Warum Gott beschloß, die Kanaaniter auszurotten
WELCH wunderbare Befreiung! Jehova Gott hatte die Israeliten, die Nachkommen des treuen Abraham, aus der bedrückenden Sklaverei der Ägypter befreit. Durch ein Wunder teilten sich die Wasser des Roten Meeres, so daß die Israeliten trockenen Fußes hindurchziehen konnten, während die ihnen nachjagenden Ägypter umkamen, als Gott die Wasser wieder zurückkehren ließ. (2. Mose 14:1-31) Er sagte darauf zu den Israeliten: „Ich bin Jehova, euer Gott, der ich euch aus dem Lande Ägypten herausgeführt habe, um euch das Land Kanaan zu geben.“ — 3. Mose 25:38.
Dem göttlichen Beschluß entsprechend vernichteten die Israeliten, als sie schließlich in das Land kamen, gewisse kanaanitische Städte vollständig. Gott hatte ihnen geboten: „Du solltest sie unfehlbar der Vernichtung weihen. Du sollst keinen Bund mit ihnen schließen, noch ihnen irgendwelche Gunst erweisen.“ Diesem Gebot gehorchend, ging Josua daran, „das ganze Land der Berggegend und den Negeb und die Schephela und die Abhänge und alle ihre Könige zu schlagen. Er ließ keinen Überlebenden übrig, und alles, was atmete, weihte er der Vernichtung, so wie Jehova, der Gott Israels, geboten hatte.“ — 5. Mose 7:2; Josua 10:40, NW.
War es aber nicht unnötig grausam, alle Kanaaniter, die Widerstand leisteten, auch Frauen und Kinder, umzubringen? Warum beschloß Gott, die Kanaaniter vollständig auszurotten? Viele Bibelleser haben sich diese Frage schon gestellt, nicht um Gott zu kritisieren, sondern einfach, weil sie nicht verstehen können, warum er die Kanaaniter völlig ausrotten wollte.
WARUM DEN ISRAELITEN DAS LAND GEGEBEN WURDE
Unmittelbar bevor die Israeliten in Kanaan einzogen, machte ihnen Moses klar, warum Jehova sie bei der Eroberung des Landes unterstützen werde. Er sagte:
„Höre, Israel! du gehst heute über den Jordan, um hineinzukommen, Nationen in Besitz zu nehmen [zu enteignen, NW], größer und stärker als du, ... So wisse heute, daß Jehova, dein Gott, es ist, der vor dir her hinübergeht, ein verzehrendes Feuer; er wird sie vertilgen, und er wird sie vor dir beugen; und du wirst sie austreiben und sie schnell vernichten, so wie Jehova zu dir geredet hat. Sprich nicht in deinem Herzen, wenn Jehova, dein Gott, sie vor dir ausstößt: Um meiner Gerechtigkeit willen hat Jehova mich hierher gebracht, um dieses Land in Besitz zu nehmen; ... sondern um der Gesetzlosigkeit [Verderbtheit, HSK] dieser Nationen willen treibt Jehova, dein Gott, sie vor dir aus, und damit er das Wort aufrecht halte, welches Jehova deinen Vätern, Abraham, Isaak und Jakob, geschworen hat.“ — 5. Mose 9:1-5.
Hauptsächlich aus zwei Gründen gab Jehova also den Israeliten das Land Kanaan und ermächtigte sie, die kanaanitische Bevölkerung zu enteignen: erstens, weil er dieses Land Jahrhunderte vorher den Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs versprochen hatte, und zweitens, weil die Kanaaniter wegen ihrer außergewöhnlichen Gesetzlosigkeit die Vernichtung verdienten.
DEN PATRIARCHEN VERHEISSEN
Aufgrund einer göttlichen Weisung war Abram oder Abraham mit seinem ganzen Haus aufgebrochen und hatte sein Land verlassen, um in das Land zu ziehen, das Jehova ihm zeigen würde. Der Bibelbericht lautet: „Und sie kamen in das Land Kanaan. Und Abram durchzog das Land bis zu dem Orte Sichem, bis zur Terebinthe Mores. Und die Kanaaniter waren damals im Lande. Und Jehova erschien dem Abram und sprach: Deinem Samen will ich dieses Land geben.“ — 1. Mose 12:1-7; 13:14-16.
