Metamorphose — Kann man immer glauben, was man sieht?
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN DER ZENTRALAFRIKANISCHEN REPUBLIK
DER Medizinmann war tot. Doch in der Menge, die sich vor seinem Haus versammelt hatte, gab es viele Stimmen, die meinten, er sei lediglich verwandelt worden. Denn in dem Augenblick, als er starb, konnte man sehen, wie eine riesige Python durch die Tür seines Hauses ins Freie glitt. Für einige war das reiner Zufall. Für andere hingegen war es ein überzeugender Beweis dafür, daß sich der Medizinmann in eine Python verwandelt hatte — das Zeugnis einer Metamorphose.
In vielen Teilen Afrikas ist die Vorstellung, ein Mensch könne sich in ein Tier verwandeln oder verwandelt werden, tief verwurzelt. Zauberern schreibt man oft die Macht zu, die Gestalt eines Leoparden oder einer Python annehmen zu können. Außerdem geht die Angst davor um, ein Zauberer könne andere in ein Tier verwandeln. In Westafrika glaubt man, Hexen könnten die Geister von Menschen in Gestalt von Vögeln oder anderen Tieren aussenden, um Schaden anzurichten. In Zentralafrika gibt es Menschen, die niemals einen Elefanten oder eine Schlange töten würden, weil sie Angst haben, ein verstorbener Verwandter könne sich in ein solches Tier verwandelt haben.
So manch einem Leser werden derartige Vorstellungen befremdend erscheinen, doch viele Afrikaner sind der Ansicht, daß solche Metamorphosen von Augenzeugen bestätigt werden. Bei den zahlreichen von vernünftigen Menschen erzählten Geschichten, so argumentieren sie, könne es sich kaum um Zufälle handeln.
Tatsache ist auch, daß man auf der ganzen Welt ähnlichen Vorstellungen begegnet. So existiert in Japan der Glaube, es gebe Menschen, die von Füchsen, Hunden oder Dachsen besessen sind. Auch das europäische Volkstum kennt Erzählungen von Menschen, die sich nachts in mordgierige Werwölfe verwandeln. In anderen Teilen der Welt gibt es Geschichten von Tigern, Ebern, Krokodilen und sogar Katzen, die zwischen menschlicher und tierischer Gestalt beliebig wechseln können.
Eine biblische Stütze?
Manche gehen so weit, zu behaupten, die Bibel würde den Glauben an übernatürliche Metamorphosen stützen. Vier Bibelberichte werden oft als Beweis herangezogen. Der erste handelt davon, daß Jesus aus zwei Männern Dämonen austrieb, die dann in eine Herde Schweine fuhren (Matthäus 8:28-33). Der zweite, aufgezeichnet in 4. Mose 22:26-35, erzählt von einer Eselin, die mit ihrem Besitzer Bileam sprach. Im dritten und wahrscheinlich bekanntesten dieser Berichte geht es um eine Schlange, die im Garten Eden zu Eva sprach (1. Mose 3:1-5).
Bei näherer Betrachtung zeigt sich indessen, daß diese Berichte eindeutig keine Beispiele für Metamorphose sind. Betrachten wir zunächst den Fall der von Dämonen besessenen Schweine. Die Bibel sagt nicht, bei diesen Schweinen habe es sich um Menschen gehandelt, die in Tiere verwandelt worden seien. In dem Bericht heißt es vielmehr, daß die „große Herde Schweine auf der Weide“ war, bevor Dämonen von ihnen Besitz ergriffen (Matthäus 8:30). Satans Dämonen, nicht die Geister von Menschen, fuhren in die Schweine.
Wie verhielt es sich mit Bileams Eselin und der Schlange in Eden? Wie die Bibel ausdrücklich sagt, „öffnete Jehova den Mund der Eselin“, so daß sie sprechen konnte (4. Mose 22:28). Sie war kein verwandelter Mensch. Und was die Schlange in Eden angeht, macht die Bibel das böse Geistwesen Satan, den Teufel, als „die Urschlange“ kenntlich (Offenbarung 12:9). Hinter der Schlange, die „Eva durch ihre List verführte“, steckte Satan, der durch sie sprach (2. Korinther 11:3). Sowohl Bileams Eselin als auch die Schlange waren, bevor und während sie sprachen, einfach Tiere, und das blieben sie auch danach.
Ein vierter Bericht, der oft angeführt wird, betrifft Nebukadnezar, den hochmütigen König von Babylon. Die Bibel sagt, daß Gott Nebukadnezar demütigte. „Sein Herz, es wurde dem eines Tieres gleichgemacht, und bei den Wildeseln war seine Wohnung. Pflanzen gab man ihm jeweils zu essen so wie Stieren, und mit dem Tau der Himmel wurde sein eigener Leib benetzt, bis er erkannte, daß Gott, der Höchste, Herrscher ist im Königreich der Menschheit“ (Daniel 5:21). Während der sieben Jahre seines Wahnsinns sah Nebukadnezar wie ein Tier aus und verhielt sich auch so. In Daniel 4:33 ist zu lesen, daß „sein Haar so lang wuchs wie Adlerfedern und seine Nägel wie Vogelkrallen“. Doch dem König wuchsen nie richtige Federn oder Krallen. Er blieb ein Mensch.
