Wann wurde Jerusalem in alter Zeit zerstört? — Teil zwei
Was sagen die Keilschriftdokumente wirklich aus?
Dies ist der zweite Teil einer Abhandlung, die sich mit wissenschaftlichen Gesichtspunkten zur Datierung der ersten Zerstörung Jerusalems befasst. Es werden sorgfältig recherchierte und auf die Bibel gestützte Antworten auf Fragen gegeben, die einige unserer Leser beschäftigen. Der erste Teil erschien im Wachtturm vom 1. Oktober 2011.
Kernpunkte aus Teil eins:
▪ Historiker datieren die Zerstörung Jerusalems auf das Jahr 587 v. u. Z.a
▪ Die biblische Chronologie deutet auf das Jahr 607 v. u. Z. hin
▪ Historiker stützen ihre Aussagen auf die Schriften antiker Geschichtsschreiber und den Kanon des Ptolemäus
▪ Die Aufzeichnungen antiker Geschichtsschreiber enthalten zum Teil gravierende Fehler und decken sich nicht immer mit den Keilschriftfundenb
WIE die Bibel sagt, sollten die Juden im Exil in Babylon sein, „bis siebzig Jahre voll waren“; so hatte es „der Herr durch den Mund Jeremias verkündet“. Wann kamen sie frei? Im „ersten [Regierungs-]Jahr des Königs Kyrus von Persien“ (2. Chronika 36:21, 22, Einheitsübersetzung). Laut weltlicher und biblischer Chronologie endete dieses Exil, als Cyrus (Kyrus) die Juden nach der Eroberung Babylons freiließ; sie kehrten 537 v. u. Z. nach Jerusalem zurück. Da die Bibel bei dem Exil ausdrücklich von 70 Jahren spricht, muss es 607 v. u. Z. begonnen haben.
Die meisten Wissenschaftler geben für die Zerstörung Jerusalems allerdings das Jahr 587 v. u. Z. an. Demzufolge hätte das Exil nur 50 Jahre gedauert. Worauf stützt sich ihre Schlussfolgerung? Basis sind Keilschrifttexte mit Einzelheiten über Nebukadnezar II. und seine Nachfolger.1 Viele dieser Texte wurden von Schreibern verfasst, die während der Zerstörung Jerusalems oder zeitnah dazu lebten. Die Frage ist jedoch: Wie fundiert sind die Berechnungen, die für 587 v. u. Z. sprechen? Was sagen die Keilschriftdokumente wirklich aus?
Um das zu beantworten, wenden wir uns drei Arten von Dokumenten zu, die oft als Stütze herangezogen werden: 1. die babylonischen Chroniken, 2. Geschäftstafeln und 3. astronomische Tafeln.
● Die babylonischen Chroniken
Worum handelt es sich? Unter den babylonischen Chroniken versteht man eine Reihe von Tontafeln mit Aufzeichnungen über wichtige Ereignisse der babylonischen Geschichte.2
Was sagen Experten? Nach Ansicht von R. H. Sack, einer führenden Autorität auf dem Gebiet der Keilschriftforschung, liefern die Chroniken keinen vollständigen Bericht über wichtige Ereignisse.c Wie er schreibt, müssen „Sekundärquellen“ erforscht werden, um „sagen zu können, was sich ... wirklich zugetragen hat“.
Was sagen die Texte aus? Die babylonischen Chroniken decken die Geschichte nur unvollständig ab.3 (Siehe den Kasten unten.) Damit stellt sich die Frage: Wie verlässlich sind Schlussfolgerungen aus einem so lückenhaften Zeugnis?
● Geschäftstafeln
Worum handelt es sich? Die meisten dieser Tafeln aus neubabylonischer Zeit beinhalten Geschäftsabschlüsse. Auf den Tafeln sind Tag, Monat und Regierungsjahr des herrschenden Königs vermerkt. Zum Beispiel wird ein Kauf auf einer Tafel so datiert: „Nisan, 27. Tag, 11. Jahr Nebukadrezars [Nebukadnezar II.], König von Babylon“.4
Wenn ein König starb oder entthront wurde, galten die verbleibenden Monate des betreffenden Regierungsjahres als Akzessions- oder Antrittsjahr des neuen Regenten.d5 Mit anderen Worten: Das letzte Regierungsjahr eines Königs und das Akzessionsjahr seines Nachfolgers fielen in ein und dasselbe babylonische Kalenderjahr. Demnach müssten Tafeln aus dem Akzessionsjahr eines neuen Königs auf die Zeit nach dem letzten Regierungsmonat seines Vorgängers datiert sein.
