Das schwere Los der Scheidungswaisen
Die Lösung?
„ALS Papa uns verließ, fing Mama an zu arbeiten, und wir, meine Brüder und ich, blieben uns mehr oder weniger selbst überlassen. Wir gewöhnten uns daran, daß niemand da war, wenn wir nach Hause kamen. Nach der Schule luden wir jeweils unsere Freunde zu uns ein und betranken uns. Als ich älter wurde, dachte ich ans Heiraten, aber ich hatte nicht die geringste Ahnung, was erforderlich war, um eine glückliche Ehe zu führen, oder welche Fehler Eheprobleme heraufbeschwören würden“ (Robi; die Eltern ließen sich scheiden, als er neun Jahre alt war).
„Papa bemühte sich, uns zu erziehen und konsequent zu sein, aber er verstand es nicht, mit uns zu reden, und gewöhnlich war er auch zu müde, um es zu versuchen. Ich wurde von niemandem aufgeklärt. Mit 17 heiratete ich, bekam ein Kind, und wenige Jahre später wurde ich geschieden. Mein Mann und ich waren unfähig, miteinander zu reden“ (Mariaa; die Eltern ließen sich scheiden, als sie sieben Jahre alt war).
Das sind Äußerungen von Personen, die als Scheidungswaisen aufwachsen mußten. Die Zahl der Ehescheidungen steigt überall an. In der Sowjetunion werden von 100 Ehen 30 geschieden. In Japan wird alle vier Minuten eine Ehe geschieden. In Großbritannien werden jetzt fünfmal mehr Scheidungsanträge gestellt als 1961. In den Vereinigten Staaten enden etwa 50 Prozent aller Ehen vor dem Scheidungsrichter, und in der Bundesrepublik Deutschland wurden 1979 344 823 Ehen geschlossen und 79 490 Ehen geschieden — ein Verhältnis von etwa 4:1.
Wer unglücklich verheiratet ist, sieht in der Scheidung einen Ausweg aus seinen Problemen, aber wie ergeht es dabei den Kindern?
Die Beweise dafür, daß unglückliche Familienverhältnisse bei Kindern seelische Probleme hervorrufen, angefangen vom Bettnässen bis zu Leistungsabfällen in der Schule und starken Depressionen, mehren sich. In Großbritannien, wo es jedes Jahr zufolge von Ehescheidungen 200 000 Scheidungswaisen gibt, sagte ein Lehrer: „Mir ist noch kein Problemschüler begegnet, der nicht aus zerrütteten Familienverhältnissen stammte.“b
Aber wenn sich Mann und Frau ständig streiten, wäre es dann für die Kinder nicht besser, die Eltern würden sich scheiden lassen?
In der Zeitschrift Psychology Today finden wir eine Antwort auf diese Frage. Eine vor kurzem an über 100 Scheidungswaisen durchgeführte Fünfjahresstudie zeigte, daß sich eine Scheidung auf die Kinder nachteilig auswirkt. Selbst Kinder von Eltern, die sich ständig streiten, wollten nicht, daß sich ihre Eltern scheiden ließen. Die meisten Scheidungswaisen waren noch fünf Jahre nach der Scheidung unglücklich, und über ein Drittel von ihnen litt an Depressionen. Warum?
Die Fachleute sagen, daß für ein Kind, dessen Eltern sich scheiden lassen, die Welt zusammenbricht. Manche Kinder meinen sogar, sie seien schuld daran, daß der Papi weggegangen sei. Das kann zu schweren emotionalen Problemen führen. „Ich glaubte, ich sei gegen meine Mutter und meine Schwester ungezogen gewesen und würde nun von Gott bestraft“, sagte ein kleines Mädchen nach der Scheidung seiner Eltern.
Eine Ehescheidung führt fast immer zu finanziellen Belastungen, besonders für den Elternteil, der das Sorgerecht für die Kinder hat. Die Lage wird noch schlimmer, wenn die Halbfamilie umziehen muß und das Kind plötzlich nicht nur einen Elternteil, sondern auch noch seine Freunde verliert und sich an eine neue Umgebung gewöhnen muß. Die Probleme, die Kinder in dieser Zeit haben, können ihnen Jahre später noch zu schaffen machen.
