Entwickelt eine inbrünstige Liebe zueinander
„Liebt einander inbrünstig von Herzen“ (1. Petr. 1:22).
1, 2. (a) Von welcher Bedeutung ist die Liebe? (b) Weshalb geben selbst atheistische Wissenschaftler zu, daß Liebe unerläßlich ist?
LIEBE ist eine wichtige Voraussetzung für Frieden, Glück und Zufriedenheit. Daß das Leben ohne Liebe gar nicht lebenswert wäre, geben selbst materialistisch denkende Wissenschaftler zu. „Ich möchte behaupten“, so sagte der bekannte Wissenschaftler Sir Julian Huxley, „daß die Liebe von einzigartiger Bedeutung ist ... Liebe ist unerläßlich.“
2 Warum heben selbst Personen, die die Existenz eines Schöpfers bestreiten, die Bedeutung der Liebe hervor? Weil wir Menschen, wie wissenschaftliche Studien zeigen, ein Bedürfnis nach Liebe haben. So, wie wir unseren Hunger stillen müssen, um am Leben zu bleiben, müssen wir auch lieben und geliebt werden. Der Wissenschaftler Ashley Montagu schrieb: „Aufgrund der Beobachtungen mehrerer Ärzte und Forscher wissen wir heute, daß die Liebe bei der Ernährung eines jeden Kleinkindes eine wichtige Rolle spielt und daß sich sein Organismus nicht gesund entwickelt, wenn es nicht geliebt wird ... Selbst bei guter physischer Ernährung mag es abnehmen und sterben.“
WESHALB MENSCHEN LIEBE HABEN
3. (a) Wieso erhalten Kinder gewöhnlich die Liebe, die sie benötigen? (b) Wie erhielten die Menschen die Fähigkeit zu lieben?
3 Glücklicherweise besteht jedoch wenig Gefahr, daß ein Kind die zärtliche, selbstlose Fürsorge, die es benötigt, nicht erhalten wird. Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß „eine nährende Mutter“ von Natur aus, wie die Bibel sagt, „ihre eigenen Kinder hegt und pflegt“ (1. Thess. 2:7). Woher haben Mütter diese Liebe zu ihren Kindern? Sie haben sie nicht zufällig entwickelt. Ist es nicht einleuchtend, daß ihnen diese Liebe von einem liebevollen Schöpfer verliehen worden ist? Jeder von uns hat die Fähigkeit zu lieben, und wenn er diese Eigenschaft pflegt, kann er sie auf höchst bewundernswerte und wohltuende Weise zum Ausdruck bringen.
4. (a) Wieso wissen wir, daß Adam mit dieser Eigenschaft, der Liebe, erschaffen wurde? (b) Welchen Beweis gibt es dafür, daß Adam Liebe zu Eva hatte und daß er seinen Nachkommen die Fähigkeit, eine Person vom anderen Geschlecht zu lieben, vererbt hat?
4 Jehova Gott verlieh dem ersten Menschenpaar diese Gabe, die Liebe, schon bei der Erschaffung. Denn wir wissen, daß Adam „im Bilde Gottes“ erschaffen wurde, und da „Gott Liebe ist“ — das heißt, Liebe ist seine vorherrschende Eigenschaft —, müßte ein Geschöpf, das in seinem Bilde gemacht ist, ebenfalls Liebe haben (1. Mose 1:26, 27; 1. Joh. 4:8). Daß Adam, dem ersten Menschen, Liebe zu seiner hübschen jungen Frau verliehen worden war, zeigen die freudigen Worte, die er bei ihrem Anblick äußerte: „Dies ist endlich Bein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch“ (1. Mose 2:23). Obgleich Adam sündigte und die Vollkommenheit verlor, vermittelte er seinen Nachkommen nicht nur die Fähigkeit zu lieben, sondern auch die Fähigkeit, eine Person vom anderen Geschlecht anziehend und reizvoll zu finden. Ja, für einen weisen Mann des Altertums zählte, wie er sagte, „der Weg eines körperlich tauglichen Mannes mit einem herangereiften Mädchen“ zu den vier Dingen, die für ihn zu wunderbar waren, um sie zu verstehen (Spr. 30:19; 1. Mose 24:67; 26:8).
