„Triumphierendes Königreich“ — Kongresse 1955
PARIS, FRANKREICH, 3. BIS 7. AUGUST 1955
Die Krone eines Jahres erfolgreichen Königreichsdienstes im Felde des Zeugnisgebens in Frankreich war der zweite internationale Kongreß der Zeugen Jehovas in Paris, der während des Schlußmonats des Dienstjahres 1955 stattfand. Im Monat April, dem Monat des weltweiten Feldzuges, als das Gedächtnis an den Tod Christi gefeiert und die neue Broschüre (Christenheit oder Christentum — was ist „das Licht der Welt“?) freigegeben wurde, erreichten die 183 Versammlungen der Zeugen Jehovas in Frankreich eine neue Höchstzahl an Königreichsverkündigern, nämlich 9883. Das ist eine Zunahme von 23% gegenüber dem vorigen Dienstjahr. Bei der Gedächtnisfeier waren insgesamt 11 894 Personen zugegen, wiewohl nur 225 vom sinnbildlichen Brot und Wein genossen. Alle diese sollten nun für den Kongreß als Gastgeber ihrer Brüder aus weit mehr Ländern dienen, als bei einer solchen Zusammenkunft in Paris je zugegen gewesen waren. In Paris und Umgebung gibt es etwa 2500 Zeugen. Eine Höchstzahl an Anwesenden wurde erwartet, und die Organisation der Neuen-Welt-Gesellschaft in Paris machte sich dafür bereit. Französische Missionare, die die Gileadschule absolviert hatten, französische Pioniere und Versammlungsverkündiger suchten wochenlang Zimmer in Hotels und Privatwohnungen zu erhalten, um die vielen Unterkunftsgesuche erledigen zu können.
Das große „Velodrome-d’Hiver“-Stadion oder der Sportpalast war für diesen Anlaß gemietet worden. Vier Jahre zuvor hatte der erste internationale Nachkriegskongreß der Zeugen Jehovas in Frankreich ebenfalls im Palais des Sports stattgefunden; damals wohnten 10 456 Personen dem öffentlichen Vortrag bei, und 351 wurden getauft. Mittlerweile war in Frankreich die organisatorische Zeitschrift Der Wachtturm in allen Sprachen verboten worden. Der ewige Gott Jehova jedoch, der sein Volk zu einer Wächterklasse gemacht hat, fuhr fort, sein Volk geistig zu nähren, und es ist in diesem Lande des römischen Katholizismus und des Kommunismus sowohl an geistiger Reife wie auch an Zahl gewachsen. Vom Pariser Zweigbüro aus wandert man nur eine Viertelstunde weit die Rue de la Tour (Turmstraße) hinab, geht auf der Brücke Pont de Passy über die Seine, überquert den Quai de Grenelle und kommt dann zum Sportpalast. Nur drei Blocks nördlich davon ragt der 300 m hohe weltberühmte Eiffelturm empor.
Außer den Tausenden ausländischer Besucher, die hier zusammenkamen, brachte ein Sonderzug 1200 polnische Brüder aus dem Nordosten Frankreichs in die Stadt. Wegen der verschiedenen Sprachen, die anläßlich dieses Kongresses gesprochen werden sollten, enthielt das gedruckte Programm die „Auskunft für Kongreßbesucher“ in Französisch, Englisch und Polnisch, und die Willkomm- und Leitschilder rings um den Sportpalast waren auch in denselben drei Sprachen abgefaßt. Ankündigungen vom Podium aus erfolgten ebenfalls in diesen drei Sprachen. Literatur auf den Büchertischen war in noch mehr Sprachen vorhanden. Obwohl viele polnische Brüder jetzt Französisch verstehen, wurden doch besondere Versammlungen in polnischer Sprache abgehalten, und zwar am Donnerstag, Freitag und Sonnabend von 10 Uhr morgens bis mittags; und am Sonnabend morgen waren 577 anwesend.