„Nach der Scheidung meiner Eltern wohnte ich eine Zeitlang bei meiner Mutter“, erzählte Maria. „Sie mußte jedoch Geld verdienen, um uns zu ernähren, und zwar arbeitete sie nachts. Wohl bemühte sie sich, uns eine gute Mutter zu sein, doch häufig konnte sie mir lediglich etwas Geld geben, damit ich meinen Brüdern und Schwestern Süßigkeiten kaufen konnte, mußte uns aber allein lassen. Später habe ich mein Töchterchen auch so behandelt. Ich dachte wohl: Wenn ich es überlebt habe, wird sie es auch überleben.“
Maria meinte, ihre Erlebnisse als Scheidungswaise hätten sie später als Ehefrau und Mutter noch beeinflußt. Bildet sie eine Ausnahme? Anscheinend nicht.
Umfassende Untersuchungen zeigen, daß Scheidungswaisen, wenn sie erwachsen sind, in der Ehe mehr Probleme haben als Eheleute, die aus intakten Familien stammen. Die Psychologen sagen auch, daß Scheidungswaisen als Erwachsene zum Weinen neigen, oft unter Schlaflosigkeit leiden, sich unwürdig vorkommen, sich schuldig fühlen oder verzweifelt sind. Ist die allgemeine Auffassung demnach stichhaltig, daß sich Kinder ein paar Jahre nach der Scheidung an das neue Leben gewöhnt haben und dann glücklicher sind als vorher?
Wenn schon eine Scheidung an und für sich ausreicht, um die Welt eines Kindes zusammenbrechen zu lassen, wie wirkt es sich dann aus, wenn noch rechtliche Argumente betreffs feindseligen Verhaltens dazukommen?
„Ich möchte, daß Scheidungen nicht mehr von Gerichten behandelt werden“, sagte ein Richter aus Atlanta. „Wenn ein Scheidungsprozeß geführt wird, nimmt der Anwalt einer jeden der beiden Parteien eine Kampfstellung ein und will streiten.“ Das kann Eltern und Kindern unnötigen Kummer bereiten.
Eine Frau schrieb: „Mein Rechtsanwalt möchte, daß ich gegen meinen Mann klage, damit er nicht mehr bei uns wohnen darf ..., daß ich alle Schlösser an den Türen ändere und meinen Mann beschuldige, er sei gefährlich und gewalttätig. Mein Mann ist eigentlich nicht so, aber mein Anwalt sagt, der Prozeß würde dann für mich günstiger ausgehen. Er sagt, das werde immer so gemacht. Ich weiß, daß das meinen Kindern arg zusetzen würde.“
Natürlich geben nicht alle Rechtsanwälte derartige Ratschläge. Aber solche Taktiken werden, wie der erwähnte Richter meinte, dadurch begünstigt, daß Scheidungen in diesem Geist behandelt werden. Ein Rechtsanwalt aus Atlanta lehnt es deshalb einfach ab, Scheidungsprozesse zu übernehmen, vielmehr bietet er sich an, zwischen den Eheleuten zu vermitteln — allerdings bildet er eine Ausnahme.
Wie steht es mit den neuen Gesetzen, die kein Schuldprinzip mehr kennen? Will man damit nicht verhindern, daß bei einem Scheidungsfall gestritten wird? Leider wirken sie sich nicht so aus. Jetzt kämpfen die Rechtsanwälte wegen des Unterhalts und der Kinder und nicht mehr wie früher wegen der Schuldfrage.
Es wirkt sich schädlich auf die Kinder aus, wenn man sie zwingt, in der Frage des Sorgerechts Stellung zu nehmen, oder wenn man sie durch Bestechung dazu bringen will. Als ein 13jähriges Mädchen vor Gericht gefragt wurde, ob es beim Vater oder bei der Mutter wohnen möchte, wurde es „ganz verwirrt“. Noch schlimmer ergeht es den schätzungsweise 25 000 Kindern, die jedes Jahr als Folge eines Sorgerechtsstreites vom eigenen Vater oder von der eigenen Mutter entführt werden. Die „Entführer“ tauchen dann mit ihren Kindern unter und schicken sie nicht einmal in die Schule, aus Angst, wegen Kindesentführung verklagt zu werden.
