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Der Verlust einer Gliedmaße — Könnte mir das passieren?Erwachet! 1999 | 8. Juni
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Der Verlust einer Gliedmaße — Könnte mir das passieren?
Benjamin war gerade draußen und genoß die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne über Sarajevo, als er auf eine Landmine trat. Das linke Bein wurde völlig zerfetzt. „Ich versuchte aufzustehen“, erinnert sich Benjamin. „Es ging nicht.“ Benjamin ist nur einer von 20 000 Menschen im Jahr, die durch Landminen getötet oder verkrüppelt werden.
IN Angola liegen gut und gern 15 Millionen Landminen im Boden vergraben — das sind mehr Landminen, als es Männer, Frauen und Kinder im Land gibt. Mittlerweile haben dort 70 000 Menschen Gliedmaßen verloren. Der weltweit höchste Prozentsatz an Menschen, denen Gliedmaßen fehlen, ist in Kambodscha zu verzeichnen, einem Land, in dem 8 bis 10 Millionen Landminen vergraben wurden — hier hat schätzungsweise jeder 236. eine Gliedmaße verloren. In Bosnien-Herzegowina soll es über 3 Millionen Landminen geben — das sind 59 Minen pro Quadratkilometer.
Aber nicht nur in kriegsgebeutelten Ländern verlieren Menschen ihre Gliedmaßen. Auch in den Vereinigten Staaten gibt es beispielsweise zirka 400 000 Menschen, denen eine Gliedmaße fehlt. Hier ist der Verlust einer Gliedmaße bei den Erwachsenen dieser Gruppe in den meisten Fällen die Folge einer chronischen Erkrankung mit dem unspezifischen Oberbegriff „periphere Gefäßerkrankungen“. Dazu zählen eine Vielzahl von Störungen. Im Taber’s Cyclopedic Medical Dictionary heißt es, „periphere Gefäßerkrankungen“ sei eine unpräzise Bezeichnung für „Erkrankungen der Arterien und Venen in den Extremitäten, vor allem für die Krankheitszustände, die eine ausreichende Durchblutung der Extremitäten behindern“. Eine Hauptursache für periphere Gefäßerkrankungen ist Diabetes. Laut dem World Health Report 1998 werden sich die „Diabeteserkrankungen bei Erwachsenen zwischen 1997 und 2025 weltweit von 143 Millionen auf 300 Millionen gut und gern verdoppeln“.
In den Vereinigten Staaten sind Traumen die zweite Hauptursache für den Verlust von Gliedmaßen. Darunter fallen Unfälle mit Fahrzeugen, Maschinen, Elektrowerkzeugen und Waffen. Traumen sind für 20 bis 30 Prozent aller Amputationen verantwortlich. Andere Ursachen für den Verlust von Gliedmaßen sind Tumoren (ungefähr 6 Prozent) und Geburtsfehler (ungefähr 4 Prozent).
Der Gedanke daran, eine der kostbaren Gliedmaßen zu verlieren, ist, gelinde gesagt, erschreckend. Gibt es irgendeine Möglichkeit, das Risiko herabzusetzen? Und kann man sich trotz des Verlusts einer Gliedmaße einer guten Lebensqualität erfreuen? Auf diese und andere Fragen werden die folgenden Artikel eingehen.
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Der Verlust einer Gliedmaße — Wie man das Risiko verringern kannErwachet! 1999 | 8. Juni
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Der Verlust einer Gliedmaße — Wie man das Risiko verringern kann
IN DEN meisten Fällen läßt sich der Verlust einer Gliedmaße verhindern! Das trifft sogar auf Menschen zu, die an einer peripheren Gefäßerkrankung leiden. Wie im vorherigen Artikel erwähnt, ist hierbei oft Diabetes der Auslöser.a Zum Glück ist Diabetes häufig in den Griff zu bekommen.