LIEBE IST UMFASSEND
5. Was zeigt, daß es außer der romantischen Liebe zwischen Mann und Frau auch eine Liebe unter Blutsverwandten gibt?
5 Aber außer dieser romantischen Liebe, die zwischen Mann und Frau entstehen kann, empfinden Menschen gewöhnlich auch zu ihren Blutsverwandten eine starke natürliche Zuneigung. Als daher Joseph nach vielen Jahren der Trennung Benjamin wiedersah, waren „seine inneren Empfindungen seinem Bruder gegenüber ... erregt“. Später „fiel er Benjamin, seinem Bruder, um den Hals und brach in Weinen aus, und Benjamin weinte an seinem Halse“ (1. Mose 43:30; 45:14). Diese unter Familienangehörigen herrschende Liebe veranlaßte auch Andreas, nachdem er den Messias gefunden hatte, seinen Bruder Petrus zu suchen, um ihm diese großartige Nachricht zu überbringen (Joh. 1:40-42).
6. Welche biblischen Beispiele zeigen, daß sich jemandes Liebe außer auf Blutsverwandte auch auf andere Personen erstrecken kann?
6 Doch diese Eigenschaft, die Liebe, kann sich außer auf Blutsverwandte auch auf andere Personen erstrecken. Jonathan, der Benjaminiter, der Sohn König Sauls von Israel, war von den guten Eigenschaften Davids, eines Nachkommen Judas, so sehr bewegt, daß sich seine „Seele mit Davids Seele verband, und Jonathan begann ihn zu lieben wie seine eigene Seele“. Als Jonathan später getötet worden war, fühlte sich David bewogen, ihn „Bruder“ zu nennen und zu sagen: „Ich bin bekümmert deinetwegen, mein Bruder Jonathan, sehr angenehm warst du mir. Wunderbarer war mir deine Liebe als die Liebe von Frauen.“ Die Liebe, die Ruth, die Moabiterin, zu ihrer Schwiegermutter Noomi empfand, ist ein weiteres Beispiel dafür, daß sich Liebe über Blutsverwandte hinaus auf andere Personen erstrecken kann (1. Sam. 18:1; 2. Sam. 1:26; Ruth 1:16, 17).
7. Wie umfassend muß die Liebe eines Christen sein?
7 Auch Personen, die wahre Christen werden, müssen — ungeachtet der Rasse, der Nationalität, der gesellschaftlichen Stellung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer christlichen Brüder und Schwestern — herzliche brüderliche Liebe zueinander haben. Dies zeigte Jesus, als er sagte: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe unter euch habt“ (Joh. 13:35). Dennoch darf sich die Liebe eines wahren Christen nicht nur auf diejenigen beschränken, die mit ihm zusammen Gott dienen. Sie muß sich auch noch auf andere erstrecken. Ja, Jesus gebot: „Fahrt fort, eure Feinde zu lieben und für die zu beten, die euch verfolgen, damit ihr euch als Söhne eures Vaters erweist, der in den Himmeln ist“ (Matth. 5:44, 45).
DIE LIEBE, DIE WIR ENTWICKELN MÜSSEN
8. Erkläre, inwiefern Liebe unterschiedlich stark und mit verschiedenen Gefühlen verbunden zum Ausdruck gebracht werden kann.
8 Selbstverständlich kann diese Eigenschaft, die Liebe, die Gott den Menschen verliehen hat, unterschiedlich stark und mit verschiedenen Gefühlen verbunden zum Ausdruck gebracht werden. Wieso? Weil es sich offensichtlich bei der Liebe, die ein Christ zu einem Feind hat, der ihn verfolgt, nicht um dieselbe innige Zuneigung handeln kann, wie sie eine nährende Mutter zu ihrem Kleinkind hat oder wie sie Joseph zu Benjamin und Jonathan zu David empfand oder wie sie ein Christ zu einem Glaubensbruder empfindet. Gott erwartet von uns nicht, daß wir einem Feind von Herzen zugetan sind oder überhaupt Zuneigung zu ihm haben. Dennoch sind wir verpflichtet, ihn zu lieben. Ist das nicht ein Widerspruch?