Was sagen Experten? R. H. Sack studierte zahlreiche Geschäftstafeln aus neubabylonischer Zeit. Wie er 1972 schrieb, haben neue, unveröffentlichte Texte aus dem Britischen Museum, die ihm zur Verfügung gestellt wurden, frühere Erkenntnisse zum Machtwechsel zwischen Nebukadnezar II. und seinem Sohn Amel-Marduk (Ewil-Merodach) „völlig umgestoßen“.6 Inwiefern? Wie er aus Keilschriftaufzeichnungen wusste, war Nebukadnezar II. im sechsten Monat seines letzten (43.) Regierungsjahres noch an der Macht. Die neu entzifferten Tafeln aus dem Akzessionsjahr seines Nachfolgers Amel-Marduk datieren jedoch aus dem vierten und fünften Monat des vermeintlich selben Jahres.7 Das passt eindeutig nicht zusammen.
Was sagen die Texte aus? Bei der Thronfolge der Könige gibt es noch weitere Unstimmigkeiten. Wie ein Keilschrifttext zeigt, war Nebukadnezar II. noch im zehnten Monat seines letzten Regierungsjahres an der Macht — also sechs Monate nach dem angenommenen Beginn der Herrschaft seines Nachfolgers.8 Eine ähnliche Ungereimtheit besteht beim Übergang zwischen Amel-Marduk und seinem Nachfolger Neriglissar.9
Warum sind solche Unstimmigkeiten von Bedeutung? Wie bereits erwähnt, deutet die Lückenhaftigkeit der babylonischen Chroniken darauf hin, dass uns kein nahtloser chronologischer Bericht vorliegt.10 Haben zwischen diesen Königen vielleicht noch andere regiert? Wenn ja, müsste die neubabylonische Epoche um die entsprechende Anzahl von Jahren verlängert werden. Deshalb lässt sich festhalten: Weder durch die babylonischen Chroniken noch durch Geschäftstafeln ist zweifelsfrei belegbar, dass Jerusalem 587 v. u. Z. zerstört wurde.e
● Astronomische Tafeln
Worum handelt es sich? Es sind Keilschrifttafeln mit Aufzeichnungen zu Sonnen-, Mond-, Stern- und Planetenpositionen sowie historischen Angaben wie etwa dem Regierungsjahr eines bestimmten Königs. Der unten abgebildete astronomische Beobachtungstext beispielsweise berichtet von einer Mondfinsternis im ersten Monat des ersten Regierungsjahres von König Mukin-zeri.11
Was sagen Experten? Die Babylonier hatten umfangreiche Tabellen und Berechnungssysteme entwickelt, um Mondfinsternisse vorherzusagen, so die anerkannte Meinung.12
Konnten sie damit denn auch den Zeitpunkt bereits vergangener Eklipsen berechnen? Professor John Steele meint dazu: „Rein theoretisch konnten nach diesem Schema einige der frühesten Vorhersagen bei der Erstellung des Textes rückberechnet worden sein“ (Kursivschrift von uns).13 Nach Ansicht von Professor David Brown enthielten die astronomischen Tabellen Voraussagen, die kurz vor den dokumentierten Ereignissen gemacht wurden, doch er schließt „Rückberechnungen von Schreibern des 4. und späterer vorchristlicher Jahrhunderte“ nicht aus.14 Falls es sich tatsächlich um Rückberechnungen handelt, darf man sie dann wirklich ohne weitere Stütze als absolut zuverlässig betrachten?
