Ist Jehova dein Bekannter oder dein Freund?
„HANS, darf ich dir meinen Freund vorstellen? Das ist — entschuldige, wie war noch gleich der Name?“
Hast du jemals einen derartigen Fauxpas in einer Unterhaltung mitbekommen? Es veranschaulicht, wie manche das Wort „Freund“ falsch verwenden. Eigentlich meinen sie „Bekannter“ — und manchmal nicht einmal das. Mit Herrn Müller von nebenan bekannt zu sein bedeutet noch lange nicht, daß man auch sein Freund ist.
Gemäß der Definition in einem Wörterbuch ist ein „Bekannter“ jemand, „mit dem man einen gewissen gesellschaftlichen Kontakt hatte, zu dem jedoch keine enge persönliche Bindung besteht“. „Bekanntschaft“ läßt auf „weniger Vertrautheit, Nähe, Kameradschaft und Sympathie“ schließen als „Freundschaft“.
Das Fehlen einer engen persönlichen Bindung erklärt, warum wir uns im allgemeinen wenig darum kümmern, was Bekannten widerfährt, wohingegen wir mit wohlwollendem Interesse am Leben unserer Freunde Anteil nehmen. Wir teilen ihre Freuden und ihre Sorgen, ja sie liegen uns sehr am Herzen. Natürlich müssen wir darauf achten, daß uns unsere Gefühle nicht dazu verleiten, uns in ihre Privatangelegenheiten einzumischen (1. Petrus 4:15).
Auf die enge persönliche Bindung zu unseren Freunden ist es auch zurückzuführen, daß wir ihnen gewöhnlich gefallen möchten. Empfindet ein Bekannter etwas, was wir tun, als unangenehm oder unpassend, wird uns sein Mißfallen kaum veranlassen, uns zu ändern. Ein Freund hingegen kann wirklich einen starken Einfluß auf uns ausüben — ganz gleich, ob es um Kleidung, Lebensweise oder Einstellung geht.
Eine Freundschaft verlangt wesentlich mehr Verantwortung in bezug auf Vertrauen, Zuneigung, Achtung und Loyalität als eine Bekanntschaft. Wer eine lockere, unverbindliche Freundschaft sucht, will in Wirklichkeit gar keinen Freund, sondern nur einen Bekannten. Gute Freunde kommen gern der Verantwortung nach, die eine enge persönliche Bindung mit sich bringt, weil sie darin eine Möglichkeit sehen, ihre Freundschaft unter Beweis zu stellen.
Die Freundschaft mit Gott
Als Schöpfer ist Jehova der himmlische Vater der Menschheit und verdient es, daß man ihn liebt, ihm gehorcht und ihn achtet. Er wünscht indes, daß Menschen dies nicht lediglich aus Pflichtgefühl tun, sondern aufgrund einer engen persönlichen Bindung zu ihm (Matthäus 22:37). Auch möchte er von ihnen als ihr Freund geliebt werden (Psalm 18:1). Indem er „uns zuerst geliebt hat“, legte er eine vollkommene Grundlage für eine solche Freundschaft (1. Johannes 4:19).
Adam und Eva, unsere Ureltern, waren mit Jehova bekannt. Die Frage stellte sich: Würden sie die Freundschaft annehmen, die er ihnen anbot? Traurigerweise lehnten sie ab. Selbstsüchtig strebten sie danach, von Gott unabhängig zu sein, und verrieten dadurch, daß ihrerseits keinerlei enge persönliche Bindung zu ihm bestand. Die Segnungen der Freundschaft, die er ihnen anbot, wollten sie genießen, aber sie waren nicht bereit, der damit verbundenen Verantwortung nachzukommen. Es war geradeso, als ob sie den Komfort und die Sicherheit ihrer behaglichen paradiesischen Wohnstätte genießen, aber keine Miete zahlen wollten.
