Studien über die inspirierten Schriften und ihren Hintergrund
Studie 6 — Der christliche griechische Text der Heiligen Schrift
Das Abschreiben des Textes der Griechischen Schriften und dessen Überlieferung im Griechischen und in anderen Sprachen bis heute; die Zuverlässigkeit des heutigen Textes
1. Wie kam die organisierte Lehrtätigkeit der Christen in Gang?
DIE ersten Christen wirkten überall als Lehrer und Verkündiger des geschriebenen ‘Wortes Jehovas’. Sie nahmen Jesu Worte ernst, die er kurz vor seiner Himmelfahrt äußerte: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der heilige Geist auf euch gekommen ist, und ihr werdet Zeugen von mir sein sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis zum entferntesten Teil der Erde“ (Jes. 40:8; Apg. 1:8). Wie Jesus vorhergesagt hatte, empfingen die ersten 120 Jünger am Pfingsttag des Jahres 33 u. Z. den heiligen Geist und wurden so mit Tatkraft erfüllt. Noch am selben Tag übernahm Petrus die Führung in dem neuen Lehrprogramm, indem er ein gründliches Zeugnis ablegte, so daß viele die Botschaft von Herzen annahmen und etwa 3 000 zu der neugegründeten Christenversammlung hinzukamen (Apg. 2:14-42).
2. Welche gute Botschaft wurde nun verkündigt, und wovon war dieses Zeugniswerk ein offenkundiger Erweis?
2 Zur Tat angespornt wie keine andere Gruppe je zuvor, setzten diese Jünger Jesu Christi ein Lehrprogramm in Gang, das schließlich bis an die Enden der damals bekannten Welt ausgedehnt wurde (Kol. 1:23). Ja, jene ergebenen Zeugen Jehovas gebrauchten eifrig ihre Füße und gingen von Haus zu Haus, von Stadt zu Stadt und von Land zu Land und verkündeten die „gute Botschaft guter Dinge“ (Röm. 10:15). Diese gute Botschaft handelte von der Loskaufsvorkehrung Christi, der Auferstehungshoffnung und dem verheißenen Königreich Gottes (1. Kor. 15:1-3, 20-22, 50; Jak. 2:5). Nie zuvor war der Menschheit ein solches Zeugnis in bezug auf Dinge gegeben worden, die nicht zu sehen sind. Es war ‘ein offenkundiger Erweis von Wirklichkeiten, obwohl man sie nicht sah’, eine Glaubensbekundung gegenüber den vielen, die nun Jehova aufgrund des Opfers Jesu als ihren Souveränen Herrn annahmen (Heb. 11:1; Apg. 4:24; 1. Tim. 1:14-17).
3. Was zeichnete die christlichen Prediger des 1. Jahrhunderts u. Z. aus?
3 Diese christlichen Prediger — Männer und Frauen — waren als Diener Gottes erleuchtet worden. Sie konnten lesen und schreiben. Sie waren in der Heiligen Schrift unterwiesen worden. Sie wußten, was in der Welt geschah. Sie waren es gewohnt zu reisen. Sie glichen Heuschrecken, denn sie ließen sich durch kein Hindernis davon abhalten, im Verbreiten der guten Botschaft immer weiter vorzudringen (Apg. 2:7-11, 41; Joel 2:7-11, 25). Sie wirkten im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung unter Menschen, die in vieler Hinsicht sehr stark den Menschen der heutigen Zeit glichen.
4. Was wurde unter Inspiration und unter der Leitung Jehovas in den Tagen der frühen Christenversammlung geschrieben?
4 Als fortschrittliche Prediger des ‘Wortes des Lebens’ machten die ersten Christen guten Gebrauch von allen verfügbaren biblischen Schriftrollen (Phil. 2:15, 16; 2. Tim. 4:13). Vier von ihnen, nämlich Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, wurden von Jehova dazu inspiriert, die ‘gute Botschaft über Jesus Christus’ schriftlich festzuhalten (Mar. 1:1; Mat. 1:1). Einige von ihnen, wie zum Beispiel Petrus, Paulus, Johannes, Jakobus und Judas, schrieben unter Inspiration Briefe (2. Pet. 3:15, 16). Weitere schrieben diese inspirierten Mitteilungen ab, die man zum Nutzen der sich mehrenden Versammlungen untereinander austauschte (Kol. 4:16). Ferner trafen die ‘Apostel und älteren Männer in Jerusalem’ unter der Leitung des Geistes Gottes in bezug auf Lehrpunkte Entscheidungen, die für späteren Gebrauch aufgezeichnet wurden. Diese zentrale leitende Körperschaft sandte auch Briefe mit Anweisungen an die weit verstreuten Versammlungen (Apg. 5:29-32; 15:2, 6, 22-29; 16:4). Und dazu mußte man für einen eigenen Postdienst sorgen.
