Ärgerst du dich über jede Kleinigkeit?
ALS vor einiger Zeit irgendwo in Frankreich ein Zeitungsredakteur, der einen Koffer trug, in großer Eile eine stark belebte Straße entlangging, mußte er dicht an einem eleganten Sportwagen vorbei. Plötzlich sprang ein Mann aus dem Wagen und schrie, er habe ihm mit seinem Koffer den Wagen zerkratzt. In flammendem Zorn versetzte er dem Redakteur einen Schlag, daß dieser bewußtlos zu Boden sank und nicht wieder zu sich kam. Ist ein Kratzer an einem Auto ein Menschenleben wert? Die Antwort liegt auf der Hand. Wer sich nicht beherrscht, kann in seinem Zorn wegen einer Kleinigkeit, wie einer Kratzspur am Auto, etwas tun, was einem anderen das Leben kosten mag.
Wir leben heute in einem Zeitalter der Hetze, in dem die Menschen Spannungen und seelischen Belastungen ausgesetzt sind, die sie empfindlich machen. Schon Kleinigkeiten regen sie dermaßen auf, daß sie gleich wütend werden und Dinge sagen oder tun, die sie hinterher bereuen oder derentwegen sie sich nachher Gewissensbisse machen. Eine gedankenlose Bemerkung, ein unabsichtlicher Stoß oder eine taktlose Äußerung ist eine Kleinigkeit, doch solche Kleinigkeiten können einen Menschen, der sich nicht beherrschen kann, maßlos zornig machen.
In einer Stadt muß man mit vielen Unannehmlichkeiten rechnen. Man wird im Gedränge auf dem Bürgersteig oder in einem Geschäft vielleicht angestoßen, muß vor einer Fernsprechzelle lange warten, weil jemand so lange telephoniert, jemand schneidet einem mitten im Verkehr die Fahrbahn ab, fährt einen von hinten an, hupt ungeduldig usw. Wer sich über solche Dinge ärgert, verliert leicht die Fassung und läuft Gefahr, im Zorn Dinge zu sagen oder zu tun, die den anderen verletzen können. Statt sich über das, was andere tun, zu ärgern, sollte man lernen, mit ihnen auszukommen. Im Zorn kann man schnell die Selbstbeherrschung verlieren und etwas tun, was man nachher vielleicht sein ganzes Leben bereut.
Lerne auf der Straße und zu Hause, im Freundeskreis und im Geschäftsleben über kleine Dinge, die dich ärgern könnten, hinwegzugehen, denn das ist weise. Möchtest du deine Freunde verlieren, dein Verhältnis zu deinen Mitarbeitern oder Geschäftsfreunden trüben oder deine Ehe ruinieren, nur weil du dich über unwichtige Dinge, die sie tun, ärgerst? Beherrsche dich, wenn deine Frau den Kotflügel des Familienautos etwas verbeult oder den Toast verbrannt hat, wenn sie in der Mitte, statt unten auf die Zahnpastatube drückt oder sonst etwas tut, was dich ärgert. Sage nicht gleich das erstbeste, was dir einfällt. Ein scharfes Wort kann leicht zu einer hitzigen Auseinandersetzung führen, die dein Eheglück zerstören könnte. Auch die Frau sollte sich beherrschen und sich nicht gleich über jede Kleinigkeit, die ihr Mann tut und die ihr nicht gefällt, ärgern. Es ist schon vorgekommen, daß Eheleute die Scheidung einreichten, weil sie sich wegen eines verbrannten Toastes gestritten hatten oder wegen des Fernsehprogramms nicht einigen konnten. Sind solche Dinge wichtiger als eine Ehe?