Wir alle — manche mehr, manche weniger — haben diesen undankbaren, nach Unabhängigkeit strebenden Geist geerbt (1. Mose 8:21). Einige junge Leute haben beispielsweise zugelassen, daß sie infolge eines an sich natürlichen Wunsches nach Selbständigkeit die Wertschätzung für ihre Eltern verloren haben. Dadurch ist die höchst kostbare Freundschaft, die zwischen ihnen und ihren Eltern ein Leben lang bestehen sollte, in die Brüche gegangen. So traurig das auch ist, wäre es doch ungleich schwerwiegender, wenn unsere Freundschaft mit unserem himmlischen Vater in die Brüche gehen würde. Das könnte sogar tödliche Folgen für uns haben!
Erfordernisse für eine Freundschaft
Kein persönliches Verhältnis — ob zu Menschen oder zu Gott — wird lange von Bestand sein, wenn das Vertrauen fehlt. Der Patriarch Abraham war sich dessen bewußt, und darum bewies er wiederholt, daß er uneingeschränkt auf Gott vertraute. Zwei herausragende Beispiele dafür kann man in 1. Mose 12:1-5 und 22:1-18 finden. Ja, „Abraham setzte Glauben in Jehova, und es wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet“. Deshalb wurde er „Freund Jehovas“ genannt (Jakobus 2:23).
Für die Freundschaft mit Gott ist es außerdem erforderlich, daß man den Verpflichtungen nachkommt, die sie mit sich bringt. Im Vergleich zu Jehova sind wir äußerst unbedeutend, und demzufolge sind diese Verpflichtungen logischerweise weitaus höher als in einer Freundschaft zwischen zwei Menschen. Wir möchten ihm nicht lediglich in einigen Dingen gefallen — wie es bei einem befreundeten Menschen der Fall wäre. Wir sind verpflichtet, ihm in allem gefallen zu wollen. Jesus, Gottes Sohn und vertrautester Freund, zeigte das, als er in bezug auf Jehova sagte: „Ich [tue] allezeit das ..., was ihm wohlgefällig ist“ (Johannes 8:29).
Die Freundschaft mit Jehova oder mit seinem Sohn ist nicht auf lockerer, unverbindlicher Basis zu erlangen; sie ist davon abhängig, ob wir den Erfordernissen gemäß leben, die sie für die Freundschaft mit ihnen festgelegt haben. (Siehe Psalm 15:1-5.) Jesus machte das in einem Gespräch mit seinen Jüngern deutlich. „Ihr seid meine Freunde“, sagte er ihnen, „wenn ihr tut, was ich euch gebiete“ (Johannes 15:14).
Offene und ehrliche Kommunikation ist ein weiteres Erfordernis für eine Freundschaft. An seinem Todestag sagte Jesus zu seinen treuen Aposteln: „Ich nenne euch nicht mehr Sklaven, denn ein Sklave weiß nicht, was sein Herr tut. Ich habe euch aber Freunde genannt, weil ich euch alle Dinge, die ich von meinem Vater gehört habe, bekanntgegeben habe“ (Johannes 15:15). Jesus teilte seinen Freunden seine Gedanken mit und folgte damit dem Beispiel seines himmlischen Vaters, von dem es in Amos 3:7 heißt: „Der Souveräne Herr Jehova wird kein Ding tun, es sei denn, er habe seine vertrauliche Sache seinen Knechten, den Propheten, geoffenbart.“
Das ist unter Freunden so üblich, nicht wahr? Wir fühlen uns kaum gedrängt, Herrn Müller von nebenan mitzuteilen, was wir erlebt haben. Und wir würden ganz gewiß nicht mit ihm über unsere innersten Gedanken und Gefühle sprechen wollen. Schließlich ist er ja nur ein Bekannter. Doch können wir es oft kaum erwarten, mit unseren Freunden über dergleichen zu sprechen!
Dasselbe trifft auf unsere Freundschaft mit Gott zu. Wir können es kaum erwarten, uns im Gebet an ihn zu wenden, ihm unsere Bedürfnisse, Wünsche und innersten Gefühle zu offenbaren. Natürlich schläft eine Freundschaft rasch ein, wenn die Kommunikation einseitig ist. Wir müssen also auch bereit sein, Gott zu uns reden zu lassen. Das tun wir, indem wir sorgfältig auf das achtgeben, was in seinem geschriebenen Wort steht, über seinen Rat nachsinnen und ihn dann nach bestem Vermögen anwenden.
