Gibt es Rassen, die anderen überlegen sind?
WIE denkst du über die Rassen? Um es genauer zu sagen: Denkst du, die Weißen seien den Schwarzen von Geburt an überlegen? Ganz gleich, wie du darauf mit Worten antwortest, was bekundest du durch deine Einstellung und deine Handlungsweise?
Die Leute sagen oft, daß sie keine Rassenvorurteile haben. Doch es ist eine Tatsache, daß schon seit langem rassistische Ansichten vorherrschen. Daher beharren viele auf der Ansicht, daß die Schwarzen den Weißen von Geburt an unterlegen und dazu bestimmt sind, für immer eine niedrigere gesellschaftliche Stellung einzunehmen.
Wie sind solche Ideen entstanden? Wieso können sie sich so lange halten?
Die Rolle der Religion
Die heutige Vorstellung von der angeborenen Überlegenheit der Weißen hat ihren Ursprung in der Unterwerfung und Versklavung der afrikanischen Neger. Der Sklavenhandel mußte gerechtfertigt werden, vor allem deshalb, da die daran Beteiligten vorgaben, Christen zu sein. Charles de Secondat Montesquieu, ein französischer Jurist und Politphilosoph, erklärte, welche Schlußfolgerung diese Sklavenhändler zogen: „Wir können unmöglich annehmen, daß diese Geschöpfe Menschen sind, denn würde man sie für Menschen halten, käme der Verdacht auf, daß wir keine Christen sind.“
Angebliche Christen in Amerika benötigten auch eine Rechtfertigung für die Sklaverei, da sich die Bewirtschaftung der Baumwollplantagen des Südens auf die Sklaverei gründete. Daher sagte ein amerikanischer Historiker:
„Im Süden forschte man in der Schrift nach einer biblischen Stütze für diese Handlungsweise. ... Im Süden argumentierte man beharrlich, daß die Sklaverei in der Bibel gutgeheißen und in Wirklichkeit geboten wird und eine von Gott kommende Einrichtung darstellt, die vor allem dem Neger von Nutzen ist“ („A Complete History of the United States“, S. 217, 337, von Clement Wood).
Die Kirchen gingen bei der Rechtfertigung der Sklaverei führend voran. Man lehrte, die Neger seien eine verfluchte Rasse, weswegen ihre Haut schwarz sei. Im Jahre 1844 erfolgte in der Methodistenkirche wegen der Sklaverei eine Spaltung zwischen Norden und Süden. Im Jahre 1845 spaltete sich die Baptistenkirche und fast zur selben Zeit die presbyterianische Kirche entlang der politischen Mason-Dixon-Linie. Sogar noch im Jahre 1902 veröffentlichte ein Bibelhaus in St. Louis das weitverbreitete Buch “The Negro a Beast” or “In the Image of God” („Der Neger, ein Tier“ oder „Im Bilde Gottes“). Es enthält ein Kapitel mit der Überschrift „Überzeugende biblische und wissenschaftliche Beweise dafür, daß der Neger nicht zur Menschheitsfamilie gehört“.
Man betrachtete also mit kirchlicher Zustimmung die Schwarzen als von Geburt an den Weißen unterlegen. In der Encyclopædia Britannica kann man die Klage lesen: „Es war das Schicksal der Afrikaner, in Amerika von Christen versklavt zu werden, die ihre Glaubensansichten nicht mit der Sklaverei in Einklang bringen konnten und daher ihre Vorstellung über die Neger so zurechtrückten, daß sie sie schließlich als ihr Eigentum betrachteten und nicht als menschliche Wesen, denen gewisse Rechte und Freiheiten zustehen“ (Bd. 16, 1971, S. 200D).
Allerdings waren die Kirchen nicht die einzigen, die für solche Ansichten eintraten. Einige Philosophen und Wissenschaftler taten es ihnen gleich.
Andere treten für die Überlegenheit der Weißen ein
In den 1830er Jahren lehrten Philosophen im Süden der Vereinigten Staaten Grundsätze über die naturgegebene Ungleichheit der Menschen — eine Vorstellung, die bis dahin schon die meisten Südstaatler befürwortet hatten. Zudem versuchte der führende amerikanische Experte für physische Anthropologie jener Zeit, Josiah C. Nott, für diese Vorstellung biologische Beweise zu liefern. Einige kamen zu der Ansicht, daß sich die verschiedenen Rassen getrennt voneinander entwickelt haben und daß die Schwarzen mit den Menschenaffen näher verwandt sind. Im Anschluß an verschiedene Einzelheiten, die als Beweise dienen sollten, wird in der Encyclopædia Britannica bemerkt: „Demzufolge wäre der Neger auf einem niedrigeren Entwicklungsstand als der weiße Mann, und er wäre mit den höchsten Anthropoiden näher verwandt“ (Bd. 19, 1911, S. 344).