5. (a) Was ist ein Kodex? (b) In welchem Ausmaß machten die frühen Christen vom Kodex Gebrauch, und worin bestanden seine Vorteile?
5 Um die Verbreitung der heiligen Schriften zu beschleunigen und diese auch in einer zum Nachschlagen günstigen Form zu liefern, gingen die frühen Christen bald dazu über, anstelle von Schriftrollen Handschriften in Kodexform zu gebrauchen. Der Kodex ist in seiner Form dem neuzeitlichen Buch ähnlich, dessen Blätter beim Suchen einer Stelle schnell umgeschlagen werden können, wohingegen eine Schriftrolle unter Umständen weit abgerollt werden mußte. Die Kodexform ermöglichte es überdies, kanonische Schriften zusammenzubinden, während Handschriften in Rollenform gewöhnlich einzeln aufbewahrt wurden. Die frühen Christen waren im Gebrauch des Kodex bahnbrechend. Es kann sogar sein, daß sie ihn erfunden haben. Während der Kodex nur langsam von nichtchristlichen Schriftstellern übernommen wurde, sind die allermeisten christlichen Papyri des 2. und des 3. Jahrhunderts in Kodexform erhalten.a
6. (a) In welche Zeit fällt das klassische Griechisch, was geschah in dieser Zeit, und wann entwickelte sich die Koine oder griechische Gemeinsprache? (b) Wie kam es dazu, daß die Koine allgemein gesprochen wurde?
6 Die Koine (die griechische Gemeinsprache) als Kommunikationsmittel. Die Zeit des sogenannten klassischen Griechisch reichte vom 9. bis zum 4. Jahrhundert v. u. Z. Es war die Zeit des attischen und des ionischen Dialekts. In dieser Zeit, und zwar besonders im 5. und im 4. Jahrhundert v. u. Z., wirkten viele griechische Dramatiker, Dichter, Redner, Geschichtsschreiber, Philosophen und Wissenschaftler, von denen Homer, Herodot, Sokrates, Platon und andere berühmt wurden. Etwa vom 4. Jahrhundert v. u. Z. bis zum 6. Jahrhundert u. Z. war das Zeitalter der Koine oder griechischen Gemeinsprache. Ihre Entwicklung war hauptsächlich den Feldzügen Alexanders des Großen zuzuschreiben. Seinem Heer gehörten Soldaten aus allen Teilen Griechenlands an. Ihre verschiedenen griechischen Dialekte vermischten sich schließlich zu einem gemeinsamen Dialekt, der Koine, einer Sprache, die dann allgemein gesprochen wurde. Alexander eroberte Ägypten und drang in Asien bis nach Indien vor. Auf diese Weise wurde die Koine unter vielen Völkern verbreitet, so daß sie zur internationalen Sprache wurde, was sie viele Jahrhunderte lang blieb. Bei dem Griechisch der Septuaginta handelt es sich um die Koine, die im 3. und 2. Jahrhundert v. u. Z. in Alexandria (Ägypten) gesprochen wurde.
7. (a) Wie bezeugt die Bibel, daß zur Zeit Jesu und seiner Apostel Koine gesprochen wurde? (b) Wieso eignete sich die Koine sehr gut für die Übermittlung des Wortes Gottes?
7 In den Tagen Jesu und seiner Apostel war die Koine die internationale Sprache des Römischen Reiches. Das wird selbst durch die Bibel bestätigt. Als Jesus an den Stamm genagelt wurde, mußte die Inschrift, die über seinem Haupt angebracht werden sollte, nicht nur in Hebräisch, der Sprache der Juden, abgefaßt werden, sondern auch in Latein, der Amtssprache des Landes, sowie in Griechisch, der Sprache, die auf den Straßen Jerusalems fast ebenso häufig zu hören war wie in Rom, Alexandria oder in Athen selbst (Joh. 19:19, 20; Apg. 6:1). Aus Apostelgeschichte 9:29 geht hervor, daß Paulus in Jerusalem die gute Botschaft Juden predigte, die Griechisch sprachen. Die Koine war zu jener Zeit eine kraftvolle, lebendige, gut entwickelte Sprache — eine Sprache, die gerade für die Verwirklichung des erhabenen Vorsatzes Jehovas bezüglich der weiteren Übermittlung seines Wortes zur Verfügung stand und sich vorzüglich dazu eignete.