Später legte Jehova Gott die Grenzen des Landes genau fest und übertrug es rechtmäßig dem Samen oder den Nachkommen Abrahams. Die Bibel sagt: „An selbigem Tage machte Jehova einen Bund mit Abram und sprach: Deinem Samen gebe ich dieses Land vom Strome Ägyptens bis an den großen Strom, den Strom Phrat [Euphrat, NW].“ (1. Mose 15:17-21) Abrahams Sohn Isaak und Isaaks Sohn Jakob gegenüber bestätigte Jehova Gott diesen Bund, indem er das Land ihren Nachkommen verhieß. — 1. Mose 26:3-6; 28:13-16.
Jehova Gott, der Allmächtige, hat als Schöpfer und höchster Souverän bestimmt das Recht, ein Stück Land jemandem zu geben, dem er es geben will. Es ist so, wie wir es in den Christlichen Griechischen Schriften lesen: „[Gott] hat aus e i n e m Menschen jede Nation der Menschen gemacht, damit sie auf der ganzen Erdoberfläche wohnen, und er verordnete die bestimmten Zeitabschnitte und die festgesetzten Wohngrenzen der Menschen.“ (Apg. 17:26) Ja, Gott behielt sich das Recht vor, den Menschen gewisse Einschränkungen aufzuerlegen oder gewisse Grenzen zu setzen. Die Bibel sagt: „Als der Höchste den Nationen das Erbe austeilte, als er voneinander schied die Menschenkinder, da stellte er fest die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Israel.“ — 5. Mose 32:8.
Den Israeliten, den Nachkommen des gesegneten Abraham, teilte Jehova Gott daher das Land Kanaan zu. Er verfolgte dabei einen sehr wichtigen Zweck. Er wünschte ein besonderes Volk zu haben, das von seinen gerechten Gesetzen geleitet und das den Messias, den Retter gehorsamer Menschen, hervorbringen würde. Durch diesen messianischen Sohn Gottes sollten sich schließlich alle Nationen der Menschheit segnen können.
Gewiß, Gott hätte den Israeliten ein anderes Land zuteilen können, so daß es nicht nötig gewesen wäre, die Kanaaniter zu enteignen. Dadurch aber, daß er ihnen dieses Land gab, dienten sie ihm als Werkzeug zur Vernichtung der durch und durch verderbten Kanaaniter.
FÜR IHRE VERDERBTHEIT SCHON LANGE BEKANNT
Die Kanaaniter waren für ihre Verderbtheit schon lange bekannt. Sie stammten von Kanaan, dem Enkel Noahs über Ham, ab. (1. Mose 9:18) Kanaan, der wahrscheinlich von Natur zur Wollust neigte, hatte unverkennbar schlechte Züge an sich; das zeigte sich in einer perversen Handlung, die er an seinem Großvater Noah beging. Ham, der Vater Kanaans, hatte nichts unternommen, um diese Handlung zu verhindern, und unternahm nachher, als er davon erfuhr, auch nichts, um den Übeltäter zu züchtigen. Deshalb wurde Kanaan von Gott verflucht. (1. Mose 9:20-25) Da Gott den Ausgang jeder Sache im voraus kennt, wußte er, wozu dieser schlechte Charakterzug bei den Nachkommen Kanaans schließlich führen würde.
Schon in den Tagen Abrahams war ein Teil der kanaanitischen Bevölkerung seiner Umgebung, die Bewohner der Nachbarstädte Sodom und Gomorra, so gesetzlos und frönte in einem solchen Maß der Zügellosigkeit und Unsittlichkeit, daß Gott sie und ihre Städte durch Feuer vernichtete. Abraham hatte bei Gott Fürsprache für sie eingelegt, aber es konnten in diesen Städten nicht einmal zehn Gerechte gefunden werden. — 1. Mose 18:20—19:29; 9:19; 2. Petr. 2:6-8.
Bezeichnend für die Verderbtheit der Kanaaniter sind auch die Folgen, die Esaus Ehe mit kanaanitischen Frauen für seine Eltern, Isaak und Rebekka, hatte. Die Bibel sagt, diese Frauen seien „ein Herzeleid für Isaak und Rebekka“ gewesen und Rebekka sei ihretwegen „des Lebens überdrüssig“ gewesen. — 1. Mose 26:34, 35; 27:46.
