Schnecken — Plage oder Delikatesse?
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN PAPUA-NEUGUINEA
ES IST sechs Uhr morgens. In Kavieng in der Provinz New Ireland (Papua-Neuguinea) holt sich ein Mann einen 5-Liter-Eimer und geht in seinen Gemüsegarten hinter dem Haus. In zehn Minuten ist der Eimer voll — nicht mit Gemüse, sondern mit Schnecken! Er tut dies jeden Tag, um die Zahl der Schnecken einzudämmen, damit von dem Gemüse noch etwas für ihn übrigbleibt.
Vor Jahren waren die Schnecken praktisch überall und breiteten sich in den Küstengebieten Papua-Neuguineas rapide aus. Man schätzte, daß es in der Stadt Madang allein über eine Million Schnecken gab. Sie richteten auf den Feldern und in den Gärten großen Schaden an. Aber nicht nur das, sie waren auch der Alptraum eines jeden Autofahrers, besonders an regnerischen Abenden. Auf den Straßen wimmelte es nur so von ihnen. Das Fahren und Wenden konnte eine rutschige und geräuschvolle Angelegenheit sein.
Doch woher kamen die vielen Schnecken? Eines ist sicher, sie sind nicht einheimisch. Es handelt sich um Achatschnecken (Achatina fulica). In Pidgin-Englisch, das in Papua-Neuguinea gesprochen wird, heißen sie demdems. Sie gelangten aus Ostafrika über Südostasien auf die Inseln des Südpazifiks.
Die Eingeborenen erzählen, daß japanische Soldaten die Schnecken während des Zweiten Weltkrieges in die Gebiete New Britain und New Ireland brachten. Warum? Weil die japanischen Versorgungsschiffe wegen der äußerst wirksamen alliierten Blockaden die Truppen nicht erreichen konnten, die die Inseln Papua-Neuguineas besetzt hatten. Die Schnecken wurden also eingeführt, um dem bedrohlichen Mangel an Nahrungsmitteln abzuhelfen.
Diese eßbaren Schnecken konnten in Japan nie erfolgreich gezüchtet werden, weil das dortige Klima zu kalt ist. Doch in Papua-Neuguinea fanden sie geradezu ideale Bedingungen vor — so ideal, daß eine Schnecke im Laufe ihres Lebens bis zu 6 000 Eier legt. Es dauerte nicht lange, und die demdems hatten sich so stark vermehrt, daß es in einem kleinen Garten genug gab, um jeden Tag einen Eimer voll einzusammeln.
Ihre Bekämpfung
Das Gehäuse der demdems kann zehn Zentimeter lang werden — eine beachtliche Größe! Und da sie sich so rasch vermehren, schaden sie der Ernte erheblich. Was kann man dagegen tun? Wenn sie sich erst einmal ausgebreitet haben, ist es so gut wie unmöglich, sie wieder loszuwerden. Aber ihre Zahl kann in Schranken gehalten werden.
Köder mit giftigen Chemikalien, wie zum Beispiel Metaldehyd, haben einen gewissen Erfolg gebracht. Man hat auch kannibalische Schnecken eingeführt, die die demdems auffressen. Dennoch vermehren sich diese ausreichend, um sich behaupten zu können.
Was kann man sonst gegen die Schnecken ausrichten? Warum nicht Nägel mit Köpfen machen und sie zu genau dem Zweck gebrauchen, zu dem sie auf die Inseln gebracht wurden? Warum sie nicht essen?
Eine Delikatesse
Die Melanesier füttern ihre Hühner und Schweine mit den demdems. Es wird auch empfohlen, das Gehäuse zu entfernen und sie an Küken zu verfüttern oder die Schnecken zu kochen oder in der Sonne zu dörren. Schweine können das Gehäuse selbst aufbrechen, doch die Schnecken sollten gekocht werden, da die Parasiten bei den Schweinen sonst Krankheiten hervorrufen können.
Falls einem rohe, gekochte oder gedörrte Schnecken nicht zusagen, gibt es andere Möglichkeiten, sie zuzubereiten. In der Bundesrepublik Deutschland, in der Schweiz, in Frankreich, Spanien, China und in vielen Gegenden Afrikas gelten Schnecken als Delikatesse. Weinbergschnecken werden in den besten Restaurants serviert.
In Papua-Neuguinea wurde kürzlich ein Demdem-Ausschuß eingesetzt. Seine Aufgabe besteht darin, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie die Schnecken zubereitet und angerichtet werden können. Es wird auch ein Rezept des Besitzers eines erstklassigen Restaurants in Melbourne (Australien) weitergegeben. Ob es dem Ausschuß gelingen wird, die Einwohner Papua-Neuguineas von den Vorzügen der demdems zu überzeugen, bleibt abzuwarten.