Das Kongreßkomitee sorgte nicht nur für die geistigen Bedürfnisse, sondern auch für eine reichversehene Cafeteria hinter dem mit Blumen geschmückten Podium, die die Kongreßteilnehmer regelmäßig mit Mahlzeiten erfrischte. Sie wurden von den vielen Speisetischen der Cafeterialinien aus dargereicht. Auch hier, wie bei allen vorausgegangenen Kongressen, die unter dem Motto „Triumphierendes Königreich“ stattfanden, übernahm ein vorzügliches, großes Orchester die Führung und begeisterte die Anwesenden zu einem von Herzen kommenden Gesang der Königreichslieder. Während die meisten in Französisch sangen, sangen doch auch viele Besucher in Englisch mit.
Zur offiziellen Eröffnung des Kongresses drängte sich eine Menge von 9701 Personen in das Gebäude. Das Stadion vor dem Podium füllte sich, und man saß auch auf den seitlichen Sitzreihen, einige sogar hoch oben auf der Galerie. In dieser Radrennbahn ging es jedoch nicht um ein Fahrradrennen, sondern die Laufenden waren solche, die in der Rennbahn um den Preis des ewigen Lebens in Jehovas neuer Welt laufen. Darunter befanden sich auch 14 Personen aus dem unter einer Diktatur stehenden Portugal, viele aus dem portugiesischsprachigen Brasilien und auch etwa 35 Personen aus Spanien, das unter Francos Herrschaft steht. Diese Brüder sind mit der Diktaturherrschaft vertraut, unter der nur der Römisch-katholischen Kirche volle Religionsfreiheit gewährt wird, und so waren sie denn hier, bei diesem großartigen freien Kongreß in Paris, tiefgerührt. Tränen quollen in den Augen der spanischen Brüder auf, als sie zum erstenmal eine solche Menge ihrer Brüder, Zeugen Jehovas, sahen, Tausende und Abertausende zum öffentlichen Kongreß versammelt, ohne daß sie die Polizei fürchten mußten. Was machte es schon aus, wenn sie die Sprache der auf dem Podium Redenden nicht verstanden! Empfanden sie doch die große Freude, unter ihren Brüdern der einen großen Familie Gottes, Jehovas, zu sein. Sie staunten und waren begeistert über die Freiheit, mit der sich ihre Brüder durch ihre Abzeichen auf den Straßen von Paris öffentlich als Zeugen Jehovas zu erkennen gaben und so den Kongreß und seinen öffentlichen Vortrag bekanntmachten, ferner Schriften verbreiteten und die Botschaft von Tür zu Tür ohne irgendwelche Hindernisse predigten. Sie empfingen lebhafte Eindrücke, wovon sie nach ihrer Heimkehr ihren Brüdern daheim, die unter der Diktaturherrschaft leben, erzählen wollten.
Die meisten Redner aus Nordamerika hielten ihre Vorträge in Englisch, und ihre Ansprachen wurden auf dem Podium durch fähige Dolmetscher in die französische Sprache übertragen. Französische Redner, die programmgemäß dienten, trugen ihre Reden mit derselben Inbrunst und Kraft vor wie jene, die in Englisch sprachen. Der Zweigdiener von Paris hielt die Willkommansprache in Französisch. Bruder Knorr, der Präsident, hielt abends die Eröffnungsansprache über die „Triumphierende Botschaft vom ‚Königreich‘ “, und am Schlusse gab er das Buch Was hat die Religion der Menschheit gebracht? in Französisch frei. Dies löste bei den Zuhörern große Freude aus.