Jehova Gott beschloß daher, der Verderbtheit der Kanaaniter eine Grenze zu setzen und sie nur noch so lange zuzulassen, bis jeder aufrichtige Beobachter erkennen könnte, daß die Kanaaniter die Vernichtung verdienten. Diese Zeit lief parallel mit der Zeit, in der Gott unter den Nachkommen Abrahams ein Volk für seinen Namen zubereitete. Jehova sagte zu Abraham über die künftigen Wanderungen seiner Nachkommen: „Im vierten Geschlecht werden sie hierher zurückkehren; denn die Ungerechtigkeit der Amoriter [offenbar des stärksten Stammes der Kanaaniter] ist bisher noch nicht voll.“ — 1. Mose 15:16.
Jehova war also langmütig. Er erwies den verderbten und sündhaften Stämmen Kanaans unverdiente Güte, indem er zuließ, daß sie sich in einem fruchtbaren Land, in einem „Land, das von Milch und Honig“ floß, ansiedelten und es mit ihren Greueln verunreinigten. Nun war der Tag der Abrechnung gekommen. Sie wollten sich nicht ändern. Darum mußten sie die Folgen tragen.
UNÜBERTROFFENE VERDERBTHEIT
Waren die Kanaaniter aber wirklich so sehr verderbt, daß sie es verdienten, ausgerottet zu werden? Mußten auch die Frauen und Kinder vernichtet werden? Ließ sich eine solch vollständige Vernichtung mit Gottes Gerechtigkeit und Liebe vereinbaren?
Die Bibel zeigt, daß die Kanaaniter tatsächlich sehr verderbt waren. In Verbindung mit dem Verbot von Blutschande, Hurerei und anderen ähnlichen Handlungen, sagte Gott noch zu den Israeliten: „Von deinen Kindern sollst du nicht hingeben, um sie dem Molech durch das Feuer gehen zu lassen ... Und bei einem Manne sollst du nicht liegen, wie man bei einem Weibe liegt: es ist ein Greuel. Und bei keinem Vieh sollst du liegen, so daß du dich an ihm verunreinigst; und ein Weib soll sich nicht vor ein Vieh hinstellen, um mit ihm zu schaffen zu haben: es ist eine schändliche Befleckung. Denn alle diese Greuel haben die Leute dieses Landes getan, die vor euch waren, und das Land ist verunreinigt worden.“ (3. Mose 18:2-23, 27) Ja, Kinderopfer, Homosexualität und Unzucht mit Tieren gehörten zur Lebensweise der Kanaaniter! Darüber hinaus trieben sie auch Magie, Wahrsagerei, Zauberei und andere von Gott verabscheute Dinge. — 5. Mose 18:9-12.
Die Religion der Kanaaniter war äußerst unmoralisch und entartet. Ihre „heiligen Pfähle“ waren Geschlechtssymbole, und viele ihrer „Höhen“-Riten waren mit Unzucht und geschlechtlicher Ausschweifung verbunden. Kein Wunder, daß Gott gebot, sie auszurotten! Selbst die Frauen und Kinder hätten die Israeliten zu unsittlichen Handlungen und zum Götzendienst verleitet, wenn sie am Leben gelassen worden wären. — 2. Mose 23:24; 34:12-17; 4. Mose 33:52; 5. Mose 7:3-5; 20:16-18.
Aus weltlichen Quellen, besonders aus den 1929 in Ras Schamra (dem alten Ugarit) an der syrischen Küste gefundenen Dokumenten, hat man viel über die mit dem Kult der Kanaaniter verbundenen unzüchtigen Riten erfahren. Baal wird als der wichtigste Gott und Astarte oder „Astoreth“ als die wichtigste Göttin dargestellt, und der Bibelbericht bestätigt diese Tatsache. — Ri. 2:12, 13, Fußnote; 6:25-32; 10:6; 1. Sam. 7:3, 4.
Baal wird als Fruchtbarkeitsgott beschrieben, der ständig wiederkehrende, den Jahreszeiten oder dem Werden und Vergehen in der Natur entsprechende Zyklen des Sterbens und Wiederauferstehens durchlief. Seine Rückkehr zum Leben, wonach er wieder zur Macht gelangte und sich wieder mit Astoreth, seiner Gemahlin, vereinigte, wurde am Neujahrstag, der in den Herbst fiel, mit lasterhaften Fruchtbarkeitsriten gefeiert. Die Baalsverehrer betranken sich und gaben sich hemmungslos der Befriedigung ihrer sinnlichen Begierden hin. Sie glaubten, sie könnten durch Geschlechtsverkehr dazu beitragen, daß Baal völlig aufwache und sich mit seiner Gemahlin vereinige.