„Diät ist das A und O einer Diabetesbehandlung, ganz gleich, ob Insulin verabreicht wird oder nicht“, heißt es in der Encyclopædia Britannica. Dr. Marcel Bayol vom Kings County Hospital in New York sagte gegenüber Erwachet!: „Sofern Diabetiker ihre Krankheit ernst nehmen, ihre Diät einhalten und sich unter ärztliche Aufsicht begeben, werden sie das Risiko, eine der unteren Gliedmaßen zu verlieren, verringern.“ Bei Patienten mit Diabetes Typ II, die sich an diese Empfehlung halten, können sich die Krankheitssymptome im Lauf der Zeit sogar bessern.b
Bewegung ist unerläßlich
Wichtig ist auch Bewegung. Das hilft dem Körper, den Glukose- oder Blutzuckergehalt im Normalbereich zu halten. Sind Anzeichen für eine periphere Gefäßerkrankung vorhanden, trägt Bewegung dazu bei, daß die erkrankten Zonen kräftig und geschmeidig bleiben und gut durchblutet werden. Bewegung verringert zudem die Gefahr des sogenannten intermittierenden Hinkens und damit auch die Schmerzen, die bei Patienten mit peripheren Gefäßerkrankungen beim Gehen oder bei sportlicher Betätigung in der Wadenmuskulatur auftreten können. Allerdings sollten solche Patienten Übungen vermeiden, die die Beine zu sehr belasten. Vorteilhaft ist Gehen, Radfahren, Rudern, Schwimmen und Wassergymnastik. Bevor man eine Diät oder ein spezielles Trainingsprogramm beginnt, sollte man stets einen Arzt konsultieren.
Für jeden, der sich einer guten Gesundheit erfreuen möchte, sollte Rauchen natürlich tabu sein. Periphere Gefäßerkrankungen sind nur e i n Stichwort auf der langen Liste von Erkrankungen, die durch Rauchen verursacht oder verschlimmert werden. „Ein maßgeblicher Faktor für Amputationen ist Rauchen, insbesondere wenn der Raucher Diabetes und eine periphere Gefäßerkrankung hat“, meinte Dr. Bayol. Wie wichtig? In einem Rehabilitationsführer für Amputierte heißt es, daß „Amputationen bei Rauchern 10mal häufiger vorkommen als bei Nichtrauchern“.
Kranke Gliedmaßen pflegen
Durch eine periphere Gefäßerkrankung kann die Blutzirkulation in den unteren Gliedmaßen vermindert und eine [diabetische] Neuropathie hervorgerufen werden — ein Absterben oder Taubwerden der Nerven. Die Gliedmaßen sind dann anfällig für Verletzungen, selbst wenn jemand einfach nur im Bett liegt. Würde beispielsweise ein Heizkissen oder eine Heizdecke überhitzt, könnte der Patient schwere Verbrennungen erleiden, weil er kein Schmerzempfinden hat. Aus diesem Grund weisen Hersteller Diabetiker darauf hin, bei solchen Kissen oder Decken Vorsicht walten zu lassen.
Kranke Gliedmaßen sind des weiteren anfälliger für Infektionen. Schon ein kleiner Kratzer kann zu Geschwüren und sogar zu Gangrän führen. Fußpflege ist daher absolut wichtig; das schließt auch ein, daß man bequeme, gutsitzende Schuhe trägt und die Beine und Füße sauber- und trockenhält. Viele Krankenhäuser haben eine Fußpflegeabteilung, in der Patienten über die richtige Fußpflege aufgeklärt werden.
Ist eine periphere Gefäßerkrankung so weit fortgeschritten, daß ein chirurgischer Eingriff erforderlich ist, werden Chirurgen in der Regel versuchen, eine Amputation zu vermeiden. Alternativ bietet sich ihnen hierzu die Angioplastie mit einem Ballonkatheter. Ein Gefäßchirurg führt einen Katheter ein, an dessen Spitze sich ein Ballon befindet. Der Ballon wird aufgeblasen und dehnt die verstopfte Arterie auf. Eine andere Möglichkeit ist eine Bypassoperation — hierbei werden schwer geschädigte Blutgefäße durch andere körpereigene Blutgefäße ersetzt.
Barbara ist 54 Jahre alt und hat seit ihrem fünften Lebensjahr Diabetes Typ I. Nach der Geburt ihres ersten Kindes entwickelte sich an ihren Füßen eine periphere Gefäßerkrankung. Einige Ärzte rieten ihr zu einer Amputation. Barbara fand jedoch einen namhaften Gefäßchirurgen, der die Durchblutung der Füße mit Hilfe der Angioplastie verbesserte. Eine Weile konnte ihr damit geholfen werden, dann brauchte Barbara einen Bypass, der ebenfalls mit Erfolg gesetzt wurde. Heute achtet Barbara gewissenhaft auf eine sorgfältige Fußpflege.
