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Eine Bedrohung, die alle Eltern angehtErwachet! 2007 | Oktober
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Eine Bedrohung, die alle Eltern angeht
HEATHER und Scott sind ein lebhaftes, glückliches Paar und sie haben einen aufgeweckten, gesunden dreijährigen Jungen.a Sie kümmern sich liebevoll um ihren Sohn. Das ist in der Welt von heute alles andere als einfach. Eltern müssen so vieles bedenken und abwägen. Es gibt so vieles, was sie ihren Kindern beibringen müssen. Eine bestimmte Verantwortung liegt Heather und Scott ganz besonders am Herzen: Sie wollen ihr Kind vor sexuellem Missbrauch schützen. Warum nehmen sie das so ernst?
„Mein Vater war ein kaltherziger, aufbrausender Trinker“, erklärt Heather. „Er hat mich fürchterlich geprügelt und meine Schwestern und mich missbraucht.“b Fachleute sind sich allgemein einig, dass Missbrauch oft tiefe emotionale Narben hinterlässt. Kein Wunder, dass Heather ihren Sohn unbedingt davor bewahren will! Und ihr Mann Scott denkt genauso.
Das Thema Kindesmissbrauch bereitet vielen Eltern Sorgen. Selbst wer — anders als Scott und Heather — noch nie persönlich mit Missbrauch oder seinen Folgen konfrontiert worden ist, hat zumindest schon schockierende Berichte darüber gehört, wie verbreitet diese Abscheulichkeiten sind. Überall auf der Welt graust es liebevollen Eltern, wenn sie mitbekommen, was Kindern in ihrer Gegend alles zustößt.
Kein Wunder, dass ein Forscher auf diesem Gebiet das Ausmaß sexueller Gewalt an Kindern als „eine der deprimierendsten Erkenntnisse unserer Zeit“ bezeichnet hat. So erschütternd diese Entwicklung auch ist — sie kommt eigentlich nicht überraschend, wenn man sich mit der Bibel beschäftigt. Laut Gottes Wort leben wir heute nämlich in den „letzten Tagen“, einer überaus schwierigen Zeit, in der wie vorhergesagt viele Menschen „brutal“, „eigenliebig“ und „ohne natürliche Zuneigung“ sind (2. Timotheus 3:1-5).
Sexueller Missbrauch ist eine beängstigende Thematik — so beängstigend, dass manche Eltern allein der Gedanke daran lähmt, wie abgrundtief böse jemand sein muss, um sich an Kindern zu vergehen. Müssen Eltern aber vor diesem Problem kapitulieren? Oder können sie konkret etwas zum Schutz ihrer Kinder unternehmen? Um diese Fragen geht es in den folgenden Artikeln.
a Die Namen in dieser Artikelserie wurden geändert.
b Sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt an Kindern liegt vor, wenn sich ein Erwachsener eines Kindes bedient, um sein eigenes sexuelles Verlangen zu befriedigen. Oftmals handelt es sich dabei um das, was die Bibel als Hurerei oder pornéia bezeichnet, wie etwa das Streicheln der Geschlechtsteile sowie genitaler, oraler oder analer Geschlechtsverkehr. Einige sexuelle Übergriffe — wie das Streicheln der Brüste, eindeutig unsittliche Angebote, das Betrachten pornografischen Materials zusammen mit einem Kind, Voyeurismus und Exhibitionismus — können auf das hinauslaufen, was die Bibel als „zügellosen Wandel“ oder ‘mit Gier verübte Unreinheit’ verurteilt (Galater 5:19-21; Epheser 4:19).
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Wie wir unsere Kinder schützen könnenErwachet! 2007 | Oktober
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Wie wir unsere Kinder schützen können
DAS Thema Kindesmissbrauch wird eigentlich am liebsten verdrängt. Eltern schaudert es schon bei dem bloßen Gedanken daran! Leider ist aber sexuelle Gewalt gegen Kinder in der heutigen Welt eine erschreckende und traurige Realität mit oft verheerenden Folgen für die Opfer. Ist es die Sache wirklich wert, sich damit auseinanderzusetzen? Überlegen wir einmal: Was würde man nicht alles darum geben, sein Kind zu schützen! Sich über das Thema zu informieren, so unangenehm das auch sein mag, ist sicher kein zu hoher Preis. Dieses Wissen kann für den Schutz unserer Kinder entscheidend sein.
