2. TIMOTHEUS
Studienanmerkungen zu Kapitel 1
Der zweite Brief an Timotheus: Titel wie dieser waren offensichtlich nicht im Originaltext enthalten. Wie alte Handschriften zeigen, wurden sie später hinzugefügt, zweifellos um die Briefe leichter auseinanderhalten zu können. Im Codex Sinaiticus z. B., einer bedeutenden Handschrift aus dem 4. Jh., steht am Ende des Briefes: „An Timotheus“. In anderen frühen Handschriften steht: „An Timotheus 2“.
Apostel: Siehe Anm. zu Rö 1:1.
mein liebes Kind: Paulus hatte ein besonders enges und herzliches Verhältnis zu Timotheus. Er war für ihn wie ein Vater (1Ko 4:17; Php 2:22). Im 1. Timotheusbrief nennt er ihn „ein echtes Kind“ und „mein Kind“ (1Ti 1:2, 18). Als Paulus den 2. Timotheusbrief schrieb, hatten die beiden schon mindestens 14 Jahre zusammengearbeitet. Paulus ahnte, dass sein Tod bevorstand, und schrieb den Brief möglicherweise in dem Bewusstsein, dass es sein letzter an Timotheus sein könnte (2Ti 4:6-8). Er bezeichnet seinen jungen Freund als „liebes Kind“ und macht damit deutlich, wie sehr er an ihm hing. (Siehe Anm. zu 1Ti 1:2, 18.)
Ich wünsche dir unverdiente Güte, Barmherzigkeit und Frieden: Siehe Anm. zu Rö 1:7.
Ich bin Gott dankbar: Paulus beginnt viele seiner Briefe mit Worten der Dankbarkeit (Rö 1:8; 1Ko 1:4; Eph 1:15, 16; Php 1:3-5; Kol 1:3, 4; 1Th 1:2, 3; 2Th 1:3; Phm 4). Diesen Brief schrieb er aus der Haft in Rom in dem Bewusstsein, dass seine Hinrichtung bevorstand (2Ti 4:6-8). Zudem hatten ihm Gegner sehr geschadet und Freunde hatten ihn im Stich gelassen (2Ti 4:10-12, 14-17). Trotz allem war er, wie seine einleitenden Worte zeigen, nicht deprimiert, sondern dankbar. Einen Grund für seine positive Haltung nennt er im gleichen Vers: Er ist dankbar für seinen Freund Timotheus und denkt „Tag und Nacht“ in seinen Gebeten an ihn. Was er besonders an Timotheus schätzt, ist sein außergewöhnlicher Glaube, den er als „ungeheuchelt“ bezeichnet (2Ti 1:5).
Gott …, für den ich … heiligen Dienst tue: Oder „… dem ich … diene“, „… den ich … anbete (verehre)“. Paulus durfte Gott genauso dienen wie seine treuen jüdischen Vorfahren, von denen in den Hebräischen Schriften die Rede ist. Das mit „heiligen Dienst tun“ wiedergegebene Verb bezieht sich auf den Dienst für Gott, und zwar sowohl unter dem jüdischen System als auch später in der Christenversammlung. Das Verb kommt in der Septuaginta z. B. in 5Mo 6:13 vor, wo Moses das Volk auffordert, Jehova zu dienen. Diese Stelle zitierte Jesus, als er zum Teufel sagte: „Für ihn [Jehova] allein sollst du heiligen Dienst tun“ (Mat 4:10 und Anm.; siehe auch 2Mo 3:12; 5Mo 10:12, 20; Jos 22:5; LXX). Wie Paulus im Römerbrief zeigt, ist die Verbreitung der guten Botschaft über Gottes Sohn ein wichtiger Bestandteil des heiligen Dienstes. (Siehe Anm. zu Rö 1:9.)
mit reinem Gewissen: Paulus befand sich im Gefängnis und lag wie ein Verbrecher in Ketten (2Ti 1:16). Doch wie seine Worte zeigen, war er überzeugt, dass er Jehova treu, selbstlos und mit reinen Beweggründen gedient hatte. (Siehe Anm. zu 2Ti 1:12.) Bereits im 2. Korintherbrief hatte er geschrieben: „Wir haben niemandem unrecht getan, wir haben niemand verdorben, wir haben niemand ausgenutzt“ (2Ko 7:2; siehe Anm. zu Rö 2:15; 1Ti 1:5).