DER GRIECHISCHE TEXT UND SEINE ÜBERLIEFERUNG
8. Warum untersuchen wir nun den Bestand an Handschriften der Griechischen Schriften?
8 Wie aus der vorangehenden Studie hervorgeht, hat Jehova seine Wasser der Wahrheit in einem Speicher schriftlicher Urkunden — den inspirierten Hebräischen Schriften — bewahrt. Was ist aber zu den Schriften der Apostel und anderen Jünger Jesu Christi zu sagen? Sind diese Aufzeichnungen mit gleicher Sorgfalt für uns bewahrt worden? Daß dies der Fall ist, zeigt eine Untersuchung des gewaltigen Bestands an Handschriften, die in Griechisch und anderen Sprachen erhalten geblieben sind. Wie bereits erklärt, besteht dieser Teil des Bibelkanons aus 27 Büchern. Betrachten wir, wie der Text dieser 27 Bücher überliefert wurde, so erkennen wir, auf welche Weise der griechische Urtext bis auf den heutigen Tag bewahrt worden ist.
9. (a) In welcher Sprache wurden die Christlichen Schriften geschrieben? (b) Welche Ausnahme ist bei Matthäus zu beachten?
9 Die Quelle griechischer Handschriften. Die 27 kanonischen Bücher der Christlichen Griechischen Schriften wurden in der damaligen griechischen Gemeinsprache geschrieben. Das Buch Matthäus wurde zum Nutzen des jüdischen Volkes anscheinend zuerst in Hebräisch abgefaßt. Das bestätigt der Bibelübersetzer Hieronymus (4. Jahrhundert u. Z.) mit dem Hinweis, es sei später ins Griechische übersetzt worden.b Matthäus selbst fertigte wahrscheinlich diese Übersetzung an, da er als ehemaliger römischer Staatsbeamter, d. h. als Steuereinnehmer, zweifellos Hebräisch, Latein und Griechisch konnte (Mar. 2:14-17).
10. Wie sind uns die biblischen Schriften überliefert worden?
10 Alle anderen christlichen Bibelschreiber, Markus, Lukas, Johannes, Paulus, Petrus, Jakobus und Judas, schrieben ihre Urkunden in der Koine, der damaligen Gemeinsprache, die von den Christen und den meisten anderen Menschen im 1. Jahrhundert verstanden wurde. Die letzte der ursprünglichen Urkunden wurde etwa im Jahr 98 u. Z. von Johannes geschrieben. Soweit man weiß, ist keine dieser 27 Urschriften in Koine bis heute erhalten geblieben. Allerdings sind uns aus dieser ursprünglichen Quelle Abschriften der Originale überliefert sowie Abschriften von Abschriften und ganze Familien von Abschriften. Alle zusammen ergeben einen gewaltigen Bestand an Handschriften der Christlichen Griechischen Schriften.
11. (a) Welch eine gewaltige Menge von Abschriften stehen heute zur Verfügung? (b) Wie unterscheiden sie sich in Menge und Alter von klassischen Werken?
11 Ein Bestand von mehr als 13 000 Handschriften. Heute steht eine gewaltige Menge von Abschriften aller 27 kanonischen Bücher zur Verfügung. Einige enthalten umfangreiche Teile der Heiligen Schrift; bei anderen handelt es sich lediglich um Fragmente. Gemäß einer Zählung gibt es mehr als 5 000 Handschriften in der griechischen Ursprache. Außerdem sind über 8 000 Handschriften in anderen Sprachen vorhanden — insgesamt mehr als 13 000 Handschriften. Sie datieren aus dem 2. bis 16. Jahrhundert u. Z., und jede davon ist eine Hilfe, den korrekten Urtext zu ermitteln. Die älteste der vielen Handschriften ist das als P52 bekannte Papyrusfragment des Johannesevangeliums in der John-Rylands-Bibliothek in Manchester (England), das in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts datiert wird, in die Zeit um 125 u. Z.c Somit entstand diese Abschrift nur etwa ein Vierteljahrhundert nach dem Original. Zieht man in Betracht, daß für die Festlegung des Textes der meisten klassischen Schriftsteller nur eine Handvoll Handschriften zur Verfügung stehen, die zudem nur selten aus demselben Jahrhundert wie die Urschriften stammen, so wird deutlich, welch umfangreiches Beweismaterial für die Zusammenstellung eines maßgebenden Textes der Christlichen Griechischen Schriften verfügbar ist.
12. Worauf wurden die ersten Handschriften geschrieben?
12 Papyrushandschriften. Wie für die frühen Abschriften der Septuaginta wurde für die ersten Handschriften der Christlichen Griechischen Schriften Papyrus verwendet, und bei diesem Beschreibstoff für Bibelhandschriften blieb es auch bis etwa zum 4. Jahrhundert u. Z. Die Bibelschreiber verwandten offenbar auch Papyrus, wenn sie Briefe an die Christenversammlungen schrieben.