9, 10. (a) Inwiefern ist uns die Kenntnis über die Bedeutung des Wortes agápe und die Art und Weise, wie Jehova diese Liebe offenbart, eine Hilfe, um zu verstehen, daß man Personen lieben kann, aber nicht unbedingt Zuneigung zu ihnen haben muß? (b) Auf welche Weise können wir bösen, unsittlichen Personen Liebe erweisen?
9 Nein, daran ist nichts Widersprüchliches, wenn wir die Bedeutung des hauptsächlich gebrauchten griechischen Wortes verstehen, das in den Christlichen Griechischen Schriften oder im sogenannten Neuen Testament mit „lieben“ wiedergegeben wird. Die Hauptwort-Form dieses Wortes ist agápe. Über Gottes agápe zur Menschheit heißt es in dem Werk An Expository Dictionary of New Testament Words von W. E. Vine: „Diese Liebe hat nichts mit Selbstzufriedenheit oder Zuneigung zu tun; das heißt, sie wird nicht durch irgendwelche Tugenden derjenigen hervorgerufen, denen sie gilt.“ Und es steht ja fest, daß die Menschheit als Ganzes nicht besonders liebenswert ist. Doch daran ist sie eigentlich nicht selbst schuld (Eph. 4:17-19; Tit. 3:3).
10 Zufolge des von Adam hinterlassenen Erbes sind alle Menschen in Sünde empfangen und mit einer Neigung zum Unrechttun hervorgebracht worden (Ps. 51:5). Gott weiß dies. Er ist der Menschheit daher nicht deswegen in Liebe zugetan, weil sie es verdient oder besondere Tugenden aufzuweisen hätte, sondern besonders deshalb, weil er weiß, daß schließlich viele Menschen auf seine Liebe reagieren und ihr Leben mit seinem Willen in Einklang bringen werden (Röm. 5:8-11). Mit dem Wort agápe ist somit eine Liebe gemeint, die sich durch Achtung vor Grundsätzen auszeichnet. Wenn wir daher unseren himmlischen Vater nachahmen, werden wir sogar diejenigen lieben, die nicht den Beweis dafür erbringen, daß sie unsere Liebe verdienen. Sie mögen zynisch, selbstsüchtig und sogar unmoralisch oder kriminell sein. Wir werden das, was sie tun und sagen, hassen, gleichzeitig aber an ihrem persönlichen Wohl interessiert sein. Wir werden alles tun, was wir können, um sie zu ermuntern, Gottes Liebe zu erwidern. Entwickelst du eine solche Liebe zur Menschheit im allgemeinen, eine Liebe, die von Grundsätzen beherrscht wird?
11, 12. (a) Sollte die Liebe eines Christen zu seinen Brüdern nur von Grundsätzen beherrscht werden? (b) Inwiefern zeigen sowohl die unter Ehegatten herrschende Liebe als auch die Liebe Jehovas zu seinem Sohn, daß agápe mehr einschließt als nur eine von Grundsätzen beherrschte Liebe?
11 Der Apostel Petrus dachte indes nicht an eine Liebe, die nur von Grundsätzen beherrscht wird und Zuneigung und Wärme vermissen läßt, als er an Mitchristen die Worte schrieb: „Liebt einander inbrünstig von Herzen“ (1. Petr. 1:22). Achtung vor Grundsätzen ist zwar ein kennzeichnendes Merkmal der agápe, doch kann diese Liebe auch Zuneigung und Zärtlichkeit einschließen. So heißt es zum Beispiel: „Ehemänner [sind] verpflichtet, ihre Frauen zu lieben [agapáo (Verbform)]“ (Eph. 5:28). Das bedeutet offensichtlich nicht, daß christliche Ehemänner ihre Frau nur so lieben sollten, wie sie ihre Feinde lieben. Nein, vielmehr bedeutet die Aufforderung, „ihre Frauen zu lieben“, daß Männer eine herzliche, zärtliche Zuneigung zu ihrer Frau verspüren sollten, wie es der Schöpfer beabsichtigt hatte.
