Fragen von Lesern
◼ Kann man von jemandem, der sich Jehova Gott hingegeben hat, mit Recht sagen, er habe ein Gelübde abgelegt?
Wenn jemand den wahren Gott liebengelernt hat und entschlossen ist, ihm rückhaltlos zu dienen, sollte er sich Jehova hingeben und sich dann taufen lassen. Das Wort „Gelübde“ kommt in der Bibel im Zusammenhang mit der christlichen Hingabe zwar nicht vor, aber das bedeutet nicht, daß es verkehrt wäre, es in diesem Zusammenhang zu gebrauchen.
Nach dem Buch Hilfe zum Verständnis der Bibel ist ein Gelübde in biblischem Sinne ein „feierliches Versprechen, etwas Bestimmtes zu tun, ein Opfer oder eine Gabe darzubringen oder in einen bestimmten Dienst oder Stand zu treten; ein Leistungs- oder Enthaltungsgelöbnis“ (Seite 485). Bei einigen in der Bibel erwähnten Gelübden handelt es sich um Versprechen, etwas Bestimmtes zu tun, sofern Gott zuerst etwas tun würde. In 4. Mose 21:2 heißt es zum Beispiel: „Demzufolge legte Israel Jehova ein Gelübde ab und sprach: ‚Wenn du dieses Volk gewißlich in meine Hand geben wirst, so werde ich bestimmt ihre Städte der Vernichtung weihen‘“ (1. Mose 28:20-22; Richter 11:30-39). Wenn sich ein Christ Gott hingibt, legt er natürlich kein solches an eine Bedingung geknüpftes Gelübde ab. Er sagt nicht gewissermaßen: „Wenn du mich jetzt mit Glück und Wohlstand segnest, Jehova, und mir die Gewähr gibst, daß ich im neuen System der Dinge ewig leben werde, verspreche ich dir, mein ganzes Leben in deinen Dienst zu stellen.“
In der Bibel werden einige Gelübde erwähnt, die freiwillig, unaufgefordert abgelegt wurden. In Wilson’s Old Testament Word Studies heißt es über das betreffende hebräische Wort: „[nadár] geloben, d. h. freiwillig versprechen, etwas zu geben oder zu tun; der Hauptgedanke ist aussondern“. Ein Gelübde wird Gott also freiwillig geleistet. Könnte man nun folgern, daß die Hingabe und die Taufe eines Jüngers Jesu nichts mit einem Gelübde zu tun haben, weil Gott jetzt verlangt, daß sich alle, die seine Gunst erlangen möchten, ihm hingeben?a
Wenn Jehova an die, die seine Freunde werden möchten, gewisse Bedingungen stellt, bedeutet das aber nicht, daß es dabei nicht um eine persönliche Wahl der Betreffenden geht. Moses sagte zu den Israeliten: „Ich [habe] dir Leben und Tod vorgelegt ..., den Segen und den Fluch; und du sollst das Leben wählen, damit du am Leben bleibest, du und deine Nachkommen“ (5. Mose 30:19, 20; Psalm 15:1-5; vergleiche Josua 24:15; 1. Könige 18:21). Man denke an die Worte Jesu: „Kommt zu mir alle, die ihr euch abmüht und die ihr beladen seid, und ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin mild gesinnt und von Herzen demütig, und ihr werdet Erquickung finden für eure Seele“ (Matthäus 11:28, 29). Ist das eine willkürliche Bedingung, eine Forderung? Oder ist es eine Einladung, die eine freiwillige Entscheidung zuläßt?
Jesus gehörte von Geburt einer Gott hingegebenen Nation an. Viele Einzelheiten seines Lebens und seines Todes waren in Prophezeiungen im voraus festgelegt worden, und Gott hatte ihm einen Leib bereitet, der geopfert werden sollte. Dennoch entschied sich Christus freiwillig, den besonderen Dienst aufzunehmen, was durch seine Worte zum Ausdruck kommt: „Da sprach ich: ‚Siehe! Ich bin gekommen (in der Rolle des Buches steht über mich geschrieben), um deinen Willen, o Gott, zu tun‘“ (Hebräer 10:5-10). Ebenso muß jeder selbst entscheiden, ob er ein Gott hingegebener, getaufter Christ werden möchte.
Außerdem sind sich Christen heute darüber im klaren, daß ein Wort wie das Wort „Gelübde“ nicht nur so zu gebrauchen ist, wie es in der Bibel gebraucht wird. Jehovas Zeugen haben in einigen Ländern bei Eheschließungen in ihren Königreichssälen den Ausdruck „Ehegelübde“ schon seit langem verwendet.b Das stimmt mit der allgemeinen Bedeutung des Wortes „Gelübde“ überein, das folgendermaßen erklärt wird: „Gelübde ...: feierliches [vor Gott abgelegtes] Versprechen; Gelöbnis, etw. Bestimmtes zu tun“ (Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Duden, 1977, S. 985).
Demnach ist es anscheinend nicht notwendig, das Wort „Gelübde“ nur beschränkt zu gebrauchen. Für jemand, der sich entschlossen hat, Gott zu dienen, mag seine rückhaltlose Hingabe einem persönlichen Gelübde — einem Hingabegelübde — gleichkommen. Er verspricht feierlich, etwas Bestimmtes zu tun, und das ist nichts anderes als ein Gelübde. Es bedeutet für ihn, sein Leben in den Dienst Jehovas zu stellen und Gottes Willen treu zu tun. Er sollte die Sache ernst nehmen. Er sollte so eingestellt sein wie der Psalmist, der über das, was er gelobt hatte, sagte: „Was soll ich Jehova vergelten für alle seine Wohltaten an mir? Den Becher großartiger Rettung werde ich nehmen, und den Namen Jehovas werde ich anrufen. Meine Gelübde werde ich Jehova bezahlen“ (Psalm 116:12-14; siehe ferner Psalm 50:14).
[Fußnoten]
a Dieser Standpunkt wurde im Wachtturm vom 15. Januar 1974 (Seite 63, 64) vertreten.
b Bei einer Eheschließung legen Braut und Bräutigam gegenseitig ein Gelübde ab, aber sie tun es ebenfalls vor Zeugen und vor Gott.