Die Hure und die „Könige der Erde“
DIE Geschichte der Christenheit ist voller Beispiele, wie sie ihren Einfluß ausgedehnt und sich in die Regierungsgeschäfte eingemischt hat. Wir wollen einmal einige davon betrachten. Karl der Große (742—814 u. Z.) erkannte als Herrscher, daß es durchaus von Vorteil sein kann, mit der Kirche zu paktieren und den Segen der Geistlichkeit der katholischen Kirche zu haben.
Das Werk The New Encyclopædia Britannica zeigt, daß Karl, sein Bruder und ihr Vater vom Papst als Begründer einer neuen Dynastie gesalbt wurden, nachdem das frühere Herrschergeschlecht „kaltgestellt“ worden war. In dem Werk heißt es weiter: „Die politische Allianz zwischen den Franken [dem Volk Karls des Großen] und dem Papst gegen die Langobarden wurde bei dieser Gelegenheit bekräftigt. ... Karl [der Große] anerkannte früh die enge Verbindung zwischen der weltlichen Macht und der Kirche.“
Im Jahre 800 u. Z. entschied sich Papst Leo III., Karl zum Kaiser des Weströmischen Reiches zu machen, und krönte ihn anläßlich der Christmesse in der Peterskirche in Rom.
Eine habgierige Hure
Doch eine Hure fordert Bezahlung. Was konnte Karl der Große Rom — Babylons Repräsentanten — bezahlen? „In der Basilika von St. Peter bestätigte Karl das Versprechen seines Vaters, große Teile Italiens der päpstlichen Herrschaft zu unterstellen.“ Dieselbe Quelle sagt weiter: „Durch seine politisch begründete Religiosität wuchsen das Kaiserreich und die Kirche zu einer institutionellen und geistigen Einheit zusammen.“
Ein anderes Beispiel für den machtvollen Einfluß, den die Religion in der Vergangenheit ausübte, ist Kardinal Wolsey von England (1475—1530). Wie die Britannica erklärt, war er ein „Kardinal und Staatsmann, der die Regierungsgeschäfte für Englands König Heinrich VIII. führte. ... Im Dezember 1515 wurde Wolsey Lordkanzler von England. ... Wolsey gebrauchte seine ungeheure weltliche und kirchliche Macht, um einen Reichtum anzuhäufen, der nur noch von dem des Königs übertroffen wurde.“ Um die symbolische Sprache der Offenbarung zu gebrauchen: Für erstklassige Prostitution wird erstklassige Bezahlung verlangt.
Ein anderes bekanntes Beispiel für religiösen Einfluß in Staatsangelegenheiten war der Kardinal und Herzog von Richelieu (1585—1642), der in Frankreich große Macht besaß und ebenfalls einen Reichtum anhäufte, der „selbst gemäß den Maßstäben jener Zeit ungeheuer war“, heißt es in der Britannica.
Richelieus Nachfolger war Jules Mazarin (1602—1661), ein weiterer Kardinal, der während der Herrschaft König Ludwigs XIV. leitender Minister von Frankreich war. Obwohl er kein ordinierter Priester war, hatte ihn Papst Urban VIII. im Jahre 1641 zum Kardinal ernannt. Auch Mazarin strebte nach Reichtum. Die Enzyklopädie sagt dazu: „Mazarins Feinde schmähten ihn wegen seiner Habgier. Er hatte sich Ämter und Pfründe angeeignet, und manchmal verwechselte er das königliche Einkommen mit dem eigenen.“
Auch in der Neuzeit hat sich nichts daran geändert, daß die falsche Religion Reichtum anhäuft und daß sie versucht, das politische Element zu beeinflussen oder wenn möglich zu beherrschen. Ein auffälliges Beispiel dafür ist die katholische Geheimorganisation Opus Dei (lateinisch, Werk Gottes), die gegenwärtig die Gunst des Papstes genießt und sich gemäß dem Autor Lawrence Lader „völlig dem Antikommunismus und der rechtsgerichteten Politik verschrieben“ hat. Sie läßt die intellektuelle Oberschicht der katholischen Jugend ihre höheren Schulen und Universitäten absolvieren, um ihre Leute dann in Stellungen mit Einfluß und Macht in der Regierung, im Finanzwesen und in den Medien unterzubringen. In Spanien erreichte sie einen Gipfelpunkt, als unter dem faschistischen Diktator Franco zeitweise 10 der 19 Kabinettsmitglieder dem elitären Opus Dei angehörten.a
In den Vereinigten Staaten sind Fernsehprediger dafür bekannt, mit ihrem Reichtum und ihrem luxuriösen Lebensstil zu prahlen. Protestantische Geistliche haben sogar voller Stolz die politische Bühne betreten und selbst nach der Präsidentschaft getrachtet. Zweifellos genießt die alte Hure trotz ihres gefallenen Zustands in der einen oder anderen Verkleidung immer noch das Drum und Dran und den Luxus der Macht, und sie versucht, das Regiment zu führen (Offenbarung 17:4).
Doch was ist über den Namen der Hure, Babylon die Große, zu sagen? Inwiefern hilft er uns, die Identität der symbolischen Frau aus der Offenbarung zu bestätigen?
[Fußnote]
a Hot Money and the Politics of Debt von R. T. Naylor und Politics, Power, and the Church von L. Lader.
[Bilder auf Seite 6]
Die Kardinäle Wolsey, Mazarin und Richelieu häuften in Verbindung mit ihren Staatsämtern ungeheure Reichtümer auf
[Bildnachweis]
Fotos: Culver Pictures