Die Bergpredigt — Ihr Rahmen und Hintergrund
DIE Bergpredigt ist die berühmteste Predigt, die je gehalten wurde. Hunderte von Millionen Menschen überall auf der Erde kennen Worte daraus und reden davon. Hat diese Ansprache, die Jesus Christus vor nahezu 2 000 Jahren gehalten hat, den Menschen von heute etwas zu sagen?
Streben die Menschen immer noch nach Glück? Benötigen sie immer noch rechte Grundsätze als Anleitung für ihr Verhalten untereinander? Gibt es heute Personen, die wissen möchten, was Gott in bezug auf eine ihm wohlgefällige Anbetung fordert?
Menschen, die darüber zuverlässigen Aufschluß wünschen, sind zahlreicher als je zuvor. Da die Bergpredigt gerade diese Themen behandelt, ist sie im 20. Jahrhundert ebenso zeitgemäß wie zu der Zeit, als sie gehalten wurde. Eine eingehende Betrachtung dieser berühmten Predigt Jesu wird für uns daher von großem Nutzen sein.
Doch zuvor möchten wir uns dem Rahmen und Hintergrund dieser großartigen Ansprache zuwenden.
ZWEI HARMONISCHE BERICHTE
Die Bergpredigt erscheint offensichtlich in zwei Evangelien (Matthäus, Kapitel 5—7; Lukas 6:20-49). Der Bericht des Matthäus über die Bergpredigt ist ungefähr viermal so lang wie der des Lukas. Nur fünfeinhalb Verse in der Wiedergabe des Lukas erscheinen nicht in der des Matthäus. Parallelstellen beider Berichte weisen oft beträchtliche Unterschiede im Wortlaut auf. Sollten dadurch Zweifel an der Authentizität der Predigt, wie sie in unserer Bibel erscheint, entstehen?
Zu dem Einwand, Lukas lasse im Vergleich zum Wortlaut in Matthäus große Teile der Predigt aus, schreibt A. T. Robertson in dem Werk A Harmony of the Gospels for Students of the Life of Christ: „Dabei übersieht man die verschiedenen größeren Teile mit demselben Inhalt, die Lukas an anderen Stellen erwähnt bzw. Jesus bei anderen Gelegenheiten wiederholte ([vergleiche] Matth. 6:9-13 und Luk. 11:2-4; Matth. 6:25-34 und Luk. 12:22-31). Jesus wiederholte seine Aussprüche oft bei anderen Gelegenheiten, was alle Lehrer tun bzw. tun sollten. ... Es sollte uns auch nicht überraschen, daß Lukas, der im allgemeinen für alle Christen schreibt, zu Beginn der Predigt große Teile ausläßt, die besonders für die Juden bestimmt sind (siehe Matth. 5:17-27; 6:1-18).“ Robertson fügt dann hinzu:
„Abgesehen von diesen Abweichungen, die sich erklären lassen, sollte man überdies daran denken, daß die beiden Ansprachen gleich beginnen und gleich enden, daß sie eine allgemeine Ähnlichkeit in der Anordnung der verschiedenen Teile aufweisen und daß sie sich ungefähr gleichen und im Ausdruck oft absolut identisch sind.“
ZEIT UND ORT
Zu welcher Zeit während seines irdischen Dienstes hielt Gottes Sohn diese Predigt? Die Bibel berichtet, daß Jesus seine erste Reise durch Galiläa unterbrach, um in Jerusalem „ein Fest der Juden“ (wahrscheinlich das Passah im Jahre 31 u. Z.) zu feiern (Joh. 4:46 — 5:1). Lukas berichtet, daß sich Jesus nach seiner Rückkehr nach Galiläa einen Verweis von den Pharisäern zuzog, weil er einen Mann mit einer verdorrten Hand am Sabbat geheilt hatte (Luk. 6:6-11). Kurze Zeit danach „ging er hinaus auf den Berg, um zu beten, und er verbrachte die ganze Zeit im Gebet zu Gott. Als es aber Tag wurde, rief er seine Jünger zu sich und wählte zwölf aus ihnen aus, denen er auch den Namen Apostel gab“ (Luk. 6:12, 13).