Eltern brauchen vor diesem weitverbreiteten Problem keinesfalls von vornherein zu kapitulieren. Immerhin verfügen sie über Stärken und Fähigkeiten, die dem Kind noch fehlen und die es erst nach Jahren oder sogar Jahrzehnten erlangt haben wird. Im Lauf der Zeit haben Eltern einen Grundstock an Wissen, Erfahrung und Umsicht erworben. Jetzt kommt es darauf an, diese Stärken weiterzuentwickeln und zum Schutz des Kindes einzusetzen. In diesem Artikel werden drei grundlegende Schritte gegen Missbrauch besprochen, die alle Eltern unternehmen können: 1. selbst zum wichtigsten Schutzwall für das Kind werden, 2. das Kind ausreichend aufklären, 3. konkrete Verhaltensweisen mit dem Kind einüben.
Die Eltern — der wichtigste Schutzwall
Die Hauptverantwortung für den Schutz vor Missbrauch tragen nicht die Kinder, sondern die Eltern. Darum müssen zunächst einmal sie aufgeklärt sein. Es gibt einiges, was Eltern über Kindesmissbrauch einfach wissen müssen — zum Beispiel was für Menschen Kinder missbrauchen und wie sie dabei vorgehen. Eltern stellen sich einen Kinderschänder oft als einen Fremden vor, der im Dunkeln darauf lauert, ein Kind zu entführen und zu vergewaltigen. Solche Scheusale gibt es zweifellos auch. Doch selbst wenn die Medien sehr häufig gerade von derartigen Fällen berichten, sind sie eigentlich relativ selten. In etwa 90 Prozent der Missbrauchsfälle ist der Täter jemand, den das Kind bereits kennt und dem es vertraut.
Die Vorstellung, ein freundlicher Nachbar, ein Lehrer, ein Mitarbeiter einer medizinischen Einrichtung, ein Trainer oder ein Verwandter könnte es auf ein Kind abgesehen haben, gefällt natürlich niemandem. Die meisten Menschen verfolgen auch keine derartigen Absichten. Man braucht nicht pauschal jedem zu misstrauen, mit dem man irgendwie zu tun hat. Aber man kann sein Kind schützen, indem man sich klarmacht, wie Pädophile typischerweise vorgehen. (Siehe den Kasten auf Seite 6.)
Dieses Wissen kann Eltern helfen, ein besserer Schutzwall für ihr Kind zu werden. Angenommen, jemand, der sich anscheinend mehr für Kinder als für Erwachsene interessiert, gibt sich besonders viel mit unserem Kind ab, macht ihm Geschenke, bietet sich als kostenloser Babysitter an oder möchte es auf einen privaten Ausflug mitnehmen. Wie würden wir reagieren? Schlussfolgern, der Betreffende müsse ein Pädophiler sein? Nein. Man sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Möglicherweise hat er keinerlei Hintergedanken. Dennoch kann solches Verhalten uns veranlassen, wachsam zu sein. Die Bibel sagt: „Ein Unerfahrener glaubt jedem Wort, aber der Kluge achtet auf seine Schritte“ (Sprüche 14:15).
Klingt ein Angebot zu gut, um wahr zu sein, ist es das wahrscheinlich auch. Deshalb sollte man jeden, der sich anbietet, allein mit unserem Kind Zeit zu verbringen, genau unter die Lupe nehmen. Man sollte ihn wissen lassen, dass man zwischendurch öfter nach seinem Kind sehen wird. Melissa und Brad, junge Eheleute mit drei Söhnen, sind vorsichtig, wenn sie eines der Kinder mit einem Erwachsenen allein lassen müssen. Als einer der Jungen zu Hause Musikunterricht erhielt, sagte Melissa zu dem Musiklehrer: „Ich werde immer mal wieder reinschauen.“ So viel Vorsicht mag manchem übertrieben erscheinen; doch diese Eltern wollen lieber sichergehen.
