Ein Samenkorn der Wahrheit in einem Kinderherzen
AUF einer Kreisversammlung, die im vergangenen Jahr in Washington (D. C.) stattfand, berichtete eine Zeugin Jehovas folgendes Erlebnis: „Letztes Jahr rief mich eine Zeugin Jehovas aus Arlington an und fragte mich, ob ich bereit wäre, mit einer Studentin, die ein College in unserem Gebiet besucht, ein Bibelstudium durchzuführen. Selbstverständlich war ich gern dazu bereit. Die zwanzigjährige Studentin hatte, was die göttliche Wahrheit betraf, eine interessante Vorgeschichte. Sie hatte schon mit sieben Jahren zum erstenmal davon gehört. Sie war damals mit einer Hausangestellten aus der Nachbarschaft gut bekannt, durch die sie häufig mit Zeugen Jehovas zusammenkam. Als die Eltern von dem Interesse ihrer Tochter hörten, sorgten sie dafür, daß diese Verbindung unverzüglich abgebrochen wurde. Sie sandten sie auf eine katholische Mittelschule und später in ein katholisches College nach Virginia. Das Samenkorn der Wahrheit, das in das Herz der Siebenjährigen gepflanzt worden war, keimte jedoch weiter.
Sie erinnerte sich an manches, was sie über Gottes Vorhaben gehört hatte. Die einzige, an die sie sich wenden konnte, war die Hausangestellte, die sie von ihrer Kindheit her kannte und die in New York lebte. Durch sie kam sie in Virginia sofort wieder mit den Zeugen in Verbindung. Sie wurde von einer Zeugin besucht, aber kurz danach wurde sie in das College in unserem Gebiet im Bundesdistrikt Columbia versetzt. Wegen der feindlichen Einstellung ihrer Eltern und Freunde studierten wir Gottes Wort heimlich. Nach fünf Monaten war sie fest entschlossen, ein Zeuge Jehovas zu werden.
Sie hielt es jedoch für angebracht, die Eltern von ihrem Entschluß zu unterrichten. Doch da sie befürchtete, sie könnten sehr dagegen sein, bat sie mich, sie nach New York zu begleiten, um sie moralisch zu unterstützen.
Wir kamen erwartungsvoll in New York an, waren aber nicht auf das gefaßt, was uns bevorstand. Als der Vater von ihrem Entschluß hörte, wurde er wütend, versetzte ihr einen Schlag, daß sie hinfiel, und drohte ihr, sie in eine Nervenheilanstalt zu bringen. Sie durfte das College nicht weiterbesuchen, sondern mußte nach Hause zurückkehren. Er verbot ihr jeden Umgang mit Zeugen Jehovas und ging sogar gegen mich gerichtlich vor, indem er mich beschuldigte, eine Minderjährige zu einem Vergehen verleitet zu haben. Da sie erst zwanzig war, stand sie noch unter elterlicher Gewalt. Als ich von ihr Abschied nahm, ermunterte ich sie, an dem Gelernten, das sie ja als die Wahrheit betrachte, festzuhalten. Wir versprachen einander, unsere Freundschaft zu erneuern, sobald sie einundzwanzig sei.
Als sich der Vater nach seinem Wutanfall wieder beruhigt hatte, suchte er den Hausgeistlichen auf. Der Priester gab ihm den Rat, seiner Tochter mit Güte zu begegnen. Demzufolge war sie in der darauffolgenden Zeit ihrer Isolierung der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit ihrer Angehörigen. Man schenkte ihr das neueste Modell eines Kabrioletts, bot ihr eine Europareise an usw. Da sie aus einer wohlhabenden New Yorker Familie stammt, war das alles möglich.
Zu unserer Freude ließ sie sich aber von all dem nicht beeindrucken. An ihrem einundzwanzigsten Geburtstag eröffnete sie ihren Angehörigen, daß sie bei dem Entschluß, den sie vor sechs Monaten gefaßt habe, bleibe und nach wie vor Jehova dienen wolle. Damit beschwor sie wieder die Wut ihrer Eltern herauf. Sie jagten sie aus dem Haus und sagten ihr, sie wollten sie nie mehr sehen, ja sie existiere nicht mehr für sie. Im August erhielt ich wieder einen Anruf, durch den wir unsere Freundschaft erneuerten und als ich erfuhr, daß sie aus dem Elternhaus verstoßen worden sei, lud ich sie sofort ein, bei uns zu wohnen. Nun zieht sie jede Woche hinaus, um die gute Botschaft zu verkündigen und verfolgt freudig ihr neues Lebensziel. Es wird euch alle freuen zu hören, daß sie nun unsere Schwester geworden ist, denn sie hat heute ihre Hingabe an Jehova durch die Taufe symbolisiert.“