13. Von welchem wichtigen Papyrusfund erfuhr die Öffentlichkeit 1931?
13 Große Mengen Papyrusschriften sind in der Provinz Faijum (Ägypten) gefunden worden. Ende des 19. Jahrhunderts wurden mehrere biblische Papyri entdeckt. Einer der wichtigsten aller Handschriftenfunde in neuerer Zeit war derjenige, der im Jahr 1931 bekannt wurde. Er bestand aus Teilen von 11 Kodexen, diese enthielten Teile von 8 verschiedenen Büchern der inspirierten Hebräischen Schriften und von 15 Büchern der Christlichen Griechischen Schriften, und zwar alle in Griechisch. Der Zeitpunkt ihrer Niederschrift fällt in die Zeit vom 2. bis zum 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Viele der aus diesem Fund stammenden Teile der Christlichen Griechischen Schriften befinden sich jetzt in den Chester-Beatty-Sammlungen und sind als P45, P46 und P47 verzeichnet, wobei das Zeichen „P“ für „Papyrus“ steht.
14, 15. (a) Welches sind einige in dem Verzeichnis auf Seite 313 angeführte hervorragende Papyrushandschriften der Christlichen Griechischen Schriften? (b) Zeige, welchen Gebrauch die Neue-Welt-Übersetzung davon gemacht hat. (c) Wofür sind die frühen Papyruskodexe eine Bestätigung?
14 Papyri einer weiteren bemerkenswerten Sammlung wurden von 1956 bis 1961 in Genf (Schweiz) veröffentlicht. Sie sind als die Bodmer-Papyri bekannt und enthalten den frühen Text zweier Evangelien (P66 und P75), die aus dem frühen 3. Jahrhundert u. Z. datieren. In dem dieser Studie vorangehenden Verzeichnis werden einige der hervorragenden Papyri der Hebräischen und der Christlichen Griechischen Schriften aufgeführt. In der letzten Spalte sind Stellen der Neuen-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift — mit Studienverweisen angegeben, deren Wiedergabe durch diese Papyrushandschriften gestützt wird, was aus Fußnoten zu den betreffenden Versen hervorgeht.
15 Diese Papyrusfunde liefern den Beweis dafür, daß der Bibelkanon zu einem sehr frühen Zeitpunkt vollendet war. Zwei Kodexe unter den Chester-Beatty-Papyri — einer enthält Teile von vier Evangelien und von der Apostelgeschichte (P45), und ein weiterer vereinigt 9 der 14 Briefe des Paulus (P46) — zeigen, daß die inspirierten Christlichen Griechischen Schriften kurz nach dem Tode der Apostel zusammengestellt wurden. Da Zeit erforderlich war, bis diese Kodexe so weit in Umlauf waren, daß sie bis nach Ägypten gelangten, wurden diese Schriften augenscheinlich spätestens im zweiten Jahrhundert gesammelt und in ihre einheitliche Form gebracht. Am Ende des 2. Jahrhunderts bestand kein Zweifel mehr darüber, daß der Kanon der Christlichen Griechischen Schriften und damit auch der gesamte Bibelkanon vollendet war.
16. (a) Welche Majuskeln sind bis heute erhalten geblieben? (b) In welchem Ausmaß wurde im Falle der Neuen-Welt-Übersetzung von den Majuskeln Gebrauch gemacht, und warum?
16 Velin- und andere Pergamenthandschriften. Wie wir aus der vorangehenden Studie erfahren haben, begann man etwa im 4. Jahrhundert u. Z., anstelle des Papyrus das haltbarere Velin als Beschreibstoff zu verwenden, ein feineres Pergament, das im allgemeinen aus der Haut von Kälbern, Lämmern oder Ziegen hergestellt wurde. Einige sehr wichtige heute vorhandene Bibelhandschriften sind auf Velin geschrieben. Wir haben bereits die Leder- und Pergamenthandschriften der Hebräischen Schriften besprochen. In dem Verzeichnis auf Seite 314 werden einige hervorragende Leder- und Velin- oder andere Pergamenthandschriften der Hebräischen und der Christlichen Griechischen Schriften angeführt. Die von den Griechischen Schriften verzeichneten sind gänzlich in Großbuchstaben geschrieben; man nennt sie deshalb „Majuskeln“. Ein biblisches Nachschlagewerk berichtet von 274 Majuskeln der Christlichen Griechischen Schriften, und diese Handschriften datieren aus der Zeit des 4. bis 10. Jahrhunderts u. Z. Außerdem gibt es die mehr als 5 000 Minuskeln, das heißt Handschriften, die in einer kleineren fortlaufenden Schrift (Kursivschrift) geschrieben sind.d Diese ebenfalls auf Velin angefertigten Handschriften entstanden in der Zeit vom 9. Jahrhundert u. Z. bis zur Erfindung des Buchdruckes. Wegen ihrer frühen Datierung und ihrer allgemeinen Genauigkeit hat das Übersetzungskomitee der New World Translation im Interesse einer gewissenhaften Übersetzung des griechischen Textes ausgiebigen Gebrauch von Majuskeln gemacht. Das geht aus dem Verzeichnis „Einige führende Leder- und Pergamenthandschriften“ hervor.