Eltern sollten engagiert am Alltag ihrer Kinder teilnehmen: sich dafür interessieren, was sie so alles tun, wer ihre Freunde sind und worum es in der Schule gerade geht. Ist zum Beispiel ein Ausflug geplant, wäre es gut, sich genau über die Einzelheiten zu informieren. Ein Psychologe, der seit 33 Jahren Missbrauchsopfer therapiert, erwähnte, er habe zahllose Fälle erlebt, in denen Übergriffe durch simple Vorsichtsmaßnahmen der Eltern hätten verhindert werden können. Er zitierte einen verurteilten Täter, der gesagt hatte: „Die Eltern geben uns ihre Kinder buchstäblich in die Hand. ... Sie haben es mir wirklich leicht gemacht.“ Man darf nicht vergessen, dass die meisten Täter leichte Beute bevorzugen. Eltern, die engagiert am Leben ihrer Kinder teilnehmen, sorgen dafür, dass niemand leichtes Spiel mit ihnen hat.
Damit sich Eltern als wichtigster Schutzwall für ihr Kind erweisen können, müssen sie auch gut zuhören. Kinder sprechen in den seltensten Fällen offen über ein Missbrauchserlebnis; sie schämen sich und haben Angst vor den Reaktionen. Deshalb müssen Eltern sehr aufmerksam sein, um auch versteckte Andeutungen mitzubekommen.a Sagt unser Kind etwas, was uns Sorgen macht, wäre es gut, ruhig zu bleiben und es durch behutsames Fragen dazu zu bringen, sich zu öffnen. Sagt es zum Beispiel, ein bestimmter Babysitter solle nicht wiederkommen, könnte man nach dem Grund fragen. Erzählt es, ein Erwachsener mache komische Spiele mit ihm, könnten die Eltern fragen: „Was denn für Spiele? Was macht er dabei?“ Beklagt sich das Kind, jemand habe es gekitzelt, sollte man fragen: „Wo hat er dich gekitzelt?“ Eltern sollten die Antwort eines Kindes keinesfalls als belanglos abtun. Missbraucher erklären einem Kind, dass niemand ihm glauben wird — und nur allzu oft haben sie damit leider recht.b Wurde ein Kind tatsächlich missbraucht, ist es zudem ein enorm wichtiger Schritt in Richtung Heilung, wenn die Eltern ihm glauben und es unterstützen.
Selbst zum wichtigsten Schutzwall für das Kind werden
Das Kind ausreichend aufklären
In einem Handbuch zum Thema Kindesmissbrauch wird ein Täter zitiert, der sagte: „Überlasst mir ein Kind, das überhaupt nichts von Sex weiß, und ihr gebt mir mein nächstes Opfer.“ Diese kaltblütigen Worte enthalten eine wichtige Lektion für Eltern: Kinder, die nichts über Sexualität wissen, sind viel leichter zu täuschen. Gemäß der Bibel sind Weisheit und Erkenntnis ein Schutz vor „dem Mann, der verkehrte Dinge redet“ (Sprüche 2:10-12). Zweifellos wünschen wir uns das auch für unsere Kinder. Daher besteht der zweite grundlegende Schritt zu ihrem Schutz darin, sie ohne Zögern über dieses wichtige Thema aufzuklären.
Wie soll man dabei aber vorgehen? Nicht wenigen Eltern ist es ziemlich peinlich, mit ihren Kindern über das Thema Sex zu reden. Den Kindern ist das Thema womöglich noch peinlicher, weshalb sie ihre Eltern von sich aus auch nicht unbedingt darauf ansprechen werden. Also liegt es an den Eltern, die Initiative zu ergreifen. Melissa erzählt: „Wir haben sehr früh damit angefangen, indem wir unseren Kindern erklärt haben, wie die Körperteile heißen. Dazu haben wir keine Babysprache benutzt, sondern die richtigen Wörter, um ihnen zu zeigen, dass kein Teil ihres Körpers irgendwie komisch ist oder etwas, wofür man sich schämen müsste.“ Nach solchen Gesprächen ergibt es sich ganz natürlich, sie über Missbrauch aufzuklären. Viele Eltern vermitteln ihren Kindern einfach, dass die Teile ihres Körpers, die von Badekleidung bedeckt werden, etwas Spezielles sind und niemanden etwas angehen.
