Fragen von Lesern
● Was meinte Jesus, als er sagte: „Es geht nicht an, daß ein Prophet außerhalb Jerusalems umgebracht wird.“? — J. B., USA.
Einige Zeit nach dem Passah des Jahres 32 u. Z. „begann Jesus Christus seine Jünger darauf hinzuweisen, daß er nach Jerusalem gehen und von den älteren Männern und Oberpriestern und Schriftgelehrten vieles leiden und getötet ... werden müsse“. (Matth. 16:21) Er wußte schon im voraus, daß man ihn zum Tode verurteilen und ihn in oder nahe bei Jerusalem töten wurde — nicht in Korinth, Rom, Samaria oder in irgendeiner anderen Stadt. Er war zum Hause Israel gesandt worden, und er sollte in der Hauptstadt der Juden sterben. — Matth. 15:24.
Einige Zeit später, noch im gleichen jüdischen Mondjahr, wies Jesus wiederum auf seinen nahen Tod in Jerusalem hin; er sagte: „Es geht nicht an, daß ein Prophet außerhalb Jerusalems umgebracht wird [anderswo als in Jerusalem, Br]. Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind — wie oft wollte ich deine Kinder ... versammeln ..., ihr aber habt es nicht gewollt! Siehe, euer Haus wird euch verödet überlassen.“ — Luk. 13:33-35.
Obwohl von Jerusalem gesagt werden konnte, es sei die Stadt, „die da tötet die Propheten“, kann Jesus, als er sagte, es gehe nicht an, daß ein Prophet außerhalb Jerusalems getötet werde, damit nicht gemeint haben, kein jüdischer Prophet sei jemals anderswo getötet worden. Gemäß Josephus ist Johannes der Täufer in Machaerus auf der peräischen Seite des Toten Meeres enthauptet worden. Jesus wollte damit offensichtlich sagen, es sei mit Recht anzunehmen, daß die Juden, wenn sie einen Propheten — besonders den Messias — töteten, ihn in Jerusalem töten würden.
Ein Grund dafür war: Jerusalem war der Sitz des Sanhedrins oder Hohen Gerichtshofes, der aus einundsiebzig Mitgliedern bestand. Gemäß Gottes Gesetz mußte ein falscher Prophet sterben. (5. Mose 18:20) Die jüdische Mischna erklärt: „Er wurde weder von dem Gericht seiner Heimatstadt noch von dem Gericht in Jabne verurteilt, sondern er wurde vor das hohe Gericht [Sanhedrin] in Jerusalem gebracht“ (Sanhedrin XI, 4). Da der Sanhedrin nur in Jerusalem tagte und da „falsche“ Propheten von diesem Gericht vernommen, verurteilt und hingerichtet wurden, konnte Jesus so sprechen, denn er wußte, daß die geistlichen Führer der Juden ihn nicht als einen wahren Propheten Gottes annahmen.
Jesaja hatte außerdem vorausgesagt, daß der Messias wie ein Lamm zur Schlachtung geführt werde. (Jes. 53:7) Johannes der Täufer nannte Jesus „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“. (Joh. 1:29) Wo wäre demnach der passende Ort, an dem Jesus gleich einem Lamm, gleich dem Passahlamm, geopfert werden sollte? (1. Kor. 5:7) Nicht in Jerusalem, wo man Gott regelmäßig Opfer darbrachte und wo man das Passahlamm schlachtete? Doch, und dies ist ein weiterer vernünftiger Grund, weshalb Jesus vorhersagte, er werde in Jerusalem sterben.
Alles erfüllte sich so, wie Jesus es gesagt hatte. Er wurde vor den Sanhedrin in Jerusalem gebracht und verurteilt. Und hier in Jerusalem, außerhalb der Stadtmauer, starb er.
● Unter den Juden ließ Jehova die Polygamie zu, den Christen aber ist sie verboten. Haben sich Gottes Sittenbegriffe geändert? — J. P., USA.
Nein, Gottes Sittenbegriffe haben sich nicht geändert. Sie waren stets vollkommen, und sie sind es heute noch. Moses, der die Eheformen, die Gott damals zuließ, kannte, fühlte sich veranlaßt, über Jehova zu sagen: „Gerecht und gerade ist er.“ (5. Mose 32:4) Gottes Gerechtigkeit zeigt sich heute ebenso wie in den Tagen Mose, obwohl er damals vorübergehend eine Eheform zuließ, die er heute nicht duldet.
Oft kommen Personen, die hören oder lesen, daß Gott unter den Israeliten und unter den hebräischen Patriarchen die Polygamie duldete, auf den Gedanken, er habe sexuelle Unmoral stillschweigend geduldet. Sie stellen sich vor, Jehova habe den wahllosen Geschlechtsverkehr gutgeheißen. Nichts könnte aber weiter von der Wahrheit entfernt sein als das! Eines der Zehn Gebote untersagte einem Mann sogar, Geschlechtsbeziehungen mit der Frau eines anderen Mannes zu haben. Blutschande, Sodomie und Homosexualität hatte Gott bei Todesstrafe verboten. — 2. Mose 20:14; 3. Mose 18:6-23.