Danach „kam [Jesus] mit ihnen herab und stellte sich auf einen ebenen Platz hin, und da war eine große Menge seiner Jünger und eine große Menge Leute aus ganz Judäa und Jerusalem und aus dem Küstenland von Tyrus und Sidon, die gekommen waren, um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Auch die, die durch unreine Geister beunruhigt wurden, wurden geheilt. Und alles Volk suchte ihn anzurühren, weil Kraft von ihm ausging und sie alle gesund machte. Und er erhob seine Augen zu seinen Jüngern“ und begann mit der Bergpredigt (Luk. 6:17-20).
Somit hielt Jesus die Bergpredigt, kurze Zeit nachdem er seine 12 Apostel ausgewählt hatte. Das war offensichtlich im Jahre 31 u. Z., ungefähr zur Hälfte seines dreieinhalbjährigen Dienstes auf der Erde. Zwar hörte „eine große Menge Leute“ aus ganz Palästina die Predigt, doch der biblische Bericht verrät, daß Jesus hauptsächlich zum Nutzen seiner Jünger sprach (Matth. 5:1, 2; Luk. 6:17, 20).
An welchem Ort hielt Jesus diese Ansprache? Darüber werden viele Mutmaßungen angestellt. Einige meinen, auf einem hohen Berg in Galiläa, wie zum Beispiel dem Berg Tabor. Andere geben den sogenannten „Hörnern von Hattin“ den Vorzug, die zwischen dem Berg Tabor und Kapernaum liegen. Die Bibel bezeichnet jedoch den genauen Ort, an dem die Bergpredigt gehalten wurde, nicht näher. In dem von James Hastings herausgegebenen Werk A Dictionary of the Bible heißt es dazu:
„Die Predigt wurde in Galiläa gehalten, der Gegend, in der Jesus hauptsächlich tätig war (vgl. Mt 4:23-25, Lk 6:17). Selbst wenn man Mt 8:5, Lk 7:1 als Andeutung dafür nimmt, daß sich der Ort des Geschehens in der Nähe von Kapernaum befand, wäre die genaue Örtlichkeit dennoch unbestimmt. ... Der in Mt 5:1, 8:1, Lk 6:12 erwähnte Berg wird nicht namentlich genannt und läßt sich nicht identifizieren. Wir dürfen jedoch annehmen, daß die Predigt in der Gegend westlich des Sees gehalten wurde, unweit des dichtbesiedelten Ufers.“
JESU LEHRMETHODE
Ist dir je aufgefallen, inwiefern sich die in der Bergpredigt angewandte Lehrmethode von der Art und Weise, in der Intellektuelle lehren, unterscheidet? In dem genannten Nachschlagewerk von Hastings heißt es über Jesu Lehrmethode:
„Er belehrte die Menschenmengen in ihren Synagogen, auf den Landstraßen, am Seegestade und auf den Hügeln Galiläas. Dabei kleidete er seine religiösen Wahrheiten und ethischen Grundsätze in konkrete volkstümliche Aussprüche, drückte seine Lebensauffassung in einfachen Worten aus und stellte sie den althergebrachten Sitten und Bräuchen gegenüber und benutzte zur Veranschaulichung seiner Lehren die alltäglichen Beschäftigungen und die Erfahrung seiner Zuhörer sowie Beispiele aus ihrer Umwelt. Völlig frei von Scholastik und Intellektualismus, ... behandelte er diese Themen nicht nach der Methode der alten oder neuzeitlichen Schulen. Er legte seine Gedanken so dar, daß er von allen verstanden werden konnte. Er sprach mit einer Einfachheit, einem Unterscheidungsvermögen und einer Inbrunst, daß sich alle ernsthaften Zuhörer angesprochen fühlten.“
Wie gut kennst du die in der Bergpredigt behandelten Wahrheiten? Vielleicht kennst du das Mustergebet oder „Vaterunser“ und die als „Goldene Regel“ bekannten Worte Jesu: „Alles daher, was ihr wollt, daß euch die Menschen tun, sollt auch ihr ihnen ebenso tun“ (Matth. 6:9-13; 7:12). Wie verhält es sich aber mit den übrigen Darlegungen Jesu? Würdest du sie gern ausführlicher im einzelnen betrachten?
Die folgenden Ausgaben des Wachtturms werden Artikel enthalten, in denen die ganze Bergpredigt behandelt wird. Ziehe vollen Nutzen aus diesem Aufschluß, indem du jetzt schon oder so bald wie möglich die ganze Bergpredigt aufmerksam liest. Lies sie wirklich aufmerksam. Sinne über Jesu Worte nach. Es wird dir viel Freude bereiten.