Fragen von Lesern
● Die Bibel sagt, Jesus sei „drei Tage und drei Nächte“ im Grab gewesen. Bedeutet das, daß er volle zweiundsiebzig Stunden im Grab war? (Brasilien).
Anlaß zu dieser Frage sind die Worte Jesu: „Gleichwie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des mächtigen Fisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein“ (Matth. 12:40). Viele Bibelleser sagen, hier sei von vollen drei Tagen und Nächten bzw. von zweiundsiebzig Stunden die Rede. Doch zeigen die biblischen Beweise, daß Jesus weniger als zweiundsiebzig Stunden im Grab war.
Jesus starb am Passahtag, dem 14. Nisan, an dem Tag, der heute Freitag genannt wird. Und am frühen Morgen des Tages, der heute als Sonntag bezeichnet wird, war er bereits von den Toten auferweckt worden. Der Bericht des Markus lautet: „Ganz früh am ersten Tag der Woche kamen sie [Maria Magdalene, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome] zur Gedächtnisgruft, als die Sonne aufgegangen war. ... Als sie in die Gedächtnisgruft eintraten, sahen sie einen jungen Mann, mit einem weißen langen Gewand bekleidet, auf der rechten Seite sitzen, und sie waren bestürzt. Er sprach zu ihnen: ,Seid nicht so bestürzt. Ihr sucht Jesus, den Nazarener, der an den Pfahl gebracht wurde. Er ist auferweckt worden, er ist nicht hier‘“ (Mark. 16:2-6; Joh. 20:1).
Falls in Matthäus 12:40 von drei vollen Vierundzwanzigstundentagen die Rede wäre, wann wäre dann Jesus begraben worden? Wenn wir vom frühen Morgen des Sonntags zweiundsiebzig Stunden zurückrechnen, kommen wir zum frühen Morgen des Donnerstags. Da Jesus aber ungefähr um 15 Uhr starb, müßte er am Mittwochnachmittag ins Grab gelegt worden sein (Matth. 27:46, 50). Der Bericht der Bibel über den Tod und die Auferstehung Jesu Christi läßt jedoch in keiner Weise den Schluß zu, daß sich die Zeitspanne, in der diese Ereignisse eintraten, von Mittwoch bis Sonntag erstreckte. Untersuchen wir die Beweise dafür.
Die Frauen gingen ans Grab, um Jesu Leib mit Gewürzen einzusalben. Einige dieser Gewürze kauften sie unmittelbar nach dem Sabbat (Mark. 16:1; vergleiche Lukas 23:56). Wenn sich der 14. Nisan über den Mittwochnachmittag mit erstreckt hätte, wäre der Donnerstag, der 15. Nisan, der erste Tag des Festes der ungesäuerten Brote und somit auch ein Sabbat gewesen (3. Mose 23:5-7). Der folgende Sabbat wäre der wöchentliche Sabbat gewesen, der am Freitagabend begann und bis Samstagabend dauerte, da der jüdische Tag mit Sonnenuntergang begann.
