Der Präsident besucht Europa und den Nahen Osten — 4. Teil
Mit diesem Artikel endet N. H. Knorrs Bericht über seine Dienstreise.
WÄHREND ich noch in Indien weilte, begann in Ceylon bereits der Landeskongreß. Die Veranstaltungen fanden zur Hauptsache in einem neuerbauten Saal der Roten-Kreuz-Gesellschaft statt, der sich für diesen Zweck ausgezeichnet eignete und gerade die richtige Größe hatte. Gleich nebenan befindet sich der Königreichssaal der Versammlung Colombo, der in eine Cafeteria umgewandelt worden war; es war also für die Durchführung einer erfolgreichen Versammlung alles sehr günstig. Während des Kongresses wurde zum erstenmal der Film „Die glückliche Neue-Welt-Gesellschaft“ vorgeführt. Alle schätzten diese Vorführung sehr, aber noch mehr erfreut waren die Herzen aller, als sich fünfzehn unserer neuen Brüder und Schwestern taufen ließen. Die Taufe fand direkt vor dem Missionarheim statt, das am Ufer des Indischen Ozeans liegt.
Da die Versammlung schon im Gange war. wäre es nicht vernünftig gewesen, wenn die Brüder zum Flugplatz gekommen wären, um mich abzuholen, daher kamen nur der Zweigdiener und einige andere. Kurz danach sprach ich im Versammlungssaal. Die Brüder empfingen mich sehr herzlich. Es war eine Freude, wieder bei ihnen zu sein und zu sehen, wie wunderbar die Organisation in nur fünf Jahren zugenommen hat. Die Gesichter der 145 Anwesenden waren ein Beweis dafür, wie sehr sie diesen Besuch schätzten, und man konnte auch erkennen, daß die meisten dieser glücklichen Menschen noch nicht lange zur Neuen-Welt-Gesellschaft gehören.
Während die alte Welt mit Feuerwerk, viel Lärm und sinnlosen Lustbarkeiten ihr Neujahr feierte, erfreute sich Jehovas Volk einer hervorragenden Versammlung. An jenem Abend, 17.30 Uhr, versammelten sich alle in der Stadthalle, um den öffentlichen Vortrag zu hören. Als ich vor fünf Jahren an demselben Ort sprach, waren nur 235 Personen anwesend. Diesmal war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt, und viele mußten noch stehen. Wie die Schlußzählung ergab, waren 435 Personen zugegen und folgten dem Vortrag sehr aufmerksam. Kurz vor Beginn des Vortrages kam ein Bruder zu mir, den ich kannte, und sagte: „Erinnerst Du Dich noch an mich, Bruder Knorr? Wir sprachen vor fünf Jahren miteinander. Ich war damals noch ein junger Student und stellte Dir eine Frage.“ Ich sagte: „Nun, ich kann mich nicht mehr an die Frage erinnern, aber vielleicht würde ich Dir jetzt die gleiche Antwort geben.“ Darauf fuhr er fort: „Ja, ich fragte Dich: Soll ich weiterhin die Schule besuchen — ich bin jetzt das erste Jahr im College — oder soll ich in den Pionierdienst eintreten? Und deine Antwort lautete: ‚Nun, es kommt darauf an, was Du werden willst. Wenn Du ein Prediger werden möchtest, dann arbeite im Interesse des Predigtdienstes. Wenn Du beabsichtigst, eine wichtige Rolle in der alten Welt zu spielen, dann setze Deine Studien fort. Du mußt dies selbst entscheiden.‘“ Er erzählte weiter, er sei an jenem Abend nach Hause gegangen und habe seinem Vater gesagt, er gebe sein Studium auf und trete in den Pionierdienst ein. Er habe aus meinen Worten erkannt, daß er, wenn er ein Prediger werden wolle, besser tue, sogleich darauf hinzuarbeiten. Es war jetzt eine wahre Freude, mit ihm zu sprechen, denn er hatte nun diese fünf Jahre im Pionierdienst verbracht und konnte jetzt den Sonderpionierdienst aufnehmen. Er heiratete eine sehr nette Pionierin, und nun sind beide als Sonderpioniere in einem entlegenen Gebiet tätig. Von ihren Interessierten sind neun Personen bereits soweit, sich Jehova Gott hinzugeben. Die beiden meldeten sich für die Wachtturm-Bibelschule Gilead an, und sehr wahrscheinlich werden sie im Jahre 1958 die Schule besuchen können. Nun wird dieser Bruder eine Ausbildung an der höchsten Schule der Gelehrsamkeit erhalten. Man konnte sehen, daß er glücklich und froh war, diesen Lauf eingeschlagen zu haben, und er wollte mir nun für den Rat, den ich ihm gegeben hatte, danken.