Traumen vermeiden
Traumen sind die zweite Hauptursache für den Verlust von Gliedmaßen. Sie können im Gegensatz zu den peripheren Gefäßerkrankungen zum Verlust jedes x-beliebigen Körperteils führen. Eine gottgefällige Ansicht über das Leben kann jedoch viel dazu beitragen, das Risiko eines Traumas zu senken. Christen sollten ihren Körper als ein Geschenk von Gott behandeln — ob bei der Arbeit, beim Autofahren oder in der Freizeit. Aus diesem Grund wollen sie alle Sicherheitsbestimmungen einhalten und keine unvernünftigen Risiken eingehen (Römer 12:1; 2. Korinther 7:1).
Was wird in den mit Landminen übersäten Ländern getan, um dort das Risiko eines Traumas herabzusetzen? In vielen Ländern finanziert die Regierung Minenaufklärungsprogramme. Laut einem Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen wird die „gefährdete Bevölkerung, ... also Menschen, die in den verminten Gegenden wohnen und arbeiten“, durch diese Programme darüber aufgeklärt, „wie sie das Verletzungsrisiko so gering wie möglich halten kann“.
Leider „gewöhnen sich die Menschen an die Minen und werden unvorsichtig“, hieß es in einem Bericht der Vereinten Nationen. „Auf Grund religiöser Ansichten nehmen sie manchmal eine fatalistische Haltung gegenüber solchen Gefahren ein.“ Eine fatalistische Einstellung wird in Gottes Wort jedoch nicht gestützt. Im Gegenteil, die Bibel fordert zur Umsicht und zu Sicherheitsmaßnahmen auf (5. Mose 22:8; Prediger 10:9).
Wenn man also umsichtig ist und vernünftige Schritte unternimmt, um seine Gesundheit zu schützen, kann man das Risiko, eine Gliedmaße zu verlieren, erheblich verringern. Doch wie steht es mit Menschen, die bereits Gliedmaßen verloren haben? Können sie sich dennoch einer guten Lebensqualität erfreuen?
[Fußnoten]
a Probleme mit den Gefäßen in den Beinen können auch dadurch ausgelöst beziehungsweise verschlimmert werden, daß jemand enganliegende Kleidung oder schlechtsitzende Schuhe trägt oder über einen längeren Zeitraum hinweg sitzt (vor allem mit übereinandergeschlagenen Beinen) oder steht.
b Patienten mit Diabetes Typ I erhalten täglich Insulinspritzen. Patienten mit Diabetes Typ II (nicht insulinabhängiger Diabetes) können ihre Krankheit oftmals durch Diät und Bewegung in den Griff bekommen. In den Vereinigten Staaten haben 95 Prozent der Diabetiker Diabetes Typ II.
[Bild auf Seite 4]
Rauchen erhöht das Risiko, eine Gliedmaße zu verlieren, erheblich, vor allem bei Patienten mit Gefäßerkrankungen
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Entsprechende Bewegung und gute Ernährung tragen zu einem gesunden Gefäßsystem bei
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Lebensqualität trotz fehlender GliedmaßeErwachet! 1999 | 8. Juni
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Lebensqualität trotz fehlender Gliedmaße
„BERGSTEIGER erklimmt erneut Gipfel“. So schrieb eine Zeitung, nachdem Tom Whittaker den Gipfel des Mount Everest erreicht hatte. Bereits vor ihm waren viele Bergsteiger in diese schwindelerregende Höhe gestiegen, aber Tom Whittaker war der erste Amputierte, dem das gelang. Er hatte durch einen Verkehrsunfall einen Fuß verloren. Doch ein künstlicher Fuß, eine Prothese, ermöglichte es ihm, seinem Sport wieder nachzugehen. Tausende von Amputierten erfreuen sich dank ähnlicher Konstruktionen ebenfalls einer hohen Lebensqualität. Es ist nichts Ungewöhnliches mehr, Amputierte sprinten, Basketball spielen oder radfahren zu sehen.