Von 13.20 bis 20.50 Uhr verließen viele Besucher in fünf Sonderzügen Paris, um sich nach Rom zu begeben, was natürlich die Zahl der Anwesenden in Paris in Mitleidenschaft zog. Die große Massenbewegung von Kongreßbesuchern, die sich von Kongreß zu Kongreß über den Kontinent ergoß und wofür das Neuyorker Hauptbüro der Watch Tower Society in geschickter Weise viele gründliche Vorbereitungen getroffen hatte, war nun im Gange. Es war eine Invasion theokratischer Kämpfer vom Auslande, wie es eine solche noch nie gegeben hatte. Darüber veröffentlichte die europäische Ausgabe der Zeitung The Stars and Stripes vom 5. August, die in Darmstadt, Deutschland, für die bewaffneten US-Streitkräfte herausgegeben wird, auf ihrer 3. Seite folgendes:
„Paris, 4. Aug. (AP) — Mehr als 4000 in Schweiß gebadete Zeugen Jehovas aus jedem Staat der Union strömten gestern nachmittag [Mittwoch] in das herausgeputzte Pariser Sportstadion, um sich Predigten anzuhören. Dann packten sie wieder ihre Koffer, um sich nach dem nächsten Aufenthaltsort ihrer Westeuropatour zu begeben. Als Glieder der Pazifistensekte, von denen jeder ein rotgelbes Abzeichen trug mit der Aufschrift ‚Die kommende Weltbesiegung durch das Königreich Gottes‘, stellen sie wahrscheinlich die größte Massenbewegung von Amerikanern dar, die sich seit der während des zweiten Weltkrieges erfolgenden Invasion der Alliierten durch Europa ergoß.“
Von Rom aus führten fünf Sonderzüge später Tausende von Kongreßbesuchern nach Städten in der Schweiz. Das Berner Tagblatt vom Mittwoch, dem 10. August, veröffentlichte ein Bild der dort eintreffenden Delegierten und überschrieb den Begleitartikel mit „Invasion in Bern, 2000 Zeugen Jehovas“. Es hieß in dem Artikel weiter: „Bern (Schweiz) erlebte während zweier Tage die Invasion von mehr als 2000 Zeugen Jehovas, vorwiegend aus den Vereinigten Staaten. Die Leute aller Farbschattierungen mit dem angehefteten Täfelchen ‚Jehovah’s Witnesses‘ beherrschten zeitweilig das Straßenbild, und insbesondere die zahlreichen ‚bunten‘ Damen jeden Alters und Umfangs zogen verlängerte Blicke auf sich. Weit über 4000 Zeugen — von denen sich einige hundert in Zürich und Genf aufhalten — reisten mit zwei Extraschiffen und 42 Extraflugzeugen von den Staaten nach Europa, um hier von Kongreß zu Kongreß zu ziehen, angefangen in London, dann Paris.“
Am zweiten Tag des Pariser Kongresses sprach der Präsident laut dem Programm zweimal, und nach seiner Abendansprache gegen den Spiritismus überraschte und beglückte er die Zuhörer durch das Vorzeigen der Broschüre Grundlage für den Glauben an eine neue Welt in Französisch. Am folgenden Morgen mußte er nach Italien fliegen, um für den Höhepunkt der Eröffnung des dreitägigen internationalen Kongresses in Rom zu sein.
In Paris beantworteten am Freitag morgen im Sportpalast 774 Täuflinge die Fragen, die ihnen vom französischen Redner über die Taufe gestellt wurden, mit einem kräftigen „Oui!“. Dann wurden sie fünfzehn Kilometer weit vom Sportpalast nach der Ville de Chatenay-Malabry geführt, wo sie im Piscine Municipale, einem Hallenbad, vor vielen Zeugen getauft wurden. Ein achtjähriger Junge und eine dreiundachtzigjährige Frau befanden sich unter diesen Getauften. Selbst eine Blinde wagte es, sich in der Kraft Jehovas taufen zu lassen. Auch zwei frühere Spiritisten wurden getauft. Dieser Mann und seine Frau schätzten Bruder Knorrs Ansprache gegen den Dämonismus, auch Spiritismus genannt, sehr.
Am Sonnabend abend kehrte Bruder Knorr im Flugzeug von Rom nach Paris zurück, um dort am Sonntag drei Ansprachen zu halten. Sehr viele Pariser erschienen und hörten sich den weithin bekanntgemachten öffentlichen Vortrag an, und die Zahl der Anwesenden im Sportpalast schnellte auf 16 500 hinauf. Das Stadion wurde gedrängt voll. Bruder Knorr war hoch erfreut, als er sah, wie lebhaft diese Zuhörer reagierten, und er empfand große Freude, ihnen die Broschüre Weltbesiegung nahe — durch Gottes Königreich in Französisch freizugeben. Ein Rekord in der Zahl der Anwesenden war erreicht, und die Brüder aus dem Auslande freuten sich zusammen mit ihren französischen Brüdern. Schrecken erfaßte jedoch die Feinde, und so wie sie es nach großen Versammlungen der Neuen-Welt-Gesellschaft meistens taten, veröffentlichten sie durch eine lokale französische, römisch-katholische Zeitung einen langen Artikel gegen Jehovas Zeugen und brachten die falsche Meldung, sie hätten gesagt, daß am 21. August die Welt enden werde. Eine der meistgehörten Radiostationen Frankreichs brachte Nachrichten über unseren Kongreß. Darin setzten sie für uns das Datum des Endes der Welt auf den 21. August 1955 fest. Ebenfalls auf eigene Initiative hin fügte die Station in jener Sendung bei, daß Jehovas Zeugen das Ende der Welt bereits 427mal angezeigt hätten, ohne daß es eingetroffen sei. So machte dieses sensationelle „Datum“ in den zahlreichen Tageszeitungen Europas denn bald die Runde, und zwar auch in einer Zeitung von Lissabon, Portugal, ferner in einer Zeitung von Lausanne, Schweiz. Die Ausgabe vom 11. August des Blattes Feuille d’Avis von Lausanne veröffentlichte dann auf ihrer 19. Seite eine lange Widerlegung dieser falschen Meldung.
