Religiöse Versammlung in öffentlichem Park ist keine Vereinigung von Kirche und Staat
DAS OBERSTE Gericht in Wisconsin hat am 5. Dezember 1950 durch eine einstimmige Entscheidung den mächtigen Schutzwall amerikanischer bürgerlicher Freiheiten gestärkt, indem es eine seiner gähnenden Breschen verschloss. Das Gericht entschied, dass die Grafschaft von Milwaukee Versammlungen der Zeugen Jehovas in den öffentlichen Parks nicht aus dem Grunde hätte verbieten dürfen, weil es religiöse Veranstaltungen waren.
Die Grafschaft Milwaukee hatte ein Gesetz angenommen, das allen Religionsorganisationen gänzlich verbot, auf den öffentlichen Strassen und in den Parkanlagen der Grafschaft Versammlungen oder Ansprachen abzuhalten, unter der Begründung, dass sowohl die Verfassung des Staates wie des Bundes die Vereinigung von Kirche und Staat verbiete. Zur Unterstützung dieses Grafschaftsgesetzes wurde behauptet, dass die Benutzung von Parkanlagen durch Religionsorganisationen, weil diese Parks mit öffentlichen Geldern unterhalten werden, eine ungesetzliche Verwendung öffentlicher Gelder zu Religionszwecken sei.
Trotz diesem Gesetzesverbot liessen sich Jehovas Zeugen in Milwaukee nicht zurückhalten und baten um die Erlaubnis, im Südstrand-Park Versammlungen abzuhalten. Die Erlaubnis wurde versagt, aber der öffentliche Bibelvortrag fand am 31. Juli 1949 dennoch statt. David Carter, der ordinierte Prediger, der die biblische Ansprache vor den Versammelten hielt, durfte seine Rede ohne Unterbrechung halten. Am Schlusse aber befahl ihm die Parkpolizei, sich am nächsten Tage im Bezirksanwaltsbüro zu melden, um sich wegen angeblicher Gesetzesübertretung zu verantworten. Dort wurde er unter die Anklage gestellt, das Gesetz verletzt zu haben, das solche Versammlungen verbiete, und es wurde ihm deshalb der Prozess gemacht. Die danach folgende Verurteilung und die Appellationen gelangten schliesslich bis vor das Oberste Gericht von Wisconsin.
Zur bestimmten Zeit, am 10. November 1950, hatte der Rechtsbeistand der Zeugen Jehovas das Vorrecht, dem höchsten Gerichtshof des Staates festaufgebaute Argumente vorzulegen, mit zusammenhängenden Schlussfolgerungen und rechtlicher Logik als Mörtel, womit das Gericht dieses Loch zumauern konnte, das der Feind in die Verteidigungslinie bürgerlicher Freiheiten gebrochen hatte. Der hohe Gerichtshof wurde darauf hingewiesen, dass, wenn auch die Verfassungen des Staates und Bundes die Einführung einer Staatsreligion verbieten, sie doch die Religionen nicht davon ausschliessen, vom Staate einen gewissen Nutzen zu empfangen. Wiewohl die Kirchen nicht durch öffentliche Gelder unterstützt werden dürfen, haben sie doch ein verfassungsmässiges Recht, Versammlungen abzuhalten. Einer religiösen Gruppe ferner das Recht zu versagen, die Parkanlagen zu benutzen, wäre eine Benachteiligung religiöser Versammlungen, und da keine derartige Benachteiligung aus dem 1. Amendment der Verfassung der Vereinigten Staaten herauszulesen ist, sollte in dieser vorgerückten Zeit auch keine solche dort hineingeschrieben werden. Es wurde ferner betont, dass Jehovas Zeugen den Park nicht ausschliesslich für sich in Anspruch genommen oder andere verhindert hatten, ihn ebenfalls zu benutzen; noch störte die Versammlung irgendeine andere Gruppe, die sich im Parke irgendeiner Erholungstätigkeit hingab. Demzufolge hatten Jehovas Zeugen als Religionsorganisation ebensoviel Recht auf Rede- und Versammlungsfreiheit im öffentlichen Park wie politische und kommerzielle Organisationen.