Die ersten Modelle künstlicher Beine und Hände waren einfache Holzstöcke und Eisenhaken. Doch da in Kriegen Tausende von Menschen verstümmelt wurden, sind diese Hilfsmittel verbessert worden. Es überrascht nicht, daß ein zur Armee gehörender Chirurg — der Franzose Ambroise Paré — im 16. Jahrhundert die erste Generation echter Prothesen eingeführt haben soll. Heutige Prothesen werden mitunter hydraulisch betrieben, haben ausgeklügelte Kniegelenke und bewegliche Füße aus Carbonfasern, bestehen aus Silikon, Kunststoff oder anderen High-Tech-Materialien und ermöglichen vielen Menschen, sich natürlicher und freier zu bewegen und zu gehen, als man je für möglich gehalten hätte. Fortschritte in der Mikroelektronik gestatten eine natürlichere Bewegung von künstlichen Armen und Händen. Auch was das Aussehen angeht, haben sich Prothesen verbessert. Die modernen künstlichen Gliedmaßen haben Finger und Zehen, manche scheinen sogar Adern zu haben. Eine Frau, die als Modell arbeitete und wegen einer Krebserkrankung ein Bein verlor, erhielt eine so natürlich wirkende Prothese, daß sie ihre Karriere als Modell fortsetzen konnte.
Die persönliche Einstellung ist von Bedeutung
Dennoch gab die Expertin für Psychohygiene Ellen Winchell zu bedenken: „Wer eine persönliche Krise, beispielsweise als Folge einer Amputation, durchmacht, wird auf jedem Gebiet stark gefordert — körperlich, emotionell, mental und geistig.“ Ein Beispiel dafür ist William, der als Folge eines verletzungsbedingten Gangräns ein Bein verlor. Er sagt: „Einer der Schlüsselfaktoren, um jedes Problem im Leben zu überwinden, ist die persönliche Einstellung. Ich habe meine Behinderung nie als Belastung gesehen. Vielmehr bin ich trotz aller Rückschläge, die ich seit dem Unfall erlitten habe, positiv geblieben.“ Ellen Winchell, die selbst eine Amputation hinter sich hat, meint ebenfalls, daß Menschen mit einer positiven Grundhaltung eher mit dem Verlust einer Gliedmaße umgehen können als pessimistische Menschen. Die Bibel sagt: „Ein Herz, das freudig ist, tut Gutes als Heiler“ (Sprüche 17:22).
Erwachet! sprach mit einer Reihe von Christen, die mit dem Verlust einer Gliedmaße gut zurechtkommen. Die meisten empfahlen, sich nicht zu sehr verunsichern zu lassen und aus der Behinderung kein Geheimnis zu machen. „Es würde mich stören, wenn andere denken würden, sie dürften dieses Thema nicht ansprechen“, erklärt Dell, dessen linkes Bein unterhalb des Knies amputiert worden ist. „Meiner Meinung nach ist das für jede Seite unangenehm.“ Falls jemand die rechte Hand verloren hat und er einem anderen vorgestellt wird, sollte er — laut der Empfehlung mancher Experten — von sich aus zum Händeschütteln gleich die linke Hand reichen. Und falls ihm jemand wegen der Prothese Fragen stellt, sollte er ihm davon erzählen. Wenn man selbst unbefangen ist, nimmt das auch der anderen Person die Befangenheit. Gewöhnlich geht man in einem Gespräch dann sowieso bald zu anderen Themen über.
Es gibt „eine Zeit zum Lachen“ (Prediger 3:4b). Eine Frau, die den Verlust einer Hand zu beklagen hat, meint, es sei am wichtigsten, den Humor zu behalten. Man müsse sich stets vergegenwärtigen, daß die Einstellung anderer zu der eigenen Person großenteils davon geprägt werde, wie man sich selbst sehe.
„Eine Zeit zum Weinen“
Nachdem Dell sein Bein verloren hatte, sagte er sich zunächst: „Das war’s. Mein Leben ist gelaufen.“ Florindo und Floriano aus Angola verloren durch Landminen Gliedmaßen. Florindo erzählt, er habe drei Tage und drei Nächte geweint. Auch Floriano hatte mit seinen Gefühlen zu kämpfen. „Ich war erst 25“, schreibt er. „Eben noch konnte ich alles tun, und plötzlich konnte ich nicht einmal mehr aufstehen. Ich war deprimiert und niedergeschlagen.“
Es gibt „eine Zeit zum Weinen“ (Prediger 3:4a). Und es ist nur natürlich, eine Phase tiefer Trauer durchzumachen, wenn man einen schweren Verlust erlitten hat. (Vergleiche Richter 11:37; Prediger 7:1-3.) „Um Trauer zu überwinden, muß man sie durchleben“, schreibt Ellen Winchell. Oftmals kann es einem helfen, mit einem mitfühlenden Zuhörer über seine Gefühle zu sprechen (Sprüche 12:25). Aber die Trauer hält nicht ewig an. Manche werden nach dem traumatischen Verlust einer Gliedmaße vielleicht vorübergehend etwas launenhaft, kritisch, ängstlich oder einsiedlerisch. Das läßt jedoch in der Regel nach. Falls nicht, hat vielleicht eine Depression eingesetzt — eine Krankheit, die gewöhnlich medizinisch behandelt werden muß. Familienangehörige und Freunde sollten auf etwaige Anzeichen achten, ob der Betreffende in dieser Richtung Hilfe benötigt.a
W. Mitchell, dessen Beine gelähmt sind, schreibt: „Wir alle brauchen Menschen, denen wir am Herzen liegen. Wenn man sich von einem Netz von Freunden und Familienangehörigen umgeben fühlt, läßt sich nahezu alles tragen, wohingegen eine Person, die versucht, sich allein durchs Leben zu schlagen, schon von einem kleinen Rückfall völlig aus der Bahn geworfen werden kann. Und Freundschaften ergeben sich nicht einfach von selbst, sie müssen aktiv begonnen und gepflegt werden, sonst schlafen sie ein.“ (Vergleiche Sprüche 18:24.)
