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Was geschah mit den jüdischen Erwartungen?Erwachet! 1983 | 22. Juni
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heißt es zum Beispiel in einem der von Maimonides, einem jüdischen Gelehrten des Mittelalters, formulierten dreizehn Glaubensartikel: „Ich bekenne mich fest zu dem Glauben, daß der Messias kommt, und möge er auch säumen, so warte ich doch täglich auf ihn.“
In neuerer Zeit haben jedoch viele Juden den Gedanken an einen personenhaften Messias völlig aufgegeben. Vor einem Jahrhundert schrieb Joseph Perl beispielsweise: „Der gebildete Jude stellt sich den Messias nicht als eine wirkliche Person vor.“
Solche Juden sehen im Messias kein wirkliches Individuum, sondern ein Ideal und sprechen daher lieber von einem messianischen Zeitalter als vom Messias. Ohne einen personenhaften Messias kann es aber kein messianisches Zeitalter geben.
Wann sollte dieser Messias kommen? Was sagen die Hebräischen Schriften?
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Wann sollte der Messias erscheinen?Erwachet! 1983 | 22. Juni
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Wann sollte der Messias erscheinen?
IM BABYLONISCHEN Talmud ist eine interessante Legende zu finden über Jonathan Ben Ussiel, den Verfasser der als Targum bezeichneten paraphrasierenden Übersetzung der hebräischen Propheten. Nach dieser Legende wollte Jonathan die Hagiographa, den dritten Teil der Hebräischen Schriften, ins Aramäische übersetzen. Da gebot ihm jedoch eine „Stimme vom Himmel“, es nicht zu tun, weil dieser Teil der Schriften das Datum für das Erscheinen des Messias enthalte.
Es ist interessant, daß eine Prophezeiung Daniels (das Buch Daniel gehört zur Hagiographa), die, wie wir bereits kennengelernt haben, ausdrücklich vom Messias spricht, auch zeitliche Angaben über sein Erscheinen enthält. Wir wollen uns nochmals mit dem Text aus Daniel 9:24-27 befassen:
„Siebzig (Jahr-)Wochen sind beschlossen worden über dein Volk und über deine heilige Stadt, zu wehren dem Abfall und ein Ende zu machen den Sünden, und zu sühnen die Missetat, und zu bringen ewiges Heil. ... Und du mögest wissen und verstehen: Vom Ausgange des Spruches, Jeruschalajim wieder aufzubauen, bis zum Gesalbten, dem Fürsten, sind sieben (Jahr-)Wochen; noch zweiundsechzig (Jahr-)Wochen, so werden wieder erbaut Markt und Graben, und zwar im Drange der Zeiten. Und nach den zweiundsechzig (Jahr-)Wochen wird vernichtet werden ein Gesalbter. ... Und er wird ein kräftiges Bündnis schließen mit vielen, eine (Jahr-)Woche lang, und zur Hälfte der (Jahr-)Woche wird er aufheben Opfer und Speiseopfer.“
Man beachte, daß gesagt wird, diese Zeitperiode umfasse „siebzig (Jahr-)Wochen“. Der hier verwendete hebräische Ausdruck bedeutet wörtlich „siebzig Wochen“ oder „siebzig Siebente“. Die jüdischen Gelehrten haben jedoch allgemein den Standpunkt vertreten, daß jede dieser Wochen nicht sieben Tage, sondern sieben Jahre lang sei. Deshalb gibt der Religions- und Literarhistoriker Leopold Zunz in seiner Übersetzung den hebräischen Ausdruck mit „siebzig (Jahr-)Wochen“ wieder. (Auch Die Bibel in heutigem Deutsch gibt den Ausdruck mit „Jahrwochen“ wieder.) Die ganze Periode von „siebzig Wochen“ umfaßt demnach 490 Jahre.
Wann fängt diese 490 Jahre dauernde Zeitperiode an? Gemäß der Prophezeiung beginnt sie mit dem Ausgang „des Spruches, Jeruschalajim [Jerusalem] wieder aufzubauen“. Ist ein solcher „Spruch“ je ausgegangen?