DAS ZEITALTER DER TEXTKRITIK FÜHRT ZU EINEM GELÄUTERTEN TEXT
17. (a) Welche zwei Ereignisse führten zu vermehrtem Studium des griechischen Textes der Bibel? (b) Für welches Werk wurde Erasmus bekannt? (c) Wie wird eine gedruckte Textausgabe erstellt?
17 Der Text des Erasmus. In den langen Jahrhunderten des „finsteren Mittelalters“, als die lateinische Sprache vorherrschte und Westeuropa unter der eisernen Faust der römisch-katholischen Kirche stand, war es um die Gelehrsamkeit und Bildung schlecht bestellt. Mit der Erfindung des Druckens mit beweglichen Lettern im 15. Jahrhundert und der Reformation im frühen 16. Jahrhundert erfreute man sich größerer Freiheit, und das Interesse an der griechischen Sprache lebte auf. Während dieser Renaissance der Bildung stellte der berühmte niederländische Gelehrte Desiderius Erasmus seine erste griechische Textausgabe des „Neuen Testaments“ her. (Eine solche gedruckte Textausgabe wird durch sorgfältiges Vergleichen mehrerer Handschriften erstellt, wobei die Wörter verwendet werden, auf die man sich allgemein als Urtext einigt, während in einem Fußnotenapparat unterschiedliche Lesarten einiger Handschriften vermerkt werden.) Diese Erstausgabe wurde im Jahre 1516 — ein Jahr vor Beginn der Reformation in Deutschland — in Basel (Schweiz) gedruckt. Die Erstausgabe enthielt viele Fehler, aber in den nachfolgenden Ausgaben von 1519, 1522, 1527 und 1535 wurde ein verbesserter Text geboten. Erasmus standen beim Zusammenstellen seiner Textausgabe nur wenige späte Minuskeln zum Vergleichen zur Verfügung.
18. Was ermöglichte der Erasmus-Text, und wer machte guten Gebrauch von diesem Text?
18 Der geläuterte griechische Text des Erasmus wurde als Grundlage für bessere Übersetzungen in verschiedene westeuropäische Sprachen herangezogen. So konnten Übersetzungen angefertigt werden, die diejenigen übertrafen, die man früher anhand der Vulgata (lateinisch) angefertigt hatte. Martin Luther machte als erster vom Erasmus-Text Gebrauch für seine deutsche Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften, die 1522 erschien. Als nächster folgte William Tyndale aus England; trotz heftiger Verfolgung vollendete er im Exil auf dem europäischen Kontinent im Jahr 1525 seine englische Übersetzung, die sich auf den Erasmus-Text stützte. Antonio Brucioli aus Italien übersetzte 1530 den Text des Erasmus ins Italienische. Mit dem Aufkommen des griechischen Textes von Erasmus begann das Zeitalter der Textkritik. Darunter versteht man die Methode, den Urtext der Bibel zu ermitteln und wiederherzustellen.
19. Was gibt es über die Geschichte der Einteilung der Bibel in Kapitel und Verse zu berichten, und was wurde durch diese Einteilung ermöglicht?
19 Die Einteilung in Kapitel und Verse. Der Pariser Robert Estienne, auch als Stephanus bekannt, war im 16. Jahrhundert ein berühmter Drucker und Herausgeber. Als Herausgeber erkannte er, wie praktisch zum schnellen Nachschlagen eine Einteilung in Kapitel und Verse wäre, und führte daher 1551 dieses System in seinem griechisch-lateinischen Neuen Testament ein. Die Verseinteilung in den Hebräischen Schriften hatten bereits die Massoreten vorgenommen. Aber die französische Bibel des Stephanus aus dem Jahr 1553 wies als erste vollständige Bibel die heutige Einteilung auf. Dieser folgte man in späteren deutschen Bibeln, was die Herstellung von Bibelkonkordanzen ermöglichte; dazu zählen die Calwer Bibelkonkordanz (1892) zur Lutherbibel, die Elberfelder Bibel-Konkordanz (1936) zur Elberfelder Bibel und die Konkordanz zur Einheitsübersetzung der Bibel (1985).