Jehovas Zeugen von Frankreich verließen ihren erfolgreichen Kongreß mit dem Entschluß, ihre Arbeit bis Harmagedon voranzutreiben, also bis die Schlacht von Harmagedon zu einer Stunde und an einem Tage losbricht, die keinem Menschen, sondern nur Gott und seinem Christus bekannt sind. Als Folge des Kongresses in Paris sollte Frankreich bald eine neue Höchstzahl von über 10 000 tätigen Königreichsverkündigern erreichen.
ROM, ITALIEN, 5. BIS 7. AUGUST 1955
Ganz Italien nahm von dem ersten internationalen Kongreß der Zeugen Jehovas in Rom Kenntnis, der vom 5. bis 7. August tagte. Der Feind griff gleich zu Anfang an und versuchte wohl etwas zu schaden, aber später schlug die Sache ins Lächerliche um. Gewisse Blätter der italienischen Presse behaupteten — während sie dadurch gnädigst den Kongreß in Rom ankündigten —, daß das Datum desselben plötzlich vorverlegt worden sei, und dies angesichts der äußersten Nähe des Endes der Welt. Diese lächerliche Behauptung half indes nur mit, Jehovas Zeugen bekanntzumachen und die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit noch mehr auf ihren Kongreß in Rom zu lenken.
Die Stätte des Kongresses genügte, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen, war es doch der Palazzo dei Congressi dell‘ Esposizione Universale di Roma (Kongreßpalast der Universal-Ausstellung in Rom). Die protestantischen Sekten in Italien waren verblüfft über das, was Jehovas Zeugen taten. Sie fragten: „Wie kommt es, daß Jehovas Zeugen den Palazzo bekommen?“ Dieser Bau, der der italienischen Regierung gehört, ist eines der zahlreichen Ausstellungsgebäude, die der verstorbene Faschist Mussolini, Duce genannt, für die Weltmesse des Jahres 1942 erstellen ließ. Von ihm unvollendet gelassen, wurde er schließlich modernisiert und unter einem Kostenaufwand von zwei Millionen Dollar zum Gebrauch fertiggestellt. Es ist ein imposanter Bau. Er wird von einer Art quadratischen Doms überragt. Die Fassade bilden 14 hohe Säulen mit einem geräumigen, etwas geneigten Mosaikfußboden davor. Alles in allem sehr eindrucksvoll! Es befinden sich in diesem Gebäude außer einem großen prächtigen Kongreßsaal mit natürlicher Beleuchtung auch kleinere Säle und viele Konferenzräume. Inner- und außerhalb ist der Bau von sauberem, gepflegtem, hübschem Aussehen. Auf einer Anhöhe gelegen, kann er von anderen fernen Höhen Roms aus gesehen werden. Er liegt südöstlich der Vatikanstadt auf der anderen Seite des Tibers.
