Fragen von Lesern
● Warum wurde Johannes der Täufer von seinen Jüngern Rabbi genannt, wenn doch Jesus deutlich sagte: „Ihr aber, laßt ihr euch nicht Rabbi nennen“? — C. W., Vereinigte Staaten.
Nicht nur Johannes wurde von seinen Jüngern „Rabbi“ genannt (Joh. 3:26), sondern auch die Jünger Jesu nannten ihren Meister „Rabbi“. Das geht aus dem Bericht in Johannes 1:38 hervor: „Sie aber sagten zu ihm: Rabbi, (was verdolmetscht heißt: Lehrer) wo hältst du dich auf?“ Demnach bedeutet Rabbi also „Lehrer“. Johannes, der von Jehova beauftragt worden war, als Prophet die Wege Jehovas zu bereiten und seinem Volk die Erkenntnis der Rettung zu vermitteln, war ein solcher Lehrer, und das erkannten seine Jünger. — Luk. 1:76-79.
Nach seinem Tod konnte Johannes natürlich nicht mehr Lehrer sein. Erst dann sagte Jesus zu seinen Jüngern, er sei nun ihr Lehrer und sie sollten keine Unterschiede unter sich machen, indem sie jemanden den Titel Rabbi gäben. „Ihr aber, laßt ihr euch nicht Rabbi nennen; denn e i n e r ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder.“ — Matth. 23:8.
● Darf ein Gott hingegebener Christ wegen des bei einem Unfall erlittenen Schadens gegen einen Mitchristen gerichtlich vorgehen, um von dessen Versicherung entschädigt zu werden? — E. G., Vereinigte Staaten.
Wenn es für den Geschädigten keine andere Möglichkeit gibt, von der Versicherung Schadenersatz zu fordern, ist nichts dagegen einzuwenden; es liegt an ihm zu entscheiden, ob er ein Gerichtsverfahren anstrengen will oder nicht. Ein solcher Fall wäre nicht mit den Rechtshändeln zu vergleichen, die der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther (Kapitel 6, Vers 1 bis 8) erwähnt. Er dachte an Fälle, in denen Personen, die christliche Brüder zu sein behaupteten, Meinungsverschiedenheiten hatten, weil sich der eine von dem anderen betrogen glaubte. Er wollte damit sagen, daß Christen in der Lage sein sollten, eine solche Angelegenheit selbst zu regeln, wenn nicht unter vier Augen, so doch mindestens mit der Hilfe einiger reifer Brüder der Versammlung.
Besteht zwischen den beiden Parteien jedoch keine Feindschaft und ist das Gerichtsverfahren lediglich eine Formsache, um von der Versicherung Schadenersatz zu fordern, dann ist das etwas ganz anderes. Es ist eine rein persönliche Angelegenheit, und die Beteiligten müssen selbst entscheiden, wie sie vorgehen wollen.
● Nach den Angaben im Anhang der Neuen-Welt-Übersetzung (revidierte Ausgabe, engl.) schrieb Lukas sein Evangelium vor Markus. Welche Beweise haben wir dafür? — N. W., Vereinigte Staaten.
Viele Theologen der Christenheit vertreten die Ansicht, daß das Markusevangelium und eine andere Quelle, die mit „Q“ (Quelle) bezeichnet wird, die Grundlage des Matthäus- und des Lukasevangeliums bildeten, und das Markusevangelium und „Q“ demnach zuerst geschrieben worden seien. Sie wollen auf diese Weise die Ähnlichkeit der Evangelien erklären und damit beweisen, daß sie nicht inspiriert seien. Diese Theorie hält den Tatsachen, zum Beispiel dem unumstößlichen Zeugnis der frühchristlichen Kirchenaufseher, nach dem Matthäus sein Evangelium zuerst geschrieben haben soll, jedoch nicht stand. Origenes (185—254) sagte: „Das erste Evangelium wurde von Matthäus geschrieben.“
Doch wer war dann der nächste: Markus oder Lukas? Christliche Erforscher der Bibel haben lange geglaubt, daß das Markusevangelium vor dem Lukasevangelium entstanden sei, aber eine nähere Betrachtung läßt erkennen, daß Lukas sein Evangelium sehr wahrscheinlich vor Markus schrieb. Der Bericht in Apostelgeschichte 24:27 bis 27:1 hilft uns diese Frage klären. Wir lesen dort, daß Pauli zweijährige Gefangenschaft in Cäsarea kurz nach der Ankunft des Porcius Festus, der Antonius Felix ablöste, endete und Festus ihn dann nach Rom sandte, weil er sich auf den Kaiser berufen hatte. Wann war das?