Wenn ich an deine Tränen denke: Paulus war es nicht peinlich zu schreiben, dass ihm und Timotheus manchmal die Tränen kamen (2Ko 2:4; Php 3:18). Womöglich hatte er Timotheus während ihres gemeinsamen Dienstes hin und wieder weinen sehen, wenn sie Glaubensbrüdern beistanden, die Schlimmes durchmachten. Vielleicht brachte es Timotheus auch zum Weinen, Paulus leiden zu sehen (Rö 12:15; 2Ti 3:10, 11). Und wahrscheinlich war auch ihr letzter Abschied tränenreich. (Vgl. Apg 20:37, 38.) Die Tränen von Timotheus belegen, was für ein warmherziger, mitfühlender und einfühlsamer Mann er war.
ungeheuchelten Glauben: Siehe Anm. zu 1Ti 1:5.
deine Großmutter Lois: Lois war wahrscheinlich Timotheus’ Großmutter mütterlicherseits. Die Familie lebte offensichtlich in Lystra (Apg 16:1-3). Paulus verwendet hier für „Großmutter“ das griechische Wort mámmē. Anders als das eher förmliche Wort tḗthē war es ein familiärer Ausdruck, der die Vertrautheit eines Kindes mit seiner Großmutter abbildete. Timotheus und Lois hatten also offenbar ein enges Verhältnis zueinander. Es ist gut möglich, dass Lois ihre Tochter Eunike dabei unterstützt hatte, Timotheus mit den Hebräischen Schriften vertraut zu machen. (Siehe Anm. zu 2Ti 3:15.)
deine Mutter Eunike: Wahrscheinlich wurden Eunike und Lois Christen, als Paulus um das Jahr 47/48 u. Z. das erste Mal nach Lystra kam (Apg 14:6). Paulus lobt den „ungeheuchelten Glauben“ der beiden. Mit Sicherheit brauchte Eunike starken Glauben, als Timotheus seine Heimat verließ und mit Paulus auf Missionsreise ging. Sie hatte bestimmt nicht vergessen, dass Paulus bei seinem ersten Besuch in Lystra gesteinigt und fast getötet worden war (Apg 14:19). Das gute Beispiel von Eunike und Lois und die hervorragende Erziehung, die Timotheus erhielt, trugen zweifellos dazu bei, dass er ebenfalls „ungeheuchelten Glauben“ entwickelte und als Christ außergewöhnliche Fortschritte machte (Apg 16:2; Php 2:19-22; 1Ti 4:14). Das ist vor allem bemerkenswert, weil der Vater von Timotheus – ein Grieche – offenbar einen anderen Glauben hatte als seine Frau. (Siehe Anm. zu Apg 16:1, 3.)
die Gabe Gottes: Wie schon im 1. Timotheusbrief spricht Paulus davon, dass Timotheus eine Gabe erhalten hatte. (Siehe Anm. zu 1Ti 4:14.) Allerdings schildert er das Geschehen an beiden Stellen unterschiedlich. Hier schreibt Paulus, er selbst habe Timotheus die Hände aufgelegt. Dagegen heißt es im 1. Timotheusbrief, dies sei durch die Ältestenschaft geschehen, und zwar aufgrund einer Prophezeiung. Es ist nicht sicher, ob sich Paulus in beiden Briefen auf dieselbe Begebenheit bezieht. In jedem Fall muss bei dieser Gabe der heilige Geist eine Rolle gespielt haben. Er befähigte Timotheus auf besondere Weise, seiner Aufgabe voll und ganz nachzukommen.