So geht das Werk in Ceylon voran. Die zwei nächsten Tage verbrachte ich im Zweigbüro, um mich mit den Problemen des Landes zu beschäftigen und die Aufzeichnungen der Gesellschaft zu prüfen. Als ich mich am Donnerstag (3. Januar) auf den Flugplatz begab, kamen zum Abschied auch viele Brüder mit. Zu meiner Überraschung stellten sich etwa hundert dort ein (wenn man die Kinder mitrechnet, waren es noch mehr), und sie brachten ihre Freude dadurch zum Ausdruck, daß sie die schönen Königreichslieder sangen. Vielen Passagieren gefiel der Gesang so gut, daß sie ihre Gespräche unterbrachen, um zuzuhören. Als ich wieder durch die Einwanderungskontrolle ging, fragte mich der Beamte, der meinen Reisepaß abstempelte: „Nun, Herr Knorr, wie war denn Ihr öffentlicher Vortrag? War er gut besucht?“ Auch die Zollbeamten erkannten mich als den Redner, der in der Stadthalle gesprochen hatte, und alle waren sehr zuvorkommend. Offensichtlich wußte die Bevölkerung Ceylons, daß die Zeugen Jehovas einen Kongreß hatten. Es ist bekannt, daß sich die Zeugen energisch und tatkräftig der Verkündigung der guten Botschaft widmen, und wir hoffen und beten, daß diese Versammlung des Volkes Gottes in Colombo vielen behilflich sein wird, nun Stellung für das Königreich zu beziehen.
Ceylon war der Wendepunkt meiner Reise, denn als ich dort Abschied nahm, trat ich meine Heimreise an. Wir flogen nach Karatschi zurück, wo ein dreistündiger Halt gemacht wurde. Einige Brüder kamen zum Flugplatz, um mich zu begrüßen, worüber ich mich sehr freute. Dann flog ich nach Beirut weiter und traf dort um 4.30 Uhr morgens ein. Ich rief den Zweigdiener an, der, obwohl es noch so früh war, zum Flugplatz kam, um auch nur einige Worte mit mir zu wechseln. Es war wirklich eine Freude, ihn wiederzusehen und etwas über seinen Besuch bei den Brüdern in Bagdad und Teheran zu erfahren. Dann flog ich nach Rom weiter. (Hier mußte ich umsteigen, um nach Barcelona, meiner nächsten Station, weiterzufliegen.) Hier übernachtete ich im Zweigbüro und hatte daher die Freude, mit vielen Missionaren aus den verschiedenen Teilen Italiens zusammenzukommen und einige schöne Stunden mit ihnen zu verbringen. Es freute mich, ihnen von meinem Besuch in den anderen Ländern zu erzählen und ihre Fragen zu beantworten. Früh am anderen Morgen war ich wieder unterwegs und flog über das herrliche, blaue Mittelmeer, sah die südlichen Alpen und kam schließlich nach Barcelona.
SPANIEN
Das Werk in Spanien macht wunderbare Fortschritte. Wie jedermann weiß, wird dieses Land von katholischen Priestern regiert. Protestanten oder Nichtkatholiken sind hier unerwünscht, aber es scheint, daß die Bevölkerung von Barcelona sehr großzügig ist, und hier suchen viele Menschen nach Wahrheit und haben den Wunsch, Erkenntnis über Jehova und sein Wort zu empfangen. Die Vertreter der Gesellschaft in Barcelona sind sehr tatkräftig. Sie haben die Brüder zu kleineren Gruppen oder Versammlungen organisiert und über alle Gruppen Diener eingesetzt. Ich hatte die Freude, zu allen Gruppen in Barcelona zu sprechen. An einigen Abenden war ich von 17 bis 23 Uhr unterwegs und hielt in dieser Zeit den kleinen Gruppen in verschiedenen Wohnungen insgesamt fünf einstündige Vorträge. Es stimmte mich sehr froh, diesen Brüdern die Freude von den strahlenden Gesichtern abzulesen und zu sehen, wie beglückt sie den Worten der Wahrheit lauschten und das Beisammensein genossen.
Das Werk in Spanien ist gut organisiert. In mehreren Städten gibt es Versammlungen, und die Brüder kommen regelmäßig zusammen, um das Wort Gottes zu studieren; sie nehmen auch jede Gelegenheit wahr, die gute Botschaft ihren Nachbarn und Freunden zu verkündigen. Während ich dort weilte, trafen die Berichte für den Monat Dezember ein, und wir waren hocherfreut, festzustellen, daß eine Zunahme von 47 % gegenüber dem letztjährigen Durchschnitt erreicht worden war, das heißt, daß jetzt insgesamt 650 Verkündiger dort die gute Botschaft predigen.
