‚Mal‘ als ‚Kanzel‘ aus eröffnen Jehovas Zeugen ihren Kongreß ‚Triumphierendes Königreich‘.“
Jawohl, es war theokratische Teamarbeit der Neuen-Welt-Gesellschaft, die alle Vorbereitungen für den Kongreß getroffen hatte, darauf das Stadion für das fünftägige Treffen bereitmachte und schließlich den Kongreß bis zu seinem erfolgreichen Ende durchführte. Er erwies sich als der größte der fünf Sommerkongresse auf dem nordamerikanischen Kontinent, und die Anwesendenzahl übertraf die frühere Schätzung. Wiewohl international, war dies nicht ein Weltkongreß, und daher wurde diesmal keine Wohnwagenstadt benötigt wie in den Jahren 1950 und 1953. Das Yankee-Stadion erwies sich für die Totalzuhörerschaft als groß genug.
Offiziell mit einer aufrüttelnden Willkommansprache vom kanadischen Zweigdiener P. Chapman eröffnet, rückte diese fünfte Veranstaltung in der Reihe der Kongresse mit einer Begeisterung und einem Schwung voran, die zeigten, daß die verschiedenen Kongresse keineswegs irgendwie langweilig wurden. Viele Missionare und Delegierte aus fremden Ländern waren anwesend und erzählten ihre Erfahrungen, und die Rednerliste war sehr abwechslungsreich. Da der Kongreß in New York selbst stattfand, konnten außer N. H. Knorr, dem Präsidenten, viele Brüder aus dem Hauptbüro der Gesellschaft Programmpunkte übernehmen. An diesem Eröffnungstag stieg die Anwesendenzahl auf 29 972 an, was eine stattliche Menge für den Sonntagshöhepunkt verhieß.
Hunderte von französischsprechenden Brüdern waren anwesend, besonders aus der Provinz Quebeck, Kanada, und auch viele spanischsprechende. So wurden Versammlungen von je zwei Stunden Dauer in Französisch und Spanisch angeordnet und an den sich gegenüberliegenden Enden der Haupttribünen des unteren Ranges am Donnerstag, Freitag und Sonntag abgehalten. Der ersten ausschließlich französischen Versammlung wohnten 375 Personen bei und der gleichzeitig stattfindenden spanischen 245 Personen.
Die Abteilung der Radiostation WBBR der Watch Tower Society befand sich im Zentrum des mittleren Ranges der Haupttribünen und nahm ausgewählte Ansprachen auf Tonband auf. Diese begann sie vom Donnerstag morgen an über Radio zu wiederholen.
Etwa um zwei Uhr an diesem Donnerstag nachmittag öffnete der Kongreßvorsitzende ein Kabelgramm vom Zweigbüro der Gesellschaft in London mit folgendem Inhalt: „Ungünstige Entscheidung. Alle drei gegen uns.“ So hatte also an diesem Tage das Appellationsgericht, bestehend aus einem Kollegium von drei Richtern, der zweiten Abteilung des Court of Session in Edinburgh, Schottland, die Januar-Entscheidung des erstinstanzlichen Richters, Lord Strachans, gegen Jehovas Zeugen bestätigt, nämlich, daß der junge Zeuge, ein Pionier und gleichzeitig Diener der Versammlung in Dumbarton, kein „regulärer Prediger“ oder „Geistlicher“ im Sinne des Landesdienstgesetzes von 1948 sei und somit vom Militärdienst nicht enthoben sei. So blieb nur noch die Appellation an das Britische Oberhaus in London als einziger nächster Schritt übrig, den Menschen unternehmen können. Diese ungünstige Entscheidung gegen Jehovas Zeugen in England bot einen ausgezeichneten Hintergrund zu der Ansprache des Rechtsberaters und Anwalts der Gesellschaft. H. C. Covington, der an jenem Abend um 7.30 Uhr zu den Versammelten über das Thema sprach: „Tätigkeit und Leben gegen Untätigkeit und Tod“. Als Einführung unterrichtete der gerade als Vorsitzende Amtende den Kongreß von der ungünstigen Entscheidung, die an diesem Tage gefällt worden war und bemerkte, daß, wenn der Appellation an das Oberhaus nicht stattgegeben werden sollte, man dann nur noch an den höchsten Gerichtshof, an den des Universums, des lebendigen Gottes Jehovas, appellieren könne, und daß wir als seine Zeugen unfehlbar gewinnen würden. Obwohl dies der heißeste Juli in der Geschichte New Yorks war und die Temperatur auf 35,5 Grad Celsius anstieg, was für 1955 einen Rekord bedeutete, stieg dennoch die Zahl der Kongreßbesucher bei dieser kraftvollen Rede auf 32 045 Besucher an.