12 Daß das griechische Wort agápe ein sehr starkes Gefühl der Zuneigung und Zärtlichkeit einschließen kann, zeigen auch noch weitere biblische Hinweise. So lesen wir zum Beispiel: „Der Vater liebt den Sohn“ (Joh. 3:35). Die Liebe des Vaters zu seinem Sohn, zu Jesus Christus, wird nicht lediglich von der Achtung vor Grundsätzen beherrscht. Jehova hat eine innige Zuneigung zu Jesus und empfindet mit ihm, was in der Bibel durch die Worte zum Ausdruck kommt: „Der Vater hat Zuneigung zum Sohn und zeigt ihm alle Dinge, die er selbst tut.“ Jehova Gott sagte: „Dieser ist mein Sohn, mein geliebter, an dem ich selbst Wohlgefallen gefunden habe“ (Joh. 5:20; 2. Petr. 1:17).
13. (a) Welche Art Liebe sollten Christen zueinander entwickeln? (b) Inwiefern zeigt die grundlegende Bedeutung des griechischen Wortes für „inbrünstig“ das richtige Maß unserer Liebe?
13 Diese Liebe ist es also, die Christen zueinander entwickeln sollten. Es ist weder eine halbherzige Liebe noch eine Liebe, die lediglich aus Pflichtbewußtsein Personen gegenüber bekundet wird, denen man vielleicht noch nicht einmal zugetan ist. Es handelt sich vielmehr um eine herzliche, innige Zuneigung zu anderen, vergleichbar mit der innigen Liebe, die man für einen nahen Verwandten hegt oder die Jehova zu seinem geliebten Sohn empfindet. Der Apostel Petrus betont, daß unsere Liebe zueinander von dieser Art sein oder dieses Maß erreichen sollte, wenn er uns auffordert: „Liebt einander inbrünstig“ oder, gemäß anderen Wiedergaben, „innig und stark“, „mit all eurer Kraft“ (1. Petr. 1:22, Bruns; The New English Bible). Das ursprüngliche griechische Wort, das mit „inbrünstig“ wiedergegeben wird, bedeutet buchstäblich „ausgestreckt“ (Kingdom Interlinear Translation). Unsere Liebe muß daher sozusagen alles daransetzen, bis zum Äußersten gehen. Entwickelst du diese Art Liebe?
14. (a) Weshalb müssen wir uns bemühen, Liebe zu entwickeln? (b) Wie können wir lernen, einander zu lieben?
14 Wir alle müssen uns bemühen, diese Liebe zu entwickeln, denn die Menschheit ist zufolge des Ungehorsams Adams seit 6 000 Jahren der Sünde und der Unvollkommenheit verfallen, wodurch unsere Fähigkeit, Jehovas vorherrschende Eigenschaft der Liebe widerzuspiegeln, beeinträchtigt worden ist. Selbst die unter nahen Verwandten normalerweise herrschende angeborene Liebe kann mitunter völlig entartet sein, wie es bei Kain, Esau und den Halbbrüdern Josephs der Fall war. Und die Bibel sagt voraus, daß dies auch „in den letzten Tagen“ zu beobachten sei, denn dann würden die Menschen „ohne natürliche Zuneigung“ sein (2. Tim. 3:1-3). Wir müssen uns also bemühen, die Liebe in unserem Herzen lebendig zu erhalten. Aber wie können wir, die wir in dieser kritischen Zeit — in den „letzten Tagen“ — leben, lernen, einander zu lieben? Der Apostel Paulus erklärte: „Was jedoch die Bruderliebe betrifft, habt ihr nicht nötig, daß wir euch schreiben, denn ihr selbst seid von Gott gelehrt, einander zu lieben“ (1. Thess. 4:9). Auf welche Weise lehrt Gott uns dies?
WIE GOTT UNS LEHRT ZU LIEBEN
15. (a) Auf welche Weise lehrt uns Jehova sozusagen, einander zu lieben? (b) Welche Art Liebe einander zu erweisen, sind Christen verpflichtet?