als ich dir die Hände auflegte: Siehe Anm. zu Apg 6:6.
wie ein Feuer anzufachen: Mit diesem Bild ermutigt Paulus Timotheus, seine Gabe weiter gut zu nutzen. Das entsprechende griechische Verb steht im Präsens, was eine fortlaufende Handlung anzeigt. Nach Ansicht eines Theologen ist mit der Formulierung gemeint: „dafür sorgen, dass das Feuer weiter lodert“. In biblischer Zeit hielt man gewöhnlich glühende Kohlen bereit, um jederzeit Feuer machen zu können. Paulus wollte nicht sagen, dass die „Gabe Gottes“, die Timotheus erhalten hatte, sozusagen erloschen war und erneut angezündet werden musste. Vielmehr verglich er sie mit einem Kohlenfeuer, das nur geschürt werden musste, um noch heller aufzuflammen.
Gott hat uns nicht einen Geist der … gegeben: Das griechische Wort für „Geist“ (pneuma) kann sich hier entweder auf den heiligen Geist beziehen oder auf jemandes Grundhaltung. (Siehe Worterklärungen zu „Geist“.) Paulus hatte möglicherweise sogar beides im Sinn. Deshalb könnte man den Gedanken auch wie folgt ausdrücken: „Der heilige Geist, den Gott uns gibt, erzeugt in uns keinen Geist der Feigheit, sondern einen Geist der Kraft, der Liebe und der Vernünftigkeit.“
Feigheit: Das entsprechende griechische Wort bezieht sich auf eine Angst, die auf einer moralischen Schwäche beruht. Wer diese Art Angst hat, kann den Mut verlieren, das Richtige zu tun. Am Ende könnte er der wahren Anbetung den Rücken kehren.
Geist … der Kraft: Paulus versichert Timotheus, dass Christen ihre Ängste nicht durch eigene innere Stärke überwinden müssen. Die Kraft, die sie brauchen, um ihren Dienst auszuführen und Furcht einflößende Herausforderungen zu meistern, kommt von Gott (2Ko 4:7-10; 12:9, 10; Php 4:13).
Geist … der Liebe: Das beste Mittel gegen Angst ist tiefe Liebe zu Jehova (1Jo 4:18). Liebe bewegt Christen dazu, zuerst an andere zu denken. Aus Liebe sind sie sogar bereit, für andere zu sterben. (Siehe Anm. zu Joh 13:34; Rö 16:4.)
Geist … der Vernünftigkeit: Oder „Geist … der Besonnenheit“. Paulus spricht wiederholt davon, vernünftig zu sein bzw. gutes Urteilsvermögen zu haben (Rö 12:3; 1Ti 2:9, 15; 3:2 und Anm.). Wie er hier zeigt, kann Vernunft Christen helfen, das innere Gleichgewicht zu behalten, selbst wenn sie mit Gefahren konfrontiert werden, die ihnen normalerweise Angst einjagen würden. Sie hilft Christen auch, im Sinn zu behalten, dass es nichts Wichtigeres gibt als ihre Freundschaft mit Jehova. Die drei genannten Eigenschaften – Kraft, Liebe und Vernünftigkeit – kommen nicht aus dem Innern eines Menschen, sondern von Gott. Paulus versichert Timotheus also, dass er bestens ausgerüstet ist, seine Gabe einzusetzen und seinen Teil „am Erleiden von Schwierigkeiten“ zu tragen (2Ti 1:6, 8).
schäm dich nicht: Das mit „sich schämen“ übersetzte griechische Verb beschreibt, dass jemandem der Mut fehlt, für etwas einzutreten, weil er Angst hat, das Gesicht zu verlieren. In der griechisch-römischen Gesellschaft legte man viel Wert auf Ehre und Ansehen; Unehre galt es um jeden Preis zu vermeiden. Paulus ließ nicht zu, dass diese Wertvorstellungen auf ihn abfärbten. Er wehrte sich gegen den Gedanken, es könnte peinlich sein, Jehova zu dienen. (Siehe 2Ti 1:12 und Anm.) Paulus will hier nicht andeuten, dass sich Timotheus für die Wahrheit schämte. Vielmehr weist er ihn an, sich nie dafür zu schämen. (Vgl. Mar 8:38.)