Am Freitag morgen freuten sich die Kongreßbesucher, zu sehen, wie sich 1374 Personen als für die Wassertaufe annehmbar darboten, eine Zahl, die weit über das hinausging, was wir erwartet hatten. An diesem Abend richtete der Präsident, nachdem er die neue Broschüre gegen den Spiritismus seiner Zuhörerschaft von 34 258 Personen freigegeben hatte, einige Worte besonders an diese Neugetauften, die besagten, daß diese Broschüre eine Hilfe für sie sein werde besonders jetzt, da sie sich auf die Seite Jehovas und gegen Satan, den Teufel, und alle seine Dämonen gestellt hätten. An diesem Tage erschienen auch in New Yorks chinesischem Viertel Meldungen über den Kongreß, und das Chinese Journal brachte einen ziemlich eingehenden Artikel über den Kongreß.
An diesem Abend ankerte das von der Gesellschaft gecharterte Schiff Arosa Star mit seinen 794 Passagieren — einschließlich zweier Unterweiser der Wachtturm-Bibelschule Gilead und auch des Farmdieners der Königreichsfarm, auf deren Gelände die Schule liegt — in Southampton, England. Diese drei Brüder hatten also dem Kongreß im Yankee-Stadion nicht beiwohnen können. Später am selben Tage traf der andere gecharterte Dampfer — Arosa Kulm — ebenfalls im selben Hafen mit seinen 795 Passagieren ein.
Der Yankee-Stadion-Kongreß folgte demselben allgemeinen Programm wie die übrigen Sommerkongresse, aber am Sonnabend morgen gab es etwas Besonderes: die Graduierung der 25. Klasse der Wachtturm-Bibelschule Gilead.
Um 10.15 Uhr begann das Programm. Als Präsident der Schule leitete Bruder Knorr die Graduierung. Auf dem Rasen rechts vom Podium saßen die 102 Glieder der graduierenden Klasse im hellen Sonnenschein, der von einem wolkenlosen blauen Himmel herniederstrahlte. In der Schule hatten die meisten Studenten Spanisch studiert, andere jedoch — solche von Kanada — Französisch, und sechs hatten unter einem Mitstudenten, einem früheren japanischen Buddhisten, Japanisch studiert. Als erster wurde der spanische Unterweiser eingeführt, damit er zu ihnen spreche. Er sagte: „Ihr braucht keine Geschäftsdepression und keine Gewinnverluste zu fürchten wie Personen, die die Schulen der alten Welt als Graduierte verlassen.“ Doch ermahnte er sie, „darum zu kämpfen, fortan an ihrer Arbeit beharrlich festzuhalten“. Er spornte sie an, auf das direkte Ziel ihrer besonderen Schulung hinzuwirken: eine ersprießliche Tätigkeit im Dienste Gottes. Der Unterweiser in Mathematik sprach als nächster seine Abschiedsworte. „Heute ist für euch Graduierung, doch braucht ihr euch nicht nach einer Stelle umzusehen … Was ihr habt, ist mehr als nur ein Posten. Es ist eine Berufung, eure Lebenslaufbahn, und ihr legt euer Herz in diesen Beruf hinein.“ Er spornte sie an, als Diener Gottes an Erkenntnis und Lehrfähigkeit zuzunehmen und erfolgreich zu sein, indem sie stets die Gesellschaft anerkennen und mit ihr zusammenwirken.
Für die Königreichsfarm-Familie, mit der die Graduierten nach den Schulstunden zusammengearbeitet hatten, sprach nun der Gehilfe des Farmdieners. Er hielt ihnen als Graduierten das Bild des schließlichen Triumphs vor Augen. Um ihrer Arbeit willen sollten sie beständig achthaben auf sich selbst und ihr Lehren und es nie an Liebe, Eifer, Ergebenheit und Freude mangeln noch sich in Auslandsgebieten stören oder beunruhigen lassen wegen ihrer Gesundheit, ihres Heimwehs und Sich-Einsam-Fühlens oder durch weltliche Lockungen. Möge doch ihr Klassenbild, das an Gileads Wand hänge, ihn erfreuen, ja Jehova erfreuen, weil sie stets triumphierend vorangingen.