20. Was war der Textus receptus, und wofür diente er als Grundlage?
20 Der Textus receptus. Stephanus veröffentlichte auch mehrere Ausgaben des griechischen „Neuen Testaments“. Diese stützten sich hauptsächlich auf den Erasmus-Text und enthielten Berichtigungen gemäß der Complutensischen Polyglotte aus dem Jahr 1522 sowie 15 späten Minuskelhandschriften aus vorherigen Jahrhunderten. Stephanus’ dritte griechische Textausgabe (1550) war praktisch der Textus receptus (lateinisch für „angenommener Text“), der die Grundlage für andere Übersetzungen des 16. Jahrhunderts bildete sowie für die englische King James Version (1611) und teilweise auch für die deutsche Elberfelder Bibel (1871).
21. Für welche geläuterten Texte ist seit dem 18. Jahrhundert gesorgt worden, und wofür wurden sie verwendet?
21 Der geläuterte griechische Text. Spätere Gräzisten sorgten für zunehmend geläuterte Texte. Herausragend war die Textausgabe von J. J. Griesbach, der auf Hunderte griechischer Handschriften zurückgreifen konnte, die Ende des 18. Jahrhunderts verfügbar waren. Griesbachs beste Ausgabe des gesamten griechischen Textes erschien 1796/1806. Seine Textausgabe diente als Grundlage für die englische Übersetzung von Sharpe aus dem Jahr 1840 und lieferte den griechischen Text für die erstmals 1864 vollständig veröffentlichte Emphatic Diaglott. Weitere ausgezeichnete Textausgaben stammen von Konstantin von Tischendorf (1872) und von Hermann von Soden (1910). Letztere Ausgabe diente zum Beispiel als Grundlage für Moffatts englische Übersetzung von 1913 und für die deutsche Übersetzung von Ludwig Albrecht, 3. Auflage, 1922.
22. (a) Welcher griechische Text hat in weiten Kreisen Anerkennung gefunden? (b) Für welche Übersetzungen ist er als Grundlage verwendet worden?
22 Der Text von Westcott und Hort. Eine griechische Textausgabe, die in weiten Kreisen Anerkennung fand, wurde von den Gelehrten B. F. Westcott und F. J. A. Hort von der Universität Cambridge im Jahre 1881 veröffentlicht. Abzüge dieses griechischen Textes wurden vom Britischen Revisionskomitee (dem Westcott und Hort angehörten) für seine Revision des englischen „Neuen Testaments“ von 1881 zu Rate gezogen. Bei der Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften der Neuen-Welt-Übersetzung wurde hauptsächlich die Textausgabe von Westcott und Hort verwendet. Dieser Text diente auch als Grundlage für folgende Übersetzungen ins Englische: The Emphasised Bible, die American Standard Version, An American Translation (Smith/Goodspeed) und die Revised Standard Version.e Für letztere benutzte man auch den Text von Nestle.
23. Welche weiteren Textausgaben wurden für die Neue-Welt-Übersetzung verwendet?
23 Auch Nestles griechischer Text (18. Ausgabe, 1948) wurde vom Übersetzungskomitee der New World Translation zu Vergleichszwecken herangezogen. Das Komitee griff ebenso auf die Texte der beiden katholischen Gelehrten und Jesuiten Joseph M. Bover (1943) und Augustinus Merk (1948) zurück. Der 1975 von den United Bible Societies herausgegebene Text und die Ausgabe von Nestle-Aland (1979) wurden für eine Neubearbeitung der Fußnoten der Studienbibel (englisch: 1984; deutsch: 1986) verwendet.f
24. Welche alten Übersetzungen sind ebenfalls für die Neue-Welt-Übersetzung herangezogen worden? Nenne einige Beispiele.
24 Alte Übersetzungen aus dem Griechischen. Neben den griechischen Handschriften stehen heute auch viele Handschriften von Übersetzungen der Christlichen Griechischen Schriften in anderen Sprachen für das Studium zur Verfügung. Es sind etwa 50 Fragmente in Altlateinisch vorhanden sowie Tausende von Handschriften der Vulgata (lateinisch) des Hieronymus. Auch diese hat das Übersetzungskomitee der New World Translation herangezogen, ferner Übersetzungen ins Koptische, Armenische und Syrische.g
25. Von welchem speziellen Interesse sind die Übersetzungen ins Hebräische, auf die in der Neuen-Welt-Übersetzung verwiesen wird?