Nach einem sehr angenehmen Aufenthalt bei den Brüdern in Barcelona reiste ich nach Madrid weiter und verbrachte dort einen Tag bei den Brüdern. Ich sprach am Abend zu verschiedenen kleinen Versammlungen, nämlich zu vier Gruppen. Auch besuchte ich einige Brüder, die die Gileadschule absolviert hatten und sich nun in Spanien befinden. Welch glückliche Menschen sie doch sind! Sie sind froh, daß sie die katholische Kirche verlassen haben, daß sie die Freiheit besitzen, die Bibel selbst zu studieren und mit anderen über die guten Dinge, die sie gelernt haben, freimütig zu sprechen und ihnen so eine Hilfe zu sein. Ja, mein Aufenthalt in Spanien war ein köstliches Erlebnis. Obwohl jede Minute durch Besprechungen in Anspruch genommen war — sei es mit Vollzeitdienern, Gileadabsolventen oder bei besonderen Gelegenheiten mit Dienern —, war es doch lauter Freude. Ein Werk beginnt nun in Spanien, das nie mehr stillstehen wird, denn die Brüder sind eifrig. Sie wollen predigen, und Gott segnet sie. Von Madrid aus reiste ich nach Tanger, Marokko, weiter, wo ich von einigen Missionaren empfangen wurde. Wir verlebten schöne Stunden miteinander.
MAROKKO
Nach meiner Ankunft am Abend (10. Januar) fand in der Wohnung eines Bruders eine Zusammenkunft statt. Das Werk ist in Tanger erst vor etwas mehr als einem Jahr begonnen worden, und zu meiner Überraschung fanden sich 58 Personen ein, die sich in die zwei Zimmer der Wohnung drängten, in der die Zusammenkunft stattfand. Der Korridor war mit Leuten überfüllt, die stehen mußten, weil keine Sitzgelegenheiten mehr vorhanden waren.
Es tut wohl, zu diesen Menschen sprechen zu können, und sie hörten mit gespanntem Interesse zu. Natürlich mußte ich durch einen Dolmetscher zu ihnen reden, der jeden Satz, den ich in Englisch sprach, sogleich ins Spanische übertrug. Ganz hinten, in einer Ecke des Raumes, saß eine kleine Gruppe französisch sprechender Leute dicht zusammengedrängt, und für sie wurde das, was ich in Englisch sagte, von einem Bruder mit leiser Stimme in Französisch wiederholt. So verstanden alle, was gesagt wurde, und sie freuten sich sehr, die gute Botschaft zu hören. Unter den Anwesenden befand sich auch ein Mann, der in der Organisation der Vereinten Nationen arbeitet und den Missionaren gesagt hatte, daß seine einzige Hoffnung auf einen Weltfrieden die Vereinten Nationen seien. Jedesmal, wenn die Missionare ihn besuchten, hatte er ihnen von der Charta erzählt, die er an der Wand hängen hatte, und brachte den Gedanken zum Ausdruck, daß diese Organisation tatsächlich das sei, wodurch die Welt Frieden erhalte. Doch dann besuchte er die Versammlung und hörte sehr aufmerksam zu. Am nächsten Morgen begab er sich zu den Missionaren und sagte: „Ich habe die Charta von der Wand herabgenommen, weil ich nicht glaube, daß die UN Erfolg haben werden. Ich bin völlig davon überzeugt, daß durch das, was gestern abend gesagt wurde, der Menschheit Frieden und Glück gebracht wird, und ich möchte mehr über Gottes Königreich erfahren.“
Es gibt hier noch viele weitere Menschen, die am Leben wahrhaft interessiert sind, und sie sehnen sich nach Glück, nicht nach dem Glück in dieser alten Welt, sondern nach dem Glück in der neuen Welt der Gerechtigkeit. Tanger ist eine interessante Stadt, und ich hatte die Gelegenheit, in Begleitung von Freunden einiges davon zu sehen, bevor ich nach Lissabon weiterreiste. Ich war nur ein Tag in Tanger, doch war es eine Freude, mit den Missionaren zusammen zu sein, ihre Probleme kennenzulernen, von ihren Freuden und Erfahrungen zu hören und den Fortschritt zu sehen, der in solch kurzer Zeit gemacht wurde.
