Was man über Banden wissen sollte
Wade, der früher zu einer Bande in Kalifornien gehörte, sagte: „Wir waren einfach Jungs, die in derselben Gegend wohnten. Wir sind zusammen eingeschult worden. Nur haben wir nicht die richtigen Entscheidungen getroffen.“
BANDEN entstehen oft mehr oder weniger aus Gruppen in einer Wohngegend. Kinder oder Jugendliche treffen sich an einer Straßenecke. Sie unternehmen vieles gemeinsam und schließen sich dann zum Schutz gegen eine länger bestehende Gruppe aus der Nachbarschaft zusammen. Allerdings sinkt bald darauf das Niveau der Gruppe auf das ihres gewalttätigsten Mitglieds herab, und sie läßt sich auf gefährliche kriminelle Aktivitäten ein.
Eine rivalisierende Bande in einer anderen Straße sieht die neue Gruppe womöglich als ihren Feind an. Aggression entlädt sich in Gewalt. Drogenhändler benutzen die Gang, um illegale Drogen zu verkaufen. Weitere kriminelle Taten folgen.
Luis war 11 Jahre alt, als seine Freunde eine Bande gründeten. Mit 12 fing er an, Drogen zu nehmen. Im Alter von 13 Jahren wurde er zum erstenmal verhaftet. Er war an Autodiebstählen, Einbrüchen und bewaffneten Raubüberfällen beteiligt. Und wegen Bandenkriegen und -krawallen kam er immer wieder ins Gefängnis.
Manchmal ist man überrascht, wer einer Bande angehört. Martha, eine ordentliche, überdurchschnittlich begabte Schülerin, erzielte passable Noten und benahm sich in der Schule gut. Doch sie war Anführerin einer Gang, die mit Marihuana, Heroin und Kokain handelte. Erst als einer ihrer Freunde durch mehrere Schüsse getötet wurde, bekam sie es mit der Angst zu tun und änderte ihr Leben.
Warum sie sich Banden anschließen
Verblüffenderweise geben manche Bandenmitglieder an, sie hätten sich aus dem Bedürfnis nach Liebe einer Gang angeschlossen. Sie suchten nach einer Kameradschaftlichkeit und menschlichen Nähe, die ihnen zu Hause abging. Die Hamburger Zeitung Die Zeit schrieb, daß Jugendliche in Gangs die Sicherheit suchen, die sie woanders nicht finden. Eric, ehemals Bandenmitglied, sagte: „Wenn du zu Hause keine Liebe bekommst, suchst du auf der Straße nach etwas Besserem.“
Ein Vater, der früher zu einer Gang gehörte, schrieb über seine Jugenderlebnisse: „Ich kam mehrmals ins Gefängnis wegen ordnungswidrigen Verhaltens, Straßenschlachten, Krawallen und schließlich auch wegen versuchten Mordes bei einer Schießerei aus einem fahrenden Auto.“ Später hatte er einen Sohn mit Namen Ramiro, für den er sich allerdings wenig Zeit nahm. Als Ramiro älter wurde, schloß er sich ebenfalls einer Gang an und wurde nach einer Bandenfehde von der Polizei festgenommen. Sein Vater bestand darauf, daß er aus der Gang ausstieg, doch Ramiro fuhr ihn an: „Das ist jetzt meine Familie!“
Eine Krankenschwester in einem texanischen Krankenhaus, die in kaum mehr als einem Jahr mit 114 angeschossenen Jugendlichen sprach, erzählte: „Es ist schon komisch. Ich kann mich nicht erinnern, daß einer nach seiner Mutter oder einem anderen Familienmitglied gefragt hätte.“
Bedeutsamerweise schließen sich nicht nur Jugendliche aus ärmeren Stadtvierteln Banden an. Vor einigen Jahren zitierte das kanadische Magazin Maclean’s Polizisten, die sagten, sie hätten Jugendliche aus der reichsten und aus der ärmsten Wohngegend der Stadt in derselben Gang vorgefunden. Diese Jugendlichen ganz unterschiedlicher Herkunft verbinden sich aus einem gemeinsamen Grund: Sie suchen nach einem familiären Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie zu Hause vermissen.
