Unser Trinkwasser
„DAS Trinkwasser“, schrieb Leonardo da Vinci einmal, „kann gesund, ungesund, abführend, schwefelhaltig, düster, schmerzhaft, rot, gelb, grün, schwarz, blau, fettig, dick und dünn sein.“
Das Wasser, das wir heute trinken, weist gewöhnlich nur wenige dieser Eigenschaften auf. Aber in unserer Zeit sollen etwa eine halbe Milliarde Menschen ständig krank sein zufolge des Wassers, das sie trinken. Jedes Jahr sollen zehn Millionen Menschen deswegen sterben.
Sogar hochzivilisierte Länder, die stolz auf ihr „einwandfreies“ Wasser sind, haben jetzt Probleme. Die moderne Landwirtschaft und Industrie verschmutzen die Trinkwasserquellen in immer stärkerem Maße mit potentiell gefährlichen Chemikalien, die nur schwer zu beseitigen sind. „Es scheint, als würde alles, was uns das Leben erleichtert, das Wasser verschmutzen“, erklärte ein amerikanischer Experte während eines Senat-Hearings über dieses Problem.
Ohne Wasser kein Leben
Trotz dieser Probleme ist und bleibt das Wasser einer der erstaunlichsten und absolut unentbehrlichen Stoffe, die wir kennen. Alles Leben auf der Erde hängt vom Wasser ab, ja die meisten Lebewesen bestehen zum größten Teil aus Wasser. Der menschliche Körper wurde als eine „bis obenhin mit Flüssigkeit gefüllte wandelnde Tüte“ bezeichnet. Normalerweise besteht der Körper des Menschen zu ungefähr 65 Prozent aus Wasser, sein Gehirn und seine Muskeln zu ungefähr 75 Prozent.
Das zeigt, daß die lebenden Organismen in dem begrenzten Temperaturbereich, in dem das Wasser flüssig ist, am besten funktionieren. Eine Umgebung, in der lebende Organismen existieren können, soll es im übrigen Universum sozusagen nicht geben. Obschon die Wissenschaftler vermuten, daß es im Universum noch Millionen von Planeten gibt, wird in dem Buch Water: The Web of Life bewundernd gesagt:
„Unsere zunehmende Kenntnis darüber, wie außergewöhnlich die Bedingungen auf der Erde im Grunde genommen sind ..., läßt in uns die Frage aufsteigen, ob wir unter Millionen von Planeten einen finden würden wie die Erde. ... Offenbar ist eine ganz besondere Reihe von Vorgängen für die Entstehung eines Planeten, auf dem es flüssiges Wasser gibt, erforderlich.“
Wie das Wasser im menschlichen Körper die Lebensfunktionen aufrechterhält, zeigt, welch eine erstaunliche Substanz es eigentlich ist.
Die Wirkungsweise des Wassers im Körper
Blut und Leben werden oft als Synonyme gebraucht, deshalb spricht man auch vom Lebenssaft. Das Blut besteht zu über 80 Prozent aus Wasser. Wegen seiner einzigartigen Eigenschaften eignet sich das Wasser sehr gut als Grundlage des Lebenssaftes. Es gibt zum Beispiel keine Flüssigkeit, die mehr Stoffe auflöst als das Wasser. Es besitzt auch die einzigartige Fähigkeit, die Wände unserer Körperzellen zu durchdringen und sie mit den lebenswichtigen chemischen Stoffen zu versorgen. Gleichzeitig dient es als Mittel, in dem innerhalb der Zellen komplizierte chemische Reaktionen vor sich gehen.
Bei diesen Reaktionen werden Bestandteile der Nahrung, die wir aufnehmen, „verbrannt“, und Energie wird für den Körper gewonnen. Der Vorgang ist ähnlich wie beim Automotor, wenn Brennstoff verbrannt wird. Aber wie gelingt es dem Körper, eine gleichbleibende Temperatur von 37 Grad beizubehalten? Mit Hilfe von Wasser! Wäre die Flüssigkeit in unserem Körper nicht Wasser, sondern beispielsweise Quecksilber, so würde die Wärme der Körperzellen die Körpertemperatur über dreißigmal schneller ansteigen lassen, als sie jetzt ansteigt. Das ist so, weil das Wasser weit mehr Wärme benötigt, um seine Temperatur zu ändern, als die meisten anderen Stoffe.
Aber das Wasser dient noch auf andere Weise dazu, unsere Körpertemperatur zu regeln. Rasche Zirkulation auf dem Weg über den Blutstrom erhält die Temperatur im ganzen Körper mehr oder weniger gleichmäßig, und überschüssige Wärme wird nach außen geleitet und von der Haut an die Luft abgegeben. Im Körperwasser gespeicherte Wärme dagegen wird an die Hände und Füße abgegeben, wenn diese kalt sind.
