Der tiefe Sinn eines Spruches
ES IST interessant, das biblische Buch der Sprüche mit dem Gesetz Moses zu vergleichen. Mose schrieb die direkten Gebote nieder, die Jehova seinem Volke gab, um es auf dem Wege der Sicherheit und des Lebens zu leiten. Salomo und andere Schreiber der Sprüche der Bibel rücken Gottes Gebote nicht direkt ins Rampenlicht, zeigen aber durch deren Beachtung, daß diese Gesetze unseren besten Interessen dienen. Oft werden örtliche Erscheinungen mit dem Verhalten der Menschen verglichen, um uns behilflich zu sein, das Gute vom Schlechten, Weisheit von Torheit zu unterscheiden. Wer den tiefen Sinn eines Spruches erfaßt, ist imstande, die Lektion, die er lehrt, zu verstehen.
„Das graue Haar ist eine prächtige Krone: auf dem Wege der Gerechtigkeit wird sie gefunden [wenn auf dem Wege der Gerechtigkeit gefunden, NW].“
Unter einigen Völkern der Frühzeit wurde ein älterer Mann, der nicht mehr kämpfen oder jagen konnte, als eine unglückliche Last betrachtet. Einige Stämme brachten einen Betagten zu Tode! Man vergleiche dies mit der Freundlichkeit Gottes, Jehovas, der folgendes gebot: „Vor grauem Haar sollst du aufstehen und die Person eines Greises [eines alten Mannes, NW] ehren, und du sollst dich fürchten vor deinem Gott. Ich bin Jehova.“ (3. Mose 19:32) Der Spruch lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß ein Leben, das in vernünftiger Furcht vor Jehova verbracht wird, schön ist in Gottes Augen und von allen als ein gutes Beispiel, dem sie folgen können, respektiert werden sollte. Doch wenn sich jemand in seinem Alter auf dem Wege der Bosheit befinden sollte, ist sein Wandel wegen seiner vorgeschrittenen Jahre noch abstoßender als der eines Jünglings.
„Das Los wird in dem Busen geworfen, aber alle seine Entscheidung kommt von Jehova.“
In alten Zeiten wurden in verschiedenen Nationen Zweifelsfragen durch das Los entschieden. Steine oder beschriftete Tafeln wurden in ein Gefäß gelegt, geschüttelt und dann herausgezogen oder herausgeworfen. Es gefiel Jehova, das Los als ein Mittel zu benutzen, durch das er in der frühen Geschichte des von ihm erwählten Volkes seinen Willen bekanntgab. Es scheint, daß die Lose in die Falten oder in den Bausch eines Kleides geworfen und dann herausgezogen wurden. Doch zuvor wurde Jehova darum gebeten, die Sache zu entscheiden. Was herauskam wurde als sein Wille angenommen. Selbst Jesu Apostel benutzten das Los, um einen Nachfolger für Judas Iskariot zu wählen, aber ihre Wahl wurde durch die Wahl Jesu, die auf Saulus fiel, ersetzt. Seit Pfingsten leitet der heilige Geist Christen, in vorchristlichen Zeiten jedoch billigte Gott den Gebrauch des Loses.
„Der Anfang eines Zankes ist, wie wenn einer Wasser entfesselt; so laß den Streit, ehe er heftig wird.“
Die Städte des Ostens waren wegen ihres Wasserbedarfs oft von einem Wasserreservoir abhängig. Ein einziges Loch im Damm oder in der Mauer, die einen Teich umgibt, kann schwere Folgen haben. Wenn das kleine Rinnsal nicht zugestopft wird, mag es sein, daß die Kraft des Wassers immer stärker wird, bis alles weggewaschen ist. Aus kleinen Anfängen entsteht eine schreckliche Flut. So verhält es sich mit Streit. Wenn dem Zorn nur ganz wenig Luft gemacht wird, kann er in eine Flut zorniger Worte und Taten ausbrechen, die schließlich sogar zu jemandes Tod führen können. Ehe ein Gespräch diese Wendung nimmt, ist es besser, die Sache ruhen zu lassen oder dem anderen aus dem Wege zu gehen, um die Bande des Friedens zu stärken.
„Wegen des Winters mag der Faule nicht pflügen; zur Erntezeit wird er begehren, und nichts ist da.“
In Palästina wurde die Wintersaat ausgesät, sobald der Frühregen den Grund aufgeweicht hatte, das heißt von Ende Oktober bis Anfang Dezember. Während der Pflügezeit im Winter bläst der kühle Nordwind. Wenn auch nur selten sehr kaltes Wetter herrscht, gibt es doch bisweilen sehr kalte Tage mit Wind, Regen und Schloßen. Eine fleißige Person würde sich dadurch nicht vom Pflügen abhalten lassen, doch ein träger Landwirt könnte diese Arbeit vernachlässigen und dem Wetter die Schuld geben. Ohne indes im Winter zu pflügen und zu säen, gäbe es keine Ernte. Hartarbeitende Nachbarn würden kaum mit einer solch trägen Person Mitleid haben. Dasselbe ist mit Bezug auf Personen zu sagen, die ungünstige Verhältnisse vorschützen, um ihre Gelegenheiten und Pflichten zu vernachlässigen. Sie ernten nur, was sie säen, und müssen, wenn sie sich nicht ermannen, die Folgen der Trägheit tragen.
„Ein weiser König zerstreut die Gesetzlosen und führt das Dreschrad über sie hin.“
Auf den Dreschtennen wurde in alter Zeit das Korn enthülst, indem Ochsen die Garben ausdroschen oder indem ein rauhes Dreschrad über sie fuhr. So wie das Dreschrad die Ähren drosch und die Körner ausschlug, so bewirkt die unparteiische Handhabung der Gerechtigkeit das Zermalmen der Gesetzlosen und ihre Trennung von den Gerechten. Ein weiser Herrscher ergreift Maßnahmen, um böse Elemente mit der Härte des Dreschrades, das Ähren ausschlägt, zu unterdrücken.