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Wie kam das Universum ins Dasein? — Die StreitfrageGibt es einen Schöpfer, der an uns interessiert ist?
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Kapitel zwei
Wie kam das Universum ins Dasein? — Die Streitfrage
ASTRONAUTEN fotografieren begeistert die eindrucksvoll große Erde durch das Fenster eines Raumfahrzeugs. „Das ist das Beste am Fliegen im Weltraum“, sagte einer von ihnen. Verglichen mit unserem Sonnensystem ist die Erde jedoch winzig klein. Sie würde eine Million Mal in die Sonne hineinpassen, und es wäre noch Platz übrig. Haben solche Tatsachen über das Universum jedoch irgendeine Bedeutung für unser Leben und den Sinn des Lebens?
Machen wir in Gedanken einen kurzen Ausflug ins All, um die Erde und die Sonne im richtigen Verhältnis zu sehen. Unsere Sonne ist nur einer von scheueinflößend vielen Sternen eines Spiralarms unserer Milchstraßea, die ihrerseits nur ein winziger Teil des Universums ist. Mit bloßem Auge ist es möglich, ein paar Lichtflecken zu sehen, die in Wirklichkeit andere Galaxien sind, wie der wunderschöne, größere Andromedanebel. Die Milchstraße, der Andromedanebel und etwa 20 andere Galaxien werden gravitativ als ein Haufen zusammengehalten; sie alle sind wiederum nur ein kleiner Bereich in einem riesigen Superhaufen. Das Universum enthält zahllose Superhaufen, und das ist noch nicht alles.
Die Galaxienhaufen sind im All nicht gleichmäßig verteilt. In kleinem Maßstab abgebildet, sehen sie wie dünne Tücher und Filamente aus, die um blasenförmige Leerräume angeordnet sind. Einige Strukturen sind so lang und breit, daß sie an historische große Mauern erinnern. Das erstaunt vielleicht den einen oder anderen, der glaubt, das Universum habe sich in einer kosmischen Explosion zufällig selbst erschaffen. „Je deutlicher wir das Universum in all seinen herrlichen Einzelheiten sehen“, folgert ein langjähriger Autor in Scientific American, „desto schwieriger wird es für uns, an Hand einer einfachen Theorie zu erklären, wie es zu dem wurde, was es ist.“
Beweise, die auf einen Anfang hindeuten
All die einzelnen Sterne, die wir sehen, befinden sich in der Milchstraße. Bis zu den zwanziger Jahren schien sie die einzige Galaxie zu sein. Beobachtungen mit größeren Teleskopen haben, wie uns wahrscheinlich bekannt ist, seit jener Zeit jedoch etwas anderes bewiesen. Im Universum befinden sich mindestens 50 000 000 000 Galaxien. Das sind nicht 50 Milliarden Sterne, sondern mindestens 50 Milliarden Galaxien, von denen jede aus Milliarden von Sternen besteht, die unserer Sonne gleichen. Dennoch war nicht die unfaßbar hohe Zahl an riesigen Galaxien der Grund, weshalb die wissenschaftlichen Ansichten in den zwanziger Jahren ins Wanken gerieten. Es war der Umstand, daß sie alle in Bewegung sind.
Astronomen entdeckten nämlich etwas Bemerkenswertes: Durchläuft galaktisches Licht ein Prisma, dann ist zu beobachten, daß die Wellenlängen vergrößert sind, was ein schnelles Sichentfernen anzeigt. Je weiter eine Galaxie entfernt ist, desto schneller scheint sie sich von der Erde zu entfernen. Das weist auf ein expandierendes Universum hin.b
Man braucht weder Astronom zu sein, noch Sternkunde als Hobby zu betreiben, um zu verstehen, daß ein expandierendes Universum grundlegende Auswirkungen auf das Verständnis unserer Vergangenheit und vielleicht auch unserer eigenen Zukunft hat. Irgend etwas muß den Vorgang ausgelöst haben — eine Kraft, die so stark ist, daß sie die gewaltige Gravitation des gesamten Universums überwinden kann. Daher ist die Frage berechtigt: „Was könnte die Quelle einer solch dynamischen Kraft sein?“
Zwar verfolgen die meisten Wissenschaftler die Entstehung des Universums auf einen Anfang zurück, an dem es unendlich klein war und eine äußerst hohe Dichte besaß (eine Singularität), aber das Kernproblem bleibt bestehen: „Wenn das Universum irgendwann in der Vergangenheit einem singulären Zustand unendlich geringer Größe und unendlich großer Dichte nahe war, müssen wir uns fragen, was es zuvor gab und was sich außerhalb des Universums befand. ... Wir müssen uns mit dem Problem eines Anfangs auseinandersetzen“ (Sir Bernard Lovell).
Das erfordert mehr als nur eine gewaltige Energiequelle. Weitsicht und Intelligenz sind ebenfalls vonnöten, weil die Ausdehnungsgeschwindigkeit überaus präzise abgestimmt zu sein scheint. „Wenn das Universum ein Billionstel schneller expandierte“, sagte Lovell, „wäre jetzt alles Material zerstreut. ... Und wenn es ein Billionstel langsamer gewesen wäre, dann hätten Gravitationskräfte das Universum innerhalb der ersten Milliarde Jahre kollabieren lassen. Wiederum hätte es keine langlebigen Sterne und kein Leben gegeben.“
Versuche, den Anfang zu erklären
Können Experten heute den Ursprung des Universums erklären? Viele Wissenschaftler, denen der Gedanke, daß das Universum von einer höheren Intelligenz geschaffen worden ist, nicht behagt, mutmaßen, es habe sich durch irgendeinen Mechanismus aus dem Nichts selbst erschaffen. Klingt das aber einleuchtend? Solche Mutmaßungen hängen oft mit gewissen Abwandlungen einer Theorie (Inflationsmodell)c zusammen, die der Physiker Alan Guth 1979 aufstellte. In jüngerer Zeit räumte Dr. Guth jedoch ein, daß seine Theorie „nicht erklärt, wie das Universum aus dem Nichts entstanden ist“. Dr. Andrej Linde drückte sich in einem Artikel der Zeitschrift Scientific American deutlicher aus: „Eine solche anfängliche Singularität zu erklären, wie der Urknall sie darstellt, ist noch immer das widerspenstigste Problem der modernen Kosmologie.“
Wenn Fachleute weder den Ursprung noch die frühe Entwicklung unseres Universums wirklich erklären können, wäre es dann nicht angebracht, an anderer Stelle nach einer Erklärung zu suchen? In der Tat haben wir berechtigte Gründe, einige Beweise zu prüfen, die viele übersehen haben, die aber ein wirkliches Verständnis vermitteln. Zu diesen Beweisen gehören exakte Messungen von vier Fundamentalkräften, die alle Eigenschaften und Veränderungen bestimmen, die die Materie betreffen. Allein die Erwähnung von Fundamentalkräften läßt vielleicht einige zögern, weil sie meinen, das sei nur etwas für Physiker. Dem ist aber nicht so. Es lohnt sich, die grundlegenden Tatsachen zu betrachten, weil sie sich auf uns auswirken.
Feinabstimmung
Die vier Fundamentalkräfte spielen sowohl in der Weite des Kosmos als auch in der unendlichen Winzigkeit atomarer Strukturen eine Rolle — ja bei allem, was wir um uns herum sehen.
Elemente, die für unser Leben unerläßlich sind (vor allem Kohlenstoff, Sauerstoff und Eisen), könnte es nicht geben, wenn diese vier Kräfte, die im Universum vorhanden sind, nicht exakt abgestimmt wären. Wir erwähnten bereits eine dieser Kräfte: die Gravitation. Eine andere Kraft ist die elektromagnetische Kraft. Wäre sie deutlich schwächer, blieben die Elektronen nicht an den Kern eines Atoms gebunden. „Hätte das schwerwiegende Folgen?“ fragen sich vielleicht einige. Ja, denn die Atome könnten sich nicht miteinander zu Molekülen verbinden. Wäre diese Kraft dagegen viel stärker, säßen die Elektronen auf dem Kern eines Atoms fest. Chemische Reaktionen zwischen Atomen fänden nicht statt — was bedeutet, daß es kein Leben gäbe. Allein aus dieser Sicht ist es klar, daß unsere Existenz und unser Leben von der Feinabstimmung der elektromagnetischen Kraft abhängen.
Betrachten wir nun die Weite des Kosmos: Eine kleine Abweichung in der Stärke der elektromagnetischen Kraft würde die Sonne beeinflussen und somit das Licht ändern, das die Erde erreicht. Das wiederum würde die Photosynthese in den Pflanzen behindern oder ganz verhindern. Außerdem könnte das Wasser seine einzigartigen Eigenschaften verlieren, die für das Leben unerläßlich sind. Erneut hängt es von der Feinabstimmung der elektromagnetischen Kraft ab, ob wir leben oder nicht.
Von gleicher Bedeutung ist die Stärke der elektromagnetischen Kraft im Verhältnis zu den anderen drei Kräften. Physiker haben zum Beispiel berechnet, daß diese Kraft 10 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 (1040) Mal stärker ist als die Gravitation. Dieser Zahl eine Null hinzuzufügen (1041) könnte einem als eine geringfügige Änderung erscheinen. Es würde jedoch bedeuten, daß die Gravitation proportional schwächer wäre, und Dr. Reinhard Breuer kommentiert in dem Buch Das Anthropische Prinzip: Der Mensch im Fadenkreuz der Naturgesetze die sich daraus ergebende Situation: „Bei geringeren Schwerkräften würden die Sterne kleiner ausfallen, der Schwerkraftdruck in ihrem Innern würde die Temperaturen nicht genügend hoch treiben, um Kernverschmelzungsreaktionen in Gang zu setzen: Die Sonne könnte nicht scheinen.“ Man kann sich leicht vorstellen, was das bedeuten würde!
Wie verhielte es sich, wenn die Gravitation proportional stärker wäre, die Zahl also nur 39 Nullen hätte (1039)? „Ein Stern wie die Sonne“, erklärt Breuer, „würde schon unter dieser Bedingung seine Lebensdauer drastisch verringern.“ Andere Wissenschaftler halten die Feinabstimmung für noch präziser.
Zwei beachtenswerte Eigenschaften der Sonne und anderer Sterne sind ihr anhaltend hoher Wirkungsgrad und ihre Stabilität. Betrachten wir ein einfaches Beispiel. Es ist bekannt, daß sich bei einem Fahrzeugmotor das Kraftstoff-Luft-Gemisch entscheidend auf den Wirkungsgrad auswirkt. Konstrukteure entwickeln komplizierte mechanische und computergesteuerte Systeme, um die Leistung zu optimieren. Wenn das schon auf einen Motor zutrifft, wie verhält es sich dann mit den wirkungsvoll „brennenden“ Sternen wie unserer Sonne? Die hauptsächlich beteiligten Kräfte sind präzise abgestimmt und für das Leben optimiert. Ist diese Präzision dem Zufall zu verdanken? In alter Zeit wurde Hiob gefragt: „Kennst du des Himmels Gesetze und bestimmst du, wie seine Kräfte auf der Erde wirken?“ (Hiob 38:33, Zink, 1978). Kein Mensch hat dies bestimmt. Woher kommt die Genauigkeit dann?
Die zwei Kernkräfte
Die Struktur des Universums erfordert weit mehr als nur die Feinabstimmung der Gravitation und der elektromagnetischen Kraft. Zwei andere physikalische Kräfte wirken sich ebenfalls auf unser Leben aus.
Diese beiden Kräfte wirken im Atomkern, und sie legen ein beredtes Zeugnis für Weitsicht ab. Betrachten wir die starke Kernkraft, die die Protonen und Neutronen im Kern zusammenhält. Auf Grund dieser Bindung können verschiedene Elemente entstehen — leichte (wie Helium und Sauerstoff) und schwere (wie Gold und Blei). Es scheint, daß es nur den Wasserstoff gäbe, wenn diese Bindungskraft lediglich zwei Prozent schwächer wäre. Wäre die Kraft nur ein wenig stärker, gäbe es umgekehrt ausschließlich schwerere Elemente, aber keinen Wasserstoff. Wäre unser Leben davon betroffen? Nun, in einem Universum ohne Wasserstoff würde der Sonne der nötige Brennstoff fehlen, um lebenspendende Energie auszustrahlen. Und natürlich hätten wir kein Wasser und keine Nahrung, da Wasserstoff ein unverzichtbarer Bestandteil von beidem ist.
Die vierte Kraft in dieser Erörterung, die sogenannte schwache Kernkraft, steuert den radioaktiven Zerfall. Sie wirkt sich auch auf die thermonukleare Aktivität in der Sonne aus. Man mag sich fragen, ob auch diese Kraft genau abgestimmt ist. Der Mathematiker und Physiker Freeman Dyson erklärt: „Die schwache Wechselwirkung [Kraft] ist millionenmal schwächer als die Kernkraft. Sie ist eben schwach genug, daß der Wasserstoff in der Sonne langsam und gleichmäßig brennt. Wäre die schwache Wechselwirkung [Kraft] wesentlich stärker oder wesentlich schwächer, wären wiederum alle Lebensformen, deren Existenz von sonnenähnlichen Sternen abhängt, in Schwierigkeiten.“ Ja, diese genaue Verbrennungsrate hält unsere Erde warm — verbrennt sie aber nicht zu Asche — und hält uns am Leben.