Jehovas Zeugen hatten den Palazzo für ihren Kongreß zur ausschließlichen Benutzung vertraglich gemietet. Plötzlich, am 18. Juli, wurde die Erlaubnis, das Gebäude zu übernehmen, vom Büro des Ministerpräsidenten zurückgezogen, und es waren nur noch 18 Tage bis zum Kongreßbeginn. Jede Erkundigung nach dem Grund blieb ohne Erklärung. Der Verwalter und andere Personen in seinem Büro stimmten zu, daß eine einflußreiche Stelle von oben her einen Druck ausgeübt hatte, um die Vermietung des Palazzos rückgängig zu machen. Mit der fieberhaften Suche nach einem neuen Saal, einem Theater, einer Rennbahn oder einem Stadion usw. vergingen drei Tage ohne richtige Ergebnisse. Aber als die Brüder am Ende ihrer Hoffnung angelangt waren, erreichte ein Anruf das Zweigbüro der Watch Tower Society in Rom: „Das Kabinett hat die Sache nochmals erwogen. Das Gebäude wird Ihnen, wie zuerst vertraglich abgemacht, überlassen!“
Ganz offenbar hatten sich andere Druckmaßnahmen bemerkbar gemacht. In der Tat: die Hand Gottes Jehovas war nicht zu kurz! Schließlich war das Kabinett der Landesregierung Italiens zusammengekommen, hatte die Sache besprochen und war mit der Entscheidung hervorgetreten, daß den Zeugen Jehovas nach allem die Benutzung des Palazzos gemäß der ursprünglichen Übereinkunft gewährt werden sollte.
So zogen denn Jehovas Zeugen rechtzeitig ein und richteten ihre Kongreßabteilungen ein, für die sie viele der Konferenzräume benutzten. Es war das erste Mal, daß der Palazzo-Elektriker das Gebäude so weitgehend mit Telefonleitungen versehen mußte — alles auf unsere Kosten —, um die Kongreßvorträge in die Säle, Gänge und die verschiedenen anderen Räumlichkeiten des großen Baus übertragen zu können. Tausend Dollar wurden ferner ausgelegt, um Stühle für die erwartete Menge zu mieten.
Nichtkatholischen Religionsorganisationen ist es nicht gestattet, öffentliche Schaustellungen zu veranstalten und öffentliche Vorträge bekanntzumachen und die Leute im allgemeinen zu irgendeinem Ereignis einzuladen. So wurden denn 1000 persönliche Einladungsbriefe an Personen versandt, die als interessiert oder freundlichgesinnt bekannt waren. Handzettel zur freien Verteilung gab es nicht, dafür aber Tausende persönliche, mündliche Einladungen. Die Zeitschriften der Gesellschaft, Der Wachtturm und Erwachet! enthielten ferner überall auf Erden in vielen Sprachen Anzeigen über den Kongreß in Rom. Nicht unerwähnt soll auch die große öffentliche Bekanntgabe des Kongresses durch die Kongreßbesucher selbst bleiben, die, gleichwie in allen anderen Kongreßstädten, auch hier in Rom die Miniaturplakate auf Rock und Mantel trugen. Diese Abzeichen, die den Kongreß und dessen öffentliche Veranstaltung ankündigten, erweckten große Neugier und Fragen, die ihre Träger zu beantworten hatten. Dabei nahmen sie die Gelegenheit wahr, ein Zeugnis zu geben und die Betreffenden zu dem Anlasse einzuladen. Diese Schaustellung drang selbst bis zur Vatikanstadt vor, als die Abzeichen tragenden schaulustigen Kongreßbesucher zu Hunderten durch deren Gebäude zogen, in die die allgemeine Öffentlichkeit Zutritt hat.
Das gedruckte Kongreßprogramm enthielt „Auskunft für Kongreßbesucher“ in Italienisch und Englisch und zeigte auch an, welche Vorträge in Englisch gehalten und ins Italienische übersetzt werden sollten.