In manchen Gegenden wachsen Kinder mit der Vorstellung auf, die Mitgliedschaft in einer Bande sei etwas ganz Normales. Der 16jährige Fernando erklärte: „Sie meinen, die Aufnahme in eine Gang würde ihnen helfen, ihre Probleme zu lösen. Sie denken: ‚Ich bekomme Freunde. Die sind stark und haben Waffen. Sie beschützen mich, und keiner wird mir was tun.‘“ Neue Bandenmitglieder müssen jedoch oft feststellen, daß sie durch die Zugehörigkeit zu einer Gang das Angriffsziel von deren Feinden werden.
Oft entstehen Gangs in Wohngegenden, wo Geld knapp ist, man aber leicht an Waffen herankommt. In Zeitungsberichten ist von Großstadtklassen die Rede, in denen 2 von 3 Schülern in einer Einelternfamilie leben. Es kommt vor, daß die Mutter einer Schülerin drogenabhängig ist und nachts nicht nach Hause kommt und daß die Schülerin ihr eigenes vaterloses Kind morgens in die Kinderkrippe bringen muß, bevor sie in die Schule gehen kann.
Pete Wilson, Gouverneur von Kalifornien, sagte: „Wir stehen vor einem schlimmen Problem, weil viele Kinder ohne einen Vater aufwachsen, ohne ein männliches Rollenvorbild, das ihnen Liebe, Anleitung, Erziehung und Werte mit auf den Weg gibt, und ohne einen Sinn darin zu sehen, sich selbst oder andere zu achten.“ Wie er weiter ausführte, ist die Unfähigkeit mancher Jugendlicher, mit anderen mitzufühlen, der Grund dafür, daß sie „anscheinend jemand abknallen können, ohne die geringsten Gewissensbisse zu spüren“.
Das Fehlen von Familiensinn, Charakterbildung und verläßlichen moralischen Vorbildern sind zwar wesentliche Faktoren für die Zunahme von Banden, doch es spielen auch noch andere Umstände eine Rolle. Dazu gehören Fernsehsendungen und Spielfilme, die Gewalt als einfaches Mittel zur Konfliktlösung präsentieren, eine Gesellschaft, die Arme oft als Versager hinstellt und ihnen ständig vor Augen hält, daß sie sich nicht das gleiche leisten können wie andere, und die steigende Zahl von Einelternfamilien, in denen sich eine überarbeitete Mutter abmüht, für ein oder mehrere unbeaufsichtigte Kinder zu sorgen. Eine Kombination der meisten oder aller dieser Faktoren oder noch weiterer Umstände führt zu der weltweit wachsenden Bedrohung durch Straßenbanden.
Die Schwierigkeit auszusteigen
Manche Bandenmitglieder lösen sich nach einiger Zeit von ihrer Gang und wenden sich anderen Aktivitäten zu. Andere ziehen vielleicht zu Angehörigen in einer anderen Gegend und entkommen dadurch dem Bandenleben. Aber oft ist es gar nicht so leicht, eine Gang zu verlassen.
In der Regel muß sich jemand, der einer Gang angehört, von mehreren Bandenmitgliedern brutal zusammenschlagen lassen, ehe er die Gruppe lebendig verlassen darf. Einige, die aus einer bestimmten Bande herauswollten, mußten sogar auf sich schießen lassen. Wenn sie überlebten, durften sie gehen. Lohnt es sich, solche Grausamkeiten zu riskieren, um aus einer Bande herauszukommen?
