Lange ersehnt, heute möglich: komfortables Fahren
Vom „Awake!“-Korrespondenten auf Trinidad
VOR mehreren tausend Jahren verwendete man in Mesopotamien Karren mit Rädern, um Güter und Personen zu transportieren. Die stabil ausgeführten Holzräder bestanden aus dicken miteinander verbundenen Planken und waren an der Nabe dicker als an der Felge. Manchmal hatten sie sogar Metallfelgen oder waren mit Kupfernägeln beschlagen. Kannst du dir vorstellen, welches Fahrgefühl du in einem solchen Karren gehabt hättest? Die Räder übertrugen jeden Stein und jede Unebenheit auf das Gefährt, so daß der Stoß dem Passagier durch Mark und Bein ging. Man konnte bei weitem nicht von einem komfortablen Fahren sprechen.
Um die Mitte des zweiten Jahrtausends v. u. Z. kamen Militaristen auf die Idee, daß man das Rad im Krieg vorteilhaft einsetzen könnte. Daher sah man dann primitive und später sehr wirksame Kriegswagen auf Schlachtfeldern, die genügend eben zum Manövrieren waren. Die Räder waren bald sehr gut konstruiert, hatten gewöhnlich Speichen — vier, sechs oder acht — und waren mit Metall- oder Lederfelgen oder Nägeln versehen. Da ein Kriegswagen im allgemeinen sehr leicht war, genügten zwei galoppierende Pferde, um ihn ziemlich schnell fortzubewegen. In einem solchen Kriegswagen ging die geringste Bodenunebenheit den Fahrgästen durch und durch.
Personenbeförderung nimmt zu
Bis zu einem gewissen Ausmaß wurde der Kriegswagen zur Personenbeförderung, aber jahrhundertelang vor allem für militärische Zwecke eingesetzt. Doch gerade im Römischen Reich verlor er seine Beliebtheit als Kriegsfahrzeug und wurde fast nur noch in Amphitheatern und bei Rennen verwendet. Damals wurden immer mehr Wagen für Personenbeförderung gebaut. Das vorzügliche Straßensystem der Römer trug wesentlich dazu bei.
Ein altes Exemplar der neueren Wagenform ist der Wagen von Dejbjerg, dessen Reste man in Dänemark fand. Dieser Wagen hatte sogar einfache Wälzlager aus Holz.
Um die Verbesserung des Rades haben sich verschiedene Völker bemüht. Die Skandinavier bogen die Holzfelgen durch Erwärmen und vervollkommneten dadurch das Rad. Die Chinesen waren anscheinend die ersten, die den Radsturz veränderten. Die Entwicklung der Kutsche, die gegen Ende des Mittelalters auftrat, wurde durch die Ungarn gefördert. An ein sanftes, komfortables Fahren war aber noch lange nicht zu denken.
Verbesserungen in der Neuzeit
Im 19. Jahrhundert dagegen sorgten mehrere Entwicklungen für ein sanfteres, komfortableres Fahren. Man versuchte, die Karosserie an Ketten oder Lederriemen aufzuhängen, um die Stöße zu mildern. Zu Beginn des Jahrhunderts erfand man Stahlfedern, die in die verschiedensten Arten von Wagen eingebaut wurden. Etwas später kam man dank der Erfindung der Asphaltstraße einem komfortablen Fahren schon wesentlich näher. Doch der eigentliche Durchbruch gelang 1839, als Charles Goodyear durch Zufall Rohgummi unter Zusatz von Schwefel in ein elastisches Metall verwandelte. Dieser als Vulkanisierung bekannte Vorgang ebnete den Weg für Gummireifen, die auf Felgen montiert wurden und ein sanfteres und ruhigeres Fahren ermöglichten.
Um 1845 ließ sich der Engländer R. W. Thomson einen Luftreifen patentieren, der für den englischen Brougham (geschlossener vierrädriger, zweisitziger Wagen) verwendet wurde. Er bestand aus einem Mantel und einem Schlauch und hielt an einem Brougham ungefähr 2 000 Kilometer. Die Öffentlichkeit jedoch war noch nicht reif für diesen Luftreifen und bevorzugte weiterhin den Vollgummireifen. Das ging vierzig Jahre so, bis J. B. Dunlop 1888/89 einen Luftreifen für Fahrräder erfand.