Des weiteren glauben Wissenschaftler, daß die schwache Kraft eine Rolle bei Supernovaexplosionen spielt, Explosionen, die sie als den Vorgang betrachten, durch den die meisten Elemente erzeugt und verteilt werden. „Wenn jene Kernkräfte nur geringfügig anders wären, als sie es in Wirklichkeit sind, wären die Sterne unfähig, die Elemente zu erzeugen, aus denen jeder von uns besteht“, erklärte der Physiker John Polkinghorne.
Wahrscheinlich tritt der wesentliche Gedanke so deutlich hervor, daß sich weitere Ausführungen erübrigen. Diese vier Fundamentalkräfte sind erstaunlich genau abgestimmt. „Überall um uns herum scheinen wir Beweise dafür zu sehen, daß es die Natur genau richtig gemacht hat“, schrieb Professor Paul Davies. Ja, die Feinabstimmung der Fundamentalkräfte hat die Existenz und die Funktion der Sonne ermöglicht, die Existenz unseres schönen Planeten mit lebenserhaltendem Wasser, mit der lebenswichtigen Atmosphäre und einer breiten Palette von wertvollen chemischen Elementen. Fragen wir uns einmal selbst: „Warum gibt es diese präzise Feinabstimmung, und woher stammt sie?“
Die idealen Merkmale der Erde
Unsere Existenz setzt auch in anderer Hinsicht Präzision voraus. Betrachten wir die Maße der Erde und ihre Lage im Verhältnis zum übrigen Sonnensystem. Im Bibelbuch Hiob sind die folgenden demütig stimmenden Fragen enthalten: „Wo befandest du dich, als ich die Erde gründete? ... Wer hat ihre Maße festgesetzt, falls du es weißt ...?“ (Hiob 38:4, 5). Diese Fragen verlangen heute mehr als je zuvor nach einer Antwort. Warum? Wegen der erstaunlichen Entdeckungen, die in bezug auf unsere Erde gemacht worden sind, ihre Größe und ihre Lage im Sonnensystem eingeschlossen.
Ein Planet wie die Erde ist nirgendwo anders im Universum entdeckt worden. Zwar weisen einige Wissenschaftler auf indirekte Anzeichen hin, daß gewisse Sterne von Objekten umkreist werden, die Hunderte von Malen größer sind als die Erde. Die Erde hat aber gerade die richtige Größe, die für unsere Existenz erforderlich ist. Inwiefern? Wäre die Erde nur geringfügig größer, dann wäre die Schwerkraft stärker, und der Wasserstoff, ein leichtes Gas, würde sich ansammeln und könnte der Schwerkraft der Erde nicht entkommen. Dadurch wäre die Atmosphäre unwirtlich. Wäre die Erde allerdings geringfügig kleiner, dann entkäme der lebenserhaltende Sauerstoff, und das Oberflächenwasser würde verdunsten. In beiden Fällen könnten wir nicht leben.
Die Erde hat auch einen idealen Abstand von der Sonne, was unerläßlich für das Gedeihen von Leben ist. Der Astronom John Barrow und der Mathematiker Frank Tipler befaßten sich eingehend mit „dem Verhältnis des Erdradius zur Entfernung zur Sonne“ und gelangten zu dem Schluß, daß auf der Erde kein Leben existierte, „wenn dieses Verhältnis geringfügig anders wäre als beobachtet“. Professor David L. Block bemerkt: „Wäre die Entfernung aber um 5 Prozent geringer, dann wäre gemäß Berechnungen vor ungefähr 4 Milliarden Jahren ein übermäßiger Treibhauseffekt aufgetreten. Wäre die Erde andererseits nur ein Prozent weiter von der Sonne entfernt gewesen, dann hätte sie sich vor etwa 2 Milliarden Jahren mit einer Eisschicht überzogen“ (Our Universe: Accident or Design?).
Außer der bereits erwähnten Präzision kann noch angeführt werden, daß sich die Erde einmal am Tag um ihre Achse dreht, was gerade die richtige Geschwindigkeit ist, mäßige Temperaturen zu erzeugen. Die Venus dreht sich in 243 Tagen einmal um ihre Achse. Man denke nur an die Folgen, wenn die Erde so langsam rotieren würde. Die extremen Temperaturen, die sich bei derart langen Tagen und Nächten einstellen, könnten wir nicht ertragen.
Eine weitere wesentliche Einzelheit ist die Form der Bahn, auf der sich die Erde um die Sonne bewegt. Kometen bewegen sich auf langgestreckten elliptischen Bahnen. Erfreulicherweise ist das bei der Erde anders. Ihre Umlaufbahn ist nahezu kreisförmig. Das bewahrt uns wiederum vor todbringenden extremen Temperaturen.
Nicht übersehen werden darf auch die Lage unseres Sonnensystems. Läge es näher am Zentrum der Milchstraße, würde der gravitative Einfluß benachbarter Sterne die Umlaufbahn der Erde um die Sonne negativ verändern. Läge es dagegen am Rand unserer Galaxis, dann sähen wir am Nachthimmel fast keine Sterne. Das Licht der Sterne ist zwar nicht lebenswichtig, verleiht es aber dem Nachthimmel nicht große Schönheit? Überdies haben Wissenschaftler, gestützt auf gegenwärtige Vorstellungen vom Universum, berechnet, daß am Rand der Milchstraße nicht genügend chemische Elemente vorhanden gewesen wären, damit sich ein Sonnensystem wie das unsere hätte bilden können.d
Gesetz und Ordnung
Aus Erfahrung ist bekannt, daß alles zur Unordnung neigt. Wie jeder Hauseigentümer beobachtet hat, verfällt alles, wenn man sich nicht darum kümmert. Wissenschaftler bezeichnen diese Neigung als „den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik“. Wir können täglich beobachten, daß dieses Gesetz in Kraft ist. Wenn man ein neues Auto oder ein neues Fahrrad nicht pflegt, wird es zu Altmetall. Ein verlassenes Haus wird zur Ruine. Wie verhält es sich mit dem Universum? Hier gilt das gleiche Gesetz. Man könnte also meinen, die Ordnung im Universum würde in völlige Unordnung übergehen.
Das scheint im Universum jedoch nicht zu geschehen, wie Roger Penrose, Professor für Mathematik, entdeckte, als er den Zustand der Unordnung (oder die Entropie) des beobachtbaren Universums untersuchte. Eine logische Deutung solcher Ergebnisse besteht in der Schlußfolgerung, daß sich das Universum von Anfang an in einem geordneten Zustand befand und immer noch sehr geordnet ist. Der Astrophysiker Alan Lightman bemerkte, daß Wissenschaftler „es für mysteriös halten, daß das Universum in einem solch hoch geordneten Zustand erzeugt wurde“. Wie er weiter sagte, „sollte irgendeine erfolgreiche Theorie der Kosmologie das Entropieproblem völlig erklären“ — also die Frage, warum das Universum nicht chaotisch geworden ist.
Im Grunde genommen ist unsere Existenz diesem anerkannten Gesetz entgegengerichtet. Warum leben wir dennoch hier auf der Erde? Wie bereits erwähnt, ist das eine grundlegende Frage, auf die wir eine Antwort erhalten möchten.
[Fußnoten]
a Die Milchstraße hat einen Durchmesser von etwa einer Trillion Kilometern, ja, 1 000 000 000 000 000 000 Kilometern. Das Licht benötigt 100 000 Jahre, sie zu durchqueren, und diese eine Galaxie besteht aus über 100 Milliarden Sternen.
b Im Jahre 1995 fiel Wissenschaftlern das befremdende Verhalten des am weitesten entfernten Sterns (SN 1995K), der bisher beobachtet wurde, auf, als dieser in seiner Galaxie explodierte. Wie Supernovä in nahen Galaxien wurde dieser Stern sehr hell, und dann ließ seine Leuchtkraft nach, doch über einen längeren Zeitraum als je zuvor beobachtet. Im New Scientist war eine Grafik dazu abgebildet, und es wurde erklärt: „Die Form der Lichtkurve ... ist in bezug auf die Zeit um genau den Betrag gedehnt, den man erwartet, wenn sich die Galaxie mit nahezu halber Lichtgeschwindigkeit von uns wegbewegen würde.“ Wie lautet die Schlußfolgerung? Das hat „den bisher besten Beweis dafür erbracht, daß sich das Universum wirklich ausdehnt“.
c Die Inflationstheorie mutmaßt darüber, was sich in einem Bruchteil einer Sekunde nach dem Anfang des Universums abspielte. Verfechter des Inflationskonzepts behaupten, daß das Universum anfangs submikroskopisch klein war und dann mit Überlichtgeschwindigkeit expandierte — eine Behauptung, die im Labor nicht überprüft werden kann. Die Inflation bleibt eine strittige Theorie.
d Wissenschaftler haben festgestellt, daß die Elemente eine erstaunliche Ordnung und Harmonie aufweisen. Interessante Belege dafür werden im Anhang unter „Bausteine des Universums“ (Seite 26) angeführt.
[Kasten auf Seite 15]
Die Sterne zu zählen versuchen
Unsere Milchstraße hat schätzungsweise mehr als 100 000 000 000 (100 Milliarden) Sterne. Man stelle sich eine Enzyklopädie vor, die jedem dieser Sterne eine Seite widmen würde. Unsere Sonne und der übrige Teil des Sonnensystems wäre auf nur eine Seite zusammengedrängt. Wie viele Bände müßte die vollständige Ausgabe haben, in der alle Sterne der Milchstraße beschrieben würden?
Wenn die Bände durchschnittlich breit wären, dann würde die Enzyklopädie nicht in die öffentliche Bibliothek der Stadt New York mit ihren 412 Kilometern Regalflächen hineinpassen.
Wie lange würde es dauern, sich diese Seiten anzusehen? „Die Bände auch nur durchzublättern, eine Seite pro Sekunde, würde über zehntausend Jahre dauern“, heißt es in dem Buch Kinder der Milchstraße. Die Sterne, aus denen unsere Galaxis besteht, sind aber nur ein winziger Bruchteil der Sterne in den schätzungsweise 50 000 000 000 (50 Milliarden) Galaxien des Universums. Enthielte das Nachschlagewerk eine Seite für jeden dieser Sterne, so würden die Bände nicht einmal in alle Bibliotheksregale der Welt hineinpassen. „Je mehr wir über die Welt lernen“, heißt es in dem Buch, „um so bewußter, spezieller und genauer wissen wir, was wir nicht wissen.“
[Kasten auf Seite 16]
Jastrow — Über den Anfang
Robert Jastrow, Professor der Astronomie und Geologie an der Columbia-Universität, schrieb: „Nur wenige Astronomen hätten damit gerechnet, daß dieses Ereignis — die plötzliche Entstehung des Universums — eine bewiesene wissenschaftliche Tatsache würde, doch Himmelsbeobachtungen mit Teleskopen haben sie zu dieser Schlußfolgerung gezwungen.“
Dann kommentierte er die Folgen: „Der astronomische Beweis für einen Anfang versetzt die Wissenschaftler in eine unangenehme Lage, denn sie glauben, daß jede Wirkung eine natürliche Ursache hat ... Der britische Astronom E. A. Milne schrieb: ‚In bezug auf den Stand der Dinge [am Anfang] haben wir nichts anzubieten; bei dem göttlichen Schöpfungsakt ist Gott unbeobachtet und unbezeugt‘ “ (The Enchanted Loom—Mind in the Universe).
[Kasten auf Seite 17]
Vier fundamentale physikalische Kräfte
1. Gravitation — eine sehr schwache Kraft auf atomarer Ebene. Sie beeinflußt große Objekte — Planeten, Sterne und Galaxien.
2. Elektromagnetismus — die hauptsächliche Anziehungskraft zwischen Protonen und Elektronen, die die Bildung von Molekülen ermöglicht. Ein Blitz ist eine Erscheinungsform dieser Kraft.
3. Die starke Kernkraft — die Kraft, die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammenhält.
4. Die schwache Kernkraft — die Kraft, die den Zerfall der radioaktiven Elemente steuert sowie die thermonukleare Aktivität der Sonne.
[Kasten auf Seite 20]
Eine „Häufung von Glücksfällen“
„Setzt man die schwache Kraft geringfügig stärker an, wäre kein Helium erzeugt worden; setzt man sie ein wenig schwächer an, hätte sich fast aller Wasserstoff in Helium verwandelt.“
„Die günstige Zeit, in der es in einem Universum Helium gibt und auch explodierende Supernovä, ist sehr kurz. Unsere Existenz hängt von dieser Häufung von Glücksfällen ab und von dem sogar noch dramatischeren Zusammentreffen von Energiezuständen in Atomkernen, die von [dem Astronomen] Hoyle vorausgesagt wurden. Im Unterschied zu allen früheren Generationen wissen wir, wie wir ins Dasein gekommen sind. Aber wie alle Generationen vor uns wissen wir immer noch nicht, warum“ (New Scientist).