Es scheint nicht vernünftig zu sein, anzunehmen, daß Maria Magdalene, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome unmittelbar nach dem 15. Nisan (nach dieser Überlegung also am Donnerstagabend) Gewürze kauften und dann bis zum frühen Morgen des 18. Nisan (Sonntag) warteten, um zum Grab Jesu zu gehen. Das wäre mehr als dreieinhalb Tage nach dem Tode Jesu gewesen. Den Leichnam dann noch mit Gewürzen einzusalben hätte wenig Wert gehabt. (Siehe Johannes 11:39.) Es wäre wirklich seltsam gewesen, wenn die Frauen den 16. Nisan (einen Tag, der kein Sabbat gewesen wäre) hätten verstreichen lassen, ohne irgend etwas zu unternehmen, und dann am Sonntagmorgen am 18. Nisan, so früh wie möglich an das Grab geeilt wären.a
Angesichts dieser Umstände, die dafür sprechen, daß weniger als drei volle Tage zwischen dem Begräbnis und der Auferstehung Jesu vergingen, entsteht die Frage: Wie konnte Jesus sagen, daß „der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein“ werde? (Matth. 12:40). Weil sich der Ausdruck „drei Tage und drei Nächte“ auf Teile dreier Tage beziehen kann, was deutlich aus 1. Samuel 30:12, 13 hervorgeht. In der Jewish Encyclopedia heißt es unter dem Stichwort „Tag“: „Im jüdischen Gemeindeleben rechnet man einen Tagesteil manchmal als e i n e n Tag; z. B. zählt man den Tag des Begräbnisses, selbst wenn letzteres am späten Nachmittag stattfindet, als ersten Tag von sieben Tagen der Trauer; eine kurze Zeit am Morgen des siebenten Tages wird als der siebente Tag gezählt; die Beschneidung findet am achten Tage statt, selbst wenn nach der Geburt des Kindes vom ersten Tag nur wenige Minuten verbleiben, die als e i n Tag gezählt werden.“ Demgemäß schlossen, wie der Bibelkommentator Lightfoot bemerkte, drei Tage und drei Nächte „einen Teil des ersten Tages ein, die ganze folgende Nacht, den nächsten Tag und die Nacht und einen Teil des darauffolgenden oder dritten Tages“. Traf dies im Falle Jesu zu?
Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand, wenn man herausfindet, in welchem Jahr Jesus starb. Weiß man das Jahr, so kann man in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die für den jüdischen Kalender gelten, selbst bis ins erste Jahrhundert u. Z. zurückrechnen und ermitteln, auf welchen Tag der Woche der 14. Nisan fiel. Glücklicherweise bietet die Bibel genügend Anhaltspunkte, das Jahr zu bestimmen.
Gemäß Lukas 3:1 begann Johannes der Täufer seinen Predigtdienst „im fünfzehnten Jahr der Regierung des Tiberius Cäsar“. Aus der Tatsache, daß Lukas ein griechisches Wort gebraucht, das buchstäblich „Regentschaft“ bedeutet, haben einige gefolgert, das „fünfzehnte Jahr“ müßte von der Zeit an gerechnet werden, als Tiberius Mitregent des Augustus wurde. Daher verlegen sie den Beginn des Dienstes Jesu in das Jahr 27 u. Z. Doch selbst der genaue Zeitpunkt, an dem diese Mitregentschaft begann, ist fraglich.b
Während der Beginn der Mitregentschaft unbestimmt ist, ist der Zeitpunkt, an dem Tiberius als Cäsar zu regieren begann, gut belegt. Es ist der 17. August 14 u. Z. (Gregorianischer Kalender). Das 15. Jahr erstreckte sich demnach vom 17. August 28 u. Z. bis zum 16. August 29 u. Z. Jesu Dienst würde daher im Jahre 29 u. Z. begonnen haben, ungefähr sechs Monate nachdem Johannes der Täufer seine Tätigkeit aufgenommen hatte. Jesus wurde erst bei seiner Taufe mit Gottes Geist gesalbt, wodurch er der verheißene Messias oder Christus wurde. Die biblische Prophezeiung sagte die genaue Zeit für dieses Ereignis ausdrücklich voraus (Dan. 9:25). Und wenn man diese Prophezeiung mit geschichtlichen Angaben in Verbindung bringt, weist sie ebenfalls auf das Jahr 29 u. Z. als das Jahr des Erscheinens des Messias hin. (Siehe das Buch Aid to Bible Understanding, S. 137, 328—331, 348.)
Der Messias würde, wie Daniel 9:27 zeigt, in der Mitte der „Woche“ oder dreieinhalb Jahre nach Beginn seines Dienstes „Schlachtopfer und Opfergabe aufhören lassen“. Dies tat er, indem er sein Leben als Opfer niederlegte, wodurch alle Tieropfer in den Augen Gottes wertlos wurden. Sein Dienst als Messias dauerte sonach dreieinhalb Jahre, vom Herbst des Jahres 29 u. Z. bis zum Frühlingsmonat Nisan des Jahres 33 u. Z. Wie man durch eine Rückrechnung feststellen kann, begann der Passahtag oder 14. Nisan des Jahres 33 u. Z. am Donnerstagabend und dauerte bis Freitagabend.