Eine hohe Lebensqualität trotz einer fehlenden Gliedmaße
Trotz ihrer Behinderung haben viele Menschen, denen eine Gliedmaße fehlt, eine hohe Lebensqualität. Russell kam beispielsweise mit einem verkrüppelten linken Bein zur Welt. Mit 78 Jahren betreibt er immer noch regelmäßig Sport und lebt ein ausgefülltes Leben, auch wenn er heute einen Stock benutzt. Auf Grund seiner fröhlichen Natur trägt Russell, wie er verrät, seit langem den Spitznamen „Happy“.
Douglas verlor im Zweiten Weltkrieg ein Bein und geht heute mit Hilfe einer modernen Prothese. Er ist Zeuge Jehovas und seit sechs Jahren als allgemeiner Pionier (Vollzeitprediger) aktiv. Und wie steht es mit Dell, der dachte, sein Leben sei gelaufen, nachdem er sein Bein verloren hatte? Auch er führt ein ausgefülltes Leben als Pionier und ist imstande, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Wie ergeht es allerdings den Menschen in den armen oder vom Krieg zerrissenen Ländern, die Gliedmaßen verloren haben? Die Weltgesundheitsorganisation berichtet: „Die Realität sieht heute so aus, daß nur ein kleiner Prozentsatz Körperbehinderter Hilfe erhält.“ Viele können sich nur mit Stöcken oder Krücken fortbewegen. Doch mitunter wird ihnen geholfen. Floriano und Florindo, die beiden Landminenopfer aus Angola, haben vom Internationalen Roten Kreuz und der Schweizer Regierung Prothesen bekommen. Floriano setzt sich in der Ortsversammlung der Zeugen Jehovas freudig als Dienstamtgehilfe ein, und Florindo ist Ältester und Vollzeitprediger.
Eine Vereinigung, die sich um Behinderte kümmert, erklärte treffend: „Wirklich behindert sind einzig und allein die Menschen, die den Mut verloren haben.“ Interessanterweise spielt die Bibel eine wichtige Rolle dabei, Behinderten wieder Mut zu geben. „Es war mir eine enorme Hilfe, die biblische Wahrheit kennenzulernen, während ich mich wieder aufrappelte“, meint Dell. Und auch Russell sagt: „Meine biblisch begründete Hoffnung hat mir immer durch Schwierigkeiten hindurchgeholfen.“ Was für eine Hoffnung bietet denn die Bibel behinderten Menschen?
[Fußnote]
a Siehe den Artikel „Wie man Deprimierten helfen kann, wieder Freude zu finden“ im Wachtturm vom 15. März 1990.
[Kasten auf Seite 8]
Phantomschmerz
Mit Phantomempfinden ist das sehr reale Gefühl gemeint, daß die fehlende Gliedmaße noch vorhanden ist. Dieses Empfinden nach einer Amputation ist normal und derart real, daß es in einer Broschüre für Amputierte heißt: „Denken Sie an das Phantomempfinden, wenn Sie ohne Ihre Prothese aus dem Bett steigen oder sich von einem Stuhl erheben wollen. Schauen Sie immer nach unten, um sich daran zu erinnern, daß Ihr Fuß nicht da ist.“ Eine Patientin, die beide Beine verloren hatte, wollte einmal aufstehen, um ihrem Arzt die Hand zu schütteln, und fiel dabei auf den Boden.
