Die Würze deines Lebens
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Indien
„ABWECHSLUNG ist die Würze des Lebens, das, was es reizvoll macht“, schrieb der im 18. Jahrhundert lebende englische Dichter William Cowper. Diese Worte deuten an, daß Gewürze unsere Speisen aromatisieren und interessant machen. In unserem Land, Indien, spielen Gewürze eine ganz besonders wichtige Rolle. Wieso?
Vermutlich ist dir bekannt, daß gekochter Reis unser Hauptnahrungsmittel ist. Der Reis, insbesondere polierter, ist ziemlich geschmacklos. Außerdem essen wir viel wasserhaltiges Gemüse wie Eierfrüchte (Auberginen), Kürbis, Eibisch, Gurken und Spinat. Unsere Kost wäre tatsächlich fad, gäbe es keine Aromaspender, die unsere Speisen aktivieren. Um unseren Geschmackssinn zu befriedigen, würzen wir daher kräftig. Wollen wir einige unserer Gewürze einmal „probieren“?
Der schwarze Pfeffer gilt als König der Gewürze und ist wahrscheinlich das Gewürz, das überall am meisten verwendet wird. Er wird aus der Frucht einer Kletterpflanze gewonnen, die ungefähr 10 Meter hoch werden kann. Heimisch ist der Pfeffer an der Malabarküste, der monsuntropischen Südwestküste Indiens. Der Pfefferstrauch beginnt Früchte zu tragen, wenn er zwei bis fünf Jahre alt ist. Unter günstigen Bedingungen kann er bis zu 40 Jahre Erträge liefern.
Schon im Altertum gehörte der Pfeffer zu den wichtigsten Artikeln im Handel zwischen Indien und Europa. Der Bedarf an diesem Gewürz hat sogar den Gang der Weltgeschichte beeinflußt. Aber der zu den ältesten Gewürzen zählende Pfeffer ist nicht nur deshalb weltweit so gefragt, weil er die Speisen aromatisiert, sondern weil er sie auch bekömmlicher macht, denn er fördert die Absonderung der Magensäfte, die der Gasbildung durch unsere Gemüsekost entgegenwirken und die Verdauung erleichtern. Pfeffer und andere scharfe Gewürze sind zudem ein Ausgleich zu der kühlenden Wirkung der wässerigen Nahrungsmittel, die wir in Indien essen.
Wenn der schwarze Pfeffer der „König“ der Gewürze ist, dann ist Kardamom die „Königin“, denn es ist fast ebenso gefragt und beliebt wie der Pfeffer. Kardamom schmeckt brennend würzig und hat einen bitter-süßen, etwas zitronenähnlichen Geschmack. Es kommt als „reine Kardamomsaat“ in den Handel oder als „Kardamom, mit Schale gemahlen“ und dient als Backgewürz, es findet in der Likörfabrikation Verwendung und wird zum Würzen von Mokka, Obstsalat, Speiseeis und Suppen sowie Fleisch- und Reisgerichten gebraucht.
Die Heimat dieses angenehmen Gewürzes sind die warmen, feuchten Bergwälder in Südindien. Kardamom ist ein Ingwergewächs und hat wie Ingwer einen fleischigen Wurzelstock. An den Stengeln trägt die Pflanze hübsche, grünliche lilageäderte Blüten. Eine ausgewachsene, gesunde Staude kann zehn Jahre lang bei jeder Ernte etwa 2 000 der charakteristischen dreiseitigen Samenkapseln liefern.
Wir dürfen aber auch unsere brennend scharfen Chilies, eine besonders kleine Paprikasorte, nicht vergessen. Die frischen grünen sowie die getrockneten roten Schoten zählen zu den schärfsten Gewürzen, die der Mensch kennt. Sie liefern den Cayennepfeffer. (Nicht mit dem schwarzen Pfeffer zu verwechseln.) Die Chilies sind die Früchte eines tropischen Strauches, der zur Gattung Capsicum gehört. Er ist ein Nachtschattengewächs und daher mit der Tomate verwandt. Geschmacklich haben die Früchte dieser beiden Pflanzen aber keine Ähnlichkeit. Bei jemandem, der an den brennend scharfen Geschmack von Chili nicht gewöhnt ist, löst schon der erste Löffel einer kräftig damit gewürzten Speise starke Reaktionen aus: Die Zunge brennt wie Feuer, Tränen schießen in die Augen, und die Nase beginnt zu laufen. Deshalb kann man es kaum glauben, daß Chili auch mit der milden Kartoffel verwandt ist. Doch so sagen es die Botaniker.
Aber nicht alle unsere Gewürze lösen solche Reaktionen aus. Der liebliche Zimt zum Beispiel ist im Gegensatz zu Chili sehr mild. Er ist in den sonnigen, durch die Monsunregen gut bewässerten Hügeln Sri Lankas und in dem benachbarten Südindien beheimatet. Zimt ist eigentlich die innere Rinde des immergrünen Zimtlorbeerbaums. Man schneidet die Rinde heraus und läßt sie an der Sonne trocknen. Sie rollt sich dann zu den bekannten hellbraunen Stangen zusammen.
Der Handel mit Zimt ist schon rund 3 600 Jahre alt. In biblischen Zeiten gehörte dieses Gewürz zu den ‘kostbaren Duftstoffen’ und bildete eine der Zutaten des Salböls, das nur in der Anbetung Jehovas verwendet werden durfte (2. Mose 30:23-33, Die Bibel in heutigem Deutsch). Gegen Ende des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung war Zimt offenbar immer noch ein wichtiger Handelsartikel, denn in der Bibel wird er als eine der Waren der „reisenden Kaufleute“ erwähnt (Offenbarung 18:11-13). Früher war die Herkunft des Zimts ein so sorgsam gehütetes Geheimnis, daß der Echte Zimt wertvoller war als Gold. Schon eine kleine Menge davon war ein königliches Geschenk.
Heute braucht man glücklicherweise nicht so reich zu sein wie ein König, um solche Gewürze verwenden zu können. Sehr wahrscheinlich bekommst du sie dort, wo du wohnst, auch, und in diesem Fall möchten wir dich ermuntern, sie auszuprobieren. Mit den scharfen Gewürzen solltest du allerdings sparsam umgehen, bis du dich daran gewöhnt hast. Durch den weisen Einsatz von Gewürzen werden die Speisen erst richtig schmackhaft.
Es ist nicht verwunderlich, daß sich die Menschen schon vor Jahrhunderten bemühten, den Weg nach Indien zu finden — „wo die Gewürze wachsen“. Denn durch sie erhält sowohl deine Nahrung als auch dein Leben Würze.
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Schwarzer Pfeffer
Kardamom
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Chilies
Zimt