Selbst wenn eine Eklipse an einem bestimmten Datum stattgefunden hat, ist damit auch die Richtigkeit der dazugehörigen historischen Aufzeichnungen garantiert? Nicht unbedingt. Der Wissenschaftler R. J. van der Spek erklärt: „Die Verfasser waren keine Historiker, sondern Astrologen.“ Er beschreibt Textabschnitte mit historischen Angaben als mehr oder weniger oberflächlich und mahnt, sie „mit Vorsicht zu gebrauchen“.15
Was sagen die Texte aus? Dazu ein Blick auf die Keilschrifttafel VAT 4956. In der ersten Zeile heißt es: „37. Jahr Nebukadnezars, des Königs von Babylon“.16 Danach folgen detaillierte Beschreibungen der Position des Mondes und bestimmter Planeten im Verhältnis zu verschiedenen Sternen und Sternbildern. Auch eine Mondfinsternis wird erwähnt. Gelehrte sind der Meinung, alle diese Positionen träfen auf 568/567 v. u. Z. zu. Demnach müsse das 18. Jahr Nebukadnezars II. — das Jahr, in dem er Jerusalem zerstörte — 587 v. u. Z. gewesen sein. Weisen diese astronomischen Aufzeichnungen jedoch unwiderlegbar nur auf 568/567 v. u. Z. hin?
Auf der Tafel wird eine Mondfinsternis erwähnt, die auf den 15. Tag des dritten babylonischen Monats (Simanu) berechnet worden war. In diesem Monat ereignete sich tatsächlich eine Mondfinsternis, und zwar an dem Tag, der dem 4. Juli (julianischer Kalender) des Jahres 568 v. u. Z. entspricht. Allerdings fand eine solche auch 20 Jahre vorher statt, am 15. Juli 588 v. u. Z.17
Wenn 588 v. u. Z. das 37. Jahr Nebukadnezars II. war, dann wäre sein 18. Regierungsjahr 607 v. u. Z. — genau das Jahr, in dem nach biblischer Chronologie Jerusalem zerstört wurde. (Siehe den Zeitstrahl unten.) Liefert VAT 4956 noch weitere Stützen für 607 v. u. Z.?
Außer der erwähnten Mondfinsternis enthält die Tafel 13 Mondbeobachtungen und 15 Planetenbeobachtungen. Sie beschreiben die Position des Mondes oder bestimmter Planeten im Verhältnis zu gewissen Sternen oder Konstellationen.18 Außerdem sind 8 Zeitintervalle zwischen Auf- und Untergang von Sonne beziehungsweise Mond vermerkt.18a
Da Mondpositionen zuverlässigere Aussagen zulassen, haben sich Forscher eingehend mit den 13 Mondpositionen auf VAT 4956 befasst. Die Daten wurden anhand eines Computerprogramms ausgewertet, mit dem sich die Stellung von Himmelskörpern zu bestimmten Zeitpunkten in der Vergangenheit anzeigen lässt.19 Was ergab diese Analyse? Während sich für das Jahr 568/567 v. u. Z. nicht alle Mondpositionen nachweisen ließen, passten alle 13 Positionen auf das Jahr 588/587 v. u. Z. — also 20 Jahre früher.
Eine der Mondbeobachtungen, die auf 588 v. u. Z. noch besser passen als auf 568 v. u. Z., ist in Zeile 3 der hier abgebildeten Tafel zu finden. Dort ist eine bestimmte Mondstellung für die Nacht des 9. Nisannu dokumentiert. Die Wissenschaftler, die diese Position ursprünglich auf 568 v. u. Z. (–567 nach astronomischer Zeitrechnung) datierten, räumten allerdings ein, der Mond sei in jenem Jahr „am 8. Nisan, und nicht am 9.“, in dieser Stellung gewesen. Um ihre Datierung zu stützen, behaupteten sie, der Schreiber habe irrtümlich „9“ statt „8“ geschrieben.20 Am 9. Nisannu 588 v. u. Z. liegt jedoch eine exakte Übereinstimmung für diese Mondstellung vor.21
Viele der astronomischen Angaben auf VAT 4956 über das 37. Jahr Nebukadnezars II. passen also auf 588 v. u. Z. Das wäre eine Stütze dafür, dass Jerusalem im Jahr 607 v. u. Z. zerstört wurde — wie die Bibel erkennen lässt.