Wie wichtig ist dir die Freundschaft Jehovas?
Um dir zu helfen, diese Frage zu beantworten, wollen wir eine besondere Art der Freundschaft zwischen zwei Menschen betrachten. Wenn du noch jung bist, möchtest du vielleicht eine Freundschaft schließen, die zu einer Ehe führen wird. Natürlich erkennst du, daß es als Grundlage für eine Ehe nicht ausreicht, wenn man mit seinem voraussichtlichen Ehepartner lediglich bekannt ist. Zuerst muß sich aus der Bekanntschaft eine Freundschaft entwickeln. Dann kann man die Freundschaft vertiefen und ein vertrauteres, inniges Verhältnis entwickeln, das schließlich als gute Grundlage für eine glückliche Ehe dienen wird.
Nun überlege einmal: Wie sehr strengen sich die meisten Menschen an, um eine derartige Freundschaft zu entwickeln? Wieviel Zeit und Geld investieren sie, um die Freundschaft aufzubauen und zu erhalten? Wieviel Zeit verbringen sie damit, über die Freundschaft nachzudenken? Inwieweit schmieden sie Pläne — oder sind bereit, ihre Pläne zu ändern —, um dieses Verhältnis zu verbessern oder aufrechtzuerhalten?
Jetzt frage dich: „Wie sehr strenge ich mich im Vergleich dazu an, mit meinem Schöpfer Freundschaft zu schließen oder sie zu verbessern und zu stärken? Wieviel Zeit wende ich zu diesem Zweck auf? Inwieweit beherrscht meine Freundschaft mit Jehova meine Gedanken? Inwieweit schmiede ich Pläne — oder bin ich bereit, meine Pläne zu ändern —, um dieses Verhältnis zu verbessern und dann aufrechtzuerhalten?“
Junge Christen sollten sich dessen völlig bewußt sein, daß jede Freundschaft mit anderen Menschen — auch eine Freundschaft, die vielleicht zu einer Ehe führt — weniger wichtig ist als die Freundschaft, die sie mit ihrem Schöpfer verbinden sollte. Aus diesem Grund werden sie in Prediger 12:1 aufgefordert: „Gedenke nun deines großen Schöpfers in den Tagen deines Jünglingsalters.“ Viele tun genau das, indem sie sich als Diener Gottes einsetzen, und die Zahl derer, die den Pionierdienst, das heißt den Vollzeitpredigtdienst, aufnehmen, steigt ständig.
Obgleich immer mehr Menschen zynisch und religionsfeindlich eingestellt sind, verteidigen diese jungen Leute Jehova mutig, wenn sie hören, wie man ihn fälschlich beschuldigt und verhöhnt. Sollte Jehova das nicht zu Recht von seinen Freunden erwarten können? Würden wir das nicht auch von unseren Freunden erwarten? Und würden wir uns nicht von Herzen freuen, wenn wir feststellten, daß unsere Freunde dies eifrig und aus Überzeugung tun? (Vergleiche Sprüche 27:11.)
Ja, die Freundschaft mit Gott bringt — ähnlich einer Freundschaft mit einem anderen Menschen — Verpflichtungen mit sich, denen man nachkommen muß, wenn die Freundschaft von Bestand sein soll. Wer nicht bereit ist, diese Verpflichtungen auf sich zu nehmen, oder sich außerstande sieht, sich Gott hinzugeben und dann seiner Hingabe entsprechend zu leben, ist möglicherweise mit Jehova bekannt. Welche Freude aber damit verbunden ist, Jehova zum Freund zu haben — diese Erfahrung ist ihm bis jetzt entgangen.
[Bild auf Seite 25]
Abraham vertraute Jehova und wurde deshalb Freund Jehovas genannt