Der nächste Redner, der Vizepräsident, erinnerte die Graduierten daran, daß sie für Gott stets ein lieblicher Duft sein und überall Menschen, die nach Leben suchen, den Duft der Erkenntnis Gottes wahrnehmen lassen möchten. Sie sollten den ihnen zugeteilten Dienst in dem Gebiet, in das sie gesandt werden, lieben und nicht vor ihm fliehen gleichwie Jona es tat, sondern sich daran erinnern, daß auch dort Gott sie in seinem Triumphzuge führt. Ihre treue Arbeit werde nie umsonst sein.
Darauf folgten weitere Worte der Begrüßung und des Glückwunsches, doch waren es solche von Abwesenden, deren Botschaften der Sekretär des Präsidenten vorlas. Sie wurden von früheren Graduierten und anderen aus weit verstreuten Ländern übermittelt. Vom Schiff Arosa Star kam mittels Radiogramm die Botschaft, die zum Vorlesen für den Tag der Graduierung aufgespart worden war. „Mitten im Atlantik weilen unsere Gedanken bei der graduierten Klasse. Möge Jehova euch als geschulte Prediger dazu gebrauchen, großen Scharen Menschen zum Segen zu sein.“ Sie war von Schroeder, Friend [Gilead-Unterweiser] und Markus [Farmdiener] unterzeichnet.
Dann sprach der Präsident selbst. Er stützte seine liebenden Ratschläge auf 1. Petrus 1:12-14. Prophetische Zeugen in alter Zeit hatten sich für Jehovas Vorhaben interessiert. Selbst die Engel des Himmels wünschten in diese Dinge Einblick zu nehmen und ihre Erfüllung wahrzunehmen. Dieselben wichtigen Dinge sollten dasselbe tiefe Interesse bei diesen Graduierten finden. Dieses Interesse sollten sie immer lebendig und wach halten, damit sie sich stets getrieben fühlen, diese Dinge zu studieren und begeistert und eifrig zu sein, um im Einklang damit zu wirken und sie anderen zum Preise Jehovas bekanntzumachen. „Laßt uns nie knauserig sein in dem, was wir unserem himmlischen Vater darbringen können. Es obliegt euch eine Verantwortung: die Rechtfertigung des Namens Jehovas herbeizuführen.“
Dann kam die Zeit, da der Präsident die Diplome austeilte. In der alphabetischen Reihenfolge ihrer Namen begaben sich die Graduierten von rechts her im Gänsemarsch auf das Podium und vor das Mikrofon, wo jeder den kostbaren Graduierungs-Briefumschlag erhielt, wobei der Präsident dem Betreffenden die Dienstzuteilung für die Zukunft bekanntgab, während er ihm den Umschlag aushändigte. Dies erntete bei jeder neuen Dienstzuteilung anspornenden Beifall der Wertschätzung von seiten der mächtigen Zuhörerschaft von mehr als 23 000. Die Graduierten waren aus 16 Ländern hergekommen und wurden nun 24 Ländern des Nordens, Südens, Ostens und Westens zugeteilt. Zum ersten Mal wurden zwei Missionare für den Dienst auf Formosa bestimmt, wo das Verbot gegen Jehovas Zeugen 18 Jahre lang in Kraft gewesen und erst unlängst, im vergangenen Mai, aufgehoben worden war.
Nun kam die Reihe zum Antworten an die 25. Gileadklasse. Und sie tat es auch — durch eine Resolution, die ein Bruder von der graduierenden Klasse vorlas. Darin wurde herzlicher Dank ausgedrückt für alles, was ihre Schulung in Gilead möglich gemacht hatte sowie ihre Entschlüsse für die Zukunft. Sie wollen Jehova noch mehr bekanntmachen, wollen treulich in Christi Fußstapfen wandeln, an Gottes Wort festhalten, sich von dieser alten Welt furchtlos getrennt halten, bis sie für immer zu existieren aufhört, und wollen mit Jehovas sichtbarer Organisation wirken, allen ihnen auferlegten Verantwortlichkeiten und Vorrechten nachkommen und demütig ihren Brüdern und allen Menschen guten Willens dienen, die noch eingesammelt werden sollen „in die eine liebende und vereinte Neue-Welt-Gesellschaft, die durch Jehovas unverdiente Güte dazu bestimmt ist, durch Harmagedon hindurch- und endlos in Gottes neuer Welt zu leben“. Einer der Studenten unterstützte den Antrag auf Annahme dieser Resolution. Die ganze graduierende Klasse klatschte zugunsten dieser vereinten Annahme. Alle Versammelten stimmten dann in ein Lied ein, und ein Gebet des Präsidenten beendete die gesegnete Graduierung um 12.20 Uhr.