Um diese Zeit kamen die ersten Autos. Der Luftreifen war genau das, was man für die fortschreitende Entwicklung und Beliebtheit dieses „Wagens ohne Pferde“ brauchte. Die ersten Reifen ähnelten Fahrradreifen, denn sie waren nur ein einziger Schlauch aus Segeltuch, das innen und außen mit Gummi beschichtet war. Sie waren nicht sehr haltbar, da das Gewebe viel Reibung verursachte und schnell zerfiel. Wulstreifen kamen 1892 auf und wurden für einige Autos jahrelang verwendet. Sie hielten hohen Druck aus. Um 1900 betrug gewöhnlich dieser Druck etwa 30 bar. Die Reifen waren klein und trugen daher nicht sehr viel zu einem weichen Fahren bei. Sie hielten auch nicht lange, anfangs ungefähr 3 000 Kilometer. Die Laufleistung war bis 1920 auf etwa 15 000 Kilometer gestiegen. Dann kamen Stahlspeichen- und Scheibenräder, die einen kleineren Durchmesser und Reifen mit einem größeren Querschnitt und geringeren Druck hatten. Diese zu Beginn der 30er Jahre verwendeten „Ballonreifen“ hielten länger und waren viel komfortabler. 1957 konnte ein Reifen unter günstigen Bedingungen bis zu 55 000 Kilometer halten.
Wie Reifen hergestellt werden
Hast du dich schon einmal gefragt, wie ein moderner Reifen hergestellt wird? Ich erhielt eine Gelegenheit, das zu sehen, als mir der Geschäftsführer der Dunlop-Werke im Süden Trinidads eine Fabrikbesichtigung ermöglichte. Am Telefon meinte er noch abschließend: „Ziehen Sie sich auf jeden Fall alte Kleidung an.“
Als ich mit meinem Führer die Fabrik betrat, merkte ich sofort, warum man mir zu alten Kleidern geraten hatte. Statt glitzernder Maschinensäle sah ich schmutzige, schwarze Hallen. Wie kam das? Nun, einer der Hauptbestandteile eines Reifens ist Ruß. Dieses feine Pulver durchdringt alles, was nicht luftdicht abgeschlossen ist.
Als ich an den großen Stapeln verschiedener Reifenmaterialien vorbeiging, schien mir, ich sei in einer chemischen Fabrik statt in einem Reifenwerk. Der Führer erklärte mir, daß die Herstellung moderner Reifen viele verschiedene Chemikalien erfordert, deren Menge und Zusammensetzung von der Reifenart abhängt, die der Kunde für seine Fahrbedingungen braucht. In manchen Reifen ist viel Naturgummi verarbeitet, da er Wärme besser ableitet als Kunstgummi und auch der Kälte besser standhält. Seit jedoch synthetischer Gummi in den 30er Jahren von den Deutschen und von DuPont in den USA eingeführt wurde, wird er immer mehr verwendet. Dieses Werk bezieht Schwefel aus England, Ruß aus Venezuela und Naturgummi aus Malaysia, den synthetischen Gummi dagegen aus den Niederlanden. Reyon- und Nylonkord kommt aus Japan, Deutschland oder England. Also ist die Reifenherstellung wirklich ein internationales Projekt.
Zuerst werden alle Polymeren und anderen Verbindungen oder Chemikalien in einem riesigen Innenmischer gemischt. Eine Probe der Mischung wird im Labor getestet, um festzustellen, ob sie die für den betreffenden Reifen gewünschten Eigenschaften aufweist. Man kann einen Gummi herstellen, der zwar auf einer nassen Straße eine gute Haftung hat, sich jedoch nicht gut für trockene Straßen eignet. Vielleicht ist der Rollwiderstand und der Verschleiß zu groß. Also muß man einen Kompromiß schließen. Die meisten Straßen sind abwechselnd naß oder trocken. Die Mischung muß einen Reifen ergeben, der sich auf unterschiedlichen Straßenoberflächen gut bewährt. In diesem Gerät werden die verschiedensten Mischungen hergestellt. Jetzt wird das Material in einen Extruder (Spritzmaschine) geführt, der Lauffläche und Flanken des Reifens formt. Die Zusammensetzung der Lauffläche kann durchaus anders sein als die der Flanke, damit der Reifen, während er sich dreht, den verschiedenen Situationen gerecht wird und vor Sonnenstrahlung sowie Witterungseinflüssen geschützt ist.
Wozu dient die komplizierte Maschine dort drüben? Sie wird mit Tuch „gefüttert“ und stellt die Bänder her, aus denen die Karkasse des Reifens besteht. In vielen Reifen ist Kord aus Reyon oder Nylon und neuerdings aus Polyester verarbeitet. Warum ist der Kord, der längs verläuft (Kette des Gewebes), viel dicker und zahlreicher als der quer verlaufende? Man möchte vermeiden, daß durch die Reibung beim Drehen des Reifens zuviel Wärme entsteht. In dieser Maschine werden die Bänder mit Gummi beschichtet und so geschnitten, daß sie dann beim Herstellen der Karkasse ein kreuzförmig laufendes Muster bilden. Das ist die älteste Art der heute noch verwendeten Reifen. Würdest du einen solchen Reifen entzweischneiden und die Lauffläche abziehen, könntest du diese kreuzweise verlaufenden Bänder sehen. Solche Reifen lassen sich am billigsten und leichtesten herstellen. Sie haben gute Eigenschaften und halten lange, sind jedoch nicht so gut wie eine modernere Reifenart, die in vielen Ländern sehr beliebt geworden ist.
