Fragen von Lesern
● Von Zeit zu Zeit erhalten wir Briefe, in denen wir gefragt werden, ob gewisse Umstände es rechtfertigen könnten, daß ein Christ in bezug auf seine Pflicht, stets die Wahrheit zu sagen, eine Ausnahme machen würde. In Beantwortung dieser Frage sei folgendes gesagt:
Gottes Wort gebietet: „Redet (die) Wahrheit, ein jeder von euch mit seinem Nächsten.“ (Eph. 4:25, NW) Dieses Gebot verlangt von uns jedoch nicht, daß wir jedem, der etwas von uns wissen will, alles sagen. Denen, die ein Recht haben, die Wahrheit zu erfahren, müssen wir die Wahrheit sagen, doch jemandem, der hierzu nicht berechtigt ist, können wir eine ausweichende Antwort geben. Aber wir dürfen nie die Unwahrheit sagen.
Wenn somit eine Schwester gebeten wird, ihr Alter anzugeben, damit es auf ihrer Verkündiger-Dienstkarte eingetragen werden kann, dann sollte sie richtige Angaben machen, denn der Fragende ist berechtigt, es zu wissen. Angst zu haben, dies zu tun, wäre ein Zeichen von Eitelkeit und Unreife. Auch einem voraussichtlichen Ehegefährten dürfte diese besondere Auskunft nicht vorenthalten werden, wenn er es als wichtig genug betrachtet, darum zu bitten. Er hat ebenfalls das Recht, es zu wissen. Die Umstände bestimmen also, ob jemand die Frage nach seinem Alter ausweichend beantworten kann oder nicht.
Derselbe Grundsatz gilt bei einem Patienten, der an einer unheilbaren Krankheit leidet. Er hat das Recht zu erfahren, was eine ärztliche Untersuchung ergeben hat, wie lange er noch zu leben hoffen darf. Dies zu wissen ist für ihn so wichtig, daß es ihm nicht vorenthalten werden darf, denn gerade die Tatsache, daß er nur noch wenige Tage zu leben hat, machen diese umso kostbarer. Würden wir ihn täuschen, dann würden wir dadurch kein Vertrauen bei ihm erwecken und ihm kein Verständnis und keine Liebe entgegenbringen, ja wir würden selbst dauernd von Gewissensbissen gequält werden. Wenn der Patient Jehova hingegeben ist, versteht er bestimmt, daß seine Tage in Gottes Hand sind, und wird daher nicht von einer krankhaften Furcht vor dem Sterben befallen, sondern wird sich an der Hoffnung auf die Auferstehung stärken. Jene, die in solchen Fällen aus Rücksichtnahme die Wahrheit verschwiegen haben, mußten später feststellen, daß es eine falsche Rücksicht war.
Natürlich kommt es darauf an, wann und wie man dem Patienten eine solche Mitteilung macht. Man sollte einen günstigen Zeitpunkt abwarten und es dem Patienten in mitfühlender Art beibringen, ohne ihn dabei allzusehr zu bedauern. Es mag nicht unangebracht sein, zu bemerken, daß man trotz dieser Prognose immer noch Hoffnung haben kann, da die Ärzte auch heutzutage noch nicht alles wissen. Liebe, Weisheit und Selbstbeherrschung werden uns helfen, das Thema richtig anzupacken, und die Folge wird eine noch innigere Verbundenheit sein. Bei dieser Gelegenheit kann man auch die Auferstehungshoffnung erwähnen und die Segnungen, die die Glieder der Neuen-Welt-Gesellschaft bereits genießen und noch genießen werden.