Trotz dieses bewunderungswürdigen Systems gibt der Körper gewöhnlich die Wärme, die er erzeugt, nicht schnell genug ab. Daher kommt nun eine weitere erstaunliche Eigenschaft des Wassers zur Anwendung — die Verdunstung. Wie funktioniert sie?
Wenn ein halber Liter Wasser verdunstet, nimmt es ungefähr 1 100mal soviel Wärme auf, wie wenn seine Temperatur um nur einen halben Grad steigt! Man verspürt diese kühlende Wirkung, wenn der Wind die Feuchtigkeit auf der Haut trocknet. Ferner wird dadurch, daß den Körper unbemerkt täglich etwa ein Liter Wasser verläßt, indem es mit dem Atem ausgeschieden wird oder durch Transpiration verdunstet, regelmäßig viel überschüssige Wärme frei.
Aber bei großer Hitze oder bei anstrengender Arbeit scheiden die Schweißdrüsen mehr Wasser aus, manchmal täglich fast vier Liter. Schweiß, der an der Hautoberfläche verdunstet und nicht in Perlen herabtropft, entzieht dem Körper sehr viel Wärme — wahrlich ein wunderbares Kühlsystem!
Unser Wasserbedarf
Da unser Organismus von Wasser abhängig ist, müssen wir dafür sorgen, daß sein Bedarf stets gedeckt ist. Ein Mensch kann ohne Essen achtzig Tage leben, aber ohne Wasser zu trinken, stirbt er schon in ungefähr zehn Tagen. Schon eine geringe Abweichung vom normalen Wassergehalt löst Durst aus. Eine Abweichung von nur ein bis zwei Prozent kann sich durch Unwohlsein oder Schmerz bemerkbar machen. Verliert ein Mensch nur fünf Prozent seines Körperwassers, so schrumpft seine Haut; Mund und Zunge werden trocken, und es stellen sich Halluzinationen ein. Ein Verlust von fünfzehn Prozent führt gewöhnlich zum Tod.
Der Körper verliert ständig Wasser. Außer dem Liter, den die Schweißdrüsen täglich verbrauchen und die ausgeatmete Luft aus den Lungen wegträgt, werden anderthalb Liter oder mehr von den Nieren und dem Darm ausgeschieden. Wasser, das durch Transpiration verdunstet oder in Form von Tränen ausgeschieden wird, muß zu den zweieinhalb bis drei Litern, die täglich ersetzt werden müssen, um das Flüssigkeitsgleichgewicht des Körpers aufrechtzuerhalten, hinzugerechnet werden.
Bedeutet das, daß man täglich ungefähr drei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen sollte? Nein, es sei denn, man schwitzt sehr stark. Ungefähr ein Drittel des Wassers erhält der Körper aus „fester“ Nahrung, denn häufig besteht sie größtenteils aus Wasser. Selbst Brot besteht ungefähr zu einem Drittel aus Wasser. Interessanterweise produziert auch der menschliche Körper Wasser (H2O). Es entsteht beim Stoffwechselprozeß, wenn der Sauerstoff (O) den Wasserstoff (H) der Nahrung verbrennt.
Deshalb wirst du vielleicht täglich nur fünf bis sechs Gläser Flüssigkeit wie Milch, Kaffee, Obstsaft oder Wasser trinken müssen. Aber obschon das Wasser zu den Stoffen gehört, die auf der Erde am reichlichsten vorhanden sind, ist es eine große Aufgabe, genügend Trinkwasser zu beschaffen. Da das Wasser ein solch starkes Lösungsmittel ist, muß es in den meisten Fällen erst gereinigt werden, bevor man es gefahrlos trinken kann.
Die Aufbereitung von Trinkwasser
Trinkwasser kann selten als chemisch „sauber“ oder „rein“ bezeichnet werden, weil darin immer Gase und Mineralien gelöst vorkommen. Um einwandfreies Trinkwasser herzustellen, das auch im Geschmack gut ist, braucht man nicht alle Unreinheiten daraus zu entfernen. Einige der für unsere Gesundheit und den guten Geschmack des Wassers notwendigen Stoffe sind in gutem Trinkwasser oft von Natur aus vorhanden.
Süßes Grundwasser, das man aus Quellen schöpft und aus Brunnen pumpt, ist in vielen Fällen — allerdings nicht immer — trinkbar, weil es beim Durchsickern durch Erdschichten und poröses Gestein gereinigt worden ist. Auch das Wasser in Seen und Flüssen besitzt Selbstreinigungskraft. In fließendem Wasser werden die Verunreinigungen aufgelöst oder in winzige Teilchen zerkleinert und durch nachströmendes Wasser so verdünnt, daß sie keine Gefahr mehr darstellen, und die schwereren Teilchen lagern sich auf dem Grund ab. Wind und Wellen tragen zur Durchlüftung des fließenden Wassers bei, wobei bewirkt wird, daß schädliche Gase frei werden und Sauerstoff absorbiert wird.