15 Er belehrt uns darüber auf verschiedene Weise. Wir können sagen, daß Gott uns dadurch, daß er uns Menschen in seinem Bilde erschaffen und uns die Fähigkeit zu lieben verliehen hat, tatsächlich veranlaßt, Liebe zu offenbaren, obgleich wir heute sündig sind. Gott hat uns ferner dadurch gelehrt, einander zu lieben, daß er wiederholt geboten hat, anderen Liebe zu erweisen. Wie Jesus Christus zeigte, war das Gebot: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ eines der beiden wichtigsten Gebote des Gesetzes, das Gott den Israeliten gegeben hatte. Der Jünger Jakobus nannte es das „königliche Gesetz“ (Matth. 22:39; 3. Mose 19:18; Jak. 2:8). Jesus, der als Gottes Vertreter sprach, zeigte jedoch, daß Christen noch größere Liebe haben müssen; sie sollten einander ebenso lieben, wie er seine Jünger liebte (Joh. 13:34; 1. Joh. 3:16). Aber Jehova Gott hat die Menschen noch auf eine andere, besonders ansprechende Weise gelehrt, einander zu lieben.
16. (a) Auf welch besonders vortreffliche Weise lehrt uns Jehova, einander zu lieben? (b) Wodurch hat Gott seine Liebe am eindrucksvollsten bewiesen?
16 Dies geschah durch sein eigenes Beispiel. In der alten römischen Provinz Galatien (Kleinasien) sprach der Apostel Paulus zu einer Volksmenge und sagte über Gott: „Er [tat] Gutes ..., da er euch Regen vom Himmel und fruchtbare Zeiten gab und euer Herz mit Speise und Fröhlichkeit erfüllte“ (Apg. 14:17). Gott gebietet uns also nicht nur, einander zu lieben, sondern zeigt auch durch sein Beispiel, wie wir es tun sollten (Matth. 5:44, 45). Das vorzüglichste Beispiel der Liebe gab er dadurch, daß er seinen kostbarsten Besitz für uns dahingab. Die Bibel sagt: „Gott [hat] seinen einziggezeugten Sohn in die Welt gesandt ..., damit wir durch ihn Leben erlangen könnten. ... Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, dann sind wir selbst verpflichtet, einander zu lieben“ (1. Joh. 4:9-11).
17. Was sollte es bei uns zur Folge haben, wenn wir die Wahrheit über Jehova und seine wunderbaren Vorkehrungen kennenlernen?
17 Wenn wir daher all das Wunderbare in Betracht ziehen, was Gott für uns bereitet hat — die reichlichen materiellen Segnungen, besonders aber die Gabe seines Sohnes, die ewiges Leben in einem gerechten neuen System möglich macht —, begreifen wir, welch ein vortrefflicher Gott und Schöpfer Jehova ist. Was sollte die Folge sein, wenn wir diese wunderbare Erkenntnis über Jehovas Vorkehrungen in uns aufnehmen und dann in Übereinstimmung damit leben? Der Apostel Petrus sprach von „ungeheuchelter brüderlicher Liebe als Ergebnis“. Ja, es sollte ein schönes familiäres Verhältnis der Brüderlichkeit und Liebe entstehen. Und was sollten wir unbedingt tun, wenn wir dies wertschätzen? Petrus fügte hinzu: „Liebt einander inbrünstig von Herzen“ (1. Petr. 1:22).
WESHALB INBRÜNSTIGE LIEBE DAMALS UNERLÄSSLICH WAR
18. Wann schrieb Petrus seinen ersten Brief, und was war damals nahe?
18 Um zu verstehen, weshalb inbrünstige Liebe in den Tagen des Petrus unerläßlich war, müssen wir uns ein Bild von den damaligen Verhältnissen machen. Petrus erklärte: „Das Ende aller Dinge aber hat sich genaht. Seid daher gesunden Sinnes, und seid wachsam im Hinblick auf Gebete. Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander“ (1. Petr. 4:7, 8). Ja, das Ende war damals nahe. Petrus schrieb diese Worte irgendwann zwischen den Jahren 62 und 64 u. Z., und schon kurze Zeit später, im Jahre 70, ging das jüdische System der Dinge schließlich zu Ende. Die römischen Heere verwüsteten ganz Judäa, besonders die Stadt Jerusalem. Eine Prophezeiung Jesu hilft uns verstehen, weshalb die Christen damals „inbrünstige“ Liebe zueinander haben mußten.