Obwohl Astoreth hauptsächlich als Fruchtbarkeitsgöttin dargestellt wurde, verkörperte sie auch die Gewalt und den Krieg. Professor John B. Noss schreibt daher in seinem Buch Man’s Religions über sie: „Manchmal griff sie zum Schwert, schwang sich nackt auf ein Pferd und ritt davon in eine blutige Schlacht.“ Bei den Philistern Kanaans war Astoreth wahrscheinlich eine Kriegsgöttin, denn die Waffen des besiegten Königs Saul wurden in den Tempel der Astoreth gebracht. — 1. Sam. 31:10.
Archäologische Funde haben gezeigt, daß der Astorethkult mit lasterhaften Riten verbunden war. In Halley’s Bible Handbook (Ausgabe 1964, Seite 161) heißt es über solche Funde: „Auf dieser ‚Höhe‘ fand Macalister unter dem Schutt auch große Mengen von Statuen und Plaketten der Astoreth mit stark betonten Geschlechtsmerkmalen, offensichtlich dazu bestimmt, die Sinnlichkeit zu erregen.
Zum Kult der Kanaaniter gehörten also Riten, verbunden mit der hemmungslosen Befriedigung sinnlicher Begierden vor ihren Göttern. Diesen Göttern brachten sie auch Opfer dar, indem sie ihre erstgeborenen Kinder töteten.“
Wie verwerflich! Wer wollte also Gott wegen seines Befehls, dieses sittlich verkommene, verderbte Volk auszurotten, noch einen Vorwurf machen? In Unger’s Bible Dictionary heißt es auf Seite 912: „Die kanaanitische Religion mit ihrem zügellosen Naturdienst, ihrem Fruchtbarkeitskult, verbunden mit Schlangensymbolen, ihren zur Wollust reizenden nackten Figuren und den vielen Sagen ist durch diese Texte [die in Ras Schamra gefunden wurden] so, wie sie war, ans Tageslicht gehoben worden. Kritiker können nun nicht mehr sagen, der Gott Israels habe ungerecht gehandelt, weil er befahl, daß diese entarteten Kulte ausgerottet werden sollten.“
IN ÜBEREINSTIMMUNG MIT GOTTES GERECHTIGKEIT UND LIEBE
Die Kanaaniter wußten vierzig Jahre im voraus, daß die Israeliten kommen würden, und hatten eindrucksvolle Beweise dafür, daß Gott, der Allmächtige, mit diesem Volk war. (Josua 2:9-21, 24; 9:24-27) Außer Rahab und ihren Angehörigen und den Bewohnern der Gibeoniterstädte baten die zur Vernichtung bestimmten Bewohner des Landes nicht um Barmherzigkeit und versuchten auch nicht zu fliehen, sondern widerstanden Jehova hartnäckig. Gott handelte daher nicht ungerecht, als er die Vernichtung dieser hartnäckigen Gegner anordnete. — Josua 11:19, 20.
Das Gebot Jehovas, die Kanaaniter auszurotten, war in Wirklichkeit ein Gebot der Liebe, und die Israeliten mußten viel leiden, weil sie diesem Gebot nicht vollständig nachkamen. Wegen des Einflusses, den die verschonten Kanaaniter auf die Israeliten ausübten, mußten bestimmt mehr Menschen sterben (abgesehen von weiteren Folgen, wie Verbrechen, Unsittlichkeit und Götzendienst), als dies der Fall gewesen wäre, wenn das Gebot, alle Kanaaniter auszurotten, treu befolgt worden wäre. — 4. Mose 33:55, 56; Ps. 106:34-43.
Durch die Vernichtung des Ägypterheeres im Roten Meer, die Zerstörung der Städte Sodom und Gomorra durch Feuer und durch seinen Beschluß, die Bewohner Kanaans auszurotten, zeigte Jehova Gott, daß er Verderbtheit und Bosheit nicht für immer duldet. Wie glücklich können wir deshalb sein, daß er das gegenwärtige böse System der Dinge durch seinen höchsten Urteilsvollstrecker, Jesus Christus, nun bald vernichten und eine neue gerechte Ordnung herbeiführen wird! — 2. Thess. 1:6-9; Offb. 19:11-21; 2. Petr. 3:13.