Einige vertreten heute ähnliche Ansichten, so zum Beispiel Professor Carleton S. Coon, ehemals Präsident der American Association of Physical Anthropologists. Wie er behauptet, hätten sich ohne gegenseitigen Kontakt fünf Menschenrassen „voneinander unabhängig nicht einmal, sondern fünfmal zum Homo sapiens entwickelt“. In einer Fernsehsendung in den Vereinigten Staaten erklärte ein Sprecher, daß Herr Coon „Beweise vorbringt und den Standpunkt einnimmt, daß sich die Negerrasse auf der Leiter der Evolution 200 000 Jahre hinter der weißen Rasse befindet“.
Solche seit langem vertretenen Ansichten über die Schwarzen helfen uns verstehen, wieso die Amerikaner damals davon sprechen konnten, daß „alle Menschen von der Schöpfung her gleich sind“, und dennoch eine Form der Sklaverei guthießen, deren Betroffene als unterlegen betrachtet wurden. In der dritten Ausgabe des Buches The Sociology of Social Problems von Paul B. Horton und Gerald R. Leslie wird erklärt:
„Das geflügelte Wort ,Alle Menschen sind von der Schöpfung her gleich‘ traf auf die Neger nicht zu, da sie ,Eigentum‘, nicht Menschen waren. Der hamitische Fluch in der Bibel, unvollständige oder getrennte Entwicklung, geographischer Determinismus und Schlußfolgerungen aus Intelligenztests, all das waren Theorien, die man nacheinander verwendet hat, um die Behandlung der Neger als minderwertig zu rechtfertigen. Solange man solchen Ideen Glauben schenkte — und die meisten Leute schenkten ihnen Glauben —, war es nicht inkonsequent, sich zu demokratischen Idealen zu bekennen und gleichzeitig Rassendiskriminierung zu betreiben.“
Wahrscheinlich behaupten heute wenige Leute, daß die Schwarzen „keine Menschen“ sind. Doch glauben viele noch, daß sie von Geburt an unterlegen oder minderwertig sind. Die größere Zahl von unehelichen Geburten und Verbrechen, der niedrigere wirtschaftliche und soziale Status und vor allem die im Durchschnitt schlechteren Ergebnisse bei Intelligenztests werden als „Beweise“ für eine biologische Unterlegenheit betrachtet. Sind das aber wirklich Beweise für eine biologische Minderwertigkeit? Gibt es Umstände, die erklären, warum die Schwarzen hinter den Weißen im allgemeinen zurückstehen?
Abstammung der amerikanischen Schwarzen
In den USA glauben viele Leute, daß die afrikanischen Vorväter der amerikanischen Schwarzen Wilde waren, Wesen ohne Kultur oder Zivilisation. Sie denken, daß sie stumpfsinnig, kindlich und unfähig waren, komplizierte Aufgaben zu lösen oder eine fortgeschrittene Zivilisation zu entwickeln. Allerdings sehen die Tatsachen anders aus, wie das in der World Book Encyclopedia erklärt wird:
„In verschiedenen Teilen Afrikas existierten vor Hunderten von Jahren hochentwickelte Negerkönigreiche. ... Einige der Negerkönige und der Adligen lebten in großem Wohlstand und Prunk. Ihre Hauptstädte wurden manchmal zu Handels- und Kulturzentren. Zwischen 1200 und 1600 hatte eine Universität in Timbuktu (Westafrika) ihre Blütezeit und wurde in ganz Spanien, Nordafrika und im Nahen Osten berühmt“ (Bd. 14, 1973, S. 106, 107)
Zugegeben, die afrikanische Kultur ist eine ganz andere als die europäische, was sogar auch auf die orientalische Kultur zutrifft. Unglücklicherweise setzen einige Andersartigkeit mit Minderwertigkeit gleich. Doch kann man gleichzeitig nicht leugnen, daß die Entwicklung des afrikanischen Lebens und der Kultur in den vergangenen Jahrhunderten zum Stillstand gekommen ist. Der Fortschritt blieb aus. Aber warum?
Der Grund ist größtenteils im Sklavenhandel zu suchen, worüber es in der Encyclopedia Americana heißt: „Er zerrüttete die Kultur und Industrie der Neger, stoppte die Entwicklung der Kunst, brachte Regierungen zum Sturz und war die Ursache für den Stillstand in der Kultur, der den Schwarzen Erdteil seit 1600 kennzeichnet“ (Bd. 20, 1927, S. 47).