Einer Temperatur von ca. 38 Grad Celsius trotzten an jenem Nachmittag 35 753 Personen, die den Vortrag des Präsidenten „Jehova ist in seinem heiligen Tempel“ anhörten, und dann folgte die Freigabe des neuen Buches über das Überleben Harmagedons. Man hörte Kommentare wie „Oh!“ und „Zu wissen, daß wir in diesen Tagen leben!“ und „Einfach wunderbar!“ oder „Gerade aus dieser Ansprache ersieht man, daß Jehova in seinem heiligen Tempel ist“. Die zunehmende Wertschätzung für den Kongreß zeigte sich darin, daß am Abend die noch größere Menge von 36 280 anwesend war.
Am Sonntag morgen hörte es zu regnen auf, ehe die Versammlungen im Stadion begannen. Bei der französischen Versammlung war mittags eine begeisterte Menge von 443 Personen zugegen, und beim öffentlichen Vortrag in Spanisch zählte man 500 Anwesende, die die neue Broschüre in Spanisch über dasselbe Thema willkommen hießen. Aus Ciudad Trujillo, der Dominikanischen Republik, die sich unter einem römisch- katholischen Diktator befindet, der Jehovas Zeugen verboten hat, waren telefonisch die Grüße der Brüder an die Versammelten eingetroffen: „Wir alle, die hier sind, wünschen euch dort Jehovas Segen.“
Der Himmel blieb mit Wolken verhängt, aber die Leute erschienen trotzdem, um den Vortrag „Weltbesiegung nahe — durch Gottes Königreich“ um 3 Uhr nachmittags anzuhören. Die Zuhörermenge belief sich auf 55 009, also auf eine Menge, die fünftausend mehr zählte, als man erwartet hatte. Nach dem Vortrag des Präsidenten folgte langandauernder Beifall, und als der großen Menge mitgeteilt wurde, daß er noch am gleichen Abend nach England wegfliege, verlieh sie ihrem Wunsch „Gott begleite dich“ durch Klatschen lebhaften Ausdruck. Einige Minuten vor der Schlußversammlung, den „Schlußworten“ des Präsidenten, begann es zu regnen, und dies eine Weile ziemlich stark. Die Worte, die die 45 144 Dagebliebenen belohnten, bereiteten ihnen viel Freude. Sie riefen ihnen von neuem ins Gedächtnis, daß auch „reizende“ Kinder zurechtgewiesen werden müssen, daß es Eltern nicht mit Jesaja 2:2-4 vereinbaren können, ihre Kinder mit Kriegsspielzeugen zu versehen, und daß Kinder die Eltern lieben und nicht denken sollen, sie besäßen das Recht, von ihren Eltern Geld zu fordern für Dienste, die sie von ihnen verlangen oder worum sie sie bitten mögen. Junge Zeugen folgen ferner schlechten Beispielen, wenn sie die berüchtigten weltlichen Filmstars hinsichtlich Kleidung, Betragen usw. nachahmen. Wir sind ein abgesondertes Volk, das einen anderen Geruch an sich hat, indem es Gottseligkeit und Gotteserkenntnis ausströmt. Gott ist nicht knauserig uns gegenüber gewesen. Anläßlich dieser Sommerkongresse haben wir fünf Neuerscheinungen, fünf neue theokratische Publikationen der Watch Tower Society, erhalten. Wir leben in einer Zeit der Ausdehnung. Neue Druckereien und Gebäude für Zweigbüros werden erstellt. Bis dahin wurden anläßlich der fünf Kongresse insgesamt 3976 Personen getauft, und insgesamt 171 701 Kongreßbesucher hörten sich den öffentlichen Vortrag an. Nun aber waren die europäischen Kongresse vor uns, und wir sahen einer großen Beteiligung entgegen. Mitteilungen aus Deutschland besagten, daß bereits 61 000 Personen aus 53 Ländern Unterkunft für den Kongreß in Nürnberg bestellt hätten. In aufmerksamer Weise wurde Wertschätzung allen gegenüber ausgedrückt, die mitgeholfen hatten, den dritten Yankee-Stadion-Kongreß zu einem solchen Erfolg zu machen. Nun folgte ein Lied und Gebet, und der Kongreß war um 6.19 Uhr vorbei. Auch mit Regnen hatte es aufgehört.
(Fortsetzung folgt)