Warum der Bibel vertrauen?
Gegenwärtig sind Historiker allgemein der Ansicht, Jerusalem sei 587 v. u. Z. zerstört worden. Wie die Bibelschreiber Jeremia und Daniel jedoch eindeutig erklären, waren die Juden nicht 50, sondern 70 Jahre im Exil (Jeremia 25:1, 2, 11; 29:10; Daniel 9:2). Damit wäre die Zerstörung Jerusalems 607 v. u. Z. anzusetzen. Wie die obigen Ausführungen zeigen, gibt es dafür auch außerbiblische Anhaltspunkte.
Die Genauigkeit der Bibel ist schon wiederholt infrage gestellt worden. Allerdings haben neuere Funde den Bibelbericht immer wieder bestätigt.f Es gibt gute Gründe, auf die Bibel zu vertrauen. Für ihre historische, wissenschaftliche und prophetische Zuverlässigkeit liegen Beweise vor. Deshalb sind viele zu dem Schluss gekommen, dass sie Gottes Wort ist (2. Timotheus 3:16). Wir laden jeden ein, das einmal für sich selbst zu untersuchen.
[Fußnoten]
a Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Daten anzugeben. Im vorliegenden Artikel steht v. u. Z. für „vor unserer Zeitrechnung“.
b Siehe den Artikel „Wann wurde Jerusalem in alter Zeit zerstört? Warum ist das von Bedeutung? Wie ist die Beweislage?“ im Wachtturm vom 1. Oktober 2011.
c Anmerkung: Keiner der hier zitierten Wissenschaftler ist der Ansicht, dass Jerusalem 607 v. u. Z. zerstört wurde.
d Das Akzessionsjahr eines Königs wurde nicht zu seinen Regierungsjahren gezählt; es bezog sich auf die verbleibenden Monate vor seiner offiziellen Machtübernahme zu Beginn des nächsten Kalenderjahres, das mit dem Nisan anfing.
e Geschäftstafeln gibt es zu allen Regierungsjahren, die traditionellerweise neubabylonischen Königen zugeordnet werden. Ermittelt man die Gesamtzahl dieser Regierungsjahre und rechnet dann von dem letzten neubabylonischen König (Nabonid) zurück, kommt man auf das Jahr 587 v. u. Z. als Zerstörungsjahr Jerusalems. Diese Datierungsmethode ist jedoch nur anwendbar, wenn die Regierungszeiten dieser Könige lückenlos aufeinanderfolgten.
f In Kapitel 4 und 5 des Buches Die Bibel — Gottes oder Menschenwort? (veröffentlicht von Jehovas Zeugen) sind konkrete Beispiele zu finden.
[Kasten/Übersicht auf Seite 23]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
DIE BABYLONISCHEN CHRONIKEN: GESCHICHTE MIT LÜCKEN
Die babylonischen Chroniken decken nur 35 Jahre der neubabylonischen Epoche ab, für die traditionellerweise etwa 88 Jahre angesetzt werden.
NICHT BELEGTES JAHR
BELEGTES JAHR
BM 21901
BM 21946
BM 35382
NEUBABYLONISCHE EPOCHE
PERSER
Nabupolassar
Nebukadnezar II.
Amel-Marduk
Nabonid
Neriglissar
Labaschi-Marduk
BM 25127
BM 22047
BM 25124
[Bildnachweis]
BM 21901 and BM 35382: Photograph taken by courtesy of the British Museum; BM 21946: Copyright British Museum; BM 22047, 25124, 25127: © The Trustees of the British Museum
[Kasten/Bild auf Seite 24]
ASTRONOMISCHER BEOBACHTUNGSTEXT BM 32238
Diese Tafel enthält Aufzeichnungen über Mondfinsternisse, die in einem Zeitraum von rund 400 Jahren stattfanden. Sie wurde allerdings erst nach der letzten erwähnten Mondfinsternis abgefasst. Da der Schreiber die Beobachtungen nicht alle selbst gemacht haben kann, dürfte er die früheren Mondfinsternisse berechnet haben. Ohne weitere Stütze eignen sich solche Berechnungen kaum als Basis für zuverlässige chronologische Angaben.