Am Freitag morgen, dem 5. August, wurde der Kongreß im großartigen Palazzo dei Congressi durch eine Willkommansprache des Kongreßvorsitzenden, eines Vertreters der Watch Tower Society, offiziell eröffnet. Zur besonderen Freude der anwesenden einheimischen Italiener gab er die Zeitschrift Erwachet! in ihrer eigenen Sprache frei und teilte ihnen mit, daß sie von nun an zweimal im Monat erscheinen werde. Dieser Eröffnungstag wurde gekrönt durch die letzte Ansprache, die der Präsident der Gesellschaft, der an jenem Tage vom Pariser Kongreß hergeflogen kam, am Abend hielt. Für die italienischen Brüder war es ein erhabener Augenblick, als Bruder Knorr, dessen Worte durch einen Dolmetscher wiedergegeben wurden, am Ende seines Vortrages „Die triumphierende Botschaft vom ‚Königreich‘ “ das neue Buch in Italienisch, „Neue Himmel und eine neue Erde“, ankündigte und hochhielt. Die Zeitungsreporter waren sehr erstaunt über die große Menge der Anwesenden. Die 4200 Besucher füllten den prächtigen Hauptsaal mit seinen zwei Balkons. Dies war im Palazzo zum erstenmal geschehen. Solch große Kongreßmengen sind in Italien ungewöhnlich. Die Freigabe einer italienischen Neuerscheinung nach der anderen folgte. Am Schluß seiner Ansprache am Sonnabend morgen über „Jehova ist in seinem heiligen Tempel“ zeigte der Präsident eine neue italienische Publikation vor, die 32seitige Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“. Kurz nachdem er Rom auf dem Luftwege verlassen hatte, um nach Paris zurückzukehren, traf auch schon der Vizepräsident der Gesellschaft mit dem Flugzeug von Paris her ein, um dort fortzufahren, wo der Präsident aufgehört hatte. An jenem Abend gab er nach der abschließenden Ansprache vor 2859 Personen die 64seitige Broschüre Grundlage für den Glauben an eine neue Welt als eine weitere italienische Neuerscheinung frei.
Ein weiteres bemerkenswertes Ereignis: 378 Täuflinge meldeten sich bei der Taufansprache an jenem Nachmittag und wurden danach in aller Stille getauft, um nicht ein öffentliches Schauspiel hervorzurufen. Neun Busse wurden gebraucht, um sie zur ferngelegenen Taufstätte zu führen.
Eine Anzahl römisch-katholischer Priester und Nonnen, die in den Kleidern ihrer Religion erschienen waren, suchten irgendwie uneingeladen hereinzukommen, wurden aber von den Türhütern unterrichtet, daß dies eine private Veranstaltung und nur für Eingeladene bestimmt sei. Die Eingeladenen waren in der Tat eine internationale Gesellschaft aus achtundzwanzig Ländern und Inseln, wie z. B. von den Philippinen, von Zypern, den Britischen Inseln usw. Etwa 150 Personen kamen von Sizilien herauf, und die Abordnung einheimischer Italiener schloß nicht nur Männer, sondern auch Frauen ein. Viele der italienischen Brüder sind unter den herrschenden Umständen sehr arm. Kinder zum Kongreß mitzubringen konnten sie sich nicht leisten, und so mußten diese daheim gelassen werden, und ein Familienglied wurde als Vertreter entsandt. Einige schienen nur von Brot als fester Speise zu leben, und dieses brachten sie mit. Einige hatten ihre Köfferchen nicht mit Kleidern, sondern mit Brot und Käse und abgefallenen Oliven vollgepackt, um während dieses dreitägigen Kongresses davon zu leben. Während jener Tage nahmen die Brüder 3882 Mahlzeiten ein; 818 kostenlose Mahlzeiten wurden in der Cafeteria an Pioniere verabreicht. Die vielen Brüder in den parkähnlichen Anlagen unter den Bäumen ihren Proviant essen zu sehen, war ein lieblicher Anblick. Da einige keine Unterkunft hatten, schliefen sie auf den Parkbänken, doch nicht in den Anlagen der Universal-Ausstellung. Um dort schlafen zu dürfen, mußte eine Gebühr entrichtet werden. Eine ganze Anzahl deutschsprechender Brüder kampierte auf dem Zeltplatz der Ausstellung. 3741 ausländische Besucher hatten Unterkunft angefordert und zudem 2750 italienische Brüder. Siebzig Brüder schliefen unter dem Sternenzelt.