Etwas weiter drüben sehen wir, wie ein Arbeiter Diagonalreifen herstellt. Die Bänder werden Lage um Lage übereinandergelegt, jeweils mit einer Gummilösung dazwischen. Warum werden für Pkw-Reifen nur zwei Lagen genommen, obwohl man früher vier oder sechs verwendete? Je mehr Lagen, um so größer die Reibung und der Verschleiß der Karkasse. Außerdem sind die modernen Fäden fester als die früheren Baumwollfäden. Je kühler ein Reifen läuft, desto länger hält er. Die Lagen werden an den Wulstdrähten umgeschlagen und zusätzlich mit Verstärkungsstreifen versehen, damit der Reifen strammer auf der Felge sitzt. Jetzt wird die Lauffläche mit der Karkasse verklebt, und der Reifen ist fertig. Fertig? Wieso, der sieht doch wie ein Häufchen Gummi, aber nicht wie ein Reifen aus? Stimmt, er muß noch in einer Form geformt und gekocht werden.
Die Reifenherstellung wird durch Anwendung von Hitze und Druck abgeschlossen. Nach Beendigung der Kochzeit kommt aus den riesigen Formen ein brandneuer Reifen. Beachte die Lauffläche. Je nach Verwendungszweck gibt es die verschiedensten Profile. Anfang der 30er Jahre gab es runde Noppen, die sich für ländliche Gebiete abseits der Straße eigneten. Von da an wurden kaum noch Ketten eingesetzt. Später kamen große Stollen (für Schnee) auf und dann die Spikes (Wolframnägel) für Eis. Rings um den Reifen verlaufen große Rillen und quer dazu viele kleine Schlitze und Kerben. Sie sollen Wasser abführen und den Zug sowie die Kurvenfahreigenschaft verbessern. Du solltest dich für einen Reifen entscheiden, der den örtlichen Bedingungen entspricht; vielleicht brauchst du einen Satz Sommer- und einen Satz Winterreifen. Vergiß nicht, daß gröbere Profile auf der Autobahn sehr laut sind und bei ständiger hoher Geschwindigkeit nicht lange halten.
Jetzt sehen wir die Herstellung eines anderen Reifens, der immer gefragter wird: der Radialreifen (Gürtelreifen), so genannt, weil die Bänder der Karkasse im rechten Winkel zum Reifenumfang verlaufen. Bedingt durch diese Karkasse und einen Gürtel aus mehreren Kreuzbändern unter der Lauffläche, hat der Radialreifen sehr flexible Flanken, aber eine steife Lauffläche. Deshalb ist er auch unter den meisten Fahrbedingungen der sicherere Reifen und überlebt den Diagonalreifen gewöhnlich um mehrere tausend Kilometer. Andererseits ist er schwieriger herzustellen und kostet mehr. Trotzdem wird er immer gefragter.
Eine dritte Art von Reifen, die in dieser Fabrik nicht hergestellt wird, hat Diagonallagen mit Gürtel: ein Mittelding zwischen dem Diagonal- und dem Radialreifen, sehr beliebt in den USA und in anderen Ländern. Polyglasreifen mit Gürtel haben eine Karkasse aus Polyesterkord und zwei Gürtel aus Fiberglas. Dann gibt es natürlich noch die begehrten Stahlgürtelreifen.
Nach der Herstellung werden die Reifen auf Rundlauf, Unwucht und andere Eigenschaften überprüft. Die meisten Markenreifen leisten gute Dienste, wenn sie für den beabsichtigten Zweck eingesetzt werden.
Es ist also viel geleistet worden, um ein komfortables Fahren zu ermöglichen. Ob es dagegen ein sicheres Fahren ist, hängt weitgehend vom Fahrer ab. Deshalb sollte er Reifen kaufen, die seinen Fahrbedingungen entsprechen, und seine Fahrweise sollte dann den gekauften Reifen entsprechen. Außerdem sollte er überhöhte Geschwindigkeit, Drogen, Trunkenheit und Fahrlässigkeit meiden.
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Achslager
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Diagonalkarkasse
Radialkarkasse
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Lauffläche
Gürtellagen
Karkasse (radiale Lagen)
Wulst
Wulstsohle
Gewebe oder Gummi
Flanke
Schulter
Rippe
Rille