[Bildnachweis]
© The Trustees of the British Museum
[Kasten/Bilder auf Seite 26, 27]
WAS SAGT VAT 4956 WIRKLICH AUS?
Eine umstrittene Textstelle: Laut Zeile 3 auf der Vorderseite dieser Tafel stand der Mond am 9. des ersten Monats (Nisannu/Nisan) bei Beginn der Nacht „1 Elle ... vor dem Sterne am hinteren Fuße des Löwen [ß Virginis]“. Wie jedoch Neugebauer und Weidner (1915) zu dem Jahr 568 v. u. Z. ausführten (demnach wäre die Zerstörung Jerusalems 587 v. u. Z. anzusetzen), „stand der Mond am 8. Nisan, und nicht am 9., 1 Elle vor diesem Sterne“ (Kursivschrift von uns). Die angegebene Mondposition lässt sich allerdings für den 9. Nisan im Jahr 588 v. u. Z. exakt nachweisen. Das wäre eine Stütze für das Jahr 607 v. u. Z.
War es der 9. oder der 8.?
(1) Wie die kleine Abbildung links zeigt, ist das akkadische Zeichen für die Ziffer 9 klar zu erkennen
(2) Neugebauer und Weidner ersetzten in ihrer Umschrift dieser Textstelle „9“ durch „8“
(3) Lediglich eine Fußnote verweist auf die Zahl „9“ im Originaltext
(4) Auch in der deutschen Übersetzung blieben die Autoren bei „8“
(5) Sachs und Hunger veröffentlichten den Text 1988 mit einer „9“ wie im Original
(6) In ihrer englischen Übersetzung behielten sie die „9“ bei, merkten jedoch an, es müsse richtigerweise „8“ heißen
[Bildnachweis]
bpk/ Vorderasiatisches Museum, SMB/ Olaf M. Teßmer
[Kasten auf Seite 28]
Anmerkungen zu „Wann wurde Jerusalem in alter Zeit zerstört? — Teil zwei“
1. Die Keilschrift ist eine Schriftart, bei der mit einer keilförmigen Griffelspitze verschiedene Zeichen in noch weiche Tontafeln eingedrückt wurden.
2. A. K. Grayson: Assyrian and Babylonian Chronicles. 1975, Nachdruck 2000, Seite 8.
3. Die neubabylonische Epoche begann im 7. Jahrhundert v. u. Z., als die chaldäische Königsdynastie im Babylonischen Reich an die Macht kam. Der erste Herrscher war Nabupolassar, der Vater Nebukadnezars II. Die Epoche endete 539 v. u. Z. mit dem Sieg des persischen Königs Cyrus über König Nabonid.
4. Ellen Whitley Moore: Neo-Babylonian Business and Administrative Documents. 1935, Seite 33.
5. John M. Steele: „Observations and Predictions of Eclipse Times by Early Astronomers“. Archimedes, New Studies in the History and Philosophy of Science and Technology, Band 4, 2000, Seite 36.
6. Ronald H. Sack: Amel-Marduk 562-560 B.C.—A Study Based on Cuneiform, Old Testament, Greek, Latin and Rabbinical Sources. With Plates. 1972, Seite 3.
7. Die Tafeln BM 80920 und BM 58872 sind auf den vierten und fünften Monat des Akzessionsjahres von Amel-Marduk datiert. Sie wurden von R. H. Sack veröffentlicht in Amel-Marduk 562-560 B.C.—A Study Based on Cuneiform, Old Testament, Greek, Latin and Rabbinical Sources. With Plates, Seite 3, 90, 106.
8. Die entsprechende Tafel im Britischen Museum (BM 55806) ist auf den zehnten Monat des 43. Jahres datiert.
9. Die Tafeln BM 75106 und BM 61325 sind vom siebten und zehnten Monat des offensichtlich letzten (zweiten) Jahres des amtierenden Königs Amel-Marduk datiert. Die Tafel BM 75489 ist allerdings vom zweiten Monat des Akzessionsjahres seines vermeintlichen Nachfolgers Neriglissar datiert (Erle Leichty, J. J. Finkelstein, C. B. F. Walker: Catalogue of the Babylonian Tablets in the British Museum. Band VIII, Tafeln aus Sippar 3, 1988, Seite 25, 35).