In Rom ist es besser, die Hauptversammlung am Morgen statt am Nachmittag abzuhalten. So wurde denn der Sonntagsvortrag über das Thema „Weltbesiegung nahe — durch Gottes Königreich“ auf 10.30 Uhr morgens angesetzt. Es war ein sonniger Tag. Der Hauptsaal des Palazzos und seine zwei Balkone waren mit 2700 Anwesenden gefüllt, und Hunderte weiterer befanden sich im angrenzenden Saal, während andere auf Stühlen und Bänken in den Gängen und in der eleganten Vorhalle saßen und auf die Lautsprecher horchten. Insgesamt waren 4351 Personen anwesend, meistens Italiener. Während der ganzen Ansprache des Vizepräsidenten (die durch einen Dolmetscher wiedergegeben wurde) waren die Zuhörer hier in der Religionskapitale der Christenheit sehr aufmerksam und wie elektrisiert zufolge der ungewöhnlichen Sachlage und der besonderen Umstände; und voller Freude nahmen sie die neue italienische Broschüre entgegen, die den vollen, nichtzensierten Text dieses herausfordernden öffentlichen Vortrages unter Jehovas Imprimatur und mit dem nihil obstat Jesu Christi enthielt.
Am Nachmittag ging die Abwicklung des Programms weiter, und viele blieben zu den Schlußworten noch da, so daß der Hauptsaal nochmals gepackt voll war. Wieder und wieder äußerten die Anwesenden ihre Freude, als sie den Bericht über die Reihe der internationalen Kongresse anhörten, die bis dahin stattgefunden hatten, und auch über die Ausdehnungstätigkeit der sichtbaren Organisation Jehovas. Beim großen Finale des Kongresses sah man einige vor Rührung weinen. Ein Kongreßbesucher aus der Schweiz sagte: „Mein Herz schmerzt vor Glück!“
Elf Zeitungen, die völlig überrascht waren, brachten in 17 Ausgaben Berichte über den Kongreß. Bis Sonntag morgen waren Nachrichten in der Spaltenlänge von sieben Metern erschienen. Das italienische Volk war in Aufregung über diese internationale Zusammenkunft und schätzte besonders die Anwesenheit der vielen ausländischen Brüder. Den Vollzeitpionieren konnten viele Rückbesuchsadressen ausgehändigt werden. Der Kongreß versetzte sie für den ganzen Monat in die richtige Stimmung. Die Sommermonate sind sonst in Italien mager, was den Felddienst betrifft, und über den Monat August ist stets der kärglichste Bericht der aktiven Verkündiger eingegangen. Im Aprilfeldzug mit der Broschüre Christenheit oder Christentum — was ist „das Licht der Welt“? war eine neue Höchstzahl erreicht worden. 3238 Verkündiger erstatteten Bericht, was eine Zunahme von 37% ausmachte. Im Juli hingegen war in Erwartung des internationalen Kongresses eine Beteiligung von 2948 Personen zu verzeichnen, das heißt eine Zunahme der Verkündiger um 25%. Der Kongreßmonat August brachte eine Beteiligung von 3044 Verkündigern oder eine Zunahme von 29%. Der übliche Tiefstand war überwunden worden. Das erste Mal schloß der Verkündigerbericht für August mit schönem Erfolg das Dienstjahr 1955 an. Ein baldiger Fortschritt wird für das Dienstjahr 1956 erwartet, und es kann damit gerechnet werden, daß bald die Zahl von 4000 Verkündigern für ganz Italien erreicht werden wird.
Nach dem Kongreß begannen die Brüder die Sonderexemplare der Broschüre Christenheit oder Christentum — was ist „das Licht der Welt“? an die Geistlichen aller Kultgemeinschaften und an alle religiösen Redaktoren zu ihrer Kenntnisnahme und ihrer Kommentierung einzusenden. Eine ganze Anzahl Briefe sind von Geistlichen eingetroffen. Fast alle enthielten beleidigende Äußerungen, nur zwei sprachen sich günstig aus. Ein von Hand geschriebener Brief ging ein vom 64jährigen Kardinal Giacomo Lercaro, Erzbischof von Bologna, der wegen seiner sozialen Tätigkeit bekannt ist und als einer der aussichtsreichsten Anwärter auf den Sitz des nächsten Papstes bezeichnet wird. Sein Bestätigungsschreiben war keine Schmähschrift; doch wenigstens hatte er von Jehovas Zeugen Kenntnis genommen. Es liegt nun an den Zeugen in Italien selbst, ein Beispiel wahren Christentums zum Ruhme Jehovas und für die Einsammlung aller seiner „anderen Schafe“ unter seinem e i n e n Hirten Christus Jesus zu geben.