Wende theokratische Kriegslist an
EINE Zeugin Jehovas ging in Ostdeutschland von Haus zu Haus und stieß auf einen heftigen Gegner. Da sie sogleich wußte, was nun zu erwarten war, zog sie im nächsten Hausflur ihre rote Bluse aus und legte dafür eine grüne an. Kaum auf die Straße getreten, fragte ein kommunistischer Beamter, ob sie nicht eine Frau in einer roten Bluse gesehen habe. „Nein“, erwiderte sie und zog ihres Weges. War dies eine Lüge? Nein, sie log nicht; sie war keine Lügnerin. Vielmehr wandte sie theokratische Kriegslist an, indem sie die Wahrheit um des Predigtdienstes willen durch Wort und Tat verbarg.
Hierfür hatte sie ein gutes biblisches Vorbild. Verbarg nicht auch Rahab die israelitischen Kundschafter durch Wort und Tat? Verbargen nicht Abraham, Isaak, David und andere hin und wieder den Tatbestand, wenn sie vor einem feindseligen Gegner standen? Bestimmt taten sie dies, und nie lesen wir dieserhalb ein Wort des Tadels, ja statt dessen werden sie als vorbildliche Diener Jehovas bezeichnet. Ihre Taten waren im Einklang mit dem weisen Rate Jesu: „Siehe! ich sende euch aus wie Schafe unter Wölfen; erweist euch darum so vorsichtig wie Schlangen und doch so harmlos wie Tauben.“ — Matth. 10:16, NW.a
Vielleicht fragt sich jemand, wo denn die Grenze zwischen theokratischer Kriegslist, durch die ein Tatbestand verborgen gehalten wird, und dem Aussprechen von Lügen gezogen werden soll. Vor allem beachte man, daß jemand, der einen Eid geleistet hat, die Wahrheit zu sagen, verpflichtet ist, dies auch zu tun. Jeder Christ, der sich hingegeben hat, um Gottes Willen zu tun, hat ein Gelübde getan, diesen Willen zu tun und Gott treu zu sein. Diesen Eid muß er sicherlich treu halten. Desgleichen ist ein Christ, der in den Zeugenstand treten muß, verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, wenn er überhaupt Aussagen macht. Bisweilen mag er es vorziehen, die Aussage zu verweigern und lieber die Konsequenzen zu tragen als seine Brüder oder die Interessen des Werkes Gottes zu verraten. Natürlich liegt kein Anlaß vor, im Umgang mit unseren christlichen Brüdern Kriegslist anzuwenden. Im Verkehr mit ihnen sagen wir die Wahrheit oder erinnern sie taktvoll daran, daß das, was sie zu erfahren suchen, nicht ihre Sache ist.
Lügen sind Unwahrheiten, die aus selbstischen Gründen erzählt werden und anderen schaden. Satan erzählte Eva eine Lüge, die ihr und dem ganzen Menschengeschlecht großen Schaden zufügte. Ananias und Sapphira erzählten aus selbstischen Gründen Lügen. Die Wahrheit aber einem Feinde zu verhehlen, der kein Anrecht darauf hat, sie zu wissen, schadet ihm nichts, und das ist besonders dann angebracht, wenn er die Auskunft dazu benutzen würde, Unschuldigen Schaden zuzufügen.
Die Zeugen führen selbst in Ländern, wo ihre Tätigkeit verboten ist, ein großes Werk durch. Die einzige Möglichkeit, das Gebot, die gute Botschaft des Königreiches Gottes zu predigen, zu erfüllen, ist für sie die Anwendung theokratischer Kriegslist, Strategie. Auf verborgenen Wegen wird die Literatur in das Land gebracht und verbreitet. Hätte es einen Sinn, diese Literatur durch die Tat zu verbergen und, wenn darüber befragt, durch Worte ihre Bezugsquelle zu enthüllen? Natürlich nicht! So ist es denn in der Zeit eines geistigen Kampfes angebracht, den Feind auf falsche Fährte zu weisen, indem man die Wahrheit verbirgt. Dies geschieht aus Selbstlosigkeit und gereicht niemandem zum Schaden; im Gegenteil, es bewirkt viel Gutes.
Gottes Diener stehen heute in einem Kriegszuge, einem geistigen, theokratischen Kampfe, einem Kriegszuge, den Gott gegen die bösen Geistermächte und falschen Lehren zu führen befohlen hat.
Sie werden ausgesandt wie Schafe inmitten von Wölfen und müssen daher äußerste Umsicht, ja die Vorsicht von Schlangen anwenden, um die Interessen des Königreiches Gottes, die ihnen anvertraut worden sind, richtig zu wahren. Sie müssen zu allen Zeiten sorgfältig darauf achten, daß sie dem Feinde nicht irgendwelche Auskunft vermitteln, die er zur Unterbindung des Predigtwerkes benutzen könnte.
[Fußnote]
a In bezug auf Einzelheiten siehe den Wachtturm vom 15. April 1956.