Heather, die im vorigen Artikel erwähnt wurde, berichtet: „Scott und ich haben unserem Sohn gesagt, dass sein Penis nur ihn etwas angeht und kein Spielzeug ist. Niemand darf damit herumspielen — weder Mama noch Papa, nicht einmal ein Arzt. Wenn wir mit ihm zum Arzt gehen, erkläre ich ihm vorher, dass der Doktor nur kontrolliert, ob alles in Ordnung ist, und ihn deshalb möglicherweise dort anfassen wird.“ Beide Eltern führen von Zeit zu Zeit solche kurzen Gespräche mit ihrem Sohn. Sie versichern ihm dabei auch, dass er jederzeit zu ihnen kommen und erzählen kann, wenn jemand ihn auf eine Weise anfasst, die ihm verkehrt vorkommt oder bei der er sich unwohl fühlt. Fachleute für Kinderschutz und Missbrauchsvorbeugung empfehlen allen Eltern, mit ihren Kindern derartige Gespräche zu führen.
Vielen ist das Buch Lerne von dem großen Lehrerc dabei eine große Hilfe gewesen. Das Kapitel 32 mit dem Thema „Wie Jesus beschützt wurde“ informiert Kinder offen, aber ohne Angst zu machen, über die Gefahr des Missbrauchs und zeigt ihnen, wie wichtig es ist, sich davor zu schützen. „Das Buch ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel für uns, bei unseren Kindern das zu vertiefen, was wir ihnen bereits selbst erklärt haben“, sagt Melissa.
In der Welt von heute müssen Kinder wissen, dass es Personen gibt, die sie auf verkehrte Weise berühren oder sich von ihnen anfassen lassen wollen. Solche Warnungen müssen einem Kind aber weder Angst machen noch bewirken, dass es allen Erwachsenen misstraut. „Es ist einfach ein Warnhinweis für das Kind“, erklärt Heather. „Und es ist nur einer von vielen Warnhinweisen zu den unterschiedlichsten Themen. Ängstlich geworden ist mein Sohn dadurch überhaupt nicht.“
Einem Kind sollte auch eine ausgeglichene Einstellung zu Gehorsam mitgegeben werden. Gehorsam zu lehren ist nicht einfach, aber wichtig (Kolosser 3:20). Allerdings besteht die Gefahr, ins Extrem zu gehen. Wird einem Kind beigebracht, es müsse allen Erwachsenen immer gehorchen, egal unter welchen Umständen, ist es anfälliger für einen Missbrauch. Pädophile merken schnell, wenn Kinder allzu fügsam sind. Umsichtige Eltern erklären ihren Kindern, dass Gehorsam nicht absolut sein darf. Das ist weniger kompliziert, als es vielleicht klingt, zumal für Christen. Im Grunde braucht man Kindern nur zu vermitteln: „Wenn irgendjemand etwas von dir verlangt, was Jehova Gott verboten hat, musst du das nicht tun. Nicht einmal Mama und Papa dürfen etwas von dir verlangen, von dem Jehova sagt, dass es verkehrt ist. Und wenn jemand möchte, dass du etwas Verkehrtes tust, kannst du es uns immer erzählen.“
Nicht zuletzt sollten Kinder verstehen, dass niemand von ihnen verlangen darf, ihren Eltern irgendetwas zu verheimlichen. Die Eltern sollten ihren Kindern einschärfen, es ihnen auf alle Fälle zu sagen, wenn jemand sie auffordert, etwas vor ihnen geheim zu halten. Ganz gleich, was jemand einem Kind sagt oder womit er ihm droht: Es ist immer gut und richtig, dass ein Kind zu den Eltern geht und ihnen alles erzählt — auch dann, wenn es selbst etwas falsch gemacht hat. Derlei Aufklärungsgespräche müssen Kindern keine Angst machen. Man kann ihnen versichern, dass die meisten Menschen sie niemals an verbotenen Stellen anfassen oder von ihnen verlangen würden, Gott ungehorsam zu sein oder vor ihren Eltern Geheimnisse zu haben. So wie man sich einen Fluchtweg für den Fall überlegt, dass es einmal brennen sollte, handelt es sich dabei lediglich um Informationen für den Notfall — und es kann gut sein, dass sie niemals benötigt werden.