[Kasten auf Seite 22]
„Die besonderen Bedingungen auf der Erde, die sich aus ihrer idealen Größe ergeben, aus der Elementzusammensetzung und aus der fast kreisförmigen Umlaufbahn in einem perfekten Abstand von einem langlebigen Stern, der Sonne, ermöglichten es, daß sich Wasser auf der Erdoberfläche ansammelte“ (Integrated Principles of Zoology, 7. Auflage). Ohne Wasser hätte kein Leben auf der Erde erscheinen können.
[Kasten auf Seite 24]
Nur das glauben, was man sieht?
Viele rational denkende Menschen akzeptieren die Existenz von Dingen, die sie nicht sehen können. Im Januar 1997 berichtete die Zeitschrift Discover, daß Astronomen etwas aufgespürt hatten, was sie für ein Dutzend Planeten hielten, die entfernte Sterne umkreisen.
„Bisher sind die neuen Planeten nur durch die Art bekannt, wie ihre Gravitation die Bewegung ihrer Muttersterne stört.“ Ja, für die Astronomen bildeten die sichtbaren Auswirkungen der Gravitation die Grundlage, an die Existenz unsichtbarer Himmelskörper zu glauben.
Mittelbare Beweise — nicht unmittelbare Beobachtung — waren für Wissenschaftler eine angemessene Grundlage dafür, das zu akzeptieren, was noch unsichtbar war. Viele Menschen, die an einen Schöpfer glauben, sind zu dem Schluß gelangt, daß sie eine ähnliche Grundlage haben, das zu akzeptieren, was sie nicht sehen können.
[Kasten auf Seite 25]
Sir Fred Hoyle erklärt in dem Buch Die Natur des Universums: „Um die Frage nach der Schöpfung zu vermeiden, müßte man annehmen, daß alle Materie des Weltalls unendlich alt sei — und das kann sie aus einem sehr praktischen Grund nicht sein. ... der Wasserstoff im gesamten Universum [wird] dauernd zu Helium umgewandelt ... Wie kommt es aber dann, daß das Weltall fast ausschließlich aus Wasserstoff besteht? Wäre die Materie unendlich alt, so wäre dieses ganz unmöglich. Wir sehen also, daß man, wie das Weltall nun einmal ist, das Schöpfungsproblem einfach nicht umgehen kann.“
[Bild auf Seite 12, 13]
Unsere Sonne (Kästchen) ist unbedeutend klein in der Milchstraße, wie dies hier an Hand der Spiralgalaxie NGC 5236 veranschaulicht wird
Die Milchstraße enthält über 100 Milliarden Sterne, und sie ist nur eine von über 50 Milliarden Galaxien in dem bekannten Universum
[Bilder auf Seite 14]
Der Astronom Edwin Hubble (1889—1953) erkannte, daß eine Rotverschiebung beim Licht entfernter Galaxien anzeigt, daß sich unser Universum ausdehnt und somit einen Anfang hatte
[Bilder auf Seite 19]
Die Feinabstimmung der Kräfte, die unsere Sonne beherrschen, führt Bedingungen herbei, die für das Leben auf der Erde gerade richtig sind
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Was ist der Ursprung des Lebens?Gibt es einen Schöpfer, der an uns interessiert ist?
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Kapitel drei
Was ist der Ursprung des Lebens?
AUF der Erde wimmelt es von Leben — von der schneebedeckten Arktis bis zum Regenwald am Amazonas, von der Sahara bis zu den sumpfigen Everglades, von den dunklen Tiefen des Meeres bis zu den hellen Gipfeln der Berge. Außerdem steckt es voller erstaunlicher Dinge.
Leben tritt in Arten, Größen und Mengen auf, die unsere Vorstellungskraft übersteigen. Eine Million Insektenarten summen und krabbeln auf unserem Planeten. In den Gewässern schwimmen über 20 000 Fischarten — einige sind nicht größer als ein Reiskorn, andere so lang wie ein Lastwagen. Mindestens 350 000 Pflanzenarten — einige fremdartig, aber die meisten wunderschön — schmücken das Land. Und über uns fliegen mehr als 9 000 Vogelarten. Diese Geschöpfe, der Mensch eingeschlossen, bilden das Panorama und die harmonische Vielfalt, die wir als Leben bezeichnen.
Erstaunlicher als die herrliche Artenvielfalt um uns herum ist indes die grundlegende Einheitlichkeit, die die Arten miteinander verknüpft. Biochemiker, die die Geschöpfe auf der Erde genau untersuchen, erklären, daß alle Lebewesen, ob Amöben oder Menschen, auf ein ehrfurchteinflößendes Zusammenspiel angewiesen sind, auf die Teamarbeit zwischen den Nukleinsäuren (DNS und RNS) und Proteinmolekülen. Die komplizierten Prozesse, an denen diese Komponenten beteiligt sind, laufen in so gut wie allen unseren Körperzellen ab, ebenso wie in den Zellen von Kolibris, Löwen und Walen. Dieses einheitliche Zusammenspiel erzeugt das wunderschöne Mosaik des Lebens. Wie ist dieses Zusammenspiel zustande gekommen? Was ist denn der Ursprung des Lebens?
Wahrscheinlich ist es für uns selbstverständlich, daß es auf der Erde nicht immer Leben gab. Die Wissenschaft stimmt damit überein, und auch in vielen heiligen Schriften der Religionen wird diese Auffassung vertreten. Dennoch mag einem auffallen, daß diese beiden Quellen, Wissenschaft und Religion, den Beginn des Lebens unterschiedlich erklären.
Millionen Menschen aller Bildungsgrade glauben, daß ein intelligenter Schöpfer, der ursprüngliche Konstrukteur, das Leben auf der Erde geschaffen hat. Im Gegensatz dazu sagen viele Wissenschaftler, das Leben sei aus unbelebter Materie entstanden, schrittweise durch chemische Reaktionen, rein zufällig. Wer hat recht?
Wir sollten nicht meinen, uns berühre diese Frage nicht und sie habe wohl kaum etwas mit der Suche nach einem sinnvolleren Leben zu tun. Wie bereits erwähnt, lautet eine der grundlegenden Fragen, auf die Menschen eine Antwort gesucht haben: Woher sind wir gekommen?
Die meisten wissenschaftlichen Kurse konzentrieren sich auf die Anpassung und das Überleben von Lebensformen, statt auf die wichtigere Frage nach dem eigentlichen Ursprung des Lebens. Es ist sicher nicht unbemerkt geblieben, daß man oft, wenn man den Ursprung des Lebens zu erklären versucht, zu Verallgemeinerungen greift wie: „In Millionen von Jahren erzeugten Moleküle, die miteinander in Wechselwirkung traten, irgendwie das Leben.“ Ist eine solche Erklärung aber wirklich zufriedenstellend? Es würde bedeuten, daß sich in Gegenwart von Sonnenenergie, Blitzen oder Vulkanen leblose Materie bewegt, einen Ordnungsprozeß durchlaufen und zu leben begonnen hätte — alles ohne wegweisende Unterstützung. Was für ein gewaltiger Sprung das gewesen wäre — von lebloser zu lebender Materie! Könnte es sich so abgespielt haben?
Im Mittelalter hätte eine solche Vorstellung kaum Schwierigkeiten bereitet, weil die Ansicht von der Urzeugung ohnehin vorherrschte und man meinte, Leben könne sich spontan aus unbelebter Materie bilden. Im 17. Jahrhundert bewies dann der italienische Arzt Francesco Redi, daß in verwesendem Fleisch nur dann Maden auftraten, wenn Fliegen zuvor ihre Eier darauf abgelegt hatten. Auf Fleisch, das für Fliegen unzugänglich war, bildeten sich keine Maden. Wenn Tiere von der Größe einer Fliege nicht von allein ins Dasein kamen, wie verhielt es sich dann mit Mikroben, die weiterhin in Speisen auftraten, ob man diese abdeckte oder nicht? Obwohl spätere Versuche zeigten, daß auch Mikroben nicht spontan auftreten, blieb die Frage umstritten. Dann kam Louis Pasteur mit seiner Arbeit.
Vielen ist bekannt, daß sich Pasteur mit der Lösung von Problemen befaßte, die mit der Fermentation und mit Infektionskrankheiten zu tun hatten. Er führte auch Experimente durch, um festzustellen, ob sich winzige Lebensformen von selbst bilden könnten. Wie wir vielleicht gelesen haben, wies Pasteur nach, daß in sterilisiertem Wasser nicht einmal winzige Bakterien entstehen, sofern es vor Verunreinigung geschützt wird. 1864 gab er dann bekannt: „Nie wird sich die Lehre der Urzeugung von dem Todesstoß erholen, den ihr dieses einfache Experiment versetzt hat.“ Das hat sich bewahrheitet. In keinem Versuch ist jemals Leben aus unbelebter Materie erzeugt worden.
Wie konnte also Leben auf der Erde ins Dasein kommen? Neuzeitliche Bemühungen um eine Antwort auf diese Frage reichen in die zwanziger Jahre zurück, bis hin zu den Arbeiten des russischen Biochemikers Alexandr I. Oparin. Er und andere Wissenschaftler nach ihm haben so etwas wie das Manuskript für ein Drama in drei Akten vorgelegt, in dem dargestellt wird, was sich auf der Weltbühne abgespielt haben soll. Im ersten Akt wird gezeigt, wie sich die Elemente der Erde, das Rohmaterial, in Molekülgruppen verwandelten. Dann kommt der Sprung zu großen Molekülen. Und im letzten Akt dieses Dramas wird der Riesenschritt zur ersten lebenden Zelle dargestellt. Ist es aber wirklich so gewesen?
Das Drama beruht auf der Erklärung, daß die Erdatmosphäre anfangs ganz anders war als heute. Gemäß einer Theorie war sozusagen kein freier Sauerstoff vorhanden, und aus Elementen wie Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff bildeten sich Ammoniak und Methan. Größere Molekülverbindungen wie Zucker und Aminosäuren sollen dadurch entstanden sein, daß eine Atmosphäre, bestehend aus diesen Gasen und aus Wasserdampf, Blitzen und ultraviolettem Licht ausgesetzt war. Man darf nicht vergessen, daß es sich hier um eine Theorie handelt.
Gemäß diesem erdachten Drama wurden jene Molekülverbindungen in die Meere und andere Gewässer gespült. Im Laufe der Zeit hätten sich Zucker, Säuren und andere Verbindungen in einer bouillonartigen „Ursuppe“ angereichert, in der sich zum Beispiel Aminosäuren zu Proteinen vereinigten. Im Verlauf dieser theoretischen Weiterentwicklung verketteten sich andere Molekülverbindungen, die Nukleotide, zu Nukleinsäuren, wie zum Beispiel zur DNS. All das bereitete angeblich den Schlußakt des molekularen Dramas vor.
Man könnte diesen letzten Akt, der nicht dokumentiert ist, als Liebesgeschichte bezeichnen. Proteinmoleküle und DNS-Moleküle begegnen sich zufällig, gefallen einander, umarmen sich, und kurz bevor der Vorhang fällt, ist die erste lebende Zelle geboren. Würde sich der Zuschauer bei einem solchen Drama nicht fragen: „Beruht das auf einer wahren Begebenheit, oder ist es nur Dichtung?“ Könnte das Leben auf der Erde wirklich so entstanden sein?
Ursprung im Labor?
Anfang der fünfziger Jahre gingen Wissenschaftler daran, Oparins Theorie zu überprüfen. Es galt als bewiesen, daß Leben nur aus vorhandenem Leben kommt; doch Wissenschaftler theoretisierten, daß Leben langsam aus Unbelebtem entstanden sein könnte, wenn damals andere Bedingungen herrschten. Konnte das demonstriert werden? In dem Labor von Harold Urey füllte der Wissenschaftler Stanley L. Miller Wasserstoff, Ammoniak, Methan und Wasserdampf (in der Annahme, daß die Uratmosphäre so zusammengesetzt war) in einen luftdicht abgeschlossenen Glasapparat, in dessen unterem Teil Wasser brodelte (den Urozean darstellend), und verpaßte den Gasen mit einem Funkenentladungsgerät simulierte Blitze. Innerhalb einer Woche bildeten sich Spuren einer zähen rötlichen Masse. Als Miller sie analysierte, fand er einen hohen Gehalt an Aminosäuren — die Bausteine der Proteine. Das Experiment dürfte uns nicht unbekannt sein, weil es seit Jahren in wissenschaftlichen Lehrbüchern und in Schulbüchern angeführt wird, um zu erklären, wie das Leben auf der Erde begann. Liefert es aber eine Erklärung?
In Wirklichkeit wird der Wert des Miller-Versuchs heute ernsthaft in Frage gezogen. (Siehe den Kasten „Klassisch, aber fragwürdig“, Seite 36, 37.) Dennoch führte sein anscheinender Erfolg zu weiteren Versuchen, in denen Komponenten erzeugt wurden, die in Nukleinsäuren (DNS oder RNS) vorhanden sind. Wissenschaftler, die sich auf die Erforschung des Ursprungs des Lebens spezialisiert haben, waren optimistisch, denn sie hatten, so schien es, den ersten Akt des molekularen Dramas neu aufgeführt. Und es sah so aus, als würden Laborversionen der noch ausstehenden zwei Akte folgen. Ein Professor der Chemie behauptete: „Die Erklärung des Ursprungs eines ersten Lebenssystems durch evolutionäre Mechanismen ist in greifbare Nähe gerückt.“ Ferner bemerkte ein Wissenschaftsautor: „Große Gelehrte spekulierten darüber, daß Wissenschaftler, ähnlich wie die von Mary Shelley erfundene Gestalt des Dr. Frankenstein, schon bald in ihren Labors lebende Organismen hervorzaubern und so in allen Einzelheiten die Entstehung des Lebens rekonstruieren würden.“ Das Rätsel der Urzeugung des Lebens war für viele gelöst. (Siehe den Kasten „Rechte Hand, linke Hand“, Seite 38.)