Der gelöste Sauerstoff spielt bei einem „Verdauungsvorgang“, der sowohl in fließenden als auch in stehenden Gewässern abläuft, eine wichtige Rolle. Er mag direkt auf die Abfälle einwirken, sie also „verbrennen“ und so neutralisieren, oder, was noch häufiger vorkommt, er erhält Bakterien im Wasser am Leben, die die Abfälle abbauen und ungefährliche Rückstände hinterlassen.
Während dieser Vorgang fortschreitet, werden die Bakterien von winzigen Lebewesen verzehrt, wodurch das Wasser noch mehr gereinigt wird. Das Sonnenlicht vermag nun leichter hindurchzudringen, wodurch das Wachstum der Grünalgen begünstigt wird, die gewisse verunreinigende Verbindungen aufnehmen und während des Vorgangs viel Sauerstoff abgeben. Winzige Wassertiere ernähren sich von Algen, und so schließt sich der „Verdauungs“kreislauf. Auf diese Weise kann Süßwasser sich im Laufe der Zeit selbst reinigen.
Aber selbst dieser bewunderungswürdige Reinigungsvorgang kann gestört werden, ähnlich wie unsere Verdauung gestört werden kann, wenn wir zuviel unbekömmliche Nahrung zu uns nehmen. Durch den Regen wird häufig Wasser in die Flüsse geschwemmt, das Rückstände von Kunstdüngern und Insektenvertilgungsmitteln enthält. Ferner werden unsere Gewässer mit neuartigen Industrieabfällen verschmutzt. Viele Gewässer werden mit einer solchen Menge verschiedener Chemikalien belastet, daß das Selbstreinigungsvermögen der Natur weit überfordert wird. Deshalb lesen wir in Preventive Medicine and Public Health, daß das Selbstreinigungsvermögen des Wassers „im besten Fall nur noch eine Halbwahrheit“ sei; das habe in der Vergangenheit öfter dazu geführt, daß man Wasser als trinkbar betrachtet habe, obschon es das in Wirklichkeit keineswegs gewesen sei. Heute wird das Trinkwasser in allen hochentwickelten Ländern aufbereitet.
Dabei werden oft ähnliche Methoden angewandt, wie sie in der Natur zu beobachten sind. Der erste Schritt bei der Aufbereitung ist gewöhnlich die Belüftung. Dabei wird das Wasser durch Rieselung, Regnung oder Düsenverspritzung in der Luft fein verteilt, so daß es soviel reinigenden Sauerstoff aufnehmen kann wie möglich. Dann werden gewisse Chemikalien zugesetzt, die bewirken, daß sich Verunreinigungen und Bakterien zu „Flocken“ verbinden. Die Flockung, wie dieser Vorgang genannt wird, beschleunigt den natürlichen Absetzvorgang, der während der Sedimentation abläuft. Dann folgt das Filtern; gewöhnlich handelt es sich um Sandfilter, in denen die Flocken und die meisten übrigen Verunreinigungen aus dem Wasser entfernt werden. Durch die Entkeimung, gewöhnlich durch Zusatz von Chlor, werden noch die meisten der zurückgebliebenen lebenden Organismen abgetötet.
Wasseraufbereitungsprobleme
Man denkt vielleicht, daß dieses Verfahren ausreicht, um alles aus dem Wasser zu entfernen, was gesundheitsschädigend sein könnte. Aber vor kurzem in den USA (vom amerikanischen Amt für Umweltschutz) durchgeführte Tests haben ergeben, daß das Trinkwasser in einigen Städten in kleinen Mengen zahlreiche chemische Verbindungen enthält. Von einigen dieser Verbindungen ist bekannt, daß sie Krebs verursachen. Es ist eine Ironie, daß es sich bei mehreren um Verbindungen des Chlors handeln soll, das dem Wasser zugesetzt wird, um es trinkbar zu machen.
Einige Ärzte unterbreiten sogar Beweismaterial dafür, daß Chlor die Ablagerung von Cholesterin in den Blutgefäßen des menschlichen Körpers begünstigt, was dann zu einem Herzinfarkt oder zu einem Schlaganfall führen kann. Dr. med. Joseph M. Price schreibt in seinem Buch Coronaries/Cholesterol/Chlorine (Erkrankungen der Herzkranzgefäße, Cholesterin und Chlor), es gehöre „zu den größten Widersprüchen der Geschichte“, daß eine Maßnahme zur Erhaltung der Volksgesundheit, die dazu beigetragen habe, daß die durch Wasser verursachten Krankheiten praktisch ausgestorben seien, unvermutet für viele der chronischen Leiden verantwortlich sei, die später im Leben auftreten würden.