Wir müssen im Sinn behalten, daß Gott die Polygamie nicht einführte. Der erste, von dem die Bibel berichtet, er habe zwei Frauen gehabt, war Lamech, der großsprecherische Nachkomme Kains. (1. Mose 4:19-24) Kein Polygamist überlebte die Sintflut, denn Noah und seine Söhne hatten jeder nur eine Frau. Den Patriarchen, mit denen Gott nach der Sintflut verkehrte, gab er keine ausführlichen Gesetze über menschliches Verhalten, auch nicht über die Ehe. Es kam vor, daß ein Mann eine zweite Frau nahm, um Kinder hervorzubringen, weil die erste Frau unfruchtbar war. Das tat zum Beispiel Abraham auf Veranlassung seiner Frau Sara. (1. Mose 16:1, 2) Interessant ist jedoch, daß, wie die Bibel zeigt, solche Vielehen oft nicht glücklich waren oder dadurch Schwierigkeiten entstanden, wie das bei Sara und Hagar, bei Hanna und Peninna und bei den Frauen Salomos der Fall war. — 1. Mose 21:9; 1. Sam. 1:1-6; 1. Kö. 11:1-6.
Als daher Jehova die Israeliten, die ursprünglich eine patriarchalische Gesellschaft bildeten, als sein Volk oder seine Nation annahm, war die Polygamie unter ihnen bereits bis zu einem gewissen Grade verbreitet, obwohl die Monogamie oder Einehe beim Volke Israel zu allen Zeiten üblicher gewesen zu sein scheint. Gott anerkannte die bereits bestehenden Vielehen, erließ aber strenge Gesetze zu ihrer Regelung. Im Gegensatz zu der Behauptung, Gott habe die Frau und die Ehe mißachtet, schützte er durch ein strenges Sittengesetz nicht nur die Rechte der eigentlichen Ehefrau, sondern auch die irgendwelcher Nebenfrauen und ihrer Kinder. (5. Mose 21:15-17) Jehova verbot also die Polygamie nicht, forderte aber mit Nachdruck, daß Eheleute sich gegenseitig lieben und achten sollten, und untersagte jede unmoralische Handlung. Sein Sittengesetz war gerecht und vollkommen.
Jesus erwähnte gemäß Matthäus 19:8, 9 in Verbindung mit der Ehe einen besonders interessanten Gedanken. Als er über die Ehescheidung sprach, die unter dem Gesetz, das Gott seinem Volk durch Moses gegeben hatte, gestattet war, sagte er: „Im Hinblick auf eure Herzenshärte hat Moses euch das Zugeständnis gemacht, eure Frauen durch Scheidung zu entlassen, aber von Anfang an ist dies nicht der Fall gewesen. Ich sage euch, daß jeder, der seine Frau durch Scheidung entläßt, ausgenommen aufgrund von Hurerei, und eine andere heiratet, Ehebruch begeht.“ Wie bei der Scheidung, so machte Gott offenbar auch im Hinblick auf die Zulassung der Polygamie ein Zugeständnis, unterwarf sie aber einer strengen Regelung durch das Gesetz.
Man könnte dies mit Gottes Zulassung der „obrigkeitlichen Gewalten“ oder weltlichen Regierungen vergleichen. Jehova führte diese Regierungen nicht ein. Sie bestehen aber, und die Zeit für ihre Beseitigung durch Gott ist noch nicht gekommen. Er sagt deshalb seinen Dienern, wie sie sich gegenüber dieser Ordnung, die er noch eine Zeitlang zuläßt, verhalten sollen. — Röm. 13:1-7.
Wie steht es nun mit der Polygamie? Ist sie Christen erlaubt, oder läßt Gott sie nicht mehr zu?
Bevor Jesus die obenerwähnten Worte sprach, hatte er auf 1. Mose 2:24 Bezug genommen, indem er sagte: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und sich fest zu seiner Frau halten, und die zwei werden e i n Fleisch sein.“ (Matth. 19:5) Gott gab Adam nur eine Frau. Nach diesem Muster sollten die ZWEI — nicht drei oder vier — e i n Fleisch sein. Jesus gebot seinen Nachfolgern ausdrücklich, zu der von Gott eingesetzten Eheform zurückzukehren, bei der ein Mann nur eine lebende Frau hat. Der Apostel Paulus zeigte, daß dies so zu verstehen ist, indem er den Korinthern (1. Kor. 7:2) unter Inspiration folgendes schrieb: „Jeder Mann [habe] seine eigene Frau, und jede Frau habe ihren eigenen Mann.“ Er ordnete auch an, daß ein ernannter Diener in der Versammlung „der Mann e i n e r Frau“ sein sollte, und legte dadurch den Maßstab für Christen dar. — Tit. 1:6; 1. Tim. 3:2, 12.
Folglich beendete Gott die Zeit, in der er im Hinblick auf die Eheordnung Zugeständnisse gemacht hatte. Er kehrte einfach wieder zu der Ordnung zurück, die er ursprünglich eingesetzt hatte. Gottes Sittenbegriffe haben sich also nicht geändert, sie sind vollkommen geblieben. Jehova verurteilt unmoralische Handlungen nach wie vor. Sie sind in seinen Augen etwas Schändliches, etwas, was streng bestraft zu werden verdient. — Gal. 5:19-21; 1. Kor. 5:9-13; 6:9, 10.
Wir haben also gesehen, daß Jehova nicht nur zu der Zeit, als er die Polygamie zuließ, Zügellosigkeit und Unzucht verurteilte und Beherrschung, Liebe und Achtung in der Ehe befürwortete, sondern daß er dies auch unter dem christlichen System tut, unter dem er die Monogamie fordert. Moses bezeichnete Jehova als „gerecht und gerade“. Auch Christus und Paulus bezeichneten ihn als gerecht. (Joh. 17:25; Röm. 3:26) Wir haben heute guten Grund, mit ihnen übereinzustimmen, denn wir wissen, daß Gott sich nicht verändert und daß seine Sittenbegriffe vollkommen sind.