PORTUGAL
Ich traf pünktlich mit dem Flugzeug in Lissabon ein, und kurz danach sprach ich hier am selben Abend an zwei Orten zu versammelten Brüdern; am ersten Ort waren 75 zusammengekommen, am zweiten 45 Personen. Portugal ist ebenfalls ein katholisches Land, in dem Jehovas Zeugen nicht die Freiheit gewährt wird wie in vielen anderen Ländern. Trotzdem kommen sie hier in schönen Königreichssälen und in großer Zahl zusammen. Es ist nicht wie in Spanien, wo von der Regierung aus höchstens zwanzig Personen in einer Privatwohnung zusammenkommen dürfen. Obwohl unsere Brüder in Portugal keine behördliche Genehmigung haben, zusammenzukommen, wird ihnen das nicht verwehrt, und sie führen das Werk mit großer Energie und mit Eifer durch.
Bei den verschiedenen Gelegenheiten, die sich mir boten, sprach ich zu insgesamt etwa 190 Personen. Außerdem überprüfte ich die Angelegenheiten des Zweigbüros in Lissabon und traf Vorkehrungen zur Förderung des Werkes, indem ich mehr Sonderpioniere einsetzte, um dafür zu sorgen, daß die gute Botschaft in diesem Land in noch größerem Umfange gepredigt werden kann. Während ich in Lissabon war, trafen die Felddienstberichte für den Monat Dezember von überallher ein: von den Azoren, den Madeira-Inseln und von Portugal selbst, und es zeigte sich eine Zunahme von 41 %. Wie glücklich waren die Brüder! Ja, in diesen Ländern, wo Bedrückung herrscht und wo es nicht gestattet ist, in Freiheit größere Zusammenkünfte abzuhalten, führen unsere Brüder das Werk fleißig weiter. Sie kämpfen den Kampf von rechter Art.
SCHLUSSBEMERKUNGEN
Das war die letzte Station meiner Reise, bevor ich nach Amerika zurückkehrte. Als ich so über meine siebenwöchige Reise nachdachte, mußte ich unwillkürlich an die Worte in 2. Korinther 10:3, 4 denken: „Obwohl wir im Fleische wandeln, kämpfen wir nicht gemäß dem, was wir im Fleische sind. Denn die Waffen unserer Kriegführung sind nicht fleischlich, sondern durch Gott mächtig, um starke Verschanzungen niederzureißen.“ (NW) Unsere Brüder in Griechenland, der Türkei, in Spanien, Portugal und in Ländern, wie Pakistan, Indien und Ceylon, wo die Leute weder Gott achten noch an sein Wort glauben — ja, in diesen Ländern kämpfen die Brüder einen richtigen Kampf, doch nicht einen Kampf nach dem Fleisch. Und sie sind durch Gott mächtig. Jehova hat seinen Geist in reichem Maße auf sie ausgegossen, und sie drängen trotz großer Schwierigkeiten voran. In alle diese Länder sind Königreichsmissionare ausgezogen, haben neue Gebiete erschlossen, neue Städte, neue Territorien. Sie sind nach entlegenen Orten gegangen, und Jehova hat sie reich gesegnet. Die einzige Waffe, die sie schwingen, das Schwert des Geistes, handhaben sie gewandt und reißen starke Verschanzungen nieder. Ja, es sagen sich viele vom Heidentum, von der Götzenverehrung in katholischen Kirchen und von falschen Lehren protestantischer Organisationen los. Auch Personen, die keiner Konfession angehören, sagen sich von der alten Welt los und verbinden sich mit der Neuen-Welt-Gesellschaft. Wir leben in der Zeit, in der die gute Botschaft vom Königreich in der ganzen Welt zu einem Zeugnis gepredigt werden muß, und das geschieht auch. Ich bin Jehova Gott für die Gelegenheit, diesen Brüdern zu dienen und Schulter an Schulter mit ihnen zusammenzuarbeiten, sehr dankbar.
Überall, wo ich hinkam, baten mich die Brüder, ihre herzlichsten Grüße mitzunehmen und sie den Brüdern in anderen Ländern zu übermitteln. Das habe ich getan, und jetzt nehme ich die Gelegenheit wahr, durch den Wachtturm allen Zeugen Jehovas in der ganzen Welt von der innigen Liebe, der Freude und dem Glück unserer Brüder in den Ländern, die ich in diesen vergangenen Wintermonaten besucht habe, Kenntnis zu geben. Ich bete zu Jehova, daß er sie alle stärken und im allerheiligsten Glauben auferbauen möge, damit sie dieses großartige Werk der Ankündigung des Königs und seines Königreiches fortsetzen können. Mögen sie alle stets treu bleiben! Es tut wohl, von den Missionaren und vielen anderen die Worte zu hören: „Hoffentlich sehen wir uns im Jahre 1958 wieder!“ So es Jehovas Wille ist, wird das geschehen.
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