Die Stimmung schlägt um — Rätsel bleiben
In den Jahren danach verflog jedoch der Optimismus. Jahrzehnte vergingen, und die Geheimnisse des Lebens blieben ungelüftet. Etwa 40 Jahre nach seinem Experiment sagte Professor Miller gegenüber Scientific American, daß „sich die Lösung des Rätsels vom Ursprung des Lebens als schwieriger erwiesen habe, als er oder irgendein anderer es sich vorgestellt habe“. Bei anderen Wissenschaftlern vollzog sich dieser Stimmungsumschwung ebenfalls. Im Jahre 1969 war zum Beispiel Dean H. Kenyon, Professor der Biologie, Koautor des Buches Biochemical Predestination. Doch unlängst kam er zu dem Schluß, es sei „von Grund auf unplausibel, daß sich selbst überlassene Materie und Energie sich zu lebenden Systemen anordneten“.
In der Tat erhärten Laborversuche die Einschätzung Kenyons, daß „alle gegenwärtigen Theorien über den chemischen Ursprung des Lebens einen grundlegenden Fehler“ aufweisen. Nachdem Miller und andere Forscher Aminosäuren hergestellt hatten, machte man sich an die Aufgabe, Proteine und DNS zu erzeugen, beides notwendige Substanzen für das Leben auf der Erde. Was war das Ergebnis Tausender Versuche unter sogenannten präbiotischen Bedingungen? In dem Buch The Mystery of Life’s Origin: Reassessing Current Theories wird bemerkt: „Es besteht ein auffallender Gegensatz zwischen dem beachtlichen Erfolg bei der Synthese von Aminosäuren und den beständigen Mißerfolgen bei der Synthese von Proteinen und DNS.“ Letztere Bemühungen zeichnen sich durch „konstanten Mißerfolg“ aus.
Realistisch betrachtet, geht es bei dem Geheimnis um mehr als darum, wie die ersten Protein- und Nukleinsäuremoleküle (DNS und RNS) ins Dasein kamen. Es schließt auch ein, wie sie zusammenwirken. „Nur die Partnerschaft der beiden Moleküle ermöglicht das gegenwärtige Leben auf der Erde“, heißt es in der New Encyclopædia Britannica. Allerdings wird in dieser Enzyklopädie erklärt, „ein entscheidendes ungelöstes Problem in bezug auf den Ursprung des Lebens“ sei nach wie vor die Frage, wie jene Partnerschaft zustande kommen konnte. Wie wahr!
Im Anhang A „Teamarbeit für das Leben“ (Seite 45 bis 47) werden einige grundlegende Einzelheiten der faszinierenden Teamarbeit aufgezeigt, die Proteine und Nukleinsäuren in unseren Zellen leisten. Schon ein solch kleiner Einblick in die Welt der Zellen unseres Körpers ruft Bewunderung für die Arbeit der Wissenschaftler dieses Zweiges hervor. Sie haben die außerordentlich komplizierten Prozesse erhellt, an die wir kaum denken, die aber während unseres Lebens ständig ablaufen. Andererseits bringt uns die erstaunliche Kompliziertheit und Präzision, die erforderlich sind, zu der Frage zurück, wie all das zustande gekommen ist.
Uns ist wahrscheinlich bekannt, daß Wissenschaftler, die nach dem Ursprung des Lebens forschen, nicht aufgegeben haben, ein plausibles Szenario für das Drama des ersten Erscheinens von Leben zu schreiben. Ihre neuen Manuskripte erweisen sich jedoch nicht als überzeugend. (Siehe Anhang B „Aus der ‚RNS-Welt‘ oder aus einer anderen Welt?“, Seite 48.) Zum Beispiel bemerkte Klaus Dose vom Institut für Biochemie in Mainz: „Gegenwärtig enden alle Diskussionen über die hauptsächlichen Theorien und Versuche auf diesem Gebiet entweder in einer Sackgasse oder mit dem Eingeständnis der Unwissenheit.“
Selbst die „Internationale Konferenz über den Ursprung des Lebens“ im Jahre 1996 führte zu keiner Lösung. Statt dessen hatten gemäß der Zeitschrift Science die nahezu 300 versammelten Wissenschaftler „herumgerätselt, wie [DNS- und RNS-]Moleküle zuerst auftraten und wie sie sich zu selbstreproduktiven Zellen entwickelten“.
Es erfordert Intelligenz und höhere Bildung, das, was in unseren Zellen auf molekularer Ebene abläuft, zu studieren und erste Erklärungsansätze zu machen. Ist es daher vernünftig, anzunehmen, die komplizierten Schritte seien zuerst in einer „Ursuppe“ erfolgt, ohne Zutun von außen, spontan und zufällig? Oder war mehr daran beteiligt?
Warum gibt es die Rätsel?
Heute kann man auf fast ein halbes Jahrhundert der Spekulationen und auf Tausende Versuche zurückblicken, die beweisen sollten, daß das Leben von selbst entstanden ist. Wer Rückblick hält, dem wird es schwerfallen, dem Nobelpreisträger Francis Crick zu widersprechen. In bezug auf Theorien über den Ursprung bemerkte er, daß „es auf diesem Gebiet allzu viele Spekulationen gibt, die an allzu wenige Tatsachen geknüpft werden“. Es ist daher verständlich, daß einige Wissenschaftler, die die Tatsachen untersuchen, schlußfolgern, das Leben sei so komplex, daß es nicht einmal unter geordneten Bedingungen im Labor auftauchen könne, geschweige denn in einer sich selbst überlassenen Umgebung.
Wenn nicht einmal die modernste Wissenschaft beweisen kann, daß das Leben von selbst entstehen konnte, warum halten einige Wissenschaftler weiterhin an solchen Theorien fest? Ein gewisses Verständnis darüber vermittelt uns das, was Professor J. D. Bernal vor einigen Jahrzehnten in seinem Buch Der Ursprung des Lebens schrieb: „Wendet man auf dieses Thema [die Urzeugung des Lebens] die strengen Regeln wissenschaftlicher Denkmethoden an, so kann an mehreren Stellen eines Berichts über die Lebensbildung tatsächlich demonstriert werden, weshalb das Leben nicht entstanden sein konnte; die Unwahrscheinlichkeiten sind zu groß, die Chancen für ein Auftreten des Lebens zu gering.“ Er fuhr fort: „Bedauerlicherweise existiert aber trotzdem hier auf der Erde das Leben in all seiner Vielfalt der Formen und Aktivitäten, und die Argumente müssen herumgedreht werden, um sein Vorhandensein zu begründen.“ Und das Bild hat sich nicht gewandelt.
Betrachten wir die Hintergründe dieser Argumentation. Es ist so, als sagte man: „Wissenschaftlich gesehen, stimmt es, daß das Leben nicht von selbst begonnen haben kann. Aber das plötzliche Auftreten von Leben ist die einzige Möglichkeit, die wir in Erwägung ziehen. Daher müssen die Argumente so herumgedreht werden, daß sie die Hypothese stützen, das Leben sei spontan aufgetreten.“ Ist eine solche Logik befriedigend? Erfordert eine solche Argumentation nicht ein beträchtliches „Herumdrehen“ von Tatsachen?
Es gibt jedoch gutunterrichtete, angesehene Wissenschaftler, die es nicht für erforderlich halten, die Tatsachen herumzudrehen, damit sie zu einer verbreiteten Vorstellung über den Ursprung des Lebens passen. Sie lassen sich von Tatsachen leiten, um zu einer vernünftigen Schlußfolgerung zu gelangen. Um welche Tatsachen und um welche Schlußfolgerung geht es hier?
Information und Intelligenz
Bei einem Interview in einem Dokumentarfilm sagte Professor Maciej Giertych, ein bekannter Genetiker am Institut für Dendrologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften:
„Uns ist bewußt geworden, wie immens umfangreich die in den Genen enthaltene Information ist. Die Wissenschaft weiß nicht, wie sie erklären soll, daß diese Information spontan zustande kommen kann. So etwas setzt Intelligenz voraus; es kann nicht durch Zufallsereignisse zustande kommen. Nur Buchstaben zu mischen erzeugt noch keine Wörter.“ Er fuhr fort: „Das sehr komplizierte DNS-RNS-Protein-Replikationssystem der Zelle zum Beispiel muß von Anfang an voll funktionsfähig gewesen sein. Andernfalls könnten Lebenssysteme nicht existieren. Die einzige logische Erklärung ist, daß die ungeheure Informationsmenge von einer Intelligenz herrührt.“
Je mehr wir über die Wunder des Lebens kennenlernen, desto logischer ist es, der Schlußfolgerung zuzustimmen: Der Ursprung des Lebens setzt eine intelligente Quelle voraus. Was für eine Quelle?
Wie zuvor erwähnt, folgern Millionen gebildete Menschen, daß das Leben auf der Erde von einer höheren Intelligenz, einem Konstrukteur, ins Dasein gebracht worden sein muß. Ja, nachdem sie die Sache genau untersucht haben, haben sie erkannt, daß es selbst in unserem wissenschaftlichen Zeitalter vernünftig ist, dem biblischen Dichter zuzustimmen, der vor langer Zeit über Gott sagte: „Denn bei dir ist der Quell des Lebens“ (Psalm 36:9).
Wenden wir uns nun, unabhängig davon, ob wir persönlich zu diesem Schluß gelangt sind oder nicht, einigen Wundern zu, die mit uns zu tun haben. Das ist höchst befriedigend und wirft auf diese Angelegenheit, die unser Leben berührt, vielleicht viel Licht.
[Kasten auf Seite 30]
Wie wahrscheinlich ist der Zufall?
„Zufall, und Zufall allein hat von der Ursuppe bis zum Menschen alles geschaffen“, erklärt der Nobelpreisträger Christian de Duve, den Ursprung des Lebens betreffend. Ist der Zufall aber eine vernünftige Erklärung für die Ursache des Lebens?
Was ist Zufall? Einige denken an eine mathematische Wahrscheinlichkeit, wie zum Beispiel den Zufall beim Werfen einer Münze. Das ist jedoch nicht die Art und Weise, wie viele Wissenschaftler das Wort „Zufall“ in bezug auf den Ursprung des Lebens gebrauchen. Das vage Wort „Zufall“ wird stellvertretend für ein genaueres Wort gebraucht, zum Beispiel für „Ursache“, und zwar vor allem dann, wenn die Ursache nicht bekannt ist.
„Den ‚Zufall‘ zu personifizieren, als würden wir von einem Verursacher reden“, bemerkt der Biophysiker Donald M. Mac- Kay, „ist gleichbedeutend mit dem unerlaubten Wechsel von einem wissenschaftlichen zu einem quasireligiösen mythologischen Konzept.“ In ähnlichem Sinn betont Robert C. Sproul: „Weil die unbekannte Ursache schon so lange als ‚Zufall‘ bezeichnet wird, beginnt man zu vergessen, daß ein Austausch vorgenommen wurde. ... Die Annahme: ‚Zufall ist gleich unbekannte Ursache‘ bedeutet mittlerweile für viele: ‚Zufall ist gleich Ursache.‘ “
Der Nobelpreisträger Jacques L. Monod benutzte zum Beispiel diesen Gedankengang, bei dem Zufall gleich Ursache ist. „Nichts als der Zufall, die absolute, blinde Freiheit [dient] als Grundlage des wunderbaren Gebäudes der Evolution“, schrieb er. „Der Mensch weiß endlich, daß er in der teilnahmslosen Unermeßlichkeit des Universums allein ist, aus dem er zufällig hervortrat.“ Beachten wir, daß er „zufällig“ sagte. Monod geht wie viele andere vor — er erhebt den Zufall zum Schöpfungsprinzip. Der Zufall wird als das Mittel präsentiert, wodurch das Leben auf der Erde entstand.
Wörterbücher definieren „Zufall“ als „den vermuteten unpersönlichen absichtslosen Entscheidungsfaktor unberechenbarer Ereignisse“. Wer sagt, das Leben sei durch Zufall entstanden, sagt auch, daß es durch eine ursächliche Kraft entstand, die nicht bekannt ist. Könnte es sein, daß einige „Zufall“ sagen und „Schöpfer“ meinen?
[Kasten auf Seite 35]
„Das kleinste Bakterium steht uns Menschen unvergleichlich viel näher als Stanley Millers chemische Gemische, weil es bereits diese Systemeigenschaften aufweist. Der Schritt von einem Bakterium zum Menschen ist also ein viel kleinerer Schritt als der von einem Gemenge von Aminosäuren zu diesem Bakterium“ (Lynn Margulis, Professorin der Biologie).