Der Umfang des Sklavenhandels und seine Auswirkung auf die afrikanische Gesellschaft ist schockierend. Gemäß der New Encyclopædia Britannica von 1976 reichen „Schätzungen über die Zahl der Sklaven, die über den Atlantik gebracht wurden, von 30 000 000 bis 100 000 000“. Vorsichtigere Schätzungen geben die Zahl mit „ungefähr 15 Millionen“ an. Sogar noch niedrigere Schätzungen sind überwältigend, insbesondere wenn man die Zahl der Todesopfer berücksichtigt.
Man muß einräumen, daß die Afrikaner sowohl direkt von den Weißen als auch in Kriegen und durch Überfälle von Schwarzen gefangen wurden, die ihre Landsleute an weiße Sklavenhändler verkauften. Unabhängig davon, wer anfangs die Verantwortung trug — die Gefangenen wurden an die Küste gebracht und in Verladestationen gesammelt. Danach wurden sie, zu zweien aneinandergekettet, in die Laderäume der Schiffe gepfercht, die gerade groß genug zum Liegen waren. Dort verbrachten sie den größten Teil der fünfzigtägigen Atlantikreise ohne Licht und frische Luft. Wie man schätzt, starb ungefähr ein Drittel der Gefangenen, schon bevor sie an Bord des Schiffes kamen, und ein weiteres Drittel starb während der Reise.
Anfang des 16. Jahrhunderts brachte man die ersten Sklaven zu den Westindischen Inseln und nach Südamerika, um sie für die Arbeit in den Bergwerken und Plantagen einzusetzen. Im Jahre 1619 brachte ein niederländisches Sklavenschiff die ersten Schwarzen nach Nordamerika, jedoch nicht als Sklaven, sondern als Bedienstete mit Arbeitsvertrag. Allerdings setzte sich später im 17. Jahrhundert die Sklaverei völlig durch, und im Laufe der Zeit gab es in den Vereinigten Staaten ungefähr vier Millionen schwarze Sklaven.
Was ihnen durch die Sklaverei widerfuhr
Im allgemeinen kamen die Afrikaner zuerst zu den Westindischen Inseln, wo sie an die Sklavenarbeit „gewöhnt“ wurden, bevor man sie nach Amerika verschiffte. Man verfolgte die Taktik, Angehörige des gleichen Stammes voneinander zu trennen, um Massenaufstände zu vermeiden. Man brachte sogar Familien auseinander, und die Sklavenhändler oder die neuen Herren gaben den Sklaven neue Namen. Das Ziel bestand darin, die Schwarzen unterwürfig, gehorsam zu machen. Bei alledem wurde ihre Persönlichkeit entstellt und ihre Mentalität unterdrückt, und da sie die Sinnlosigkeit des Widerstands erkannten, begannen sie vielfach, sich so zu verhalten, als ob sie minderwertig seien.
Es wurden Gesetze verabschiedet, die die völlige Unterwerfung der Sklaven sichern sollten. In der Encyclopedia Americana heißt es:
„Den Sklaven war es nicht gestattet, Eigentum zu haben, über Schußwaffen zu verfügen, Handel zu treiben, die Plantage ohne Erlaubnis ihres Eigentümers zu verlassen, vor Gericht als Zeuge auszusagen, es sei denn gegen andere Neger, Verträge abzuschließen, lesen und schreiben zu lernen oder ohne die Anwesenheit von Weißen Zusammenkünfte abzuhalten. ... ermordete ein Weißer einen Sklaven oder freien Neger oder mißbrauchte er ihn, so wurde das nicht als ein schweres Vergehen betrachtet“ (20. Bd., 1959, S. 67).
In den meisten amerikanischen Bundesstaaten, in denen Sklaven gehalten wurden, hatte jemand, der einem Schwarzen Lesen oder Schreiben beibrachte, eine Geld-, Prügel- oder Gefängnisstrafe zu erwarten.
Im Jahre 1808 erklärten die Vereinigten Staaten den Sklavenhandel für illegal. Trotz des Gesetzes wurde der Handel aufrechterhalten, da der Bedarf an Sklaven größer war als je zuvor. Das führte zu äußerster Perversion — man züchtete Sklaven, um sie verkaufen zu können. In der Encyclopedia Americana wird ausgeführt:
„Es entspann sich ein großangelegter und einträglicher Handel mit Haussklaven, womit einige der grausamsten und kaltblütigsten Auswüchse des Sklavensystems verbunden waren. Zum Beispiel wurden in den älteren Staaten Sklaven gezüchtet, die man in die südlicheren Gebiete verkaufte, und ständig wurden Familienbande zerstört, indem man die Angehörigen getrennt voneinander verkaufte“ (Bd. 20, 1959, S. 67).