Das Kind ausreichend aufklären
Konkrete Verhaltensweisen mit dem Kind einüben
Als dritter Schritt soll hier besprochen werden, wie man Kindern einige einfache Verhaltensweisen für den Fall beibringen kann, dass sich jemand an sie heranmachen will, wenn die Eltern nicht da sind. Häufig wird dazu eine Art Rollenspiel empfohlen. Die Eltern fragen: „Was würdest du machen, wenn ...?“, und das Kind gibt eine Antwort. Beispielsweise könnte man fragen: „Was würdest du machen, wenn wir zusammen im Supermarkt sind und uns verlieren? Wie würdest du mich wiederfinden?“ Womöglich antwortet das Kind anders als erhofft, doch dann kann man ihm ja mit weiteren Fragen auf die Sprünge helfen, wie etwa: „Hast du vielleicht noch eine bessere Idee?“
Nach dem gleichen Muster kann man sein Kind fragen, wie es sich am besten verhält, falls jemand versuchen würde, es an verbotenen Stellen zu berühren. Ist zu befürchten, dass solche Fragen das Kind beunruhigen, könnte man auch versuchen, eine Geschichte über ein anderes Kind zu erzählen. Zum Beispiel: „Ein kleines Mädchen ist bei einem Onkel, den es mag. Aber dann versucht er, es komisch anzufassen. Was meinst du? Was soll das Mädchen machen, damit ihm nichts passiert?“
Konkrete Verhaltensweisen mit dem Kind einüben
Was für eine Reaktion sollte man Kindern für derartige Situationen beibringen? Ein Fachmann schreibt: „Ein entschlossenes ‚Nein!‘, ‚Lass das!‘ oder ‚Lass mich in Ruhe!‘ kann Wunder wirken, um den Täter abzuschrecken und ihn davon zu überzeugen, dass er sich das falsche Opfer ausgesucht hat.“ Eltern sollten diese Reaktion mit ihrem Kind in kurzen Szenen durchspielen. Dann traut es sich im Ernstfall eher, laut Nein zu sagen, schnell wegzugehen und den Eltern alles zu erzählen, egal was vorgefallen ist. Es empfiehlt sich, solche Übungen regelmäßig zu wiederholen, denn auch wenn ein Kind offenbar alles gut verstanden hat, kann es das Gelernte nach einigen Wochen oder Monaten schon wieder vergessen haben.
Bei diesen Gesprächen sollten alle unmittelbaren Bezugspersonen eines Kindes dabei sein — Vater, Stiefvater und andere männliche Verwandte eingeschlossen. Warum? Weil alle, die an diesem Teil seiner Erziehung mitwirken, ihm dadurch signalisieren, dass sie es selbst niemals missbrauchen würden. Leider ist es aber so, dass Kinder nicht selten direkt in der Familie missbraucht werden. Der folgende Artikel befasst sich mit der Frage, wie man seine Familie zu einem Hort der Sicherheit in einer gefährlichen Welt machen kann.
a Missbrauchte Kinder geben oft nonverbale Hinweise, dass mit ihnen etwas nicht in Ordnung ist. Fällt ein Kind beispielsweise plötzlich wieder in Verhaltensweisen zurück, aus denen es schon herausgewachsen war, wie Bettnässen, Klammern oder Angst vor dem Alleinsein? Möglicherweise handelt es sich um einen stillen Hilferuf, weil es etwas erlebt hat, was es stark aufwühlt. Solche Symptome allein beweisen allerdings noch nicht, dass das Kind missbraucht worden ist. Es kommt darauf an, das Kind sachte dazu zu bewegen, den Eltern zu sagen, was ihm Kummer macht, damit sie es trösten, ihm gut zureden und etwas zu seinem Schutz unternehmen können.
b Der Einfachheit halber ist hier von einem männlichen Täter die Rede. Die Grundsätze gelten jedoch für Täter und Opfer beiderlei Geschlechts.
c Herausgegeben von Jehovas Zeugen.
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Macht eure Familie zu einem Hort der SicherheitErwachet! 2007 | Oktober
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Macht eure Familie zu einem Hort der Sicherheit
„OHNE natürliche Zuneigung“ — das ist die traurige Beschreibung der Bibel für viele Menschen in den sogenannten „letzten Tagen“, unserer Zeitepoche (2. Timotheus 3:1, 3, 4). Dass der Missbrauch von Kindern innerhalb der Familie epidemische Ausmaße angenommen hat, beweist deutlich, wie genau sich diese Voraussage bewahrheitet. Konkret bezeichnet das hier verwendete griechische Wort ástorgosa ein Fehlen der eigentlich natürlichen Liebe unter Verwandten, insbesondere der Liebe zwischen Eltern und Kindern. Und allzu oft werden Kinder genau in diesem Umfeld missbraucht.