Oft hat ein Kind unter der Unbeherrschtheit eines Vaters oder einer Mutter zu leiden, die sich über jede kleine Ungezogenheit ihres Sprößlings ärgert. Als ein zweieinhalbjähriger Lausbub in New York seinen Stiefvater, der nachts arbeiten mußte, nicht schlafen ließ, geriet dieser dermaßen in Zorn, daß er den Jungen zu Tode prügelte. In einer anderen amerikanischen Stadt mußte ein zweiundzwanzig Monate alter Junge viermal ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil ihn seine unbeherrschte Mutter so schlimm verprügelt hatte. Man könnte noch viele andere Fälle von grausamen Mißhandlungen kleiner Kinder durch die Eltern anführen. Kindesmißhandlungen sind eine solch allgemeine Erscheinung unserer hektischen Zeit geworden, daß sich Ärzte deswegen ernstlich Sorgen machen.
Kleine Ärgernisse sind nicht so wichtig, daß man deswegen seine Kinder mißhandeln, sein Eheglück zerstören, Freundschaften aufs Spiel setzen oder gar das Leben anderer gefährden sollte. Sie sind keinen zweiten Gedanken wert. Beginnt man darüber nachzudenken, so werden sie immer größer, ärgern einen immer mehr, bis man schließlich „explodiert“ und Schaden anrichtet. Es gibt im Leben jedoch wichtigere Dinge, über die man nachdenken sollte.
In dem Spruch: „Besser ein Langmütiger als ein Held, und wer seinen Geist beherrscht, als wer eine Stadt erobert“, steckt viel Weisheit. (Spr. 16:32) Diese Erklärung des Wortes Gottes verrät ein wichtiges Geheimnis des Lebens. Um mit anderen auskommen zu können, muß man ihre gedankenlosen Handlungen und Gewohnheiten übersehen. Niemand ist vollkommen. Alle Menschen tun Dinge, über die man sich ärgern könnte, besonders dann, wenn man schlecht gelaunt ist. Man gewinnt jedoch nichts, wenn man sich ärgert. Man verliert nur. Wer sich aber zu beherrschen weiß und langmütig ist, hat einen großen Vorteil. Er hat etwas Wichtiges gelernt, was dazu beiträgt, daß er mit anderen auskommt, seine Freunde nicht verliert, sich bei seinem Arbeitgeber Respekt verschafft und sich die Liebe seiner Frau und seiner Kinder erwirbt. Verbunden mit anderen nützlichen Tugenden, kann Selbstbeherrschung einen Menschen zu einer wertvollen Stütze eines Unternehmens oder einer Gemeinschaft machen.
Von Christen wird erwartet, daß sie in kleinen und in großen Dingen langmütig sind. Wenn sie das Beispiel Jesu Christi nachahmen, ändern sie ihre Persönlichkeit und unterscheiden sich dadurch auffallend von den übrigen Menschen. Ihnen gelten die Worte der Bibel: „Möge alle boshafte Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und lästerndes Reden samt aller Schlechtigkeit von euch entfernt werden. Werdet aber gütig gegeneinander, voll zarten Erbarmens, indem ihr einander bereitwillig vergebt, so wie auch Gott euch durch Christus bereitwillig vergeben hat.“ (Eph. 4:31, 32) Wut, Zorn, Geschrei und lästerndes Reden gehören nicht zur Wesensart eines Christen. Für Menschen, die nicht nach christlichen Grundsätzen leben, sind diese Dinge jedoch gang und gäbe. Deshalb fällt es ihnen so schwer, mit ihren Mitmenschen auszukommen, und deshalb lassen sie sich auch oft zu Gewalttaten hinreißen.
Laß dich daher nicht, wie so viele, wegen jeder Kleinigkeit in Wut versetzen, sondern befolge den guten Rat der Bibel und sei gütig, „voll zarten Erbarmens“, indem du anderen bereitwillig vergibst. Ist es nicht besser, jemandem, der den Kotflügel deines Wagens unabsichtlich zerkratzt hat oder der dir die Fahrbahn abschneidet, zu vergeben, als ihn bewußtlos zu schlagen und ihm vielleicht das Leben zu nehmen? Ist es nicht besser, jemandem, der dich auf dem Bürgersteig gedankenlos anstößt oder dir im Weg steht, zu vergeben, als ihn mit einer Tirade von Schimpfwörtern zu überschütten? Ja, wer sich nicht über jede Kleinigkeit ärgert, handelt weise.