25 Mindestens vom 14. Jahrhundert an fertigte man Übersetzungen der Griechischen Schriften ins Hebräische an. Diese sind insofern von Interesse, als in mehreren von ihnen der göttliche Name wieder in den Christlichen Schriften erscheint. Die Neue-Welt-Übersetzung verweist häufig auf diese hebräischen Übersetzungen unter dem Zeichen „J“ mit einer hochgestellten Zahl. Einzelheiten darüber sind im Vorwort der Neuen-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift — mit Studienverweisen, Seite 11, 12 zu finden sowie im Anhang 1D („Der göttliche Name in den Christlichen Griechischen Schriften“).
UNTERSCHIEDLICHE LESARTEN UND IHRE BEDEUTUNG
26. Wie entstanden Textvarianten und Handschriftenfamilien?
26 Unter den mehr als 13 000 Handschriften der Christlichen Griechischen Schriften gibt es viele Textvarianten. Allein die 5 000 griechischen Handschriften weisen viele solche Unterschiede auf. Es ist leicht verständlich, daß sich in jede Abschrift früher Handschriften gewisse Fehler einschlichen. Wurde eine dieser frühen Abschriften zum Gebrauch in eine bestimmte Gegend gesandt, so gelangten diese Fehler in weitere, dort angefertigte Abschriften und waren dann für die aus dieser Gegend stammenden Handschriften charakteristisch. So bildeten sich Familien ähnlicher Handschriften heraus. Sollte man dann nicht die Tausende von Abschreibfehlern mit größter Sorge betrachten? Lassen sie nicht auf mangelnde Zuverlässigkeit in der Textüberlieferung schließen? Nein, keineswegs.
27. Welche Zusicherung wird uns in bezug auf die Unversehrtheit des griechischen Textes gegeben?
27 F. J. A. Hort, mitverantwortlicher Herausgeber des Westcott-und-Hort-Textes, schreibt: „Die große Masse der Wörter des Neuen Testaments ist über alle charakteristischen Verfahren der Kritik erhaben, weil sie frei von Varianten ist und lediglich abgeschrieben zu werden braucht. ... Wenn verhältnismäßig Belangloses ... beiseite gelassen wird, können die Wörter, die nach unserer Meinung immer noch Zweifeln unterliegen, kaum mehr als ein Tausendstel des ganzen Neuen Testaments ausmachen.“h
28, 29. (a) Wie ist der geläuterte griechische Text zu beurteilen? (b) Welche maßgebende Erklärung haben wir hierüber?
28 Beurteilung der Textüberlieferung. Wie ist somit die Unversehrtheit und Echtheit des Textes nach so vielen Jahrhunderten der Überlieferung zu beurteilen? Es existieren nicht nur Tausende von Handschriften, die miteinander verglichen werden können, sondern in den letzten Jahrzehnten wurden ältere Bibelhandschriften entdeckt, durch die der griechische Text bis ins Jahr 125 u. Z. zurückverfolgt werden kann, so daß fast nur zwei Jahrzehnte bis zum Tode des Apostels Johannes (um 100 u. Z.) fehlen. Diese Handschriften lassen mit hoher Sicherheit den Schluß zu, daß uns heute ein zuverlässiger griechischer Text in geläuterter Form vorliegt. Man beachte, zu welcher Beurteilung Sir Frederic Kenyon, der frühere Direktor und Bibliothekar des Britischen Museums, diesbezüglich kam:
29 „Der zeitliche Abstand zwischen der Urschrift und den frühesten erhaltenen Texten wird so gering, daß er praktisch unberücksichtigt bleiben kann. Der letzte Grund zum Zweifel, ob die Schriften des Neuen Testaments uns wirklich im wesentlichen so erhalten sind, wie sie abgefaßt wurden, ist damit beseitigt. Sowohl die Echtheit wie die allgemeine Unversehrtheit der neutestamentlichen Bücher darf als endgültig gesichert angesehen werden. Die allgemeine Unversehrtheit jedoch ist eines, und die Gewißheit in bezug auf Einzelheiten ist etwas anderes.“i
30. Weshalb können wir davon überzeugt sein, daß die Neue-Welt-Übersetzung ihrem Leser genau das „von Jehova Gesagte“ bietet?
30 Auf die zuletzt angesprochene „Gewißheit in bezug auf Einzelheiten“ geht Dr. Hort ein, wie das in Absatz 27 angeführte Zitat zeigt. Einzelheiten zu berichtigen ist die Aufgabe der Textkritiker, die auf diesem Gebiet sehr viel geleistet haben. Aus diesem Grund wird der geläuterte griechische Text von Westcott und Hort allgemein als ein Text von hoher Reinheit anerkannt. Den Christlichen Griechischen Schriften der Neuen-Welt-Übersetzung ist dieser ausgezeichnete griechische Text zugrunde gelegt worden, wodurch dem Leser das „von Jehova Gesagte“ so genau geboten werden kann, wie es uns wunderbarerweise in dem Bestand an griechischen Handschriften erhalten geblieben ist (1. Pet. 1:24, 25).