Statistiken zufolge geht sexuelle Gewalt gegen Kinder am häufigsten von Männern in der Vaterrolle aus. Oft sind auch andere männliche Verwandte die Täter. Die Opfer sind meistens Mädchen, aber auch viele Jungen werden missbraucht. Weibliche Täter sind nicht so selten, wie man vielleicht annehmen würde. Die wohl am wenigsten aufgedeckte Form des Missbrauchs ist Inzest unter Geschwistern, wenn ein älteres oder stärkeres Kind jüngere oder schwächere Geschwister zu sexuellen Handlungen zwingt oder verleitet. Mit Sicherheit findet jeder von uns all solche Untaten widerlich, zumal wenn wir selbst Kinder haben.
Wie kann man dem in der eigenen Familie vorbeugen? Ganz eindeutig muss sich jedes Familienmitglied mit bestimmten Prinzipien, die einen Missbrauch ausschließen, vertraut machen und sie respektieren. Die beste Anleitung dazu findet sich in der Bibel, dem Wort Gottes.
Gottes Wort zum Thema Intimitäten
Um ein Hort der Sicherheit zu sein, muss sich eine Familie an biblische Moralprinzipien halten. Das Thema Sexualität wird in der Bibel nicht tabuisiert, sondern offen und ohne Umschweife, aber gleichzeitig mit Würde angesprochen. Wie sie zeigt, möchte Gott, dass Eheleute an der intimen Liebe wirklich Freude finden (Sprüche 5:15-20). Sich außerehelich sexuell zu betätigen, wird in der Bibel jedoch eindeutig verurteilt. Beispielsweise spricht sie sich ganz klar gegen Inzest aus. In 3. Mose, Kapitel 18 wird Inzest in den verschiedensten Formen verboten. Man beachte besonders die folgenden Worte: „Ihr sollt euch nicht, kein Mensch von euch, irgendeinem nähern, der sein naher Verwandter nach dem Fleische ist, um die Blöße aufzudecken [das heißt, um Geschlechtsverkehr zu haben]. Ich bin Jehova“ (3. Mose 18:6).
Jehova zählte solche Handlungen zu den „Abscheulichkeiten“, auf die die Todesstrafe stand (3. Mose 18:26, 29). Das macht deutlich, welche hohen Maßstäbe der Schöpfer in dieser Angelegenheit hat. In vielen Ländern sieht der Gesetzgeber das heute ähnlich und stellt Kindesmissbrauch auch in der Familie unter Strafe. Nicht selten werden sexuelle Handlungen Erwachsener mit Kindern strafrechtlich wie Vergewaltigungen eingestuft. Warum dieses starke Wort, obwohl vielleicht keine körperliche Gewalt angewendet wurde?
Immer mehr Fachleute erkennen mittlerweile an, was die Bibel schon lange sagt — dass man von Kindern kaum das gleiche logische Denkvermögen erwarten kann wie von Erwachsenen. Zum Beispiel liest man in Sprüche 22:15: „Torheit ist an das Herz eines Knaben geknüpft.“ Der Apostel Paulus schrieb unter der Anleitung Gottes: „Als ich ein Unmündiger war, pflegte ich . . . wie ein Unmündiger zu denken, wie ein Unmündiger zu überlegen; nun aber, da ich ein Mann geworden bin, habe ich die Merkmale eines Unmündigen abgelegt“ (1. Korinther 13:11).
Ein Kind kann weder die Tragweite sexueller Handlungen erfassen noch deren langfristige Folgen absehen. Daher ist man sich allgemein einig, dass Kinder Geschlechtsbeziehungen überhaupt nicht verantwortlich zustimmen können. Anders ausgedrückt: Hat ein Erwachsener (oder ein deutlich älterer Jugendlicher) sexuelle Beziehungen mit einem Kind, kann er sich nicht damit herausreden, das Kind habe ja nichts dagegen gehabt oder es auch gewollt. Der Erwachsene hat sich einer Vergewaltigung schuldig gemacht. Das allein ist schon ein Straftatbestand, der in der Regel mit Freiheitsentzug geahndet wird. Verantwortlich ist nur der Täter, nicht das wehrlose Opfer.
Leider ist die Dunkelziffer bei diesen Verbrechen sehr hoch. In Australien etwa werden schätzungsweise nur 10 Prozent der Täter angezeigt und nur bei wenigen kommt es zur Verurteilung. In anderen Ländern fällt die Bilanz ähnlich aus. Wenn also der Staat Familien auch einen gewissen Schutz bieten kann, sind doch für Christen biblische Grundsätze der weitaus stärkere Schutz.