ein Zeuge unseres Herrn: Wer ein Zeuge von Jesus sein wollte, musste unter anderem über Jesu Tod am Pfahl sprechen, was als besonders beschämende Hinrichtungsart galt. (Siehe Anm. zu 1Ko 1:23.) Doch Paulus sagte: „Ich schäme mich nicht für die gute Botschaft.“ Zu der Botschaft gehörte auch Jesu demütigende Hinrichtung (Rö 1:16).
für mich, weil ich seinetwegen ein Gefangener bin: Offenbar schämten sich einige dafür, dass Paulus inhaftiert war. Festgenommen und bestraft zu werden oder ins Gefängnis zu kommen, galt als äußerst unehrenhaft. Paulus wollte jedoch nicht, dass sich Timotheus und andere Christen seinetwegen schämten. Sein treues Durchhalten sollte ihnen Mut machen (Php 1:14). Er wusste, dass auch ihnen solche Härten bevorstanden (2Ti 3:12).
seinetwegen ein Gefangener: Wtl. „sein Gefangener“. Paulus war klar, dass er wegen seines Herrn, Jesus Christus, im Gefängnis war, d. h., weil er Christus nachfolgte und die gute Botschaft bekannt machte. Während seiner ersten Gefangenschaft in Rom drückte er sich in seinen Briefen ähnlich aus (Eph 3:1 und Anm.; 4:1; Phm 1, 9). Den vorliegenden Brief schrieb er während seiner zweiten und letzten Gefangenschaft in Rom, wahrscheinlich um 65 u. Z. (2Ti 4:6-8).
Diese wurde uns in Verbindung mit Christus Jesus … geschenkt: Gemeint ist eine bestimmte „unverdiente Güte“, die Jehova einigen Menschen erweist: die heilige Berufung, mit Christus im Himmel zu regieren. Jehova hatte im Voraus festgelegt, dass er einen Teil der Nachfolger Jesu adoptieren würde. Die Grundlage für diese unverdiente Güte bildet das Loskaufsopfer Christi (Rö 8:15-17; 2Ti 2:10; siehe Anm. zu Eph 1:5).
schon vor langen Zeiten: Jehovas Vorhaben, Nachfolger von Jesus mit ihm im Himmel regieren zu lassen, ist eng mit der Edenverheißung in 1Mo 3:15 verbunden (Gal 3:16, 29). Jehova verkündete dieses Vorhaben schon kurz nach Adams Sünde – Jahrtausende vor Paulus. Deshalb konnte Paulus schreiben, dass die unverdiente Güte „schon vor langen Zeiten“ geschenkt wurde. Manche Bibeln übersetzen den entsprechenden griechischen Ausdruck mit „vor ewigen Zeiten“. Das könnte den Eindruck erwecken, Gott habe alles von Anfang an so vorherbestimmt. In diesem Zusammenhang ist mit dem griechischen Ausdruck einem Wörterbuch zufolge jedoch ein Zeitraum gemeint, der weit in die Vergangenheit reicht. (Vgl. Rö 16:25; vgl. auch Anm. zu Rö 8:28.) Gott kann Entwicklungen lange im Voraus vorhersagen und erreicht immer, was er sich vornimmt (Jes 46:10; Eph 1:4).