Erle Leichty, A. K. Grayson: Catalogue of the Babylonian Tablets in the British Museum. Band VII, Tafeln aus Sippar 2, 1987, Seite 36.
Ronald H. Sack: Neriglissar—King of Babylon. 1994, Seite 232. Auf der Tafel ist der Monat Ajaru (zweiter Monat) angegeben.
10. Ein Beispiel dafür ist Neriglissar. In einer Königsinschrift wird er als „der Sohn des Belšumiškun, des Königs von Babylon“, bezeichnet (Kursivschrift von uns). In einer anderen Inschrift wird Belschumischkun „der weise Fürst“ genannt. Das mit „Fürst“ wiedergegebene Wort rubû ist ein Titel und kann auch „König, Herrscher“ bedeuten. Könnte dieser „König von Babylon“ zwischen Amel-Marduk und Neriglissar regiert haben, wo doch zwischen den Regierungszeiten der beiden offenbar Ungereimtheiten bestehen? Wie Professor R. P. Dougherty einräumte, sind die „Beweise für Neriglissars hohe Abstammung nicht von der Hand zu weisen“ (Raymond P. Dougherty: Nabonidus and Belshazzar—A Study of the Closing Events of the Neo-Babylonian Empire. 1929, Seite 61).
11. Hermann Hunger (Hrsg.): Astronomical Diaries and Related Texts From Babylonia. Band V, 2001, Seite 2, 3.
12. A. Sachs: „A Classification of the Babylonian Astronomical Tablets of the Seleucid Period“. Journal of Cuneiform Studies, Band 2, Nr. 4, 1948, Seite 282, 283.
13. Astronomical Diaries and Related Texts From Babylonia. Band V, Seite 391.
14. David Brown: Mesopotamian Planetary Astronomy-Astrology. 2000, Seite 164, 201, 202.
15. R. J. van der Spek: „The Astronomical Diaries as a Source for Achaemenid and Seleucid History“. Bibliotheca Orientalis, L N° 1/2, Januari-Maart, 1993, Seite 94, 102.
16. Paul V. Neugebauer, Ernst F. Weidner: „Ein astronomischer Beobachtungstext aus dem 37. Jahre Nebukadnezars II.“ Berichte über die Verhandlungen der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Band 67, Heft 2, 1915, Seite 34.
17. Peter J. Huber, Salvo De Meis: Babylonian Eclipse Observations From 750 BC to 1 BC. 2004, Seite 186. Gemäß VAT 4956 fand diese Mondfinsternis am 15. Tag des dritten Monats (Simanu) des babylonischen Kalenders statt; Monatsbeginn muss dann 15 Tage vorher gewesen sein. Falls die Mondfinsternis auf den 15. Juli 588 v. u. Z. (julianischer Kalender) fiel, wäre der erste Tag des Simanu der 30. Juni/1. Juli 588 v. u. Z. gewesen. Der erste Monat (Nisannu) und somit das neue Jahr hätte demnach zwei Monate davor, am 2./3. Mai, begonnen. Normalerweise hätte das Jahr, in dem diese Mondfinsternis stattfand, am 3./4. April begonnen, doch laut VAT 4956, Zeile 6 wurde nach dem zwölften (letzten) Monat (Addaru) des Vorjahres ein zusätzlicher Monat (Schaltmonat) eingefügt. (Im Text heißt es: „8. Schaltadar“.) Das neue Jahr begann also tatsächlich erst am 2./3. Mai. Damit passt das Datum dieser Mondfinsternis im Jahr 588 v. u. Z. gut zu den Angaben auf der Tafel.