Das stimmt mit dem Bibelbericht über den Tod und die Auferstehung Jesu Christi völlig überein. Jesus starb am Freitagnachmittag und wurde noch vor Beginn des Sabbats begraben. Der wöchentliche Sabbat fiel daher mit dem ersten Tag des Festes der ungesäuerten Brote zusammen, der auch ein Sabbat war. Logischerweise nennt die Bibel deshalb den Tag nach dem Tode Jesu einen „großen“ Sabbat (Joh. 19:31, 42; Mark. 15:42, 43; Luk. 23:54). Sobald dieser Sabbat zu Ende war (nämlich am 15. Nisan bei Sonnenuntergang), kauften Maria Magdalene, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome weitere Gewürze, um den Leib Jesu einzusalben. Die früheste Möglichkeit, die Gewürze zu verwenden, bot sich ihnen bei Tagesanbruch am Sonntagmorgen, am 16. Nisan. Zu jener Zeit war Jesus bereits auferweckt worden, nachdem er während Teilen dreier Tage im Grab gewesen war.
Dieser schriftgemäße Standpunkt stimmt mit den zahlreichen Stellen in der Bibel überein, die besagen, Jesus sei „am dritten“ Tag, nicht am vierten Tag, auferweckt worden (Matth. 16:21; 17:23; 20:19; Luk. 9:22; 18:33; 24:7, 21, 46; Apg. 10:40; 1. Kor. 15:4). Siehe auch den Artikel „Erstlingsfrüchte der Auferstehung“, der im Wachtturm (englisch) vom 15. März 1944 veröffentlicht worden ist; besonders unter dem Thema „Erstlingsfrüchte gekennzeichnet“ (S. 86 bis Ende des Artikels).
[Fußnoten]
a Einige mögen einwenden, Matthäus 28:1 beweise, daß zwischen dem Tod und der Auferstehung Jesu zwei getrennte Sabbate lagen. Dieser Text lautet: „Nach dem Sabbat [wörtlich: den Sabbaten], als es am ersten Tag der Woche hell wurde ...“ Der Umstand, daß im Griechischen der Plural steht, beweist jedoch nicht, daß es sich um mehr als einen Sabbat handelte. Gemäß namhaften Werken wie dem Greek-English Lexicon von H. G. Liddell und Robert Scott bezieht sich die Pluralform häufig auf nur einen Tag. Der Plural [Sabbate] wird in der Bibel auch als Bezeichnung für eine Woche gebraucht (Mark. 16:2; Luk. 24:1; Joh. 20:1, 19; Apg. 20:7). Rotherham gibt deshalb Matthäus 28:1 wie folgt wieder: „Und spät in der Woche, als es dem ersten [Tag] der Woche entgegendämmerte ...“
b Die International Standard Bible Encyclopaedia läßt diese Ungewißheit erkennen, wenn sie erklärt: „Im Jahre 13 n. Chr. (oder gemäß Mommsen im Jahre 11 n. Chr.) wurde T[iberius] durch ein Sondergesetz die Mitregentschaft übertragen.“ Es wäre auch zu beachten, daß Tiberius so lange nicht als Cäsar regierte, bis seine Alleinherrschaft begann, obwohl er gemeinsam mit Augustus herrschte; logischerweise war daher das ‘fünfzehnte Jahr des Tiberius Cäsar’ das fünfzehnte Jahr seiner Regierung. Der niederländische Gelehrte J. J. van Oosterzee ist zwar dafür, daß das fünfzehnte Jahr von der Mitregentschaft an gezählt wird, gibt jedoch zu: „Tatsächlich wurden die Regierungsjahre des römischen Kaisers von der Zeit an datiert, als er allein herrschte.“