Das Jahr steht zwar nicht genau fest, aber man neigt vorwiegend zu der Annahme, daß Festus im Jahre 58 der Nachfolger des ruchlosen Felix geworden sei. In A New Standard Bible Dictionary heißt es: „Im großen ganzen scheint das Jahr 58 für seinen [Festus’] Amtsantritt in Frage zu kommen.“ Dieses Jahr wird auch von Youngs erschöpfender Bibelkonkordanz und der Encyclopædia Britannica (Ausgabe 1959, Band 3, Seite 528) gestützt, die unter dem Stichwort „Biblische Zeitrechnung“ unter anderem folgendes sagt: „Eine Gegenüberstellung der beiden Beweisführungen führt zu der Annahme, daß die Abberufung des Felix und die Ankunft des Festus in das Jahr 58 fällt. Wenn der heilige Paulus 56 verhaftet wurde, 58, nach der Ankunft des Festus, beim Kaiser Berufung einlegte, in der ersten Hälfte des folgenden Jahres in Rom eintraf und dort zwei Jahre im Gefängnis zubrachte, dann muß die in der Apostelgeschichte beschriebene Zeit im Vorfrühling des Jahres 61 geendet haben.“ — Apg. 27:1 bis 28:1, 11-16, 30.
Die Apostelgeschichte muß damals also bereits geschrieben gewesen sein, denn hätte Lukas sie später geschrieben, so hätte er bestimmt noch mehr über Paulus berichtet. In seiner Einleitung zur Apostelgeschichte schreibt Lukas seinem Freund Theophilus, daß er vorher sein Evangelium geschrieben habe. Demnach muß er sein Evangelium vor dem Jahre 61 verfaßt haben. Wann denn? Als Lukas mit Paulus in Rom war? Kaum, denn dort hätten ihm die vielen überlieferten Augenzeugenberichte, die er erwähnt, nicht zur Verfügung gestanden; er hätte auch nicht die Möglichkeit gehabt, jemand, zum Beispiel die überlebenden Angehörigen der Familie Jesu oder die anderen Jünger und Apostel, zu befragen, was er jedoch zweifellos getan hat. (Luk. 1:1-4) Es ist daher vernünftig anzunehmen, daß er sein Evangelium vor Pauli Gefangenschaft in Rom, sehr wahrscheinlich während dessen Gefangenschaft in Cäsarea, also in den Jahren 56 bis 58, schrieb.
Das Markusevangelium wurde ohne Zweifel in Rom und für die Römer geschrieben. Das ist nicht nur an seinem Stil, seinen lateinischen Ausdrücken und Erläuterungen zu erkennen, sondern wird auch von den frühchristlichen Kirchenaufsehern bestätigt. (Siehe Der Wachtturm vom 15. Januar 1962, S. 56, 57.) Doch wann wurde es geschrieben? Nach dem Bericht in der Apostelgeschichte trennte sich Markus von Paulus und Barnabas. Später trennte sich Paulus wegen Markus von Barnabas, und Barnabas nahm Markus nach Zypern mit. (Apg. 12:12; 13:13; 15:37-39) Dann, aber erst nach vielen Jahren, berichtet Paulus, daß Markus bei ihm in Rom sei. (Kol. 4:10, 11; Philem. 24) Nachdem Paulus wieder auf freien Fuß gesetzt worden war, verließ Markus anscheinend Rom, denn in seinem zweiten Brief an Timotheus (4:11), den Paulus während seines zweiten Aufenthalts in Rom schrieb, bittet er Timotheus, sobald wie möglich zu kommen und Markus mitzubringen. Daraus konnte man somit schließen, daß Markus jedesmal nur wegen Paulus in Rom war und er sein Evangelium für die Römer demnach erst schrieb, als Paulus im Gefängnis war.
Markus erhielt seinen Aufschluß ohne Zweifel von Petrus, mit dem er offenbar eine Zeitlang zusammen gewesen sein muß, denn sonst bezeichnete ihn Petrus nicht als „Markus, mein Sohn“. Das war sehr wahrscheinlich, nachdem sich Markus von Paulus getrennt hatte, in der Zeit zwischen der ersten und zweiten Gefangenschaft des Paulus, denn damals schrieb Petrus offenbar seinen ersten, wenn nicht auch seinen zweiten Brief. — 1. Petr. 5:13.
Gestützt auf das Zeugnis der Bibel ist es also vernünftig anzunehmen, daß Lukas sein Evangelium vor Markus geschrieben hat.