31. (a) Was haben neuzeitliche Entdeckungen bezüglich des Textes der Griechischen Schriften ergeben? (b) Was diente gemäß der Tafel auf Seite 309 als wichtigste Quelle für die Christlichen Griechischen Schriften der Neuen-Welt-Übersetzung, und welches sind einige zweitrangige Quellen, die verwendet wurden?
31 Des weiteren ist von Interesse, was Sir Frederic Kenyon in seinem Buch Our Bible and the Ancient Manuscripts (1962, Seite 249) schreibt: „Wir sollten uns mit der Erkenntnis zufriedengeben, daß die allgemeine Echtheit des neutestamentlichen Textes auf bemerkenswerte Weise durch die neuzeitlichen Entdeckungen gestützt wird, durch die sich der zeitliche Abstand zwischen den Urschriften und den frühesten uns vorliegenden Handschriften erheblich verringert, und daß die unterschiedlichen Lesarten, so interessant sie auch sind, die grundlegenden Lehren des christlichen Glaubens nicht berühren.“ Wie die Tafel „Quellen für den Text der Neuen-Welt-Übersetzung — Christliche Griechische Schriften“ auf Seite 309 zeigt, wurde auf alle einschlägigen Dokumente zurückgegriffen, um einen genau übersetzten Text zu bieten. Wertvolle Fußnoten stützen in allen Fällen die getreue Wiedergabe im Haupttext. Das Übersetzungskomitee der New World Translation machte sich bei der Herstellung seiner vortrefflichen Übersetzung das Beste von dem zunutze, was die Bibelforschung im Laufe der Jahrhunderte hervorgebracht hat. Wie sehr wir doch heute darauf vertrauen können, daß uns in dem vorliegenden Text der Christlichen Griechischen Schriften tatsächlich das „Muster gesunder Worte“ geboten wird, Worte, die von den Jüngern Jesu Christi unter Inspiration aufgezeichnet worden sind! Mögen wir im Glauben und in Liebe weiterhin an diesen kostbaren Worten festhalten! (2. Tim. 1:13).
32. Warum ist hier beträchtlicher Raum für eine Besprechung der Handschriften und des Textes der Heiligen Schrift eingeräumt worden, und mit welchem befriedigenden Ergebnis?
32 Sowohl diese Studie als auch die vorangehende sind einer Besprechung der Handschriften und des Textes der Heiligen Schrift gewidmet. Warum wird dieses Thema so ausführlich behandelt? Weil auf schlüssige Weise gezeigt werden soll, daß der Text der Hebräischen und der Griechischen Schriften im wesentlichen dem echten Urtext entspricht, zu dessen Niederschrift Jehova treue Männer der alten Zeit inspirierte. Jene Urschriften waren inspiriert. Die Abschreiber verrichteten ihre Tätigkeit — so tüchtig sie auch waren — jedoch nicht unter Inspiration (Ps. 45:1; 2. Pet. 1:20, 21; 3:16). Der große Bestand an Abschriften mußte daher sorgfältig überprüft werden, um eindeutig und unmißverständlich zu ermitteln, wie die reinen Wasser der Wahrheit ursprünglich von dem großen Quell, Jehova, hervorströmten. Ihm gebührt aller Dank für die wunderbare Gabe seines inspirierten Wortes, der Bibel, und die erquickende Königreichsbotschaft, die daraus hervorgeht.
[Fußnoten]
b Siehe Seite 176, Absatz 6.
c Einsichten über die Heilige Schrift, Band 1, Seite 323; J. D. Douglas, The New Bible Dictionary, zweite Ausgabe, 1986, Seite 1187.
d J. D. Douglas, New Bible Dictionary, zweite Ausgabe, 1986, Seite 1187; siehe auch K. Aland und B. Aland, Der Text des Neuen Testaments, 1982, Seite 113.
e Siehe das Verzeichnis „Einige führende Bibelübersetzungen in sieben Hauptsprachen“ auf Seite 322.
f The Kingdom Interlinear Translation of the Greek Scriptures, 1985, Seite 8, 9.
g Siehe Fußnoten zu Lukas 24:40; Johannes 5:4; Apostelgeschichte 19:23; 27:37 und Offenbarung 3:16.
h The New Testament in the Original Greek, 1974, Band I, Seite 561; siehe auch G. Kroll, Auf den Spuren Jesu, 1980, Seite 98, 99.
i The Bible and Archaeology, 1940, Seite 288, 289; siehe auch D. J. Wiseman, Zwischen Nil und Euphrat, 1959, Seite 96.