Ein weiteres Problem ist der Phantomschmerz. Hierbei hat man das Gefühl, in der amputierten Gliedmaße tatsächlich einen Schmerz zu empfinden. Die Heftigkeit, Art und Dauer des Phantomschmerzes ist von Person zu Person unterschiedlich. Glücklicherweise lassen sowohl das Phantomempfinden als auch der Phantomschmerz im Lauf der Zeit nach.
[Bild auf Seite 6]
Moderne Prothesen machen das Leben für viele körperbehinderte Menschen erheblich angenehmer
[Bildnachweis]
Photo courtesy of RGP Prosthetics
[Bild auf Seite 7]
Trauer ist eine normale Reaktion auf einen schweren Verlust
[Bild auf Seite 8]
Viele körperbehinderte Menschen erfreuen sich einer hohen Lebensqualität
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Wenn alle Behinderungen verschwinden werdenErwachet! 1999 | 8. Juni
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Wenn alle Behinderungen verschwinden werden
EINE Tetraplegikerin sagte einmal, die meisten Menschen seien nur „vorübergehend nicht behindert“. Ein wahres Wort, denn früher oder später machen sich bei uns allen körperliche Mängel bemerkbar. Deshalb floriert der Markt für Brillen, Kontaktlinsen, Gebisse, Hörgeräte, Herzschrittmacher und Knieimplantate. Römer 8:22 sagt ganz treffend: ‘Die gesamte Schöpfung seufzt fortgesetzt und liegt zusammen in Schmerzen bis jetzt.’
Jeder von uns kann sich daher durch die Verheißung Gottes getröstet fühlen, nach deren Worten er gehorsamen Menschen auf einer gerechten ‘neuen Erde’ vollkommene körperliche Gesundheit schenken wird (2. Petrus 3:13; Offenbarung 21:3, 4). In Jesaja 35:5, 6 heißt es: „Zu jener Zeit werden die Augen der Blinden geöffnet, und die Ohren der Tauben, sie werden aufgetan. Zu jener Zeit wird der Lahme klettern wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird jubeln.“
Wie die Bibel vorhersagt, wird eine „große Volksmenge“ die Vernichtung des gegenwärtigen bösen Systems überleben (Offenbarung 7:9, 14; Psalm 37:10, 11, 29). Ohne Frage werden Menschen, die an schweren Behinderungen oder Gesundheitsproblemen leiden, bald nach jener Vernichtung von ihren Gebrechen augenblicklich geheilt werden (Jesaja 33:24). Einen Vorgeschmack von den Heilungen, die in Gottes neuer Welt stattfinden werden, gab Jesus, als er auf der Erde war und ähnliche Heilungen vollbrachte. (Vergleiche Markus 5:25-29; 7:33-35.) Nicht einmal annähernd läßt sich erahnen, welche Euphorie die Menschen dann verspüren und wie viele Freudentränen sie vergießen werden, wenn Amputierte ihre Prothesen, Krücken und Rollstühle ausrangieren können. Mit einem gesunden Körper werden sie dann imstande sein, die ihnen von Gott übertragene Aufgabe zu bewältigen, die Erde in ein paradiesisches Zuhause umzuwandeln (Lukas 23:43).
Bis dahin sehen sich Körperbehinderte allerdings noch einem Kampf gegenüber. Nelson, ein Körperbehinderter in Kanada, sagt: „Wenn ich merke, daß ich anfange, mich selbst zu bemitleiden, denke ich an Jesu Worte aus Matthäus 24:13: ‚Wer ... bis zum Ende ausgeharrt haben wird, der wird gerettet werden.‘“ Trotz ihrer Einschränkungen können Körperbehinderte auf dem wichtigsten Gebiet — im Glauben — gesund und „vollständig“ sein, indem sie im christlichen Glauben ausharren (Jakobus 1:3, 4).
Jehovas Zeugen haben Millionen von Menschen geholfen, sich diesen Glauben anzueignen. Dell, der körperbehinderte Mann, von dem im vorherigen Artikel die Rede war, sagt: „Ich kann gar nicht mit Worten ausdrücken, was ich empfand, als ich erfuhr, daß körperliche Probleme wie die meinigen in Wirklichkeit nur vorübergehender Natur sind.“ Da Dell und viele andere von dieser Hoffnung beflügelt werden, trifft das Wort „behindert“, so gesehen, wohl kaum auf sie zu.
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