Die Vorstellung von einer übernatürlichen Metamorphose steht in direktem Widerspruch zu biblischen Lehren. So zeigt die Bibel, daß der Mensch keine vom Körper getrennte Seele hat, die in ein Tier übergehen könnte. Statt dessen ist der Mensch „eine lebende Seele“ (1. Mose 2:7). Die Metamorphose ließe sich auch nicht mit der natürlichen Ordnung vereinbaren, die Jehova Gott festgelegt hat. Die Tiere wurden so erschaffen, daß sie sich „nach ihrer Art“ fortpflanzen (1. Mose 1:24, 25). Auf Grund der von Gott gesetzten genetischen Grenzen ist es nicht möglich, daß sich Tiere unterschiedlicher größerer Gruppierungen oder Arten miteinander paaren und fortpflanzen. Eine noch größere Kluft besteht zwischen Tieren und dem Menschen, der ‘im Bilde Gottes’ erschaffen wurde (1. Mose 1:26). Gott würde seine eigenen Gesetze bestimmt nicht zum Gespött machen und Menschen die Macht verleihen, sich in vernunftlose Tiere zu verwandeln.
Die Metamorphose ist zwar in der Natur zu beobachten. Aus Raupen werden Schmetterlinge, aus Kaulquappen Frösche. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, daß bei diesen Beispielen für Metamorphose kein „Artenwechsel“ im Spiel ist, sondern daß es sich einfach um Entwicklungsstadien innerhalb derselben „Art“ handelt. Ist das ausgereifte Stadium erreicht, vollzieht sich die Fortpflanzung „nach ihrer Art“.
Nicht alles glauben, was man sieht
Wie läßt es sich dann erklären, daß Augenzeugen übernatürliche Metamorphosen beobachtet haben wollen? Das ist offensichtlich nur eines von vielen Beispielen für die „Wirksamkeit des Satans mit jeder Machttat und mit lügenhaften Zeichen und Wundern und mit jedem Trug der Ungerechtigkeit für die, die ... zugrunde gehen“ (2. Thessalonicher 2:9, 10).
Wie alle Tyrannen wollen die Dämonen Menschen glauben machen, sie hätten mehr Macht, als sie tatsächlich besitzen. Sie vollbringen überzeugende „Zeichen“, die nichts weiter sind als Gaunereien von Dieben und Betrügern.
Das erinnert an Trickbetrüger, die auf vielen afrikanischen Märkten ihr Unwesen treiben. Schamlos verleiten sie Hausfrauen, ihr sauer verdientes Geld bei Kartenbetrügereien zu verspielen. Sie zeigen einer Frau drei Spielkarten — zwei rote und eine schwarze — und sagen ihr, sie könne das Doppelte ihres Einsatzes gewinnen, wenn sie die schwarze Karte aufdecke. Zunächst zögert sie zu spielen, bis sie jemand anders bei diesem simplen Spiel scheinbar gewinnen sieht. Sie ahnt nicht, daß der vermeintliche Gewinner mit dem Betrüger unter einer Decke steckt. Sie zahlt ihren Einsatz und behält, während die Karten umgedreht und umhergeschoben werden, die schwarze Karte im Auge. Doch zu ihrer Schande und ihrem Entsetzen greift sie eine rote Karte heraus. Sie ist ihrer eigenen Habgier und den Tricks eines gerissenen Betrügers zum Opfer gefallen und hat das Geld verspielt, mit dem sie Nahrungsmittel für die Familie kaufen wollte. Zu spät wird ihr klar, daß man nicht alles glauben kann, was man sieht.
Ähnlich ist es bei Satan und seinen Dämonen, die Menschen zu dem Glauben verleiten wollen, daß sich Personen in Tiere verwandeln können. Satan ist ein Meister der Täuschung. Schließlich war er es auch, der die erste Lüge äußerte, als er zu Eva sagte: „Ihr werdet ganz bestimmt nicht sterben. ... ihr werdet ganz bestimmt sein wie Gott“ (1. Mose 3:4, 5). Aus dieser Lüge sind verschiedene Lehren hervorgegangen, die die Menschen in Angst versetzen, so die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, dem Höllenfeuer und der Metamorphose. In Afrika zahlen Leute oft horrende Preise, um sich zum Schutz gegen die Verwandlung in ein Tier „impfen“ zu lassen. Sie sind tatsächlich „Lehren von Dämonen“ versklavt, was sie daran hindert, Gottes Willen zu tun (1. Timotheus 4:1; Jakobus 4:7).
Eine echte Verwandlung
Wer schon immer an die Metamorphose geglaubt oder sich womöglich sogar davor gefürchtet hat, sollte einmal die biblische Aussage in Römer 12:2 beachten. Dort wird im Urtext eine Form des griechischen Wortes metamorphóō gebraucht. In dem Text heißt es: „Werdet durch die Neugestaltung eures Sinnes umgewandelt [metamorphoústhe].“ Das bezieht sich auf eine Metamorphose, die geschehen kann — einen kompletten Persönlichkeitswandel.
Wer Gott gefallen möchte, muß eine solche Veränderung vornehmen, denn die Bibel fordert uns auf: „Streift die alte Persönlichkeit mit ihren Handlungen ab, und kleidet euch mit der neuen Persönlichkeit, die durch genaue Erkenntnis erneuert wird nach dem Bilde dessen, der sie geschaffen hat“ (Kolosser 3:9, 10).
Wie kann man umgewandelt werden? Dadurch, daß man genaue Erkenntnis aus der Bibel in sich aufnimmt. Diese Erkenntnis kann dazu führen, daß man eingewurzelte Vorstellungen und Ansichten aufgibt. Es ist so, wie Jesus sagte: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Johannes 8:32). Ja, man kann von den falschen und beängstigenden Vorstellungen der Metamorphose frei werden.
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Was man „sieht“, entspricht nicht immer der Realität
[Bildnachweis auf Seite 13]
Witch doctor: Courtesy Africana Museum, Johannesburg