Ja, die Ansicht, Schwarze seien „keine Menschen“, führte dazu, daß man sie züchtete und verkaufte, wie man das gewöhnlich mit Vieh macht. Und dann wurde plötzlich im Jahre 1865 die Sklaverei in den Vereinigten Staaten völlig abgeschafft. Doch die Einstellung blieb, und man achtete darauf, daß die Schwarzen nicht „ihren Platz“ — die Unterordnung unter die Weißen — verließen, und zwar durch Rassentrennungsgesetze und andere Methoden.
Ein wesentliches Mittel der Kontrolle war das Lynchen durch Erhängen. Zwischen 1890 und 1900 gab es im Jahr durchschnittlich 166 Fälle von Lynchjustiz. In der Encyclopedia Americana wird berichtet: „Man duldete weiterhin, daß Negerfrauen von weißen Männern sexuell ausgenutzt wurden. Die Neger wurden von der Polizei und häufig vor Gericht außerordentlich unfair und diskriminierend behandelt“ (20. Bd., 1959, S. 70).
Ist hier vom Altertum die Rede? Nein, sogar die Großeltern vieler heute lebender Schwarzer waren Sklaven. Noch in den fünfziger Jahren wurden die Schwarzen in den Massenmedien in Amerika als minderwertig dargestellt — unweigerlich dazu bestimmt, die Diener der Weißen zu sein.
Im allgemeinen aber wurden sie nirgendwo erwähnt, weder in Zeitschriften noch im Fernsehen, noch in Tageszeitungen, es sei denn in Kriminalgeschichten. Man diskriminierte sie bei jeder Gelegenheit, gewährte ihnen eine zweitklassige Schulbildung und enthielt ihnen bestimmte Erwerbstätigkeiten und andere Vergünstigungen vor, deren sich die Weißen erfreuten. Ihnen waren praktisch alle Möglichkeiten genommen, wodurch vielen jegliche Hoffnung fehlte, ihr Los zu verbessern.
Kann man angesichts dieser Umstände wirklich erwarten, daß die Schwarzen in der Bildung und auf anderen Gebieten den Weißen im allgemeinen ebenbürtig sind? Wäre es fair, eine Rasse als minderwertig einzustufen, weil sie nicht einem bestimmten Standard entspricht? Was geschieht, wenn ihnen eines Tages alle Möglichkeiten offenstehen?
Möglichkeiten und Anregungen
Bis 1947 war es den Schwarzen in den USA untersagt, in der Baseball-Oberliga mitzumachen. In jenem Jahr, in dem zwischen den beiden Rassen oft große Spannungen herrschten, wurde es einem Schwarzen erlaubt zu spielen. Bald begannen die Schwarzen, beim Baseballspiel Hervorragendes zu leisten. Im Weltmeisterschaftsjahr 1971 stellten die Pittsburgh Pirates bei einem Spiel eine neunköpfige Mannschaft auf — ausschließlich Schwarze. In anderen Sportarten ist die Situation ähnlich, so daß sich die New York Times im vergangenen Jahr zu dem Kommentar veranlaßt fühlte: „Der Basketball-Profisport ist praktisch ein Spiel der Schwarzen.“
Was bedeutet das? Daß die Schwarzen den Weißen biologisch überlegen sind? Oder bedeutet das, daß die Schwarzen genausoviel leisten können, wenn sich ihnen die Gelegenheit dazu bietet und ihnen Anleitung und Anregungen gegeben werden? Offensichtlich ist letzteres zutreffend. Die Angehörigen der verschiedenen Rassen werden nicht als Ballspieler, Musiker, Wissenschaftler, Universitätsprofessoren usw. geboren. All das muß erlernt werden.
Es ist verkehrt, sich von den Rassen eine Klischeevorstellung zu machen und zu sagen, daß eine Rasse von Natur aus stumpfsinnig und langsam sei, eine andere aggressiv, militant, wieder eine andere freundlich und unterwürfig usw. Die Eigenarten der Rassen hängen vor allem von der Bildung, Erziehung und den Anregungen ab, die ihnen geboten werden. Beispielsweise werden die Chinesen von vielen oft als naturgemäß freundlich und unterwürfig bezeichnet. Doch nachdem sie jetzt unter der Herrschaft des Kommunismus in den vergangenen Jahrzehnten eine andere Bildung und andere Anregungen erfahren haben, würden ihnen heute nur noch wenige diese Eigenschaft zusprechen.
Doch es behauptet sich die Auffassung, daß die Schwarzen von Natur aus geistig träger und weniger intelligent sind als die Weißen. Lassen sich dafür zuverlässige Beweise finden?
[Bildnachweis auf Seite 9]
Abgedruckt mit der Erlaubnis des Schomburg Center for Research in Black Culture, der New York Public Library sowie der Stiftungen Astor, Lenox und Tilden