das Offenbarwerden unseres Retters, Christus Jesus: Wie Paulus erklärt, wurde die „unverdiente Güte“ Gottes, die er im Vers zuvor erwähnt, „durch das Offenbarwerden unseres Retters, Christus Jesus, deutlich sichtbar“. Hier geht es darum, dass Jehova seinen Sohn offenbar werden ließ, als er ihn als Mensch auf die Erde schickte. Davon ist auch in Joh 1:14 die Rede, wo steht: „So wurde das Wort Mensch und wohnte unter uns.“ Ähnlich heißt es in 1Ti 3:16 (siehe Anm.), dass Jesus „als Mensch offenbart“ wurde. Das bezieht sich offensichtlich auf sein Leben und seinen Dienst als Mensch ab seiner Taufe im Jordan. Während Jesus auf der Erde diente, zeigte er anderen, was sie tun müssen, um gerettet zu werden und ewig zu leben (Mat 1:21; Luk 2:11; 3:6).
durch ihn, der … Licht auf Leben und Unvergänglichkeit geworfen hat: Die Hoffnung auf eine Auferstehung und auf ewiges Leben wird schon in den Hebräischen Schriften erwähnt (Hi 14:14, 15; Ps 37:29; Jes 26:19; Da 12:2, 13). Allerdings blieben noch viele Fragen dazu offen. Jesus wird als „das wahre Licht, das … Licht gibt“ bezeichnet (Joh 1:9). Es überrascht daher nicht, dass er Licht auf diese Hoffnung warf. Er bezeichnete sich als „das Leben“ und versprach jedem, der an ihn glaubt, ewiges Leben (Joh 5:24; 6:40; 14:6). Jesus hat auch „Licht auf Leben … geworfen“, als er erklärte, dass er sein Leben als Lösegeld geben würde, um den Tod für immer zu beseitigen (Mat 20:28; Joh 3:16; 5:28, 29; 11:25, 26). Außerdem offenbarte er, dass einige Menschen im Himmel leben und von dort aus mit ihm regieren würden (Luk 12:32; Joh 14:2, 3). Um den Lohn im Himmel zu erhalten, werden sie in Unvergänglichkeit bzw. Unverweslichkeit auferweckt (1Ko 15:42 und Anm.; 1Pe 1:3, 4).
zum Prediger … ernannt: Siehe Anm. zu 1Ti 2:7.
Apostel: Siehe Anm. zu 1Ti 2:7.
Lehrer: Siehe Anm. zu 1Ti 2:7.
ich schäme mich nicht: Paulus war sich bewusst, dass seine schwierige Lage auf seinen Dienst als Prediger, Apostel und Lehrer zurückzuführen war (2Ti 1:11). Vielleicht dachten seine Gegner, sie könnten ihn durch Demütigung und Einschüchterung zum Schweigen bringen. Doch wie Jesus, der „einen Marterpfahl [ertrug], ohne auf die Schande zu achten“, schämte sich Paulus nicht, als Diener Jehovas verfolgt und eingesperrt zu werden (Heb 12:2). Er wollte, dass Timotheus und andere Christen genauso dachten. (Siehe Anm. zu 2Ti 1:8; siehe auch Anm. zu Mat 16:24.)
Denn ich kenne den, dem ich geglaubt habe: Das war der Hauptgrund, weshalb sich Paulus nicht schämte. Er hatte Jehova kennengelernt und eine enge Beziehung zu ihm aufgebaut. (Siehe Anm. zu Gal 4:9.) Für Paulus war jede Aufgabe, die ihm sein lieber Vater zuwies, eine Ehre.
das Gut, das ich ihm anvertraut habe: Paulus spricht hier wahrscheinlich von seinem Leben, das er Gott anvertraut hatte. Sein Tod stand kurz bevor. Doch er war sicher, dass sich Jehova „bis zu jenem Tag“ – dem Tag seiner Auferweckung – an seine Treue erinnern würde (Rö 8:38, 39). Bei dem hier verwendeten griechischen Substantiv handelt es sich um einen Rechtsbegriff für etwas, das man jemandem zur sicheren Verwahrung gegeben hatte. (Ein verwandtes Verb steht in Apg 14:23 und 20:32, wo es um Menschen geht, die Jehova anvertraut wurden.) Wörtlich bedeutet der Ausdruck „mein anvertrautes Gut“. Manche Bibeln übersetzen ihn im vorliegenden Vers mit „das mir anvertraute Gut“, als sei Paulus etwas anvertraut worden. (Vergleiche 1Ti 6:20 und 2Ti 1:14, wo Paulus Timotheus anweist, auf das achtzugeben, was man ihm anvertraut hatte.) Hier legt der Kontext jedoch nahe, dass das „Gut“ von Gott bewahrt wurde.