18. Gemäß der Abhandlung „Ein astronomischer Beobachtungstext aus dem 37. Jahre Nebukadnezars II.“ von Paul V. Neugebauer und Ernst F. Weidner (Berichte über die Verhandlungen der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Band 67, Heft 2, 1915, Seite 67—76) enthält der Text 13 Mondbeobachtungen, bei denen die Stellung des Mondes im Verhältnis zu einem bestimmten Stern oder einer Konstellation beschrieben wird. Auch finden sich 15 Planetenbeobachtungen (Seite 72—76). Das Schriftzeichen für „Mond“ ist klar und unzweideutig. Die Zeichen für die Namen und Positionen mancher Planeten dagegen sind unklar, was zu Spekulationen und unterschiedlichen Deutungen Anlass gibt (David Brown: Mesopotamian Planetary Astronomy—Astrology. 2000, Seite 53—57). Da die Mondbahn leicht zu verfolgen ist, lassen sich die anderen Himmelskörper, die auf VAT 4956 in Verbindung mit dem Mond genannt werden, mit ihren jeweiligen Positionen relativ genau bestimmen.
18a. Diese Intervalle („lunar threes“) geben an, wie viel Zeit zum Beispiel von Sonnenuntergang bis Monduntergang am ersten Tag des Monats sowie an zwei späteren Punkten im selben Monat verstrichen ist. Wissenschaftler haben diese Angaben Kalenderdaten zugeordnet (F. R. Stephenson, David M. Willis: „The Earliest Datable Observation of the Aurora Borealis“. John M. Steele, Annette Imhausen [Hrsg.]: Under One Sky—Astronomy and Mathematics in the Ancient Near East. 2002, Seite 420—428). Beobachter in alter Zeit verwendeten für solche Messungen eine Art Uhr. Die Zeitmessung war jedoch nicht zuverlässig (John M. Steele: „Observations and Predictions of Eclipse Times by Early Astronomers“. Archimedes, New Studies in the History and Philosophy of Science and Technology, Band 4, 2000, Seite 65, 66). Dagegen konnte die Position des Mondes im Verhältnis zu anderen Himmelskörpern mit größerer Sicherheit bestimmt werden.
19. Für die Analyse wurde die Astrosoftware TheSky6™ verwendet sowie das Freeware-Programm Cartes du Ciel/Sky Charts (CDC) und ein Datumskonverter des U.S. Naval Observatory. Da die Keilschriftzeichen für viele Planetenpositionen unterschiedliche Deutungen und Spekulationen zulassen, wurden diese Positionen zur Bestimmung des Jahres, auf das VAT 4956 hinweist, nicht herangezogen.
20. Paul V. Neugebauer, Ernst F. Weidner: „Ein astronomischer Beobachtungstext aus dem 37. Jahre Nebukadnezars II. (–567/66)“. Berichte über die Verhandlungen der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Band 67, Heft 2, 1915, Seite 41.
21. In VAT 4956, Zeile 3 heißt es: „1 Elle [2 Grad] der Mond vor dem Sterne am hinteren Fuße des Löwen [ß Virginis]“. Gemäß der erwähnten Analyse stand der Mond am 9. Nisannu 2°04ʹ vor und 0° unter dem Stern ß Virginis, was als genaue Entsprechung betrachtet wurde.
[Übersicht auf Seite 25]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
WURDE JERUSALEM 587 V. U. Z. ODER 607 V. U. Z. ZERSTÖRT? WORAUF WEIST VAT 4956 HIN?
◼ Die Tafel enthält astronomische Angaben aus dem 37. Regierungsjahr von König Nebukadnezar II.
◼ Nebukadnezar II. zerstörte Jerusalem in seinem 18. Regierungsjahr (Jeremia 32:1)
Wenn das 37. Jahr Nebukadnezars II. 568 v. u. Z. war, dann wurde Jerusalem 587 v. u. Z. zerstört
610 V. U. Z.
600
590
580
570
560
War sein 37. Jahr 588 v. u. Z., dann fand die Zerstörung Jerusalems 607 v. u. Z. statt, wie es die biblische Chronologie anzeigt
◼ VAT 4956 weist eher auf das Jahr 607 v. u. Z. hin
[Bildnachweis auf Seite 22]
Photograph taken by courtesy of the British Museum