Der Pont du Gard widersteht dem Zahn der Zeit
„NOCH lange nach dem Untergang des Römischen Reiches blieben die Aquädukte intakt, wurden bewundert und inspirierten Baumeister späterer Jahrhunderte“, schreibt die New Encyclopædia Britannica. Der Pont du Gard bildet keine Ausnahme von der Regel. In Frankreich ist er wahrscheinlich das berühmteste Überbleibsel aus römischer Zeit.
Römische Aquädukte wurden gewöhnlich nicht zum Bewässern von Feldern erbaut, sondern um Städte mit Wasser zu versorgen. In den Städten gab es öffentliche Brunnen, Thermalbäder, Schwimmbecken und Wasserbassins; einige der größeren Städte hatten sogar eine Kanalisation. Ja, die römischen Städte und Ansiedlungen brauchten Wasser — und zwar nicht wenig.
Der Pont du Gard ist eine brückenähnliche Konstruktion, die sich fast 49 m über dem Gard erhebt — die höchste von den Römern erbaute Brücke, über die eine Wasserleitung führt. Mit ihren 275 Metern Länge stellt sie aber nur einen unbedeutenden Teil des gesamten Aquädukts dar. Die Gesamtlänge der Wasserleitung betrug immerhin 49 km. Versorgt wurde die römische Stadt Nîmes. Wie andere römische Bauwerke aus derselben Zeit überdauerte auch ein Großteil des Aquädukts all die Jahrhunderte und bezeugt somit die meisterhafte Arbeit der Römer sowie das fachmännische Können ihrer Ingenieure. Riesige Kalksteinblöcke — einige davon 5,5 Tonnen schwer — wurden in einem nahen Steinbruch bei Vers ausgebrochen und behauen. Bemerkenswerterweise verwendete man beim Zusammensetzen der Blöcke keinen Mörtel.
Die mehrstöckigen Bogenstellungen waren aus unterschiedlichen Gründen erforderlich. Sobald ein Bauwerk eine gewisse Höhe erreicht, muß die Konstruktion leichter werden, was durch die Form der Bogen erreicht wird. Doch der Pont du Gard sollte auch einen Fluß überqueren. Damit die Brücke starken Strömungen standhalten konnte, ließen die Bauherren sie in einem leichten Bogen verlaufen.
Später wurden dann bauliche Veränderungen vorgenommen, obwohl nicht alle Bewunderer der Brücke damit einverstanden waren. Die starken Brückenpfeiler wurden durchbrochen, so daß Pferdewagen über die Brücke fahren konnten, und im 18. Jahrhundert wurde die unterste Bogenkonstruktion verbreitert. Ein Jahrhundert später unternahm Kaiser Napoleon III. — lange bevor jemand überhaupt an die Bewahrung des Bauwerks dachte — sozusagen als Denkmalpfleger notwendige Schritte zur Restaurierung der Brücke.
Über zwei Millionen Besucher kommen jedes Jahr. Dieses außergewöhnliche Interesse stellt für den Pont du Gard eine Gefahr dar, so daß an verschiedenen Plänen zur Erhaltung des Baudenkmals gearbeitet wird. Was auch immer die Zukunft bringen mag, diese Brücke beweist, daß meisterhafte Arbeit dem Zahn der Zeit widerstehen kann.