19. (a) Welches Zeichen gab Jesus, damit Christen wüßten, daß das Ende nahe wäre, und wie erfüllte es sich? (b) Wodurch war es Christen möglich, dem Gebot Jesu zu gehorchen und zu fliehen, und war es weise, daß sie gehorchten?
19 Jesus hatte vorausgesagt: „Wenn ihr ferner die Stadt Jerusalem von Heeren umlagert seht, dann erkennt, daß ihre Verwüstung nahe gekommen ist“ (Luk. 21:20; Matth. 24:15). Die römischen Heere unter Cestius Gallus umzingelten Jerusalem im November des Jahres 66 u. Z. Sie drangen in die Stadt — ein Ort den die Juden als „heilig“ betrachteten — ein und trugen einen Angriff bis gegen die Tempelmauer vor, die sie untergruben. Die Römer hätten die ganze Stadt leicht erobern können, doch plötzlich ließ der Feldherr Gallus davon ab und trat ohne triftigen Grund den Rückzug an. Das gab Christen die Gelegenheit, die Aufforderung Jesu zu befolgen: „Dann sollen die, die in Judäa sind, in die Berge zu fliehen beginnen“ (Luk. 21:21-24). Später kehrten die römischen Heere unter dem Feldherrn Titus zurück und verwüsteten das Land, was gemäß Berichten allein in Jerusalem 1 100 000 Menschen das Leben kostete. Es war tatsächlich eine „große Drangsal“!
20. Welchen Beweis gibt es dafür, daß Christen Jesu Gebot beachteten?
20 Wie verhielt es sich aber mit den Christen? Eusebius von Caesarea, ein Historiker, der im dritten Jahrhundert lebte, schrieb, daß „die Kirchengemeinde in Jerusalem in einer Offenbarung, die ihren Führern geworden war, die Weissagung erhalten hatte, noch vor dem Krieg die Stadt zu verlassen und sich in einer Stadt Peräas, namens Pella, niederzulassen“a. Ja, die Christen beachteten anscheinend Jesu Anweisungen und flohen, nachdem sich Cestius Gallus mit seinen Heeren zurückgezogen hatte, in die Berggegend von Pella, wodurch sie ihr Leben in Sicherheit brachten. Doch sie hatten es nicht leicht.
21. (a) Weshalb hatte Jesus Nachdruck darauf gelegt, daß man unverzüglich fliehe? (b) In welcher Lage mögen sich die fliehenden Christen befunden haben?
21 Da Jesus gewußt hatte, daß es die Entwicklung der Ereignisse in Verbindung mit der Rückkehr der römischen Soldaten — unter dem Feldherrn Titus — in kurzer Zeit nahezu unmöglich machen würde, die zum Untergang verurteilte Stadt zu verlassen, hatte er lange zuvor warnend erklärt: „Wer auf dem Hausdach ist, steige nicht hinab, um die Güter aus seinem Hause zu holen; und wer auf dem Felde ist, kehre nicht ins Haus zurück, um sein äußeres Kleid mitzunehmen“ (Matth. 24:17, 18). Aufgrund dessen machten sich Hunderte oder vielleicht Tausende gehorsamer Christen sobald sich Gallus mit seinen Heeren zurückgezogen hatte, in Eile auf und nahmen nur wenig mit. Es war gut, daß sie nicht schwer beladen waren, denn die Reise war lang; auch war der Boden uneben, und das Wetter stellte zweifellos zu jener Jahreszeit eine Belastung dar. Unter solchen Umständen konnte es unter den Flüchtlingen leicht zu Streit oder anderen Schwierigkeiten kommen. Außerdem erhob sich die Frage, wo sie alle wohnen sollten.
22. (a) Welche Verhältnisse mögen in der ganzen Gegend geherrscht haben? (b) Weshalb war es für Christen damals unerläßlich, den Rat des Petrus anzuwenden?