[Kasten/Bild auf Seite 36, 37]
Klassisch, aber fragwürdig
Der Versuch von Stanley Miller, den er 1953 durchführte, wird oft als Stütze dafür herangezogen, daß die Urzeugung in der Vergangenheit stattgefunden haben könnte. Die Stichhaltigkeit seiner Erklärungen beruht jedoch auf der Annahme, daß die Uratmosphäre der Erde „reduzierend“ war. Das bedeutet, daß sie nur ganz geringe Mengen an freiem (chemisch ungebundenem) Sauerstoff enthielt. Warum ging er davon aus?
In dem Buch The Mystery of Life’s Origin: Reassessing Current Theories wird darauf hingewiesen, daß sich in Anwesenheit von viel freiem Sauerstoff „keine Aminosäuren hätten bilden können, und wenn es auf Grund irgendeines Zufalls geschehen wäre, hätten sie sich schnell wieder zersetzt“a. Wie gut war Millers Behauptung begründet, daß die sogenannte Uratmosphäre reduzierend war?
In einer klassischen wissenschaftlichen Arbeit, die Miller zwei Jahre nach seinem Versuch veröffentlichte, schrieb er: „Natürlich sind diese Vorstellungen Spekulation, denn wir wissen nicht, ob die Erde eine reduzierende Atmosphäre hatte, als sie gebildet wurde. ... Kein unmittelbarer Beweis ist bis heute gefunden worden“ (Journal of the American Chemical Society, 12. Mai 1955).
Sind solche Beweise später entdeckt worden? Etwa 25 Jahre danach berichtete der Wissenschaftsautor Robert C. Cowen: „Wissenschaftler müssen einige ihrer Behauptungen überdenken. ... Es sind kaum Beweise aufgetaucht, die die Vorstellung von einer wasserstoffreichen, stark reduzierenden Atmosphäre stützen, wohl aber Beweise dagegen“ (Technology Review, April 1981).
Und wie war es seither? John Horgan schrieb 1991 in Scientific American: „Seit ungefähr zehn Jahren mehren sich die Zweifel an Ureys und Millers Behauptungen hinsichtlich der Atmosphäre. Laborversuche und Computerrekonstruktionen der Atmosphäre ... legen nahe, daß die ultraviolette Strahlung der Sonne, die heute vom Ozon in der Atmosphäre zurückgehalten wird, die auf Wasserstoff basierenden Moleküle in der Atmosphäre zerstört hätte. ... Eine solche Atmosphäre [aus Kohlendioxyd und Stickstoff] wäre nicht günstig für die Synthese von Aminosäuren und anderen Vorläufern des Lebens.“
Warum halten viele dann immer noch daran fest, daß die frühe Atmosphäre der Erde reduzierend war und kaum Sauerstoff enthielt? In dem Buch Molecular Evolution and the Origin of Life geben Sidney W. Fox und Klaus Dose die Antwort: Die Atmosphäre darf keinen Sauerstoff enthalten haben, da „Laborversuche zeigen, daß die chemische Evolution ... durch Sauerstoff stark gehemmt worden wäre“, und weil Verbindungen wie Aminosäuren „in Gegenwart von Sauerstoff über geologische Zeiträume hinweg nicht stabil sind“.
Ist das nicht ein Zirkelschluß? Es wird gesagt, daß die frühe Atmosphäre reduzierend gewesen sei, weil die Urzeugung des Lebens sonst nicht stattgefunden haben könnte. Aber eigentlich ist kein Beleg dafür vorhanden, daß reduzierende Bedingungen vorlagen.
Da ist noch ein vielsagendes Detail: Wenn in dem Versuch die Gasmischung für die Atmosphäre steht, der elektrische Funke den Blitz nachahmt und das brodelnde Wasser das Meer darstellt, was oder wen stellt dann der Wissenschaftler dar, der den Versuch aufbaut und durchführt?
[Fußnote]
a Sauerstoff ist überaus reaktionsfreudig. Er verbindet sich zum Beispiel mit Eisen zu Rost oder mit Wasserstoff zu Wasser. Wäre reichlich freier Sauerstoff in einer Atmosphäre enthalten gewesen, in der sich Aminosäuren bildeten, hätte er sich unverzüglich mit den organischen Molekülen verbunden und sie zerlegt, sobald sie sich gebildet hätten.
[Kasten auf Seite 38]
Rechte Hand, linke Hand
Wir wissen, daß es rechte und linke Handschuhe gibt. Eine ähnliche Situation besteht bei den Aminosäuremolekülen. Von etwa 100 bekannten Aminosäuren kommen nur 20 in den Proteinen vor, und alle sind linkshändig. Wenn Wissenschaftler im Labor Aminosäuren unter Bedingungen herstellen, von denen sie meinen, sie seien so in einer präbiotischen Suppe vorhanden gewesen, dann finden sie zu gleichen Teilen rechtshändige und linkshändige Moleküle. „Dieses Verhältnis von 50 zu 50“, berichtet die New York Times, „ist nicht charakteristisch für das Leben, das allein von linkshändigen Aminosäuren abhängt.“ Warum lebende Organismen nur aus linkshändigen Aminosäuren bestehen, ist „ein großes Rätsel“. Sogar Aminosäuren, die in Meteoriten gefunden wurden, „wiesen einen Überschuß an linkshändigen Formen auf“. Dr. Jeffrey L. Bada, der Probleme in Verbindung mit dem Ursprung des Lebens untersucht, sagte, daß „irgendein Einfluß außerhalb der Erde eine Rolle bei der Festlegung der Händigkeit biologischer Aminosäuren gespielt haben könnte“.
[Kasten auf Seite 40]
„Diese Experimente ... setzen abiotische Synthese für das voraus, was in Wirklichkeit der hochintelligente und überaus biotische Mensch erzeugt und entworfen hat, um Ideen zu bestätigen, denen er sich weitgehend verpflichtet fühlt“ (Origin and Development of Living Systems).
[Kasten/Bild auf Seite 41]
„Ein vorsätzlicher intellektueller Akt“
Der britische Astronom Sir Fred Hoyle hat sich jahrzehntelang mit dem Studium des Universums und des Lebens darin beschäftigt und sogar den Gedanken vermittelt, daß das Leben auf der Erde aus dem Weltall kam. Am Institute of Technology von Kalifornien behandelte er in Vorlesungen die Reihenfolge von Aminosäuren in Proteinen.
„Das große Problem in der Biologie“, sagte Hoyle, „ist weniger die eindeutige Tatsache, daß ein Protein aus einer Kette von Aminosäuren besteht, die auf eine bestimmte Weise miteinander verknüpft sind, sondern die Tatsache, daß die ausdrückliche Anordnung der Aminosäuren der Kette bemerkenswerte Eigenschaften verleiht. ... Wären die Aminosäuren nach dem Zufallsprinzip miteinander verbunden, gäbe es immens viele Anordnungen, die für eine lebende Zelle nutzlos wären. Zieht man in Betracht, daß ein typisches Enzym aus einer Kette mit vielleicht 200 Verknüpfungen besteht und es 20 Möglichkeiten für jede Verknüpfung gibt, ist leicht zu erkennen, daß die Zahl der möglichen nutzlosen Anordnungen extrem hoch ist, höher als die Zahl der Atome in allen mit den größten Teleskopen sichtbaren Galaxien. Das gilt für nur ein Enzym, doch es gibt über 2000 davon, die im wesentlichen sehr unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Wie ist es also zu dem, was wir sehen, gekommen?“
Hoyle fuhr fort: „Statt die verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit zu akzeptieren, das Leben sei durch blinde Naturkräfte aufgetreten, schien es besser zu sein, anzunehmen, daß der Ursprung des Lebens ein vorsätzlicher intellektueller Akt war.“
[Kasten auf Seite 44]
Professor Michael J. Behe sagte: „Wer sich nicht verpflichtet fühlt, seine Nachforschungen auf intelligenzlose Ursachen zu beschränken, wird zu der aufrichtigen Überzeugung kommen, daß viele biochemische Systeme konstruiert wurden, und zwar nicht von den Naturgesetzen und auch nicht vom Zufall oder von der Notwendigkeit; sie waren vielmehr geplant. ... Das Leben auf der Erde ist, was seine elementare Basis, seine entscheidendsten Bestandteile, angeht, das Produkt eines intelligenten Wirkens.“
[Diagramm/Bild auf Seite 42]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Schon ein kleiner Einblick in die komplexe Welt und in die komplizierten Funktionen jeder Körperzelle führt zu der Frage: Wie ist all das zustande gekommen?
• Zellmembran
Kontrolliert, was in die Zelle hineingeht und was hinausgeht
• Zellkern
Das Steuerungszentrum der Zelle
• Chromosomen
Sie enthalten die DNS, den genetischen Originalbauplan
• Ribosomen
Der Ort, wo Proteine hergestellt werden
• Nukleolus
Stätte, wo Ribosomen gebildet werden
• Mitochondrium
Produktionszentrum für die Moleküle, die der Zelle Energie liefern
[Bild auf Seite 33]
Viele Wissenschaftler erkennen jetzt an, daß die komplexen Moleküle, die die Grundlage des Lebens bilden, nicht spontan in einer präbiotischen Suppe entstehen konnten
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Wie einzigartig wir doch sind!Gibt es einen Schöpfer, der an uns interessiert ist?
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Kapitel vier
Wie einzigartig wir doch sind!
WERFEN wir morgens, bevor wir mit der Tagesarbeit beginnen, einen prüfenden Blick in den Spiegel? Vielleicht haben wir dabei nicht die Muße für besinnliche Gedanken. Nehmen wir uns doch jetzt etwas Zeit, all das zu bestaunen, was mit einem solch einfachen Blick verbunden ist.
Mit unseren Augen können wir uns in Farbe sehen, obwohl der Farbensinn nicht lebenswichtig ist. Die Position unserer Ohren ermöglicht es uns, räumlich zu hören; deswegen vermögen wir eine Schallquelle zu orten, zum Beispiel einen sprechenden lieben Angehörigen. Wir mögen das alles für selbstverständlich halten, aber in einem Buch für Tontechniker heißt es: „Bei einer intensiveren Betrachtung des menschlichen Gehörs kommt man zwangsläufig zu dem Schluß, daß bei dem Entwurf der komplizierten Funktionen und Strukturen eine wohlmeinende Hand im Spiel war.“
Auch unsere Nase weist wunderbare Konstruktionsmerkmale auf. Wir können durch sie atmen, was uns am Leben erhält. Sie ist auch mit Millionen von Sinneszellen ausgestattet, so daß wir etwa 10 000 verschiedene Geruchsnuancen zu unterscheiden vermögen. Wenn wir eine Mahlzeit einnehmen, kommt noch ein weiterer Sinn ins Spiel. Tausende Geschmacksknospen übermitteln uns Geschmacksempfindungen. Andere Sinneszellen auf der Zunge helfen uns, zu ertasten, ob die Zähne sauber sind.
Ja, wir haben fünf Sinne: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Einige Tiere sehen zwar im Dunkeln besser als wir, haben einen empfindlicheren Geruchssinn oder ein besseres Gehör, aber die Ausgewogenheit dieser Sinne ermöglicht es dem Menschen bestimmt, sie in vieler Hinsicht zu überragen.
Betrachten wir jedoch, warum uns diese Fähigkeiten nützen können. Sie alle sind abhängig von einem 1 400 Gramm schweren Organ in unserem Kopf, dem Gehirn. Zwar haben Tiere auch ein funktionierendes Gehirn. Doch das menschliche Gehirn ist eine Klasse für sich, etwas, was uns unleugbar zu einzigartigen Wesen macht. Inwiefern? Und was hat diese Einzigartigkeit mit unserem Interesse an einem sinnvollen endlosen Leben zu tun?
Unser bewunderungswürdiges Gehirn
Seit Jahren vergleicht man das Gehirn des Menschen mit einem Computer, doch neuere Entdeckungen zeigen, daß der Vergleich hinkt. „Wie beginnt man, die Funktion eines Organs zu verstehen, das um die 50 Milliarden Neuronen mit einer Billiarde Synapsen (Verbindungen) besitzt und insgesamt etwa 10 Billiarden Impulse in der Sekunde aussendet?“ fragte Dr. Richard M. Restak. Seine Antwort: „Die Leistung des fortschrittlichsten Computers mit einem neuronalen Netzwerk ... beträgt ungefähr ein Zehntausendstel der geistigen Leistungsfähigkeit einer Stubenfliege.“ Wieviel weniger ist dann ein Computer mit dem weit leistungsfähigeren menschlichen Gehirn zu vergleichen!
Welcher von Menschen hergestellte Computer kann sich selbst reparieren, seine Programme neu schreiben oder sich im Laufe der Jahre verbessern? Wenn ein Computersystem umgestellt wird, muß ein Programmierer neue kodierte Anweisungen schreiben und eingeben. In unserem Gehirn läuft das automatisch ab, sowohl in jungen Jahren als auch im Alter. Es ist nicht übertrieben, zu sagen, daß die leistungsfähigsten Computer im Vergleich zum Gehirn äußerst primitiv sind. Wissenschaftler haben es als „die komplizierteste Struktur ..., die wir kennen“, und als „die komplexeste Struktur im Universum“ bezeichnet. Betrachten wir einige Entdeckungen, die viele zu dem Schluß kommen ließen, daß das menschliche Gehirn das Produkt eines fürsorglichen Schöpfers ist.