Der Rechtsbeistand der Zeugen Jehovas unterrichtete jenes hohe Gericht, dass die von dem antireligiösen Grafschaftsgesetz befürwortete Doktrin der Bedrohung aller Religionen durch den Kommunismus ähnlich sei. In kommunistischen Ländern ist die gesamte Religion eingeschränkt. Dort werden die machtvollsten wie die unbedeutendsten Religionsorganisationen von den Wohltaten des Staates völlig ausgeschlossen, wie zum Beispiel von der Steuerfreiheit, welche den Kirchen in diesem Lande [USA.] gewährt wird. Ferner versagen kommunistische Länder religiösen Gruppen in hohem Masse die staatliche Garantie für den Schutz ihres grundlegenden Rechts auf Versammlungs-, Anbetungs- und Redefreiheit. Gewiss dürfen die Gerichte dieses demokratischen Landes [USA.] nicht zulassen, dass sich derartige Gesetze einschleichen und die altehrwürdige Religionsfreiheit unterbinden!
Wenn die Argumente, womit das Gesetz der Grafschaft Milwaukee begründet wird, richtig sind, so wurde dem Gericht mitgeteilt, dann hätten verbrecherische Hasardspieler und Operateure von Spielautomaten das verfassungsmässige Recht, Zusammenkünfte in Parkanlagen abzuhalten, während es gesetzestreuen christlichen Evangeliumsdienern, die sich bemühen, die Sittlichkeit in der Gemeinde zu lieben, verboten wäre, dieselben Parke zu benutzen. Wenn die extreme Behauptung angenommen würde, wonach die Lehre von der Trennung von Kirche und Staat Jehovas Zeugen aus Parkanlagen ausschliesse, so würde dieselbe verdrehte Schlussfolgerung jedwede Befreiung von der Besteuerung, die jetzt den Kirchen gewährt wird, verfassungswidrig und ungültig machen. Eine solche Auslegung aber bedeutete für alle Religionen den Todestribut, denn die Last der Steuer wäre zu gross.
Wisconsins höchstes Gericht erkannte die tragischen Folgen für die Religionsfreiheit, wenn es den Grundsatz dieses Gesetzes der Grafschaft Milwaukee annähme. Deshalb akzeptierte es einstimmig die von Jehovas Zeugen vorgebrachten Folgerungen und fällte ein Urteil, das viel zum Schutz der Religionsfreiheiten aller Amerikaner beitragen wird. Es war auch eine überaus zeitgemässe Entscheidung, denn totalitäre Streitkräfte steigern ihren Druck auf die Bollwerke der Freiheit beständig.
Man betrachte kurz die soliden Wahrheiten und die glänzende Logik, die in dieser so wichtigen Entscheidung zum Ausdruck kommt. „Wenn die Verfassung von Wisconsin in Art. I, Abschn. 3, das Recht der freien Rede gewährleistet, nimmt sie dabei das Reden über die Religion nicht davon aus, noch schränkt sie es ein.“. Wenn sie dies täte, so würde sie in Konflikt geraten mit dem 1. und 14. Amendment der Verfassung der Vereinigten Staaten und wäre daher null und nichtig. „Die Rede über religiöse Themen ist ebenso frei . . . wie die Rede über andere Themen.“ Es wird zugegeben, dass die bürgerlichen Behörden das Recht und die Befugnis haben, „im Interesse der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und des gleichmässigen Teilhabens an öffentlichen Einrichtungen eine vernünftige Macht auszuüben, und zwar wann, wo und unter welchen Umständen auch immer öffentliche Vorträge auf öffentlichem Besitztum abgehalten werden mögen“. Indes zielt „die Verordnung der Grafschaft Milwaukee nicht darauf ab, Reden in öffentlichen Parkanlagen über politische wie über religiöse Themen zu regeln, sondern will sie verbieten“. Folglich: „Dem Volke jede Benutzung seines Besitztums zu öffentlicher Besprechung besonderer Themen zu untersagen, ist eine verfassungswidrige Einmischung in die Rechte, die sowohl durch die Verfassung des Staates wie auch durch die des Bundes ausdrücklich gewährleistet sind.“ Somit ist die Verordnung „ungültig, da sie beiden Verfassungen widerspricht, und die Verurteilung gemäss derselben ist ebenfalls ungültig und muss umgestossen werden“. Dies war die einstimmige und glückliche Schlussfolgerung des Obersten Gerichts von Wisconsin.
Es sind noch andere Fälle gegen Jehovas Zeugen in andern Teilen des Landes hängig, wo ähnliche Verordnungen als Verbot religiöser Parkversammlungen verfasst und angewendet worden sind. Es ist daher zu hoffen, dass durch die unverdiente Güte und leitende Macht Jehovas die Gerichte in jenen Staaten dem Obersten Gericht von Wisconsin weislich folgen und ähnliche Lücken in den demokratischen Schutzwällen zumauern werden.