Echte Christen wissen, dass sich der Gott, der diese Grundsätze in seinem Wort festhalten ließ, nicht geändert hat. Er sieht alles, was die Menschen tun — selbst das, was den meisten anderen verborgen bleibt. Die Bibel sagt: ‘Alle Dinge sind bloßgelegt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft zu geben haben’ (Hebräer 4:13).
Gott wird uns zur Rechenschaft ziehen, wenn wir seine Gebote missachten und andere schädigen. Andererseits unterstützt er uns, wenn wir uns an seine wertvollen Anweisungen für das Familienleben halten. Wie sehen diese aus?
Eine durch Liebe geeinte Familie
„Liebe“, so die Bibel, „ist ein vollkommenes Band der Einheit“ (Kolosser 3:14). Die Liebe, wie die Bibel sie beschreibt, ist mehr als nur ein Gefühl. Liebe definiert sich aus dem Verhalten: wozu sie motiviert und was sie ausschließt (1. Korinther 13:4-8). In der Familie erfordert Liebe, dass jeder jeden würdevoll, respektvoll und freundlich behandelt. Sie erfordert, dass man Gottes Ansicht über jedes Familienmitglied teilt und sich entsprechend verhält. Er hat jedem eine ehrbare und wichtige Rolle zugedacht.
Als Familienoberhaupt sollte der Vater das Vorbild an Liebe sein. Aus der Bibel weiß er, dass es ihm nicht zusteht, sich als Tyrann aufzuführen und seiner Frau oder seinen Kindern gegenüber seine Macht zu missbrauchen. Stattdessen orientiert er sich daran, wie Jesus seine Führungsrolle ausfüllte (Epheser 5:23, 25). Er ist deshalb zärtlich und liebevoll zu seiner Frau, geduldig und sanft zu seinen Kindern. Er hält treu zu ihnen und beschützt sie hingebungsvoll vor allem, was ihnen ihren Frieden, ihre Unschuld oder ihr Urvertrauen rauben könnte.
Der Ehefrau und Mutter kommt ebenfalls eine überaus wichtige, ehrbare Rolle zu. Die Bibel verdeutlicht anhand des Instinkts mancher Tiermütter, wie beschützend Jehova und Jesus oft auftreten (Matthäus 23:37). Ebenso resolut sollte sich eine Ehefrau und Mutter schützend vor ihr Kind stellen. Aus Liebe stellt sie die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Kinder, ohne zu zögern, über ihr eigenes Wohl. Weder Vater noch Mutter tolerieren auch nur ansatzweise Machtmissbrauch, Schikanen oder Einschüchterung im Umgang miteinander, mit ihren Kindern oder im Umgang der Kinder untereinander.
Begegnen sich alle Familienmitglieder gegenseitig mit Respekt und Würde, fördert das die Kommunikation. Dazu schreibt der Experte William Prendergast: „Als Vater oder Mutter darf man das tägliche vertraute Gespräch mit seinen Kindern nie abreißen lassen, egal wie alt sie sind.“ Dann fügt er hinzu: „Das ist offenbar die beste Gegenmaßnahme gegen sexuellen Missbrauch.“ Genau diese konstante und liebevolle Kommunikation empfiehlt die Bibel (5. Mose 6:6, 7). Wird das konsequent umgesetzt, ist das Zuhause ein Ort, wo jeder offen und vertrauensvoll über seine Gefühle reden kann.
Leider leben wir in einer bösen Welt und deshalb lässt sich nicht jeder Missbrauch verhindern. Aber ein sicheres Zuhause kann ungeheuer viel ausmachen. Stößt einem Familienmitglied außerhalb etwas zu, weiß es genau, wohin es flüchten kann, um Trost und Mitgefühl zu finden. Solch ein Zuhause ist ein echter Zufluchtsort — ein Hort der Sicherheit in einer gefährlichen Welt. Wir wünschen allen unseren Lesern von Herzen, dass ihre Familie mit Gottes Hilfe genau dazu wird.
a Definiert wird dieses griechische Wort auch als „hartherzig gegenüber Blutsverwandten“. Daher gibt eine Übersetzung den Bibelvers wie folgt wieder: „Ihnen fehlt die normale Zuneigung zu ihrer Familie.“
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