Muster: Das entsprechende griechische Wort kann auch mit „Vorbild“, „Entwurf“ oder „Standard“ übersetzt werden. Es konnte eine Skizze meinen, die ein Künstler als Vorlage für ein Bild nutzt. Das „Muster gesunder Worte“ gibt Anleitung für das Leben als Christ. Man lernt dadurch, was Jehova von seinen Dienern erwartet, und erkennt, auf welchen Grundsätzen christliche Lehren beruhen. Wenn neue Vorstellungen aufkamen, konnte Timotheus sie mit diesem „Muster“ vergleichen. Falsche Lehrer würden ihn dann nicht irreführen (Gal 1:7; 2Ti 2:16-18).
gesunder Worte: Der entsprechende griechische Ausdruck ist in 1Ti 6:3 mit „gesunde Anleitung“ übersetzt. Dort schreibt Paulus, dass diese Anleitung „von unserem Herrn Jesus Christus kommt“. Somit geht es dabei um die wahre christliche Lehre. (Siehe Anm. zu 1Ti 6:3.) Da alles, was Jesus sagte und tat, mit dem Rest der Schriften übereinstimmt, kann man im erweiterten Sinn alle biblischen Lehren als „gesunde (wohltuende, nützliche) Worte“ bezeichnen.
Bewahre dieses kostbare dir anvertraute Gut: Zu diesem Gut gehörten die „gesunden Worte“, die Paulus im Vers zuvor erwähnt, d. h. die Wahrheit aus den Schriften. Schon in seinem ersten Brief an Timotheus hatte er ihn aufgefordert: „Gib acht auf das, was man dir anvertraut hat“ (1Ti 6:20 und Anm.). Timotheus sollte die christliche Botschaft innerhalb und außerhalb der Versammlung wahrheitsgetreu weitergeben (2Ti 4:2, 5). Er musste sich dabei auf Jehovas heiligen Geist und auf die Schriften stützen (2Ti 3:14-17). Dadurch würde er dieses kostbare Gut davor bewahren, von falschen Lehrern und Abtrünnigen verfälscht zu werden.
des heiligen Geistes, der in uns wohnt: Da Gottes heiliger Geist in gesalbten Christen auf besondere Weise wirkt, kann man sagen, dass er in ihnen „wohnt“ (Rö 8:11; Eph 3:20). Das galt auch für Paulus und Timotheus. Ihnen war ein kostbares Gut anvertraut worden: die christliche Lehre und eine besondere Dienstaufgabe. Der Geist half ihnen, dieses Gut zu bewahren. In erweitertem Sinn hilft der heilige Geist allen Christen, ihren Dienst auszuführen, und bringt in ihnen schöne Eigenschaften hervor (Apg 1:8; Gal 5:22, 23).
Provinz Asien: Siehe Worterklärungen zu „Asien; Asia“.
Der Herr schenke … Barmherzigkeit: Paulus bittet hier Jehova, mit „der Hausgemeinschaft von Onesiphorus“ barmherzig zu sein. Als Onesiphorus in Rom war, zeigte er Paulus große Barmherzigkeit. Er setzte alles in Bewegung, um ihn im Gefängnis ausfindig zu machen, und kümmerte sich um ihn (2Ti 1:17; siehe Anm. zu er hat … sich nicht dafür geschämt, dass ich in Ketten bin in diesem Vers). Das Gebet von Paulus passt zu Jesu Worten aus der Bergpredigt: „Glücklich sind die Barmherzigen, denn sie werden barmherzig behandelt werden“ (Mat 5:7 und Anm.). Sowohl in den Hebräischen als auch den Christlichen Griechischen Schriften wird Jehova als ein Gott beschrieben, der „barmherzig“ und sogar „reich an Barmherzigkeit“ ist (2Mo 34:6; Eph 2:4; vgl. 2Ti 1:18).