Wer rastet, der rostet
Nützliche Erfindungen wie das Auto und das Düsenflugzeug sind im Grunde durch festgelegte Mechanismen und elektrische Systeme eingeschränkt, die der Mensch entwirft und einbaut. Dagegen ist unser Gehirn — bescheiden ausgedrückt — ein hoch flexibler biologischer Mechanismus. Es kann sich je nach Gebrauch oder Mißbrauch fortlaufend verändern. Wie sich unser Gehirn während unseres Lebens entwickelt, hängt anscheinend von zwei Hauptfaktoren ab: was wir über unsere Sinne hineinlassen und worüber wir gemäß unserer eigenen Entscheidung nachdenken.
Jüngste Forschungen zeigen, daß das Gehirn bei der Empfängnis nicht genetisch festgelegt wird, obwohl Erbfaktoren bei der geistigen Leistungsfähigkeit eine Rolle spielen mögen. „Niemand hat geahnt, daß das Gehirn so veränderlich ist, wie es der Wissenschaft heute bekannt ist“, schreibt der Pulitzerpreisträger Ronald Kotulak. Nachdem er über 300 Forscher interviewt hatte, kam er zu dem Schluß: „Das Gehirn ist kein statisches Organ; es ist eine sich ständig verändernde Masse von Zellverbindungen, die erheblich durch Erfahrung beeinflußt wird“ (Inside the Brain).
Dennoch sind Erfahrungen nicht das einzige, was unser Gehirn formt. Es wird auch durch unser Denken beeinflußt. Wissenschaftler beobachten, daß das Gehirn bei Menschen, die geistig rege bleiben, bis zu 40 Prozent mehr Verknüpfungen (Synapsen) zwischen den Nervenzellen (Neuronen) aufweist als bei geistig trägen Personen. Neurowissenschaftler schließen daraus: Wer rastet, der rostet. Wie verhält es sich aber mit älteren Menschen? Die Gehirnzellen scheinen mit dem Alter weniger zu werden, und hohes Alter kann mit einem nachlassenden Gedächtnis einhergehen. Doch der Unterschied ist viel geringer, als man einst dachte. In einer Abhandlung über das Gehirn des Menschen hieß es in der Zeitschrift National Geographic: „Bei älteren Menschen ... bleibt die Fähigkeit erhalten, durch geistige Aktivität neue Verknüpfungen zu erzeugen und alte zu behalten.“
Jüngste Forschungsergebnisse in bezug auf die Flexibilität des menschlichen Gehirns stimmen mit dem Rat der Bibel überein. Dieses Buch der Weisheit fordert seine Leser dazu auf, ‘durch die Neugestaltung des Sinnes umgewandelt’ zu werden oder „durch genaue Erkenntnis erneuert“ zu werden, die in den Sinn aufgenommen wird (Römer 12:2; Kolosser 3:10). Jehovas Zeugen haben beobachtet, daß dies bei Personen geschieht, die die Bibel studieren und deren Rat beachten. Viele Tausende — aus allen Gesellschafts- und Bildungsschichten — haben das getan. Sie haben dabei nichts an Individualität eingebüßt, sondern sie sind glücklicher und ausgeglichener geworden, und sie offenbaren das, was ein Schreiber des 1. Jahrhunderts einen „gesunden Sinn“ nannte (Apostelgeschichte 26:24, 25). Solchen Verbesserungen liegt größtenteils der gute Gebrauch eines Teils der Hirnrinde zugrunde, der im vorderen Bereich des Kopfes liegt.
Der Frontallappen
Die meisten Neuronen in der äußeren Schicht des Gehirns, der Hirnrinde, sind nicht unmittelbar mit den Muskeln und den Sinnesorganen verbunden. Betrachten wir beispielsweise die Milliarden von Neuronen, aus denen der Frontallappen besteht. (Siehe die Zeichnung auf Seite 56.) Gehirntomographien zeigen, daß der Frontallappen aktiv wird, wenn man an ein Wort denkt oder sich an etwas erinnert. Der vordere Teil des Gehirns spielt eine Sonderrolle dabei, daß wir die Person sind, die wir sind.
„Die präfrontale Hirnrinde ... ist stark beteiligt an der Gedankenentwicklung, an der Intelligenz, der Motivation und der Persönlichkeit. Sie assoziiert Erfahrungen, die für das Erzeugen abstrakter Vorstellungen, für Beurteilungen, Beharrlichkeit, Planung, die Sorge um andere und das Gewissen nötig sind. ... Durch die Gedankenentwicklung in dieser Region heben sich die menschlichen Lebewesen von den Tieren ab“ (Marieb, Human Anatomy and Physiology). Dieser Unterschied tritt bestimmt in dem zutage, was der Mensch auf Gebieten wie Mathematik, Philosophie und Rechtswissenschaft geleistet hat — Leistungen, an denen hauptsächlich die präfrontale Hirnrinde beteiligt ist.
Warum besitzt der Mensch eine große flexible präfrontale Hirnrinde, die zu höheren geistigen Funktionen beiträgt, wohingegen bei Tieren diese Region nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist? Der Unterschied ist so auffallend, daß Biologen, die behaupten, der Mensch habe sich entwickelt, von einer „geheimnisvollen gewaltigen Zunahme der Gehirngröße“ sprechen. Richard F. Thompson, Professor der Biologie, gibt unter Hinweis auf die außerordentliche Größenzunahme der menschlichen Großhirnrinde zu: „Über die Ursachen dieses Prozesses haben wir bis heute noch keine genauen Vorstellungen.“ Könnte es darauf zurückzuführen sein, daß der Mensch mit dieser einzigartigen Gehirnkapazität erschaffen worden ist?
Unvergleichliche kommunikative Fertigkeiten
Auch andere Teile des Gehirns tragen zu unserer Einzigartigkeit bei. Hinter der präfrontalen Hirnrinde liegt ein Streifen, der sich quer über das Gehirn erstreckt — die motorische Rinde. Sie enthält Milliarden von Neuronen, die mit den Muskeln verbunden sind. Auch sie weist Merkmale auf, die bewirken, daß wir ganz anders sind als Affen und andere Tiere. Die primäre motorische Rinde verleiht uns „1. die außergewöhnliche Begabung, mit der Hand, den Fingern und dem Daumen überaus geschickt manuelle Aufgaben auszuführen, und 2. die Fähigkeit, den Mund, die Lippen, die Zunge und die Gesichtsmuskeln zu bewegen, um zu sprechen“ (Guyton, Textbook of Medical Physiology).
Betrachten wir kurz, wie unsere Redefähigkeit von der motorischen Rinde beeinflußt wird. Über die Hälfte davon ist den Kommunikationsorganen gewidmet. Man versteht somit besser, warum der Mensch unvergleichliche kommunikative Fertigkeiten besitzt. Zwar spielen die Hände eine Rolle bei der Kommunikation (beim Schreiben, in der normalen Gestik oder bei der Gebärdensprache), aber die Hauptrolle übernimmt gewöhnlich der Mund. Die Sprache des Menschen ist ohne Frage ein Wunder — vom ersten Wort eines Kleinkindes bis hin zur Stimme eines älteren Menschen. Um die zahllosen Laute zu erzeugen, arbeiten rund 100 Muskeln der Zunge, der Lippen, des Kiefers, der Kehle und des Brustkorbs zusammen. Beachtenswert ist der folgende Gegensatz: Eine Gehirnzelle kann bei einem Sportler 2 000 Fasern des Wadenmuskels steuern, wohingegen die Gehirnzellen, die für die Stimmbänder zuständig sind, sich jeweils auf nur 2 oder 3 Muskelfasern konzentrieren. Läßt das nicht darauf schließen, daß unser Gehirn für die Kommunikation besonders ausgerüstet ist?
Jeder kurze Ausdruck, den wir aussprechen, erfordert ein spezifisches Muster von Muskelbewegungen. Die Bedeutung eines Ausdrucks kann sich je nach dem Grad der Bewegung und dem genauen zeitlichen Einsatz von Dutzenden verschiedener Muskeln ändern. „Bei normalem Tempo“, erklärt der Logopäde Dr. William H. Perkins, „sprechen wir 14 Laute in der Sekunde. Das ist doppelt so schnell, wie wir die Zunge, die Lippen, den Unterkiefer oder irgendeinen anderen Teil des Sprechapparats steuern können, wenn wir sie getrennt voneinander bewegen. Aber bei gemeinsamem Gebrauch zum Sprechen arbeiten sie wie die Finger einer geübten Schreibkraft oder eines Konzertpianisten zusammen. Ihre Bewegungen fließen ineinander über — zeitlich ideal aufeinander abgestimmt.“
Die eigentlichen Daten, die nötig sind, um die einfache Frage „Wie geht es dir heute?“ zu stellen, sind in der Brocaschen Region abgelegt, einem Teil des Frontallappens, der bei einigen als das Sprachzentrum gilt. Der Nobelpreisträger und Neurowissenschaftler Sir John Eccles schrieb: „Bei Menschenaffen hat man kein dem ... Brocaschen Sprachzentrum entsprechendes Feld gefunden.“ Selbst wenn einige ähnliche Regionen bei Tieren gefunden werden, die Tatsache bleibt, daß Wissenschaftler Menschenaffen nur ein paar einfache Sprachlaute beizubringen vermögen. Wir dagegen können eine komplizierte Sprache sprechen. Dabei reihen wir Wörter gemäß der Grammatik der Sprache aneinander. Die Brocasche Region unterstützt uns dabei, sowohl beim Sprechen als auch beim Schreiben.
Natürlich kann man sich des Wunders der Sprache erst dann bedienen, wenn man eine Sprache kennt und weiß, was ihre Wörter bedeuten. Daran ist ein weiterer besonderer Bereich unseres Gehirns beteiligt, die sogenannte Wernickesche Region. Hier erfassen Milliarden von Neuronen den Sinn von gesprochenen oder geschriebenen Wörtern. Die Wernickesche Region hilft uns, den Sinn von Äußerungen zu erfassen und zu verstehen, was wir hören oder lesen; auf diese Weise können wir Informationen erhalten und vernünftig darauf reagieren.
Zum fließenden Sprechen gehört jedoch mehr. Ein Beispiel: Ein gesprochener Gruß wie „Guten Tag!“ kann viele Bedeutungen vermitteln. Unsere Stimme verrät, ob wir froh, begeistert, gelangweilt, in Eile, ärgerlich, traurig oder verängstigt sind, und sie offenbart vielleicht sogar verschiedene Grade dieser Gefühlszustände. Die Daten für den Gefühlsausdruck der Sprache liefert eine andere Gehirnregion. An der Kommunikation sind also unterschiedliche Bereiche des Gehirns beteiligt.
Schimpansen hat man in begrenztem Umfang die Gebärdensprache gelehrt, aber sie wird fast nur genutzt, um Nahrung oder andere grundlegende Dinge zu fordern. Dr. David Premack, der sich damit befaßt hat, Schimpansen eine einfache nonverbale Kommunikation zu lehren, kam zu dem Ergebnis: „Die menschliche Sprache bringt die Evolutionstheorie in Verlegenheit, weil sie weit leistungsfähiger ist, als begründet werden kann.“
Uns geht vielleicht die Frage durch den Sinn: „Warum besitzt der Mensch diese erstaunliche Fähigkeit, Gedanken und Gefühle auszutauschen, sich nach etwas zu erkundigen und darauf zu reagieren?“ In der Encyclopedia of Language and Linguistics wird erklärt, daß die „menschliche Sprache etwas Besonderes ist“, und es wird eingeräumt, daß „die Suche nach Vorläufern in der Kommunikation zwischen Tieren nicht viel dazu beiträgt, die tiefe Kluft zu überbrücken, die die Sprache und das Sprechen von den nichtmenschlichen Verhaltensweisen trennt“. Professor Ludwig Koehler faßte den Unterschied wie folgt zusammen: „Die menschliche Sprache ist ein Geheimnis; sie ist eine göttliche Gabe, ein Wunder.“
Wie sehr sich doch die Gebärden eines Affen von dem komplexen Sprachvermögen eines Kindes unterscheiden! Sir John Eccles erwähnte etwas, was den meisten von uns auch schon aufgefallen ist: die Fähigkeit zu fragen, „die schon dreijährige Kinder in ihrem Wunsch, ihre Welt zu verstehen, mit einer Flut von Fragen an den Tag legen“. Er fuhr fort: „Menschenaffen dagegen stellen keine Fragen.“ Ja, nur Menschen formulieren Fragen, auch Fragen über den Sinn des Lebens.
Gedächtnis und mehr!
Wenn man in den Spiegel schaut, denkt man vielleicht daran, wie man in jungen Jahren aussah, und stellt sich sogar vor, wie man in einigen Jahren oder nach dem Gebrauch von Schönheitsmitteln aussehen könnte. Solche Gedanken kommen fast unbewußt auf; doch dabei geschieht etwas ganz Besonderes, etwas, was kein Tier erleben kann.
