Fragen von Lesern
● Sollte eine Versammlung gegen einen getauften Christen, der eine Transplantation — z. B. die einer Hornhaut des Auges oder einer Niere eines anderen Menschen — vornehmen läßt, etwas unternehmen?
Ob man sich Gewebe oder Knochen eines anderen Menschen einpflanzen lassen darf, muß jeder Zeuge Jehovas in Übereinstimmung mit seinem Gewissen entscheiden. Einige Christen mögen der Auffassung sein, es sei Kannibalismus, wenn man Gewebe oder Körperteile eines anderen Menschen in den eigenen Körper aufnimmt. Sie mögen argumentieren, das transplantierte menschliche Gewebe solle ein Bestandteil des Körpers des Empfängers werden, um ihn am Leben und funktionstüchtig zu erhalten. Sie mögen keinen wesentlichen Unterschied zum Verzehr von Fleisch durch den Mund sehen. Diese Empfindungen mögen auf der Überlegung beruhen, daß Gott nicht auch Menschenfleisch erwähnte, als er für den Menschen die Vorkehrung traf, Tierfleisch zu essen, aus dem das lebenerhaltende Blut ausgeflossen war. Vielleicht berücksichtigen sie auch, was die Bibel über die Einstellung der Menschen in biblischen Zeiten zum Genuß von Menschenfleisch berichtet. (Siehe z. B. den Bericht in 2. Könige 6:24-30; 5. Mose 28:53-57; Klagelieder 2:20 und 4:10.) In Johannes 6:48-66 spricht Jesus sinnbildlich davon, daß man sein Fleisch essen und sein Blut trinken solle. Als seine Jünger das hörten, aber die geistige Bedeutung seiner Worte nicht verstanden, waren einige von ihnen schockiert und wandten sich von ihm ab. Diese Berichte vermitteln eine Vorstellung davon, wie die Menschen damals über das Essen von Menschenfleisch dachten.
Andererseits mögen Christen heute wirklich der Überzeugung sein, daß die biblischen Richtlinien eine medizinische Transplantation menschlicher Organe nicht eindeutig ausschließen. Sie mögen argumentieren, daß in einigen Fällen nicht erwartet wird, daß das menschliche Gewebe ein bleibender Bestandteil des Körpers des Empfängers wird. Man sagt, daß Körperzellen ungefähr alle 7 Jahre erneuert werden, und das würde auch auf irgendwelche Teile des menschlichen Körpers zutreffen, die eingepflanzt werden. Es könnte auch argumentiert werden, daß Organtransplantationen etwas anderes sind als Kannibalismus, da der „Spender“ nicht getötet worden ist, damit jemand anders sich ernähren kann. In einigen Fällen haben Personen, die dem Tod nahe waren, sogar testamentarisch verfügt, daß ihr Körper für entsprechende Zwecke benutzt werden darf. Würde eine Transplantation die Aufnahme von Blut aus dem Körper eines anderen erfordern, so widerspräche sie natürlich unzweifelhaft dem Gebot Gottes (Apg. 15:19, 20).
Selbstverständlich gibt es in der Frage der Organverpflanzung unterschiedliche persönliche Ansichten und vom Gewissen bestimmte Empfindungen. Bekanntlich werden die verschiedensten Bestandteile des menschlichen Körpers zur Aufnahme in den Körper anderer Menschen verwendet, angefangen von Hormonen und kleineren Teilen wie Hornhäuten bis zu größeren Organen wie Herz und Nieren. Die Bibel verbietet zwar ausdrücklich die Aufnahme von Blut, nicht aber die Aufnahme von menschlichem Gewebe. Daher muß jeder, der in dieser Frage eine Entscheidung zu treffen hat, sorgfältig und gebetsvoll die Faktoren abwägen und dann nach seinem Gewissen entscheiden, was er vor Gott tun oder nicht tun kann. Es ist eine Sache, die jeder einzelne persönlich entscheiden muß (Gal. 6:5). Das Rechtskomitee der Versammlung würde keine disziplinarischen Maßnahmen ergreifen, wenn sich jemand ein Organ einpflanzen läßt.