Onesiphorus: Ein treuer Christ, der loyal zu Paulus hielt und ihn selbstlos unterstützte. Paulus spricht voller Wertschätzung davon, „wie viele Dienste“ Onesiphorus in Ephesus geleistet hatte. Höchstwahrscheinlich kannte Timotheus ihn. Aus der Bemerkung „als er in Rom war“ kann man schließen, dass Onesiphorus dorthin gereist war; allerdings lässt der Bericht offen, ob er die Reise extra wegen Paulus unternahm (2Ti 1:17, 18). Hier bittet Paulus um Gottes Segen für die „Hausgemeinschaft von Onesiphorus“. Am Ende seines Briefes sendet er ihnen Grüße (2Ti 4:19).
er hat … sich nicht dafür geschämt, dass ich in Ketten bin: Onesiphorus war ganz anders als die beiden Männer, die Paulus im vorigen Vers erwähnt. Sie und andere in der Provinz Asien hatten ihn im Stich gelassen, als er ihre Hilfe am nötigsten gehabt hätte (2Ti 1:15, 17, 18). Wahrscheinlich musste jeder, der Paulus bei seiner letzten Inhaftierung besuchte, damit rechnen, selbst eingesperrt oder sogar getötet zu werden. Doch Onesiphorus ließ sich nicht einschüchtern. Wie Paulus schreibt, hatte Onesiphorus ihn sogar oft gestärkt – offenbar besuchte er Paulus immer wieder, um ihn zu versorgen und zu trösten. Die erwähnten „Ketten“ könnten allgemein für die Gefangenschaft von Paulus stehen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er buchstäblich in Ketten lag. In dem Fall dürfte er die Hilfe von Onesiphorus umso mehr geschätzt haben.
suchte er so lange nach mir, bis er mich fand: Als Paulus zum zweiten Mal in Rom in Haft war, setzte Onesiphorus alles daran, ihn zu finden. Das war nicht einfach, denn in der Millionenstadt Rom gab es weder Straßennamen noch Hausnummern. Bestimmt empfand Paulus, der auf seine Verhandlung wartete, die Unterstützung von Onesiphorus als großen Trost.
Der Herr möge ihn … bei Jehova Barmherzigkeit finden lassen: Hier und in Vers 16 ist mit „der Herr“ offensichtlich Jehova Gott gemeint (2Ti 1:16 und Anm.). Die Ausdrucksweise im vorliegenden Vers ist etwas ungewöhnlich. Paulus bittet, dass „der Herr“ (Jehova) jemanden bei sich selbst („bei Jehova“) Barmherzigkeit finden lassen möge. Ähnliche Formulierungen sind jedoch auch in den Hebräischen Schriften zu finden und werden in der Septuaginta nachgeahmt. Im hebräischen Text von 1Mo 19:24 heißt es z. B. wörtlich: „Jehova ließ regnen … Schwefel und Feuer von Jehova.“ (Im Hebräischen sind Hos 1:6, 7 und Sach 10:12 ähnlich formuliert.) Vielleicht soll die Ausdrucksweise im vorliegenden Vers betonen, dass Jehova einerseits Barmherzigkeit gewährt und andererseits hilft, sie zu erlangen. (Zur Verwendung des Gottesnamens in diesem Vers siehe Anh. C3, Einleitung, 2Ti 1:18.)
Du weißt … genau: Evtl. auch „Du weißt besser als ich“. Wie Paulus bemerkt, wusste Timotheus nur zu gut, was Onesiphorus in Ephesus alles geleistet hatte. Die griechische Formulierung könnte sogar andeuten, dass Timotheus mehr darüber wusste als Paulus.