Es gibt Leute, die die Lösung des Problems in dem Arrangement, das „Joint-custody“c genannt wird, sehen. Aber wie ein Beamter des britischen Schulwesens sagte, werden solche Kinder zwischen Vater und Mutter hin und her gezerrt, was zur Folge hat, daß die Kinder desorientiert werden. Der Beamte fügte noch hinzu: „Ich bin überzeugt, daß das dem Kind noch mehr schadet als die frühere Methode.“
Sollte man mit Kindern, die Schwierigkeiten haben, sich den neuen Umständen anzupassen, zu einem Berater oder einem Psychologen gehen? Professor Christopher Lasch von der Universität in Rochester (USA) schreibt in einem vor kurzem erschienenen Buch, daß die Entstehung dieser „helfenden Berufe“ mehr Schaden als Nutzen gebracht habe, weil die Familien nur noch passive „Ratverbraucher“ seien. Er glaubt, daß „die einzige Lösung darin besteht, die Leute davon zu überzeugen, daß sie ihre Probleme selbst lösen können“.
Der Fall eines an einer Klinik in New York tätigen Psychologen, der geschieden ist und einen Sohn hat, zeigt, wie gefährlich einige der heutigen Theorien der Psychologen sind. Als seine Exfrau, die das Sorgerecht für den Jungen hatte, sich wiederverheiratete, brach der Vater jede Beziehung zu seinem Sohn ab. Warum? Nach seinen Theorien war es besser, mit dem Jungen keinen Kontakt mehr zu haben, um ihn nicht in einen Loyalitätskonflikt zu stürzen. Wozu führte das? „Meine falsch geleitete Selbstlosigkeit — ich habe sehr viel in der Fachliteratur darüber nachgelesen — hat alles in einem schrecklichen Maße verschlimmert.“ Sein Sohn wurde wegen eines Autodiebstahls verhaftet.
Dieser Junge hätte einen Vater gebraucht, der sich aufrichtig um ihn bemühte. Hätte jener Fachmann sich mit dem ältesten und weitverbreitetsten Handbuch für menschliches Verhalten, das die Menschheit besitzt, etwas näher befaßt, wäre er vielleicht auf folgende Worte gestoßen: „Ein weiser Sohn hört des Vaters Zucht; der Spötter aber keinen Tadel“ (Spr. 13:1, de Wette).
Obige Worte stehen in der Bibel. Vielleicht glaubst du nicht, daß die Bibel das Wort Gottes ist. Aber sicherlich weißt du, daß sie schon seit Jahrtausenden für ihre Ratschläge in bezug auf das Familienleben bekannt ist. Die Theorien über Ehe und Ehescheidung haben sich im Laufe der Jahre häufig geändert, doch die Ratschläge, die die Bibel für jede Lebenslage gibt, sind heute noch praktisch anwendbar.
Vielleicht hast du die Bibel stets als ein „jenseitiges“ Buch für religiöse Leute angesehen. Deshalb mag es dich überraschen, zu erfahren, daß sie als ein Handbuch für menschliches Verhalten bezeichnet wird oder als Ratgeber in Eheangelegenheiten. Aber warum nicht selbst einmal in dieses Buch hineinschauen? Das haben die beiden Scheidungswaisen Robi und Maria sowie Tausende andere getan. „Durch die Ratschläge der Bibel habe ich die Erfordernisse für eine glückliche Ehe kennengelernt“, sagte Robi. „Sie hat mir Vertrauen vermittelt — etwas, was mir bis dahin gefehlt hat.“
Wie lauten die Ratschläge der Bibel?
Gute Ratschläge im Hinblick auf Ehe und Ehescheidung
Vor allem vermittelt die Bibel den Menschen eine Ansicht über die Ehe, die dazu beitragen kann, daß es gar nicht erst zu einer Scheidung kommt. In diesem Buch wird deutlich gesagt, daß Gott der Urheber der Ehe ist und daß er sie als etwas ansieht, was erhalten bleiben sollte (1. Mose 2:21-25; Matth. 19:3-6).