22 Vielleicht schlugen sie in der Nähe von Pella Behelfsunterkünfte auf, indem sie dort in den Bergen eine Art Flüchtlingslager einrichteten. Wir wissen darüber nichts Genaues. Wie es sich aber auch verhielt, es war für sie bestimmt sehr beschwerlich. In der ganzen Gegend mögen Verknappung und andere Härten aufgetreten sein. Das Ende jenes ganzen jüdischen Systems der Dinge hatte sich genaht. Wie passend war es daher, daß Petrus die Leser seines Briefes, die „zeitweilig Ansässige“ waren, mit den inspirierten Worten ermunterte: „Das Ende aller Dinge ... hat sich genaht. ... Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander.“! (1. Petr. 1:1; 4:7, 8). Wenn sie eine solche Liebe hatten, so bedeutete dies, daß sie nicht selbstsüchtig waren und einander nicht aufreizten, sondern miteinander teilten und einander vertrauten und sich gegenseitig stärkten, um die prüfungsreichen Verhältnisse, in denen sie sich befanden, ertragen zu können.
WESHALB INBRÜNSTIGE LIEBE HEUTE UNERLÄSSLICH IST
23. Sind die warnenden Hinweise der Bibel über die Nähe des Endes für uns heute von Bedeutung?
23 Wir wollen aber nicht nur einen Blick zurück in die damalige Zeit werfen. Denn Jesu Prophezeiung über den „Abschluß des Systems der Dinge“ erfüllt sich auch in der heutigen Zeit; ja, sie findet heute ihre größere Erfüllung. Und so verhält es sich auch mit den eindringlichen Worten des Petrus: „Das Ende aller Dinge ... hat sich genaht.“ Gott beabsichtigt, das gesamte böse System zu beseitigen und in der unmittelbaren Zukunft sein neues System, „neue Himmel und eine neue Erde“, herbeizuführen (Matth. 24:3-22; 2. Petr. 3:13). Folglich leben wir unmittelbar vor der „großen Drangsal“, die die schreckliche Zerstörung Jerusalems und der umliegenden Orte weit in den Schatten stellen wird. Die Prüfungen, denen sich die meisten Christen während der „großen Drangsal“ gegenübersehen werden, mögen mit denen zu vergleichen sein, die Christen vor einiger Zeit in zwei Ländern durchzumachen hatten.
24, 25. (a) Was hatten malawische Zeugen Jehovas durchzumachen, und inwiefern war es für sie wichtig, den Rat des Petrus zu befolgen? (b) Welche Selbstprüfung sollten wir vernünftigerweise anstellen?
24 Im ersten Fall betraf es Jehovas Zeugen in Malawi. Unter der Schlagzeile „Jehovas Zeugen fliehen um ihr Leben“ war am 22. Oktober 1972 in der New York Times zu lesen: „Letzte Woche sind aus dem kleinen ostafrikanischen Land Malawi Berichte über Massenverfolgungen eingetroffen ... Weibliche Mitglieder der Zeugen wurden vergewaltigt, ihre Häuser wurden niedergebrannt, und die meisten der 23 000 Anhänger der Gruppe wurden praktisch gewaltsam aus dem Land vertrieben.“ Wegen ihrer Treue zu Gottes Gesetz wurden die malawischen Zeugen über die Grenze getrieben und in ein großes Flüchtlingslager gepfercht, wo es ihnen zunächst an dem Lebensnotwendigen mangelte. Viele starben zufolge der Schwierigkeiten. Unter diesen jämmerlichen Verhältnissen kam es darauf an, den inspirierten Rat zu befolgen: „Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander.“
25 Die meisten der malawischen Zeugen gingen aus dieser Erfahrung geistig gestärkt hervor und blieben Gott treu. Was ihnen sicherlich dabei half, war ihr Gehorsam gegenüber dem obigen Rat der Bibel. Wie steht es mit uns? Bereiten wir uns auf die kommenden Prüfungen vor? Entwickeln wir eine innige Zuneigung zueinander, so, wie sie Joseph zu seinem Bruder und Jonathan zu David hatte oder wie sie Jehova Gott zu seinem geliebten Sohn, Jesus Christus, hat? Es ist in diesen „letzten Tagen“ wirklich wichtig, eine solche Liebe zu haben.
26, 27. (a) Was geschah im Dezember 1972 in Managua (Nicaragua), und wovon könnte es eine Vorschau kleinen Umfangs gewesen sein? (b) Auf welche Weise zeigten Jehovas Zeugen während dieser Katastrophe in Managua Liebe zueinander?