Diese Schlußfolgerungen sind zwar umstritten, doch Hunderte von Städten in Europa, Rußland, Kanada und Japan ziehen es vor, ihr Wasser auf andere Weise zu desinfizieren. In Nizza zum Beispiel wird seit über sechzig Jahren Ozon anstelle von Chlor verwendet und in Paris seit dem Jahre 1968. Ozon ist eine instabile Form des Sauerstoffs und ein äußerst starkes Oxydationsmittel. Es oxydiert rasch Unreinheiten und hinterläßt keine Rückstände.
Andere schlagen vor, in den Filtern anstelle des herkömmlichen Sandes oder zusätzlich zu Sand Aktivkohle zu verwenden. Aktivkohle besitzt ein großes Adsorptionsvermögen. Ein Kilogramm soll mehr als 800 000 Quadratmeter innere Oberfläche besitzen, an der Schmutzstoffe angelagert werden können. Viele amerikanische Umweltschützer fordern jetzt immer dringender, sich für solche Alternativlösungen zu entscheiden.
Wasser als Medizin
Sollte die Bevölkerung zu einer medizinischen Behandlung durch das Trinkwasser gezwungen werden? Diese Frage quält Gegner der Fluoridierung des Trinkwassers immer noch, obschon jetzt fast die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung fluoridiertes Wasser trinkt. Bei Kindern, die solches Wasser trinken, sollen nur halb so viele Schäden (oder sogar nur etwa 30 Prozent) an den Zähnen auftreten wie bei Kindern, die kein solches Wasser trinken.
Aber die Gegner weisen darauf hin, daß die Fluoridierung des Trinkwassers der großen Mehrheit der Bevölkerung nichts nützt, weil sie, wie zugegeben wird, als Kariesprophylaxe nur den Kindern zugute kommt. Ferner sagen sie, da der eine mehr trinke als der andere, sei er potentiellen Gefahren mehr ausgesetzt. Zu diesen Gefahren sollen Mongolismus, Krebs und eine Verkürzung der Lebensspanne gehören. Die meisten medizinischen Fachleute sind diesen Vorwürfen gegenüber skeptisch eingestellt. Die Gegner der Fluoridierung des Trinkwassers fordern jedoch, daß jeder die Freiheit haben sollte, selbst zu entscheiden, ob er solches Wasser trinken wolle oder nicht.
Manche Leute haben begonnen, Wasser in Flaschen zu kaufen, um sich vor unerwünschten Zusätzen zu schützen. Aber wie vor kurzem durchgeführte Untersuchungen ergeben haben, ist sogar ein Teil dieses Wassers nicht einwandfrei. In der Cardiovascular Review, die alljährlich von den Medical World News herausgegeben wird, empfiehlt ein Arzt, das Wasser zu kochen, so daß sich das Chlor verflüchtigt. Aber durch Kochen lassen sich nicht unbedingt andere schädliche Verbindungen entfernen.
Ein vernünftiger Standpunkt
Wir sollten daher dem Trinkwasser gegenüber einen vernünftigen Standpunkt einnehmen. Was wir tun können, um seine Reinheit zu gewährleisten, ist begrenzt. In gewissen Gegenden ist die Luft so verschmutzt, daß die Menschen dort früher sterben, aber Gasmasken zu tragen wäre unpraktisch.
Derartige Situationen sollten uns nicht die Freude am Leben rauben, sondern uns erkennen lassen, daß der Mensch versagt, wenn er seine Verfahrensweise mit der Natur nicht deren bewunderungswürdigen Systemen anpaßt. Aber wir können auch zuversichtlich sein, daß der Schöpfer der Systeme, die wir in der Natur sehen, bald dafür sorgen wird, daß sie im Einklang mit seinem Vorsatz funktionieren indem er ‚die verderben wird, die die Erde [samt ihren Gewässern] verderben‘ (Offb. 11:18).
Dann wird das Wasser, von dem alles Leben auf der Erde abhängt, weder Schmerz noch Krankheit, noch Tod verursachen. Treffend wird Gottes Vorkehrung für ewiges Leben auf der Erde, das die Menschen dann empfangen werden, mit einem „Strom von Wasser des Lebens, klar wie Kristall“, verglichen. „Jeder, den dürstet, komme; jeder, der wünscht, nehme Wasser des Lebens kostenfrei“ (Offb. 21:1-5; 22:1, 17).