Manche moderne „Fachleute“ dagegen bezeichnen die Ehe lediglich als eine soziale Versorgungseinrichtung. Ein solcher Psychologe, selbst geschieden, erklärte: „Solange zwei Menschen mit ihrer Beziehung glücklich und zufrieden sind, wollen sie nichts daran ändern. Sind sie das aber nicht mehr, weil die Beziehung jetzt für sie frustrierend ist und dem Glück, der Produktivität und einer guten Kindererziehung nicht mehr förderlich ist, kann es bestimmt nicht falsch sein, eine solche Ehe aufzulösen.“ Wie hat sich dieser Standpunkt ausgewirkt?
„Wir, mein erster Mann und ich, haben uns gar keine Mühe gegeben, unsere Ehe zu festigen“, gestand Maria. „Es gelang uns nie, uns so richtig auszusprechen. Wenn Probleme entstanden, dachte ich immer gleich an Scheidung, an statt mich zu bemühen, meine Ehe zu retten.“ Dann begann Maria, mit Jehovas Zeugen die Bibel zu studieren, und später, als sie eine ganz andere Auffassung von der Ehe hatte, heiratete sie wieder. „Ich bin sehr glücklich verheiratet“, sagte sie, und man sah es ihr auch an. „Mein Mann hat es sich zum Ziel gesetzt, ein gutes Familienleben zu führen. Und das ist auch mein Ziel. Allerdings ist das nicht einfach, aber wenn man weiß, wie Gott über die Ehe denkt, hat man den Wunsch, eine gute Ehe zu führen, und das macht sehr viel aus.“
Kann die Bibel dir eine Hilfe sein?
Heute gibt es Millionen Ehepaare, die nicht glücklich sind und deshalb erwägen auseinanderzugehen. Sie meinen, eine Scheidung sei die einzige Lösung ihrer Probleme, der einzige Ausweg aus einer unglücklichen Lebensform. Stimmt das?
Nein, es gibt eine bessere Lösung, eine Lösung, durch die sowohl die beiden Ehepartner als auch ihre Kinder so glücklich werden, daß keiner der beiden Ehepartner je an eine Scheidung mit all ihren verwickelten Problemen und ihren Nebenwirkungen denkt. Was für eine Lösung ist das?
Es ist die Anwendung der biblischen Ratschläge in der Absicht, seine Ehe zu retten.
Vielleicht denkst du jetzt, das sei unmöglich, aber Jesus Christus sagte: „Bei Gott sind alle Dinge möglich“ (Mark. 10:27). Jehovas Zeugen sind gern bereit, Personen mit Eheproblemen beizustehen, indem sie sie mit den Ratschlägen der Bibel vertraut machen, und zwar völlig unentgeltlich. Sie können unzählige Fälle nennen, in denen eine Ehe, die am Auseinanderbrechen war, durch die Anwendung biblischer Ratschläge gerettet werden konnte. Man kann sich die richtige Ansicht über die Ehe zu eigen machen und die praktischen Ratschläge der Bibel befolgen, was für das Führen einer glücklichen Ehe absolut erforderlich ist. Wenn du Eheprobleme hast, warum dich nicht an Jehovas Zeugen wenden und dem Worte Gottes eine Chance geben, dir zu helfen?
[Fußnoten]
a Auf Wunsch wurde ihr Name geändert.
b In der Bundesrepublik Deutschland gibt es jetzt 1,3 Millionen Scheidungswaisen!
c Die Eltern sorgen auch nach der Scheidung gemeinsam und gleichberechtigt für ihre Kinder.
[Herausgestellter Text auf Seite 18]
Für ein Kind, dessen Eltern sich scheiden lassen, bricht eine Welt zusammen.
[Herausgestellter Text auf Seite 19]
Es wirkt sich schädlich auf die Kinder aus, wenn man sie zwingt, in der Frage des Sorgerechts Stellung zu nehmen, oder wenn man sie durch Bestechung dazu bringen will.