Anders als die Tiere, die sich hauptsächlich mit momentanen Bedürfnissen abgeben und entsprechend handeln, vermögen Menschen über die Vergangenheit nachzusinnen und für die Zukunft zu planen. Eine Schlüsselrolle übernimmt dabei das schier unbegrenzte Erinnerungsvermögen des Gehirns. Tiere haben zwar auch ein gewisses Gedächtnis, so daß sie nach Hause finden oder sich erinnern, wo ihr Futter sein könnte. Das menschliche Gedächtnis ist aber viel umfassender. Gemäß dem, was ein Wissenschaftler über das Fassungsvermögen unseres Gehirns sagte, „würde diese Information gut zwanzig Millionen Bände füllen und mithin eine der größten Bibliotheken der Welt darstellen“. Einige Neurowissenschaftler schätzen, daß ein Mensch, der ein durchschnittliches Alter erreicht, in seinem Leben nur 0,1 Promille (ein Zehntausendstel) des Fassungsvermögens seines Gehirns nutzt. Angesichts dessen fragt man sich wahrscheinlich: „Wozu hat unser Gehirn eine solch große Kapazität, wenn wir in einem Leben von normaler Länge kaum einen Bruchteil davon nutzen können?“
Unser Gehirn ist aber auch nicht lediglich ein Massenspeicher wie ein Supercomputer. Robert Ornstein und Richard F. Thompson, Professoren der Biologie, schrieben: „Die Fähigkeit des menschlichen Geistes, zu lernen — Informationen zu speichern und abzurufen —, ist eine Erscheinung sondergleichen im lebenden Universum. Alles, was unsere Besonderheit als Menschen ausmacht — Sprache, Denken, Erkenntnis, Kultur —, ist das Ergebnis dieser außergewöhnlichen Fähigkeit.“
Darüber hinaus besitzen wir einen Sinn, der sich durch Bewußtsein auszeichnet. Diese Aussage mag banal klingen, doch sie drückt in wenigen Worten etwas aus, was uns unbestritten einzigartig macht. Der Sinn ist beschrieben worden als „der schwer definierbare Sitz der Intelligenz, der Entscheidungsfindung, der Wahrnehmung, des Gewahrwerdens und des Selbst-Bewußtseins“. So wie Bäche, Flüsse und Ströme in ein Meer fließen, so fließen Erinnerungen, Gedanken, Bilder, Klänge und Gefühle ständig in unseren Sinn oder durchqueren ihn. Bewußtsein ist gemäß einer Definition „die Wahrnehmung dessen, was im eigenen Sinn vor sich geht“.
Forscher unserer Zeit haben viel über die Beschaffenheit des Gehirns und einige der darin ablaufenden elektrochemischen Prozesse hinzugelernt. Sie können auch die Schaltkreise und die Funktion eines hochentwickelten Computers erklären. Unser Gehirn und ein Computer unterscheiden sich jedoch gewaltig. Durch das Gehirn besitzt man Bewußtsein und nimmt sein Dasein wahr, ein Computer dagegen nimmt sein Dasein bestimmt nicht wahr. Was macht den Unterschied aus?
Offen gesagt, es ist nach wie vor ein Rätsel, wie und warum physikalischen Prozessen im Gehirn ein Bewußtsein entspringt. „Ich glaube nicht, daß eine wissenschaftliche Theorie dies zu erklären vermag“, kommentierte ein Neurobiologe. Auch Professor James Trefil bemerkte: „Was es genau bedeutet, daß ein menschliches Wesen Bewußtsein besitzt, ... ist in den Wissenschaften die einzige wesentliche Frage, von der wir nicht einmal wissen, wie wir sie stellen sollen.“ Ein Grund dafür ist, daß Wissenschaftler mit Hilfe des Gehirns versuchen, das Gehirn zu verstehen. Und es reicht vermutlich nicht, die Physiologie des Gehirns zu studieren. Das bewußte Erleben ist „das rätselhafteste Geschehen überhaupt“, erklärte Dr. David Chalmers und fügte hinzu, daß „selbst die genaueste Kenntnis der Vorgänge im Gehirn noch nichts über die Qualität bewußten Erlebens aussagt“.
Dennoch erlebt jeder von uns das Bewußtsein. Unsere lebendigen Erinnerungen an vergangene Ereignisse sind zum Beispiel nicht nur gespeicherte Fakten wie die Bits von Computerdaten. Wir können über unsere Erfahrungen nachdenken, Lehren daraus ziehen und sie verwenden, um unsere Zukunft zu gestalten. Wir sind in der Lage, mehrere künftige Szenarien zu erwägen und die jeweiligen möglichen Folgen zu bewerten. Wir haben die Gabe, zu analysieren, zu gestalten, Wertschätzung zu bekunden und zu lieben. Wir können uns an angenehmen Gesprächen über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges erfreuen. Wir haben ethische Werte, was unser Verhalten betrifft, und können sie bei Entscheidungen berücksichtigen, die von unmittelbarem Nutzen sein mögen oder auch nicht. Schönheit in der Kunst und moralische Schönheit wirken auf uns anziehend. Wir können in unserem Sinn Ideen formen und sie verbessern sowie abschätzen, wie andere reagieren, wenn wir sie verwirklichen.
Solche Faktoren rufen ein Gewahrwerden hervor, durch das sich der Mensch von anderen Lebensformen auf der Erde abhebt. Ein Hund, eine Katze und ein Vogel blicken in den Spiegel und reagieren so, als sähen sie einen Artgenossen. Aber wenn wir in den Spiegel schauen, sind wir als Wesen mit den zuvor erwähnten Fähigkeiten uns dessen bewußt, daß wir es sind. Wir können über schwierige Fragen nachdenken wie: „Warum werden einige Schildkröten 150 Jahre alt und einige Bäume über 1 000 Jahre, während es schon in der Zeitung steht, wenn ein vernunftbegabter Mensch hundert wird?“ Dr. Richard Restak erklärt: „Das menschliche Gehirn — und kein anderes — vermag zurückzutreten, sein eigenes Tun zu überblicken und auf diese Weise ein Maß an Transzendenz zu erreichen. Das Vermögen, unsere eigene Rolle umzuschreiben, uns selbst in der Welt neu zu bestimmen, ist das Merkmal, das uns von allen anderen Geschöpfen in der Welt deutlich unterscheidet.“
Das Bewußtsein, das der Mensch besitzt, ist für viele ein Rätsel. In dem Buch Life Ascending, das eine rein biologische Erklärung bevorzugt, wird zugegeben: „Wenn wir uns fragen, wie ein Prozeß [Evolution], der einem Glücksspiel ähnelt und die Verlierer hart bestraft, Wesensmerkmale erzeugt haben soll wie Liebe, Schönheit und Wahrhaftigkeit, Mitleid, Freiheit und vor allem den umfassenden menschlichen Geist, dann stehen wir vor einem Rätsel. Je mehr wir über unsere spirituellen Möglichkeiten nachdenken, desto erstaunter sind wir.“ Das ist wahr. Runden wir daher die Betrachtung der Einzigartigkeit des Menschen mit einigen Beweisen für unser Bewußtsein ab, die veranschaulichen, warum viele überzeugt sind, daß es einen intelligenten Konstrukteur, einen fürsorglichen Schöpfer, gibt.
Kunst und Schönheit
„Warum befassen sich die Menschen so leidenschaftlich mit Kunst?“ fragte Professor Michael Leyton in dem Buch Symmetry, Causality, Mind. Wie er erklärte, könnten manche sagen, geistige Tätigkeit wie zum Beispiel die Beschäftigung mit Mathematik nütze den Menschen eindeutig. Aber was ist an der Kunst nützlich? Leyton veranschaulichte es, indem er sagte, daß Leute weit reisen, um Ausstellungen und Konzerte zu besuchen. Welcher dem Menschen innewohnende Sinn ist daran beteiligt? Auch hängen Menschen überall auf der Welt zu Hause oder im Büro schöne Bilder oder Gemälde auf. Oder betrachten wir die Musik. Die meisten hören gern zu Hause und im Auto Musik. Warum? Das ist bestimmt nicht so, weil die Musik irgendwann zum Überleben des Tüchtigsten beigetragen hätte. Leyton sagt: „Kunst ist vielleicht das unerklärlichste Phänomen der Spezies Mensch.“
Wie wir alle wissen, trägt dennoch die Freude an der Kunst und an Schönem dazu bei, daß wir uns als Mensch fühlen. Ein Tier könnte zwar auf einem Hügel sitzen und den farbigen Himmel ansehen, würde aber die Schönheit als solche auf das Tier anziehend wirken? Wir betrachten einen Gebirgsbach, der in der Sonne glitzert, sind gebannt von der verwirrenden Vielfalt im tropischen Regenwald, genießen den Blick auf einen Palmenstrand oder bewundern die Sterne, die über den samtschwarzen Himmel verstreut sind. Erfüllt uns das nicht oft mit Ehrfurcht? Diese Art Schönheit läßt unser Herz höher schlagen, hebt unsere Stimmung. Warum ist das so?
Warum verlangen wir innerlich nach etwas, was eigentlich nicht wesentlich zu unserem Überleben beiträgt? Woher stammen unsere ästhetischen Wertvorstellungen? Wenn wir sie nicht jemandem zuschreiben, der diese Wertvorstellungen bei der Erschaffung des Menschen bildete, gibt es keine zufriedenstellende Antwort. Dies trifft auch auf moralische Schönheit zu.
Moralische Wertvorstellungen
Für viele sind gute Taten die höchste Form der Schönheit. Wer zum Beispiel unter Verfolgung Grundsätzen treu bleibt, wer selbstlos handelt, um das Leid anderer zu lindern, und jemandem vergibt, der ihn gekränkt hat, zeichnet sich durch Handlungen aus, die überall das moralische Bewußtsein vernünftig denkender Menschen ansprechen. Das ist das Schöne, das in dem alten biblischen Spruch erwähnt wird: „Eines Menschen Einsicht verlangsamt sicherlich seinen Zorn, und es ist für ihn etwas Schönes, Übertretung zu übergehen.“ Ein anderer Spruch lautet: „Das Begehrenswerte am Erdenmenschen ist seine liebende Güte“ (Sprüche 19:11, 22).
Jeder weiß, daß gewisse Leute und sogar Gruppen eine hohe Moral außer acht lassen oder sie mit Füßen treten; das trifft aber nicht auf die Mehrheit zu. Woher stammen die Moralbegriffe, die fast überall und in jeder Zeit anzutreffen sind? Stammt die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht einfach von den Menschen, von der menschlichen Gesellschaft, wenn es keinen Urheber der Moral, keinen Schöpfer, gibt? Betrachten wir ein Beispiel: Bei den meisten Einzelpersonen oder Gruppen gilt Mord als unrecht. Allerdings könnte man fragen: „Woran gemessen, unrecht?“ Offensichtlich liegt der menschlichen Gesellschaft im allgemeinen ein Sittlichkeitsempfinden zugrunde, das in die Gesetze vieler Länder aufgenommen worden ist. Woher stammt diese sittliche Norm? Könnte nicht ein intelligenter Schöpfer, der moralische Wertvorstellungen besitzt, dem Menschen ein Gewissen, ein ethisches Bewußtsein, verliehen haben? (Vergleiche Römer 2:14, 15.)
Wir können über die Zukunft nachdenken und planen
Eine andere Seite des menschlichen Bewußtseins ist die Fähigkeit, die Zukunft in Betracht zu ziehen. Als Professor Richard Dawkins gefragt wurde, ob Menschen Wesensmerkmale besitzen, die sie von den Tieren unterscheiden, erkannte er an, daß der Mensch durchaus einzigartige Eigenschaften hat. Nachdem Dawkins „die Fähigkeit, mit bewußter, überlegter Voraussicht zu planen“, beschrieben hatte, fügte er hinzu: „In der Evolution hat bisher nichts anderes als der kurzfristige Nutzen gezählt; der langfristige Nutzen war nie wichtig. Es ist nie möglich gewesen, daß sich etwas entwickelt hat, wenn es dem unmittelbaren, kurzfristigen Wohl des einzelnen Lebewesens abträglich gewesen wäre. Zum allererstenmal ist es möglich, daß zumindest einige sagen: ‚Vergessen wir den kurzfristigen Gewinn, den es bringt, diesen Wald abzuholzen; wie steht es um den langfristigen Nutzen?‘ Nun, ich meine, daß dies wirklich neu und einzigartig ist.“
Andere Forscher bestätigen, daß die menschliche Fähigkeit, bewußt und langfristig zu planen, ohnegleichen ist. Der Neurophysiologe William H. Calvin erklärt: „Außer den hormonell gesteuerten Vorkehrungen für die Überwinterung oder die Fortpflanzung zeigen Tiere erstaunlich wenig Anzeichen dafür, daß sie mehr als nur einige Minuten im voraus planen.“ Tiere mögen sich vor einer kalten Jahreszeit Nahrungsvorräte anlegen, aber sie überlegen sich das nicht und planen es nicht. Der Mensch dagegen denkt an die Zukunft, sogar an die ferne Zukunft. Manche Wissenschaftler denken darüber nach, was aus dem Universum Milliarden von Jahren später wird. Haben wir uns je gefragt, warum der Mensch — anders als das Tier — über die Zukunft nachdenken und Pläne machen kann?