26 Auch die Katastrophe, über die in der Zeitschrift Erwachet! vom 22. Juni 1973 berichtet wurde, könnte als eine Vorschau auf die vor uns liegenden Schwierigkeiten angesehen werden. In dem Bericht hieß es: „Das Ortsschild steht noch. Als stummer Zeuge verkündet es: MANAGUA, 404 700 EINWOHNER. Und im Zentrum der Stadt steht ein anderer stummer Wächter als Zeuge. Die Uhr am Haupteingang des Nationalpalastes steht auf 0.35 Uhr. In dieser frühen Morgenstunde am Sonnabend, dem 23. Dezember 1972, noch in der Dunkelheit, ging die Hauptstadt Nicaraguas in einem furchtbaren Erdbeben unter.“ Ja, in der Stadt schien fast alles außer Funktion zu sein: Die Wasserversorgung brach zusammen, es gab keinen Strom mehr; alles hörte praktisch auf. Dies wird bald nicht nur mit einer einzigen Stadt geschehen, sondern mit einer Stadt nach der anderen — das ganze System der Dinge wird untergehen. Was zu offenbaren ist unter solchen Umständen unerläßlich?
27 Viele Hunderte von Zeugen Jehovas aus Nicaragua und benachbarten Ländern zeigten, wie die Zeitschrift Erwachet! berichtete, ihre inbrünstige Liebe: „Sofort wurden Maßnahmen ergriffen, um diese [vom Erdbeben betroffenen] Zeugen und ihre Familien zu versorgen. Hier offenbarte sich bestimmt die echte Liebe, die unter Gottes Volk herrscht. Am Sonnabendnachmittag traf ein Zeuge Jehovas mit einem Lastwagen und 1 300 Litern Wasser von einer 25 Kilometer entfernten Versammlung ein. ... Dann, um 22 Uhr, trafen die ersten beiden Lastwagenladungen mit Hilfsgütern von den Zeugen Jehovas aus Liberia (Costa Rica) ein. Kurz darauf trafen zwei weitere Lastwagen von den Zeugen aus Tegucigalpa (Honduras) ein. So standen innerhalb von etwa 24 Stunden nach dem Unglück Nahrung, Kleidung, Medizin, Wasser und Benzin zur Verfügung!“
28. (a) Was lernen wir aus dieser Erfahrung? (b) Wodurch sind Jehovas Zeugen auch noch geschult worden, einander Liebe zu erweisen?
28 Aus dieser Erfahrung können wir etwas lernen. Wenn große Schwierigkeiten auftreten oder sich überall Katastrophen ereignen, müssen wir vor allem inbrünstige Liebe zueinander haben. Und überlegen wir doch einmal: Haben wir als Zeugen Jehovas nicht eine gute Schulung erhalten, solchen Verhältnissen ins Gesicht zu sehen? Wir kommen regelmäßig zu größeren oder kleineren Kongressen zusammen, wo wir vorzüglich unterwiesen und ermuntert werden, einander zu lieben. Wir haben auch Cafeterias, in denen unsere Brüder für unsere Mahlzeiten sorgen, und wir stellen Mitchristen gastfreundlich Unterkünfte in unserer Wohnung zur Verfügung. Ist dies nicht wirklich eine vortreffliche Schulung, einander zu lieben und füreinander zu sorgen? Aber wir müssen diese Liebe, die Gott den Menschen verliehen hat, weiterhin offenbaren — diese wunderbare Eigenschaft, die in den vergangenen ungefähr 6 000 Jahren von den sündigen, unvollkommenen Menschen entstellt und verfälscht worden ist. Da sich das Ende aller Dinge genaht hat, müssen wir jetzt unbedingt eine inbrünstige Liebe zueinander entwickeln.
[Fußnote]
a Kirchengeschichte von Eusebius v. Caesarea, übersetzt von Philipp Haeuser, neu durchgesehen von Hans Armin Gärtner, S. 154.
[Bild auf Seite 529]
Aufrichtige Liebe zu David bewog Jonathan, ihm als Zeichen seiner Zuneigung einige Geschenke zu geben.