Und wie sollte man sich seinem voraussichtlichen Ehegefährten gegenüber verhalten? Sollte man ihm auch dann die Wahrheit über seine Vergangenheit sagen, zum Beispiel über die Zeit, als man noch kein Zeuge Jehovas war, wenn man dadurch in ein ungünstiges Licht kommt? Wenn das Thema angeschnitten und man gefragt wird, dann gilt auch hier die Regel, daß die Wahrheit gesagt werden soll, da der andere ein Recht darauf hat, sie zu erfahren. Wenn man nicht danach gefragt wird, kann man nach seinem Ermessen und Gewissen handeln. Wenn es sich jedoch um etwas handelt, das zu wissen für den anderen wichtig sein mag, er aber nicht danach fragt, nur weil er so etwas vielleicht gar nicht für möglich halten würde, dann sollte man es ihm von sich aus sagen, in dem Vertrauen, daß seine Liebe und sein Verständnis die Sache zudecken werden. Wenn dies zu einer Enttäuschung führen sollte, dann ist es bestimmt besser, sie kommt vor der Hochzeit als nachher. In einem solchen Fall gilt es, den wohlbekannten Grundsatz Jesu anzuwenden: „Alles, was ihr wollt, daß euch Menschen tun, sollt auch ihr gleicherweise ihnen tun; dies ist in der Tat das, was das ‚Gesetz‘ und die Propheten bedeuten.“ — Matth. 7:12, NW.
Eine Ausnahme sollte der Christ jedoch stets im Sinn behalten. Als Soldat Christi nimmt er an einem theokratischen Kriegszug teil, und den Feinden Gottes gegenüber muß er größere Vorsicht walten lassen. Die Bibel zeigt deshalb, daß es zum Schutz der Interessen der Sache Gottes angebracht ist, die Wahrheit vor Feinden Gottes zu verdecken. Ein biblisches Beispiel dafür ist das, welches die Hure Rahab gab. Sie verbarg die israelitischen Kundschafter, weil sie an deren Gott, Jehova, glaubte. Sie bewies ihren Glauben sowohl durch ihr Handeln als auch durch ihre Worte. Daß Jehova ihr Vorgehen guthieß, ist daraus ersichtlich, daß Jakobus ihren Glauben lobenswert erwähnt. — Jos. 2:4, 5; Jak. 2:25.
Das käme unter die Bezeichnung „Kriegslist“, wie dies im Wachtturm vom 15. April 1956 erklärt wurde, und wäre in Übereinstimmung mit dem Rate Jesu, wonach wir, wenn unter Wölfen, so ‚vorsichtig sein sollten wie Schlangen‘. Wenn die Umstände einen Christen zwingen, als Zeuge vor Gericht zu erscheinen, und er schwören muß, daß er die Wahrheit sagt, dann muß er, wenn er überhaupt Aussagen macht, die Wahrheit sagen. Aber wenn er vor die Alternative gestellt wird, auszusagen und seine Brüder zu verraten oder nicht auszusagen und wegen Aussageverweigerung bestraft zu werden, dann wird er als reifer Christ das Wohl seiner Brüder seinem eigenen Wohle voranstellen, indem er sich an die Worte Jesu erinnert: „Niemand hat größere Liebe als diese, daß jemand sein [Leben] zugunsten seiner Freunde hingibt.“ — Matth. 10:16; Joh. 15:13, NW.
● In Daniel 10:13 wird auf „einen der ersten Fürsten“ Bezug genommen. Sollen wir daraus schließen, daß es im Himmel außer Michael noch andere erste Fürsten gibt? — M. P., USA.
Ja, es gibt noch einen anderen ersten Fürsten im Himmel, nämlich Jehova Gott selbst. Er wird in Daniel 8:25 als der „Fürst der Fürsten“ bezeichnet. Siehe das Buch „Dein Wille geschehe auf Erden“ (engl.), Seite 218, 219, 316.
Jehova ist also der einzige andere erste Fürst im Himmel; aber auch Satan, der Teufel, hat seine ersten Fürsten, und diese halten sich heute in der Nähe der Erde auf, denn sie wurden beim Abschluß des Krieges im Himmel, der in Offenbarung, Kapitel 12, beschrieben wird, mit Satan auf die Erde hinabgeworfen. Siehe das Buch „Neue Himmel und eine neue Erde“, Seite 29.