Die Bibel sagt über die Menschen: „Auch die unabsehbare Zeit hat er [der Schöpfer] in ihr Herz gelegt.“ Die Gute Nachricht gibt den Text wie folgt wieder: „Dem Menschen hat er ein Bewußtsein von der Unendlichkeit der Zeit gegeben“ (Prediger 3:11). Wir gebrauchen diese besondere Fähigkeit täglich, selbst bei so etwas Normalem wie einem Blick in den Spiegel und der Überlegung, wie wir in 10 oder 20 Jahren aussehen werden. Außerdem bestätigen wir das, was in Prediger 3:11 gesagt wird, auch wenn wir nur flüchtig über Begriffe nachdenken wie die Unendlichkeit von Zeit und Raum. Allein die Fähigkeit dazu stimmt mit der Äußerung überein, daß der Schöpfer „dem Menschen ... ein Bewußtsein von der Unendlichkeit der Zeit“ gegeben hat.
Zu einem Schöpfer hingezogen
Viele Menschen befriedigt es jedoch nicht völlig, sich an Schönem zu erfreuen, Mitmenschen Gutes zu tun und über die Zukunft nachzusinnen. „Es ist eigenartig“, bemerkt Professor C. Stephen Evans, „daß man oft sogar in den glücklichsten und kostbarsten Momenten, wenn man sich am meisten geliebt fühlt, das Empfinden hat, es fehle etwas. Man will mehr, weiß aber nicht, was.“ Gewiß haben wir als Menschen mit Bewußtsein andere Bedürfnisse als die Tiere, mit denen wir unseren Planeten teilen.
„Religion ist in der menschlichen Natur tief verwurzelt, unabhängig von Einkommensschicht und Bildungsgrad.“ So lautet die Kurzfassung der Forschungsergebnisse, die Professor Alister Hardy in dem Buch The Spiritual Nature of Man vorgelegt hat. Sie bestätigen, was sich in zahlreichen anderen Studien herausgestellt hat: Der Mensch besitzt Gottbewußtsein. Einzelne mögen zwar Atheisten sein, aber nicht ganze Völker. In dem Buch Is God the Only Reality? wird dazu gesagt: „Das religiöse Verlangen nach Sinn ... ist die gemeinsame Erfahrung jeder Kultur und jeden Zeitalters seit dem Hervortreten der Menschheit.“
Woher kommt dieses anscheinend angeborene Gottbewußtsein? Wenn der Mensch nur eine zufällige Gruppierung von Nukleinsäuren und Proteinmolekülen wäre, warum sollten sich diese Moleküle eine Liebe zur Kunst und Schönheit angeeignet haben, religiös geworden sein und die Ewigkeit in Betracht gezogen haben?
Sir John Eccles gelangte, was die evolutionäre Herleitung der Existenz des Menschen betrifft, zu dem Schluß: „Sie versagt in einem höchst wichtigen Punkt. Sie kann keine Erklärung für die Existenz eines jeden von uns als eines einzigartigen selbst-bewußten Wesens liefern.“ Je mehr wir über die Funktionen unseres Gehirns und Sinns lernen, desto verständlicher ist es, warum Millionen von Menschen zu dem Schluß gelangt sind, daß das bewußte Dasein, das der Mensch führt, von einem Schöpfer zeugt, der an uns interessiert ist.
Im nächsten Kapitel wird betrachtet, warum Menschen aller Gesellschaftsschichten festgestellt haben, daß diese rationale Schlußfolgerung die Grundlage dafür bildet, zufriedenstellende Antworten auf die wichtigen Fragen zu finden: „Warum sind wir hier?“ und „Wohin gehen wir?“
[Kasten auf Seite 51]
Schachweltmeister gegen Computer
Als der leistungsfähige Computer „Deep Blue“ den Schachweltmeister bezwang, tauchte die Frage auf: „Müssen wir daraus nicht schließen, daß Deep Blue Verstand besitzt?“
Professor David Gelernter von der Yale-Universität erwiderte: „Nein. Deep Blue ist nur eine Maschine. Sie hat nicht mehr Verstand als ein Blumentopf. ... Es bedeutet vor allem, daß menschliche Wesen Weltmeister im Bauen von Maschinen sind.“
Professor Gelernter machte auf den folgenden wesentlichen Unterschied aufmerksam: „Das Gehirn ist eine Maschine, die ein ‚Ich‘ erzeugen kann. Gehirne können mentale Welten ins Dasein rufen, Computer dagegen nicht.“
Er faßte zusammen: „Die Lücke zwischen Mensch und Computer ist von Dauer und wird nie geschlossen werden. Maschinen werden weiterhin das Leben erleichtern, es gesünder machen, bereichern und verwirren. Und die menschlichen Wesen werden letztlich weiterhin an dem interessiert sein, woran sie schon immer interessiert waren: an sich selbst, an anderen und viele an Gott. Daran haben Maschinen nichts geändert, und so wird es auch bleiben.“
[Kasten auf Seite 53]
Supercomputer wie eine Schnecke
„Die heutigen Computer kommen nicht einmal an einen 4jährigen Menschen heran, was das Sehvermögen, das Sprechvermögen, die Bewegungsfähigkeit oder den Gebrauch von gesundem Menschenverstand betrifft. Ein Grund ist natürlich die reine Rechenleistung. Die Informationsverarbeitungskapazität des leistungsfähigsten Supercomputers entspricht schätzungsweise der des Nervensystems einer Schnecke — ein winziger Bruchteil der Leistung, die dem Supercomputer in unserem Schädel zur Verfügung steht“ (Steven Pinker, Leiter des Zentrums für kognitive Neurowissenschaft am Massachusetts Institute of Technology).
[Kasten auf Seite 54]
„Das menschliche Gehirn besteht fast ausschließlich aus der Hirnrinde. Das Gehirn eines Schimpansen beispielsweise hat auch eine Hirnrinde, aber eine viel kleinere. Die Hirnrinde ermöglicht es uns, zu denken, uns zu erinnern und uns etwas vorzustellen. Hauptsächlich wegen unserer Hirnrinde sind wir menschliche Wesen“ (Edoardo Boncinelli, Leiter des Forschungsbereichs Molekularbiologie, Mailand, Italien).
[Kasten auf Seite 55]
Von der Teilchenphysik zum Gehirn
Professor Paul Davies äußerte sich zur Fähigkeit des Gehirns, das abstrakte Gebiet der Mathematik zu beherrschen. „Mathematik existierte nicht einfach und mußte nur entdeckt werden. Sie ist ein Geschöpf des menschlichen Geistes. Und wo ist Mathematik am wirkungsvollsten? In Teilchenphysik und Astrophysik, Gebieten der Grundlagenforschung, die unserer alltäglichen Erfahrung weit, weit entrückt sind.“ Was ergibt sich daraus? „Dies ist eine ... Erkenntnis, die meiner Ansicht nach nahelegt, daß unser Bewußtsein und unsere Begabung für Mathematik nicht einfach Zufälle sein können, kein unbedeutendes Detail oder Abfallprodukt der Evolution“ (Sind wir allein im Universum?).
[Kasten/Bilder auf Seite 56, 57]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Frontallappen
Präfrontale Rinde
Brocasche Region
Wernickesche Region
Motorische Rinde
● Die Großhirnrinde ist der Teil des Gehirns, der wohl am stärksten mit Intelligenz zusammenhängt. Ausgebreitet würde sie beim Menschen vier Blatt Schreibmaschinenpapier bedecken, beim Schimpansen ein Blatt und bei einer Ratte eine Briefmarke (Spektrum der Wissenschaft).
[Kasten auf Seite 58]
Jedem Volk eigen
Seit Menschengedenken stellen Völker, wenn sie sich begegnen, fest, daß jedes von ihnen eine Sprache spricht. In dem Buch Der Sprachinstinkt heißt es dazu: „Noch nie hat man einen stummen Stamm entdeckt, und es gibt keine Berichte darüber, daß jemals irgendeine Region als ‚Wiege‘ einer Sprache gedient hat, von wo aus sie zu bislang sprachlosen Gruppen von Menschen getragen wurde. ... Die Entdeckung der Universalität komplexer Sprache erfüllt den Linguisten mit Ehrfurcht und ist ein erster Fingerzeig für die Vermutung, daß die Sprache ... das Produkt eines besonderen menschlichen Instinktes ist.“
[Kasten auf Seite 59]
Sprache und Intelligenz
Warum übersteigt die menschliche Intelligenz bei weitem die der Tiere, wie zum Beispiel die des Menschenaffen? Ein wesentlicher Punkt ist unser Gebrauch der Syntax; wir fassen Laute zu Wörtern zusammen und bilden aus Wörtern Sätze. Dr. William H. Calvin, theoretischer Neurophysiologe, erklärt:
„Wilde Schimpansen gebrauchen etwa drei Dutzend verschiedener Rufe, mit denen sie ebenso viele Inhalte vermitteln. Sie können einen Laut wiederholen, um ihm Nachdruck zu verleihen, aber sie hängen nicht mehrere aneinander, um ihrem Vokabular ein neues Wort hinzuzufügen.
Wir Menschen verwenden ebenfalls rund drei Dutzend verschiedener Laute: die Phoneme. Allerdings sind sie für sich allein bedeutungslos und bekommen nur Sinn, wenn wir sie zu Wörtern aneinanderreihen.“ Wie Dr. Calvin bemerkte, „vermochte noch niemand zu erklären“, wie der Schritt von „Ein Laut — eine Bedeutung“ zu der einzigartigen menschlichen Fähigkeit, sich einer Syntax zu bedienen, erfolgte.
[Kasten auf Seite 60]
Wir können mehr als nur kritzeln
„Ist nur der Mensch, der Homo sapiens, in der Lage, durch Sprache zu kommunizieren? Die Antwort muß natürlich davon abhängen, was man unter ‚Sprache‘ versteht — alle höheren Tiere verständigen sich gewiß durch eine große Vielfalt von Zeichen, wie Gesten, Düfte, Rufe, Schreie und Lautfolgen und sogar der Tanz der Bienen. Tiere scheinen im Gegensatz zum Menschen aber keine strukturierte grammatische Sprache zu haben. Außerdem zeichnen Tiere, was höchst bedeutsam sein kann, keine Bilder, die etwas darstellen. Bestenfalls kritzeln sie“ (Professoren R. S. Fouts und D. H. Fouts).
[Kasten auf Seite 61]
„Was den Geist des Menschen angeht, so finden wir ebenfalls Strukturen von wundervoller Kompliziertheit“, bemerkt Professor A. Noam Chomsky. „Die Sprache ist zwar ein beachtenswertes Beispiel, aber nicht das einzige. Man denke an die Fähigkeit, mit abstrakten Eigenschaften des Zahlensystems umzugehen, was nur dem Menschen eigen zu sein scheint.“
[Kasten auf Seite 62]
„Ausgestattet“ mit der Fähigkeit zu fragen
Mit Bezug auf die Zukunft des Universums schrieb der Physiker Lawrence Krauss: „Wir erkühnen uns, Fragen über Dinge zu stellen, die wir vielleicht nie unmittelbar sehen werden, weil wir sie stellen können. Unsere Kinder oder deren Kinder werden sie eines Tages beantworten. Wir sind mit Vorstellungskraft ausgestattet.“
[Kasten auf Seite 69]
Wären das Universum und die Tatsache, daß wir darin leben, Zufall, hätte unser Leben keinen bleibenden Sinn. Wenn unser Leben im Universum aber auf Planung zurückzuführen ist, dann muß es einen zufriedenstellenden Sinn haben.
[Kasten auf Seite 72]
Weil man sich vor Säbelzahntigern versteckte?
John Polkinghorne von der Universität Cambridge (England) bemerkte:
„Der theoretische Physiker Paul Dirac entdeckte die sogenannte Quantenfeldtheorie, die für das Verständnis der physikalischen Welt grundlegend ist. Ich kann nicht glauben, daß Diracs Fähigkeit, jene Theorie zu entdecken, oder Einsteins Fähigkeit, die allgemeine Relativitätstheorie zu entdecken, eine Art Abfallprodukt von unseren Vorfahren ist, die sich vor Säbelzahntigern verstecken mußten. Etwas Tiefgründigeres, Rätselhafteres ist im Gange. ...
Wenn wir uns die vernünftige Ordnung und die transparente Schönheit der materiellen Welt ansehen, die durch die physikalische Wissenschaft enthüllt wurde, sehen wir eine Welt, die mit Indizien für einen Verstand übersät ist. Für einen gläubigen Menschen ist es der Verstand des Schöpfers, der auf diese Weise zu erkennen ist“ (Commonweal).
[Bild auf Seite 63]
Nur Menschen stellen Fragen. Einige davon sind Fragen nach dem Sinn des Lebens.
[Bild auf Seite 64]
Menschen haben, anders als die Tiere, ein Bewußtsein ihrer selbst und der Zukunft
[Bild auf Seite 70]
Nur der Mensch hat einen Schönheitssinn, denkt über die Zukunft nach und fühlt sich zu einem Schöpfer hingezogen
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