Fragen von Lesern
◼ Wie konnten angesichts der Tatsache, daß im Jahre 607 v. u. Z. nur das Zweistämmereich Juda nach Babylon in die Gefangenschaft geführt wurde, 70 Jahre später Angehörige aller 12 Stämme Israels aus Babylon zurückkehren?
Hauptsächlich zwei Gründe sprechen dafür. Erstens lebten offensichtlich Angehörige aus allen 12 Stämmen im Gebiet des Stammes Juda, als das Königreich Israel geteilt wurde und die abgetrennten 10 Stämme daraufhin ein eigenes Königreich bildeten. Und zweitens befanden sich unter denen, die vor dem Jahr 740 v. u. Z. in das Gebiet Judas flohen, um nicht Anteil an dem in Israel verübten Götzendienst zu haben, wahrscheinlich Angehörige aller 10 Stämme.
Die Teilung des vereinigten Königreiches Israel erfolgte, als sich Salomo das Mißfallen Jehovas zugezogen hatte, „weil sein Herz sich von Jehova ... weggeneigt hatte“. Gott erklärte ihm: „Ich [werde] dir bestimmt das Königreich entreißen, und ich werde es gewißlich deinem Knecht geben. ... Aus der Hand deines Sohnes werde ich es reißen. ... Einen Stamm werde ich deinem Sohne geben“ (1. Könige 11:9-13). Rehabeam, dem Sohn Salomos, der dem Stamm Juda angehörte, wurde der Stamm Benjamin gegeben. So entstand das südliche Zweistämmereich.
Rehabeam regierte zwar nur über zwei Stämme, aber unter seinen Untertanen gab es auch einige „Söhne Israels [d. h. Angehörige des Zehnstämmereiches] ..., die in den Städten Judas wohnten“ (1. Könige 12:17; siehe auch 2. Chronika 10:17). Außerdem stellten sich die Priester Jehovas und die Leviten, die im Gebiet des nördlichen Königreiches lebten, auf die Seite Rehabeams, als Jerobeam, der König des Nordreiches, die Kälberanbetung einführte und selbst Priester in ihr Amt einsetzte. Wir lesen: „Die Leviten verließen ihre Weidegründe und ihr Besitztum und kamen dann nach Juda und Jerusalem, weil Jerobeam und seine Söhne sie aus dem Priesteramt für Jehova entlassen hatten.“ Den Priestern und Leviten schlossen sich zu jener Zeit Menschen „aus allen Stämmen Israels“ an, die mit ihnen nach Jerusalem gingen (2. Chronika 11:13-17). Es wird ebenfalls berichtet, daß während der Herrschaft des Königs Asa Angehörige von den zehn Stämmen zu ihm überliefen (2. Chronika 15:9, 10).
Als die Assyrer im Jahre 740 v. u. Z. Samaria, die Hauptstadt des nördlichen Reiches, einnahmen, wandten sie auch hier ihre übliche Verfahrensweise an, nämlich die Bevölkerung besiegter Gebiete umzusiedeln, um die Möglichkeit eines Aufstandes zu verringern (1. Chronika 5:6, 26). Auf diese Weise hörte das Nordreich, das Königreich Israel, auf zu bestehen. Die Angehörigen der zehn Stämme, die zu jener Zeit im südlichen Königreich Juda lebten, wurden davon jedoch überhaupt nicht berührt. Als Juda im Jahre 607 v. u. Z. besiegt wurde, befanden sich daher unter den nach Babylon Weggeführten auch diese Angehörigen jener 10 Stämme. Einige ihrer Nachkommen werden zur Zeit der Wiederherstellung im Jahre 537 v. u. Z. zurückgekehrt sein. Wahrscheinlich kamen zu jener Zeit sogar einige Nachkommen derer zurück, die im Jahre 740 v. u. Z. von den Assyrern weggeführt worden waren.
Interessanterweise erwähnt Hesekiel in dem Buch, das seinen Namen trägt, wesentlich öfter das „Haus Israel“ als das „Haus Juda“, obwohl er während der Gefangenschaft in Babylon eigentlich als Prophet für Juda amtete. Außerdem deutete er in einer Prophezeiung an, daß die beiden ‘Häuser’ wieder vereint werden würden (Hesekiel 37:19-28; siehe auch Jeremia 3:18; Hosea 1:11). Daher wird nach der Babylonischen Gefangenschaft aus gutem Grund nicht mehr zwischen den beiden Königreichen unterschieden.
Auch die 10 Stämme, die im Jahre 740 v. u. Z. weggeführt wurden, hatten ihre Identität offensichtlich nicht verloren. Unter denen, die im Jahre 537 v. u. Z. aus der Gefangenschaft zurückkehrten, befanden sich daher sicherlich einige von ihnen. Und in Verbindung mit der Einweihung des wieder aufgebauten Tempels in Jerusalem erklärte der Priester Esra: „Die Söhne Israels, die Priester und die Leviten und die übrigen der einst ins Exil Weggeführten feierten die Einweihung dieses Hauses Gottes mit Freuden. Und sie brachten ... als ein Sündopfer für ganz Israel zwölf Ziegenböcke [dar], gemäß der Zahl der Stämme Israels“ (Esra 6:16, 17). Daß zu dem zurückkehrenden Überrest Vertreter aller Stämme Israels gehören würden und nicht nur Juda und Benjamin, deutete auch Jesaja an, als er schrieb: „Denn wenn auch dein Volk, o Israel, sich gleich den Sandkörnern des Meeres erwiese, wird nur ein Überrest unter ihnen zurückkehren“ (Jesaja 10:22). Somit befanden sich unter den Zurückkehrenden Vertreter aller Stämme Israels.