Ein junger Mann, der früher Mitglied einer Bande war, erklärt, warum er aussteigen wollte: „Fünf Freunde von mir waren schon unter der Erde.“ Das Bandenleben kann geradezu unglaublich gefährlich sein. Das Magazin Time berichtete über einen Mann, der früher zu einer Chicagoer Gang gehörte: „In seiner 7jährigen Laufbahn wurde ihm in den Magen geschossen, mit einer Eisenbahnschwelle auf den Kopf geschlagen, bei einer Schlägerei der Arm gebrochen, und er landete zweimal wegen Autodiebstahls im Gefängnis ... Aber jetzt, wo er endlich anständig geworden ist, sind sogar seine ehemaligen Freunde hinter ihm her.“
Ein besseres Leben möglich
Der Brasilianer Eleno war früher bei den „Headbangers“, einer Gang, die mit Messern und manchmal auch mit Schußwaffen auf andere losging. Da er sich sozial benachteiligt fühlte, befriedigte es ihn, Sachen zu beschädigen und Leute anzugreifen. Ein Arbeitskollege sprach mit ihm über die Bibel. Später besuchte Eleno einen Kongreß der Zeugen Jehovas, wo er ehemalige Freunde traf, die seine Gang verlassen hatten, sowie ein früheres Mitglied einer rivalisierenden Gang. Sie begrüßten sich wie Brüder, was in krassem Gegensatz zu ihrem früheren Verhalten stand.
Kommt so etwas wirklich vor? Ja, tatsächlich! Vor einiger Zeit traf sich jemand von unserer Redaktion mit Exmitgliedern von bedeutenden Gangs in Los Angeles, die inzwischen verschiedenen Versammlungen der Zeugen Jehovas angehören. Nach einem mehrstündigen Gespräch wurde einer von ihnen plötzlich nachdenklich, lehnte sich zurück und meinte: „Das muß man sich mal überlegen! Ehemalige ‚Bloods‘ und ‚Crips‘ sitzen hier zusammen und fühlen sich wie Brüder zueinander hingezogen.“ Sie waren sich einig, daß ihre Verwandlung von brutalen Bandenmitgliedern zu Männern, die sich durch Freundlichkeit und Liebe auszeichnen, dadurch zustande gekommen war, daß sie durch ein gründliches Bibelstudium göttliche Grundsätze kennengelernt hatten.
Ist so etwas in den 90er Jahren möglich? Können sich Bandenmitglieder in der heutigen Zeit von Grund auf ändern? Ja, das können sie, sofern sie bereit sind, sich mit Gottes Wort als starker Kraftquelle zu befassen und ihr Leben dann nach biblischen Grundsätzen auszurichten. Wer einer Bande angehört, sollte sich einmal überlegen, ob ein Neubeginn nicht auch etwas für ihn wäre.
Die Bibel fordert uns auf, ‘die alte Persönlichkeit abzulegen, die unserem früheren Wandel entspricht, und die neue Persönlichkeit anzuziehen, die nach Gottes Willen in wahrer Gerechtigkeit und Loyalität geschaffen worden ist’ (Epheser 4:22-24). Wie entwickelt man diese neue Persönlichkeit? Die Bibel sagt, daß die Persönlichkeit „durch genaue Erkenntnis erneuert wird nach dem Bilde dessen [Gottes], der sie geschaffen hat“ (Kolosser 3:9-11).
Ist eine solche Veränderung denn die Mühe wert? Ganz bestimmt! Falls du zu einer Gang gehörst, brauchst du Hilfe, um dich ändern zu können. In deiner Nachbarschaft gibt es Menschen, die dir gern beistehen. Allerdings sind Eltern oft am besten in der Lage, einen positiven Einfluß auf ihre Kinder auszuüben. Deshalb wollen wir uns als nächstes damit befassen, wie Eltern ihre Kinder vor Banden schützen können.
[Bild auf Seite 7]
Ehemalige Mitglieder rivalisierender Banden, die heute durch die biblische Wahrheit vereint sind