Daniel lebte noch, als König Cyrus von Persien 538/37 v. u. Z. den Befehl gab, den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen, aber erst etwa hundert Jahre später erging der „Spruch“, die Stadt Jerusalem wieder aufzubauen. In Nehemia 2:1-8 wird berichtet, daß König Artaxerxes Longimanus im 20. Jahr seiner Regierung diesen „Spruch“ ergehen ließ. Und wann war das? Nach den zuverlässigsten Geschichtsquellen trat Artaxerxes seine Herrschaft 474 v. u. Z. an; sein 20. Regierungsjahr und somit das Jahr, in dem der „Spruch“ ausging, wäre demnach das Jahr 455 v. u. Z.a Die 490 Jahre umfassende Periode begann also 455 v. u. Z.
Wann genau während dieser 490 Jahre sollte der Messias erscheinen? Man beachte, daß die 70 Wochen in drei Perioden aufgeteilt sind: 7 Wochen, 62 Wochen und eine Woche. Außerdem heißt es in der Prophezeiung, daß der Messias nach den 7 und den 62 Wochen oder nach 69 „Jahrwochen“ bzw. nach 483 Jahren erscheinen werde. Daraus können wir den Schluß ziehen, daß der Messias 483 Jahre nach dem Jahr 455 v. u. Z. erscheinen sollte, also im Jahre 29 u. Z.
Aus der Prophezeiung geht ferner hervor, daß der Messias nach den 62 Wochen (die auf die 7 Wochen folgen) vernichtet oder sterben werde, d. h. während der letzten Woche. Die letzte Periode von sieben Jahren dauerte von 29 u. Z. bis 36 u. Z. Wann in dieser letzten Woche würde er sterben? Wir lesen: „Zur Hälfte der (Jahr-)Woche wird er [der Messias] aufheben Opfer und Speiseopfer.“ Da aus der Prophezeiung auch hervorgeht, daß durch den Tod des Messias die Sünden wirklich gesühnt werden, hatten die im Tempel dargebrachten Tieropfer keinen Sinn mehr, nachdem der Messias gestorben war. Gemäß der Prophezeiung würde der Messias somit „zur Hälfte der (Jahr-)Woche“ oder 33 u. Z. sterben.
Ist der Messias 29 u. Z. erschienen und 33 u. Z. gestorben? Wie wir bereits gesehen haben, erwarteten die Juden im ersten Jahrhundert sehnsüchtig den Messias (Lukas 3:15). Aber von allen messianischen Prätendenten des ersten Jahrhunderts erschien nur einer im Jahre 29 u. Z. auf der Weltbühne und starb nur einer im Jahre 33 u. Z. — Jesus von Nazareth! (Vergleiche Lukas 3:1, 2.)
Wie wir gesehen haben, war es den im ersten Jahrhundert lebenden Nachfolgern Jesu nicht nur möglich, die Ereignisse im Leben Jesu mit den Prophezeiungen der Hebräischen Schriften in Einklang zu bringen, sondern durch Jesu Erscheinungen nach seinem Tod gewannen sie auch die Überzeugung, daß er auferstanden war und eines Tages wiederkommen werde, um als messianischer König zu regieren und die vorhergesagte Friedenszeit herbeizuführen.
Aber wie ist es mit uns heute? Seit Jesu Tod sind fast 2 000 Jahre vergangen, und bis heute warten wir auf die vorhergesagte Friedenszeit. Jesus hat jedoch prophezeit, wie die Welt in den „letzten Tagen“ des gegenwärtigen Systems der Dinge und zur Zeit der vollständigen Errichtung des messianischen Königreiches Gottes aussehen wird (Matthäus, Kapitel 24 und Lukas, Kapitel 21).
Die heutigen Verhältnisse würden demnach bedeuten, daß wir die Zeit erleben können, über die es in der Bibel heißt: „Und es wohnt der Wolf mit dem Lamme, und der Tiger lagert neben dem Böcklein, ... und der Leu, wie ein Rind, frißt Stroh“, und „sie [die Menschen] tun kein Leid und richten nicht Verderben an“ (Jesaja 11:1-10).
[Fußnote]
a Siehe Hilfe zum Verständnis der Bibel, S. 110, 111, herausgegeben von der Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft.
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